Berlin, 20. Febr. (Graf Waldersee.) Der Corr. de l'Est" wird geschrieben: Man thut dem Grafen Waldersee entschieden Unrecht, wenn man ihn als Teilnehmer und Förderer der Propaganda des Hofprediger Stöcker bezeichnet. Der Graf ist tief religiös, aber kein Eiferer und Verfolger anderer Anschauungen. Was den genannten Hofprediger be­trifft, so ist sein Sturz unvermeidlich und eS ist von Seite des Grafen Waldersee auch nicht der geringste Schritt unternommen worden, um den mißliebig ge­wordenen Mann zu stützen.

DieCor. de l'Est" meldet: Graf Waldersee und Graf Herbert Bismarck würden demnächst in Pest und Rom in einer speziellen Mission eintreffen.

In einem ArtikelDer Kaiser und der Kanz­ler" , sagt der Hannov. Kourier:Als Prinz Wilhelm im September 1887 dem Kanzler per­sönlich in Friedrichsruh zum *25jährigen Minister­jubiläum gratulierte, hat er sicher nicht vorausgesehen, daß Fürst Bismarck schon ein Jahr später auch noch sein Minister werde. Daß es dennoch so geworden, hat sicherlich niemand mehr als eine große Gnade der Vorsehung empfunden, denn Kaiser Wilhelm II. Mögen immerhin gewisse Blätter sich den Anschein geben, als hätten sie einen Nachfolger für den er­sten Kanzler womöglich schon zu dessen Lebzeiten bereit, sie haben die Rechnung ebenso ohne den Wirt gemacht, wie die Interessenten der antibismarck- schen Politik unter Kaiser Friedrich die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten, so lange der Kaiser zu regieren vermochte. DasNiemals", welches einst Kaiser Wilhelm I. an das letzte Entlassungs- gesuch des Fürsten Bismarck gesetzt, steht sicherlich ebenso tief und so fest in das Herz seines Enkels eingeschrieben. Und wenn dereinst, nach hoffentlich noch langen Jahren, Gottes Allmacht dem irdischen i Wirken des Staatsmannes ein Ziel setzt, um welchen ^ alle Völker uns beneiden und der für uns Heere s aufwiegt, so wird Fürst Bismarck die Augen in der i Zuversicht schließen dürfen, daß über der mühevollen i Arbeit seines Lebens niemand treuer und sorglicher wacher, wird, als sein Königlicher Herr. Mit ihm die Nation in ihrer großen und dankbaren Mehr­heit." DieNordd. Allg. Ztg." druckt diesen Ar­tikel ab und sagt, sie sei völlig mit ihm einverstanden. !

DerReichsanzeiger" veröffentlicht eine Ver- ! ordnung über die Ausübung der Prisengerichtsbar- keit anläßlich der ostafrikanischen Blokade. Die Ent­scheidung über die Rechtmäßigkeit der Prisen steht dem Prisengericht in Sansibar zu, in zweiter Instanz ^ dem Oberprisengericht in Berlin. Die allgemeine, Gefchäftsaufsicht steht dem Reichskanzler zu. Dem Priscngericht steht der Generalkonsul in Sansibar oder dessen Vertreter als Einzelrichter vor, das Ober­prisengericht besteht aus einem Vorsitzenden und 6 Beisitzern: bei beiden ist jeweils ein kaiserlicher Kommissar bestellt, welcher bei dem Blokadegeschwa- der Auditeur des Geschwaders ist. Die Kommissarien haben den Anweisungen des Reichskanzlers zu fol­gen. Die Ernennung der Mitglieder des Oberge­richts und der kaiserlichen Kommissarien erfolgt durch kaiserliche Ordre. Jede eingcbrachte Prise wird dem kaiserlichen Konsulat übergeben, welches unter Zu­ziehung des Schiffers für Aufnahme des Inventars und Sicherung des Schiffes und der Ladung sorgt. Das Oberprisengericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung des Kommissärs; End­urteile sind mit Gründen zu versehen, dagegen mit der Eingangsformel:im Namen des Kaisers" aus- zuferligcn. Die verurteilte Prise ist vorbehaltlich der kaiserlichen Anordnung durch das Konsulat in San­sibar zu verkaufen, der Erlös kaiserlicher Bestimmung Vorbehalten.

DerKöln. Ztg." telegraphiert mau aus Berlin: Hier eingelroffenen Depeschen zufolge, ist es deni Amerikaner Klein gelungen, sich der Bestra­fung seiner gegen die deutschen Soldaten auf Sa­moa begangenen Verbrechen durch die Flucht zu entziehen. Er hat Lamoa heimlich verlassen und ist inzwischen in San Francisko angckommen. Da­mit ist er in den Bereich der Gerichtsbarkeit der Ver. Staaten zurückgekehrt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die deutsche Regierung sofort bei der amerikanischen Negierung die Verhaftung und Be­strafung dieses Verbrechers beantragen wird. Aus den beschworenen Aussagen der beiden Häuptlinge, die im Wortlaut dem jüngsten deutschen Weißbuch beigefügt sind, geht klar hervor, daß Klein der eigent­liche Anstifter der Ermordung der deutschen Matro-

I sen und Offiziere war , ja möglicherweise sich des ^ Mordes selbst schuldig gemacht hat. Die beiden l Häuptlinge haben ausdrücklich beschworen, daß Klein am 18. Dezember den Manono-Leuten befohlen habe, auf die deutschen Matrosen zu schießen, und daß er sich selbst am Schießen auf die deutschen Matrosen beteiligt hat. Ebenso bestätigt der amtliche Bericht des Konsuls Knappe vom 4. Januar, daß die lan­denden Boote vom Lande aus in gutem Englisch i angerufen worden seien und daß Klein die Führung j der Aufständischen übernommen hatte. Es liegt so- s nach umfangreiches Belastungsmaterial gegen diesen ! Verbrecher vor, und die gegenwärtige amerikanische ! Regierung hat die beste Gelegenheit, an einem in ^ die Augen fallenden Einzelfalle zu beweisen , wie i weit sie gewillt ist, Recht und Gerechtigkeit einem ^ Unterthanen gegenüber zu schützen, der sie auf das ! schmählichste verletzt hat."

Wir leben in einer Dementierwo ch e. Alles, i was in den letzten acht Tagen an interessanten ^ Nachrichten vorgebracht ist, ist nun für unbegründet erklärt: DieHamb. Nachr." traten mit ihrem aus den maßgebenden Kreisen stammenden Artikel gegen die Nationalliberalcn auf; dieNordd. Allg. Ztg." sagt: nicht wahr; der Artikel ist nicht aus der Wil­helmsstraße. Das Organ eines süddeutschen national­liberalen Abgeordneten beschuldigt mehrere Fraktions­genossen der Feindschaft gegen den Reichskanzler;

! dieNatlib. Korr." erklärt diese Mitteilungen für Preßklatsch. Herr v. Bennigsen sollte sich im Reichs- tage geäußert haben, mit dem Tode Bismarcks wür­den die Getreidezölle sowieso sortfallen; derHannov. Kurier" sagt, aus der Luft gegriffen. Ein katholisches Blatt hatte erzählt, Fürst Bismarck habe den Justiz­minister v. Friedberg zum Rücktritt aufgefordert. Die Norddeutsche sagt, dummes Zeug, Kanzler und Mi- , nister a. D. sind heute noch die besten Freunde. Endlich hieß es, Geffcken würde eine Geschichte seines Prozesses schreiben, nachdem er äußerst hohe Hono­rarangebote erhalten Auch das stimmt nicht, Geff­cken will kein Wort mehr sagen. So hat man sich denn ziemlich reichlich umsonst ereifert. Die Frage bleibt nur, ob bei allem Rauch auch nicht ein bischen Feuer war.

Hamburg, l8. Febr. Abschlägiger Bescheid. Das Begnadigungsgesuch des Raubmörders Dauth ist vom Senat abschlägig entschieden worden, ein Beschluß, der um der Scheußlichkeit des Verbrechens willen in unserer Stadt allgemeine Befriedigung er­regt. Die Hinrichtung soll nun in kurzem stattfinden. Oesterreich Ungarn.

Wien, 19. Febr. Dem hiesigen Zeitungsver­schleiße wurde die Erlaubnis zum Verschleiße der Münchener Neuesten Nachrichten" und desBer­liner Tageblatts" wegen ihrer Berichte über die Ka- i tastrophe von Meierling entzogen. :

Die Kronprinzessin Stefanie hat vor ihrer Abreise nach Miramare noch die Kapuzincrgruft in Wien besucht, lieber den Tod des Kronprinzen Rudolph verlauten übrigens abermals Gerüchte, der Kronprinz habe sich nicht selbst erschossen. Es wird behauptet, neben seiner Leiche habe ein fremder Re­volver gelegen, sowie ein kleines mit Blut und Ge­hirn bespritztes Beil. Der Fiaker Bratfisch ist wie von der Erde verschwunden. Auch die findigsten Reporter haben seinen Aufenthalt nicht zu entdecken vermocht. Graf Hoyos will in der Antisklaverei- Expedition des Kardinals Lavigerie Dienste nehmen.

Frankreich.

Paris, 21. Febr. Das langsame Vorgehen Carnots bei Lösung der Ministerkrise erregt allge­meines Mißfallen. Verschiedene Blätter führen schon eine ganz bedrohliche Sprache und sagen Carnot daS Schicksal Grevys voraus.

Paris, 21. Febr. Mehrere Morgenblättcr bringen folgende Ministerliste: Mölme, Präsident­schaft und Ackerbau: Frcycinet Krieg; Barbey Ma­rine: Constanz Inneres; Rouvier Finanzen; Sarnen Justiz: Loubet Arbeiten: Dautresme Handel. Das Auswärtige sei Ribot, der Unterricht Perier ange- boten worden, deren Antwort im Lauf des Tages zu erwarten sei.

Paris. Die Lage ist sehr verwirrt. Der Kammerpräsident Meli ne hat den Plan der Kabi- ! nettsbildung aufgeben müssen, weil er keine geeigne­ten Minister auftreiben konnte und nunmehr hat ^ Carnot mit Frcycinet, Goblct, Tirard konferiert.

' Große Neigung, Ministerpräsident zu werden, hat j Niemand, dem Präsidenten der Republik wird des-

! halb immer dringender geraten, entweder die Kammer ! aufzulösen oder ein reines Beamtenministerium zu ! bilden und die Kammer nach Hause zu schicken. § Carnot hält indessen die äußersten Mittel noch nicht ^ für angebracht. Die Dienstagssitzung der Kammer ! war bewegt, blieb aber wegen des mangelnden Mi­nisteriums resultatloS. Der alte Grevy ist be­denklich erkrankt. Die Weltausstellung soll am I. Mai eröffnet werden. Zur MinistcrkrisiS wird noch berichtet, daß die Lage den Zusammenbruch des bisherigen Regierungssystcms bezeichnet. Eine Aenderung muß spätestens mit den Neuwahlen ein- treten. Carnot hofft auf ein Ministerium Freycinet- Goblet; ob dasselbe aber so lange amtieren wird, bis die Neuwahlen stattfinden, ja ob es überhaupt zu Stande kommt, oder ob noch ein parlamentarisches Kabinet zu bilden möglich ist, das steht dahin.

England.

In London gab's einen Prozeß um des Prin­zen von Wales Nase. Der Prinz trägt eine ziem­lich stattliche Nase von lebhafter Farbe, der man es ansieht, daß ihr Träger ein Glas Wein oder auch zwei nicht verschmäht. Ein Fabrikant, der einen neuen Regenschirm erfunden hatte, suchte seine Erfindung dadurch zu empfehlen, daß er einen Mater beauf­tragte, den Prinzen und seine Gemahlin unter einem solchen Schirm zu malen; man müsse sie aber genau erkennen. Nun fiel die Nase des Prinzen sehr na­turgetreu aus, der Besteller behauptete, sie sei zu groß und zu rot und weigerte sich, die bedungenen 10 Pf. Sterling zu bezahlen. Es kam zur Klage und die Geschworenen sprachen dem Maler die !0 Pf. Sterling zu.

Wie man der Köln. Ztg. aus London schreibt, scheint es sich zu bestätigen, das; entweder Jack der Aufschlitzer selbst, oder einer seiner sklavi­schen Nachahmer Nicaragua und Jamaika besucht hat. Ganz dieselben Mordthaten werden von dort berichtet, dieselbe Wahl der Opfer, dieselbe Art der Verstümmelung, dieselbe Heimlichkeit bei der Aus­führung. Man holt daher wieder jene Theorie her­vor, welche ihn als einen malayischcn Matrosen hinstellle, der zwischen London und Amerika fuhr und einer gewissen Klasse von Frauenzimmern den Tod geschworen hatte.

Serbien.

Belgrad, 18. Febr. Das Projekt der Kö­nigskrönung wird dementiert.

Amerika.

New York, 19. Febr. Ein furchtbarer Wir­belsturm tobte heute in Alabama, Georgia und Vir­ginia. Ganze Dörfer sind vom Erdboden verschwun­den. In Atlanta riß der Sturm ein hölzernes Bau­ernhaus, in welchem sich die ganze Familie befand, hoch in die Luft empor und trug es fast eine eng­lische Meile weit fort, worauf es berstend niederstürzte und alle seine Insassen beim Sturz tötete und unter seinen Trümmern begrub.

In Chicago haben Leute vor einigen Tagen am Morgen mitten auf der Straße ein Faß gefun­den , welches offenbar von einem Wagen gefallen war. Bei näherer Untersuchung entdeckten die Po­lizisten die verstümmelten Reste eines weiblichen Leichnams, welcher bereits stark in Verwesung über­gegangen war.

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Hiezu das Unterhaltungsblatt Tst? 8,

Verantwortlicher Redakteur Sleinwandet in Ragotd.

Druck und Verlag der H. HS. Aaller'schen Buchhandlung in Kagors.