zufolge dauernd in England unter Verschluß blei­ben. Die Kaiserin Friedrich bewahrt aber nur Schrif. ten privater Natur, die den Umsang eines minde­stens vierbändigen Werkes haben sollen.

Kaiser Wilhelm hat am Montag Abend die Besatzung der Festung Spandau persönlich alar­miert. Der Kaiser fuhr im Schlitten von Berlin di­rekt zur Hauptwache in Spandau und ließ General­marsch schlagen. Der Alarmierung schloß sich eine kurze Gefechtsübung und Parademarsch der ganzen Garnison an.

Die Samoa-Konferenz in Berlin wird etwa gegen den Anfang März, nachdem die offiziellen Zu­stimmungserklärungen aus Washington und London eingegangen sein werden, beginnen. Großbritannien und die Vereinigten Staaten werden durch ihren Botschafter resp. Gesandten beim deutschen Reiche vertreten sein, Deutschland wahrscheinlich durch den Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, Graf Ber- chcm. Als Basis für die Konferenzverhandlungen wird die Selbständigkeit resp. Neutralität der Sa­moainseln betrachtet, der Zweck der Besprechungen ist, einen Zustand zu schaffen, welche dauernde Ruhe und Ordnung garantiert. Bei allseitigem gutem Willen wird dies Ziel sehr wohl zu erreichen sein.

Die marokkanische Gesandtschaft beabsichtigt, sich am Sonntag zu Krupp nach Essen und von dort nach Genua zu begeben, um dann die Heim­reise anzutreten.

Die gesamten Kosten der Reichs- bezw. staat­lichen Unfallversicherung für das Jahr 1888 werden ans Grund des vom Rcichsversicherungsamt an den Reichskanzler erstatteten Berichtes auf 27 Millionen

geschätzt.

Oesterreich Ungarn.

Wien, 12. Febr. Die beiden Briefe, die das unglückliche Paar vor seinem Fode schrieb, haben angeblich folgenden Worlaut. Kronprinz Rudolf an den Herzog von Braganza:Lieber Freund! Ich muß sterben. Ich konnte nicht anders handeln. Gehab' Dich wohl. ServuS. Dein Rudolf." Die Baronesse Vetsera an ihre Mutter:Liebe Mutter! Ich sterbe mit Rudolf. Wir lieben uns zu innig. Verzeih uns und lebe wohl. Deine unglück­liche Marie. U.8. Bratfisch hat heute abend wun­dervoll gepfiffen."

Wien, 12. Febr. Die Familie Vetsera sandte Partezettel (Todesanzeigen) aus Venedig, denen zu- , folge die junge Baronesse Marie Vetsera plötzlich verstorben und in Venedig bHattet ist. In zuver­lässigen Kreisen wird es als Thatsache betrachtet, daß die Baronesse gleichzeitig mit dem Kronprinzen gestorben und in Heiligcnkrcuz begraben, jedoch dann nach Venedig überführt worden ist.

Zu der Katastrophe von Meierling erhalten die Hamb. Nachr. aus Wien eine Mitteilung, für die ihnen die Verantwortung überlassen bleiben muß: Nachdem der bekannte Scheidungsplan des Kron­prinzen Rudolf an dem Widerspruch des Kaisers gescheitert und ebenso ein hier nicht näher zu bezeich­nender Anspruch der Mutter der Baronesse erhoben ^ worden war, mußte Kronprinz Rudolf im Beisein eines hohen Staatsbeamten dem Kaiser sein Ehren­wort als Mann, Soldat und Unterthan geben, daß er seine Beziehungen zu Marie Vetsera sofort ab­brechen werde. Der schwere Konflikt, welcher sich für den Kronprinzen ergab, als er es nicht ver­mochte, sein Wort zu halten, mag als letzte Ursache der Katastrophe anzusehen sein.

Nach Wiener Meldungen soll sich in zahlrei­chen österreichischen Ortschaften, namentlich in den Alpcnländern, eine starke Bewegung gegen jenen Teil der Geistlichkeit geltend machen, welche den Trauergottesdienst für den Kronprinzen verweigerte. In Nordböhmen soll aus gleicher Ursache sogar ein Masscnübertritt zum Altkatholicismus bevorstchen.

Wien, 12. Febr. In Brcitensee bei Wien vergiftete ein Gvldarbeiter sich und seine 0 Kinder mit Eyankaln nur das jüngste wurde lebend gesun­den, wird aber auch schwerlich gerettet werden. Ge­gen Ende des vorigen Jahres batte sich die Gattin jres Mannes mit Laugcn-Essenz vergiftet.

800 Oesterrcicher sind bettelarm und an Leib und Seele heruntergekommen aus Brasilien zurück- gekehrt, wohin sic gewissenlose Agenten mit glänzen den Versprechungen gelockt hatten. Sie wurden furchtbar getäuscht, fanden Hunger, .Kummer und i Elend und wären verkommen, wenn sie nicht endlich j die Regierung ans ihre Kosten frei gemacht und her- '

übergeschafft hätte. Nun müssen sie in der ver­schmähten Heimat ein neues Leben anfangen, zu wel­chem sie nichts als ihre schweren Erfahrungen mit­bringen.

Pest, 12. Febr. Der Rädelsführer bei der gestrigen Lärmscene, Takacs, der die Ansicht vertrat,

! man solle sämtliche Minister aufhängen, wurde heute ! verhaftet.

! Holland.

! Amsterdam, II. Febr. Infolge von Ueber- ! schwemmungen steht die Eisenbahnlinie Amsterdam

! RotterdammAntwerpen unter Wasser. Aus Sche- I veningen wird der wahrscheinliche Untergang von 70 ^ Fischerbooten gemeldet.

Frankreich.

Paris, ll. Febr. Es ist ganz unglaublich, mit welchem Hasse Boulangisten und Gegner des Generals einander bekämpfen und welche Verirrungen dieser blinde Haß zeitigt. So hat ein einflußreicher Pariser Gemeinderat neulich offen erklärt:Wenn die Konstituante boulangistisch sein sollte, werden wir und mit uns alle guten Republikaner uns be­mühen, dieselbe in die Seine zu Wersen."

Paris, 11. Febr. Der Artikel derN. Allg. Ztg." bezüglich des Tagesbefehles, welchen der Oberst ' Senart anläßlich der Paßgeschichte des Stabsarztes ^ Eudes an sein Regiment gerichtet hat, hat die na­türliche Folge gehabt, daß die Bevölkerung ihren i Haß gegen die hier lebenden Deutschen in demon- - strativer Weise bekundet. Wie stets bei solchen be- ! sonderen Veranlassungen, sind die deutsche Botschaft und die meisten namhaften Mitglieder der deutschen ^ Kolonie mit Schmäh- und Drohbriefen der gemein­sten Art belästigt worden, an zahlreichen öffentlichen Orten sind Deutsche Injurien oder gar thatsächlichen Insulten ausgesetzt gewesen und in dem Bureau des deutschen Hilfsvereins meldeten sich heute einige ^ l zwanzig Angestellte und Arbeiter, welchen infolge ! der Hetzartikel die Stellung oder die Arbeit gekündigt war. Diese Thatsachen beweisen, daß die Hetzpressc mehr als jemals einen großen Einfluß ausübt, den man nicht unterschätzen darf.

Paris 12. Febr. Der für die Beratung des Wahlgesetzes vom Senat ernannte Ausschuß hat sich ^ einstimmig für dasselbe erklärt.

Paris, 12. Febr. Herr Boulanger hat zwei! neue Anhänger gefunden, Herrn Emile Ollivier! j und Emile Zola, den großen Naturalisten. Jeden- ! falls glaubt letzterer an Boulangers Sieg, weil Bou- ^ langer diemonarchistische Idee" verkörperte:Man ^ mag immerhin von unseren demokratischen Gefühlen! reden, wir sind Monarchisten bis ins Mark. Wir ' können nicht leben, ohne einen Herrn anzubeten, wir wollen Glanz, goldbestickte Uniformen, rote Bänder, ' eine strahlende Gefolgschaft; wir brauchen einen! Mann, dem wir hutschwenkend folgen können, wenn ^ er in seinem vornehmen Landauer sich vornehm streckt. ! Diesem Bedürfnis entspricht Boulanger." In diesen ! ironischen Worten liegt viel Wahres. So ist in der j That der französische Volkskarakter.

Paris, 12. Febr. Der Stabsarzt Eude war lediglich selbst schuld, daß er nicht nach Straßburg kam, wie sein Bruder, ein Professor aus Dijon, dem lediglich nichts in den Weg gelegt wurde. Nachdem Eude aus der deutschen Botschaft den Bescheid er­halten, daß das Privattelegramm nicht genüge, son­dern ein offizielles Telegramm nötig sei, kehrte er in seine Garnison Chateaurvux zurück, wo er eine De­pesche des Polizcidirektors von Straßburg vorsand, welcher die Reise genebmigte und ihm mittcilte, daß die Grcuzbehörden angewiesen worden seien, ihn un­gehindert die Grenze überschreiten zu lassen. Hieraus i antwortete Eude telegraphisch, daß er durch die Fahrt ^ nach Paris ermüdet sei und nunmehr aus die Reise! nach Straßburg verzichte.

Paris, 18, Febr. Im Senat wurde die Vor­lage, betreffend Einführung von Bezirkswahlcn, nach kurzer Diskussion mit 228 gegen 52 Stimmen an­genommen ; doch sollen partielle Wahlen bis zur Vornahme der allgemeinen Wahlen nicht stattsiuden.

Aus Paris: Die Deputiertenkammer hat, wie sich vorausschcn ließ, das neue Wahlgesetz glatt angenommen, und der Senat wird dasselbe thun. Boulanger stimmte gegen das Gesetz. sprach aber nicht, sondern will erst am nächsten Donnerstag sich hören lassen, wo die Frage der Vcrfassungsrevision zur Beratung kommen wird. Dieser Sitzung wirk» mit bangem Zweifel in den republikanischen Kreisen entgegengesehcn, es kann sehr leicht in derselben zum

Sturz des Ministeriums Floquet kommen. Der ul­traradikale Clemenceau soll auch einmal als Pre­mierminister sich versuchen und deshalb mit Monar­chisten und Boulangisten gegen Floquet stimmen wol­len. Ein Ministerium Clemenceau ist aber erst recht unhaltbar, und gegen ein gemäßigtes Kabinet wer-

Die L

age

den natürlich alle Radikalen auftretcn. der Republik ist nicht eben rosig.

Paris. Floquet gab seine Demission. Paris. Ein schweizerischer Staatsmann will dieser Tage eine Unterredung mit General Boulan­ger gehabt haben und erzählt, der General habe ihm den ganzen Plan auseinandergcsetzt, nach welchem er die französische Republik neu begründen wolle. Unsere Republikaner" . sagte Boulanger,bedenken ^ nicht, daß ich in den Vereinigten Staaten von Nord­amerika gelebt und von dort'ein ganz anderes Ideal ^ der Republik mitgebracht habe. Bis jetzt haben wir ^ in Frankreich weder eine Republik, noch Republika­ner. Die gegenwärtige Republik ist nur eine ent­hauptete Monarchie und unsere Republikaner sind Monarchisten, ohne es zu wissen. Wenn der Graf von Paris heute auf den Thron seiner Väter ge­langen würde, so hätte er an der jetzigen Verfassung nichts zu ändern als die siebenjährige Präsident­schaft der Republik, welche durch die erbliche Mo­narchie zu ersetzen wäre. Alles andere, sogar der parlamentarische Apparat, könnte bestehen bleiben. Frankreich befinde sich jetzt in den Händen von Ausbeutern und habe eine Verwaltung, wie sic schlech­ter nicht gedacht werden könne. Da die in ihren Hauptzügen wiedergegebene Unterredung von einem boulangistischen Organe derCocarde" reproduziert ^ wird, scheint dieselbe wenigstens nicht ganz der Phan- ' tasie zu entstammen.

Italien.

Rom, 12. Febr. In der gestrigen Allocutivn ^ erklärte der Papst, er trachte, gute Beziehungen zu den Mächten herzustclleu und hoffe, daß die derzei­tigen Verhandlungen mit Rußland erfolgreich zu Ende geführt werden können; die russischen Bischöfe seien noch nicht definitiv ernannt, die Interessen der Polen würden gewahrt werden. Auf die Unruhen ^ von Rom anspielend, sagte der Papst: Die Verwe­genheit böser Triebe wende sich gegen die Grund- ! lagen der bürgerlichen Gesellschaft, weil daS Volk ! die Stimme der Religion nicht mehr höre. Weiter sagte der Papst, der Friede sei notwendig, alle Staa­ten scheuten die Schrecken des Kriegs; aber die Schwere der Rüstungen seien nicht Vertrauen er­weckend und die Kosten so drückend, daß man frage, ob nicht der Krieg besser sei. Der dauerhafte Friede werde nur durch die Religion hcrbeigeführt werden.

Die bedauerlichen Ereignisse in Rom scheinen denn doch nicht auf Rechnung der Internationale gebracht werden zu müssen. Vielmehr handelte es sich um Arbeiter; nicht um die intelligente Klasse der römischen Klubbrüdcr, sondern um arme, durch mo­natelangen Hunger körperlich und geistig herabgc- kommenc Menschen, die die Verzweiflung zum Aeu- ßersten getrieben. Seit einem Jahr herrscht eine Baukrise in Rom, die mit dem Riesen-Bankerott der Bauunternehmer-Firma Moroni begann und immer weitere Kreise zog, so daß in Bälde die ganze einst so üppige, ja übermäßig üppige Bauspekulation stockte und tausende fleißige und bescheidene Arbeiter ihr Brot verloren. Die einzige Hoffnung dieser Leute war nun die Aussicht auf die großartigen Neubauten, die die Regierung plante. Und nun kam auf einmal die Erklärung des neuen Finanzministcrs:Die Regierung hat kein Geld, um zu bauen, wir müssen sparen." Das war das Losungswort der Rebellion.

Venedig, 14. Febr. Seit 24 Stunden weht ein so heftiger Orkan, daß der Lloydverkehr nach Triest unterbrochen ist. Der MarkuSplatz ist über­schwemmt, in den Lagunen sind angeblich 30 Men­schen ertrunken.

England.

Folgende Auslassung eines Blattes in Man­chester verdient die Beachtung deutscher Leser:Wenn die Deutschen sich etwa einbildcn, daß sie die Ara­ber mit 2 Mill. unterjochen können, so wird ihnen ihr Irrtum bald klar und die Augen werden ihnen geöffnet werden. Die Araber sind vortreffliche Krie­ger, selbst wenn sie mit primitiven Waffen kämpfen; die unter Bushiri vereinigten Streitkräfte scheinen aber mit modernen Schußwaffen gut ausgerüstet und mit dem Gebrauche derselben vertraut zu sein. Die Truppen, welche ihnen Deutschland gegenüberznstel-