Gebiete der Landesverfassung: eine Volkskammer mit bedingungsloser Beseitigung der privilegirten Vertreter aus der zweiten Kammer, sowie eine Fest­stellung der Verantwortlichkeit des Staatsministeriums für Stimmführung und Anteilnahme der württem- bergischen Regierung an der Gesetzgebung und Ver­waltung des Reiches. II. Auf dem Gebiete der Staats- und Gemeindeverwaltung: Selbstverwaltung, Städteordnung, Reform der Gemeindeverfassung, Um­bildung der Amtsversammlungen in direkt gewählte Bezirksvertretung, Beseitigung der Kreisregierungen, Abschaffung der Lebensläüglichkeit der Ortsvorsteher. III. Auf wirtschaftlichem Gebiete: Beschränkung der Staatsausgaben, gleiche Verteilung der Mehrlasten, Hebung der Volksschule, Abänderung des bäuerlichen Erbrechts, Wildschadengesetz u. s. w.

Heilbronn, 9. Dez. Wie dieHeilbr. Ztg." meldet, will Oberbürgermeister Hegelmaier einen zwei­monatlichen Urlaub nach Italien zur Stärkung seiner angegriffenen Gesundheit antreten. !

Deutscher Reichstag. In nahezu tzstündiger Debatte ! wurde am Freitag die erste Beratung des Arbeiter-AlterS- ! und Jnvalidenversorgungsgesetzes fortgesührt, aber noch nicht zum Abschluß gebracht. Abg. Buhl (natlib.) sprach die prin­zipielle Zustimmung seiner Partei zu der Vorlage aus. die hoffentlich den sozialen Frieden fördern helfen werde. Von einer Armengesetzgebung sei hierbei nun und nimmer die Rede. Der Redner warnte vor Herabsetzung der Altersgrenze und Erhöhung der Rente, weil die Kosten dann zu groß werden würden. Allerdings werde das Gesetz die Armenlast der Städte erheblich erleichtern. Zur Centralleitung sei am besten eine Rcichsanstalt. Mit dem Reichszuschluß sei in diesem Falle seine Partei einverstanden. Zu verbessern sei an der Vorlage noch viel, das werde hoffentlich in der Kommission gelingen. Abg. Hitze (Ccntrum) erhoffte von dem Gesetze ebenfalls die Förderung des sozialen Friedens. Den sozial­demokratischen Agitatoren werde man cs freilich nie recht machen können. Redner wünscht für die Verwaltung einen Anschluß an die Bcrufsgenossenschaftcn. Den Reichszuschuß! erachtet er nicht für nötig, diese Summe könne durch Com- munalsteuerzuschläge aufgebracht werden. Abg. v. Helldorf (kons.) ist mit der Vorlage im Großen und Ganzen einver­standen. Die heutige Zeit ist zur Lösung sozialpolitischer Auf­gaben verpflichtet und da dürfe keine Partei zurückbleiben. Die formelle Ausarbeitung des Entwurses lasse freilich viel zu wünschen übrig und die Kommission werde mit der Aus­arbeitung »och genug zu thun bekommen. Abg. Schräder (frcis) kritisiert den Entwurf abfällig, der dem Arbeiter nichts nützen werde. Die Renten seien viel zu gering und höhere Renten könnten ohne höhere Beiträge nicht gewährt werden. Die Arbeitgeber würden im Gegenteil versuchen, ihre Beiträge auf die Arbeiter abzuwälzc», so daß diese nur zahlen müßten, ohne etwas Rechtes davon zu haben. Mit diesem Gesetz werde man nicht zum sozialen Frieden kommen. Abg. Buschncr (frcikons.) findet den Umfang der Versicherung zu weit und warnt vor zu hoher Rente. Geringe Renten könne man stets erhöhen. Ohne Reichszuschuß sei das Gesetz un­durchführbar, erwünscht sei auch eine Rcichsanstalt. Montag Mittag 12 Uhr wird die Beratung fortgesetzt. Zugleich findet vie erste und zweite Beratung der Kaiser Wilhelm-Denkmals- vorlage statt. i

Berlin. Reichstag. Der Entwurf der Al-A ters- und Invalidenversicherung wurde nach langer, Debatte einer besonderen Kommission von 28 Mit-! glieder überwiesen.

Berlin, ll. Dez. Der Reichstag genehmigte in zweiter Lesung die Vorlage über das National-! denkmal für Kaiser Wilhelm. Bei der Abstimmung ^ blieben nur die Sozialisten sitzen. !

Tie Weihnachtssenen ves Reichstags sollen vom 15. Dez. bis zum 8. Januar dauern.

DerRcichsanzeiger" veröffentlicht nachstehen des Telegramm, welches Se. Majestät der Kaiser und König am 2. Dez. an Se. Majestät den Kaiser Franz Josepy gerichtet hat, sowie die darauf erfolgte Antwort:

-Lr. Mas. dem Kaiser von Oesterreich, Miramar. ^

Es ist mir ein aufrichtiges Herzensbedürfnis, Dir nochmals meine wärmsten und innigsten Glück­wünsche zum heutigen Tage auszusprechen. In herz­lichster Dankbarkeit gedenke ich der treuen Freund-! schaff, die Tu mir stets bewiesen. Gott erhalte Dich unfern beiden Völkern zum Heil und dem europäi-! schen Frieden zum Nutzen noch recht lange. Tausend > Grüße der Kaiserin. Wilhelm II. !

Sr. Majestät. Kaiser Wilhelm, Berlin. !

Wien (Burg), 3. Dez. 1888. !

Die erste Zeit nach meiner Rückkehr aus Mi- ^ ramar gestört der Erfüllung einer Hcrzenspflicht, Dir für die erneuten warmen Glückwünsche mit gleicher Innigkeit zu danken und Dich zu bitten, Meiner! treuen Freundschaft ebenso versichert zu sein, wie! ich der Deinen unter allen Verhältnissen fest ver-! traue, überzeugt, daß unser unerschütterlicher Freund- i schastsbund den Frieden sichern und unseren Reichen! Segen bringen werde. Tie Kaiserin erwiderte Deine > Grüße von Herzen. Franz Josef. i

Die Voruntersuchung gegen Professor G efske n ist, wie die Frkf. Ztg. vernimmt, geschlos­sen; eS folgt nun der entscheidende Beschluß darüber, ob eine Anklage erhoben werden soll oder nicht.

Der Ausschuß des deutschen Krieger­bundes hielt in Sachen des von demselben geplanten Denkmales für Kaiser Wilhelm I. am Sonntag in Berlin eine Sitzung ab. In der­selben wurde einstimmig beschlossen, als Aufstellungs­ort für das Denkmal den Küffhäuserberg in Aus­sicht zu nehmen, vorbehaltlich der maßgebenden Aller­höchsten Hohen Genehmigung.

Die Centrumspartei will einen Antrag im Reichstage einbringen, der sich gegen die Abzahlungs­geschäfte, den Hausierhandel und die Wanderlager richten soll.

DerKreuzzeitung" zufolge dürfte man sich für das kommende Frühjahr auf ausgedehnte Massenstreiks gefaßt machen. (Warum?)

Leipzig, 9. Dez. Die Dampfbuchbinderei von Sperling ist niedergebrannt; 300 Arbeiter sind brotlos geworden.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 8. Dez. Fürst Lichtenstein läßt die Meldung, daß er dem Papst sein Fürstentum zum Aufenthalt angeboten habe, telegraphisch dementieren.

Der Fürst von Lichten stein hat seinen Dank bereits dahin. Der päpstliche Nuntius Galimbertie in Wien hat ihm im Namen des Papstes für sein Anerbieten gedankt und ihm erklärt, daß der Papst jetzt Rom nicht zu verlassen gedenke, also auch das Fürstentum Lichtenstcin nicht brauche, daß er im Fall eines Krieges Vaduz, die Hauptstadt des Für­stentums, zu seinem Zufluchtsort wählen werde. Von den 10 Millionen Gulden, die der fromme Fürst dem Papst schon jetzt testamentarisch vermacht haben soll, scheint man nicht weiter gesprochen zu haben. Belgien.

Die Arbeiterbewegung in Belgien dauert ungeschwächt fort. In den letzten Tagen sind in verschiedenen Orten Dynamitattentate verübt worden. Die belgische Presse ist bemüht, diese Vorkommnisse auf die Umtriebe ausländischer Wühler zurückzufüh­ren, welche besonders von deutschen Kohlenprodu­zenten bezahlt sein sollen. Die traurige Lage der belgischen Kohlenarbeiter ist zu bekannt, als daß über die wahren Ursachen der Arbeiterbewegung noch Täuschung möglich wäre.

Haag, 5. Dez. Die niederländische und fran­zösische Regierung haben sich geeinigt, die Frage der Grenzbestimmungzwischen Surinam und Cayenne einem Schiedsrichter zu unterbreiten. Der Minister des Auswärtigen hat dies heute der zweiten Kammer mitgeteilt. Man meint, der Kaiser von Rußland werde um den Schiedsspruch ersucht werden. Es handelt sich um reichhaltige Goldlager, die in dem bestrittenen Gebiet entdeckt worden sind.

Frankreich.

Paris, 7. Dez. Ueber die Scheidung der Ehe Boulangers hat dieser dem Redakteur Chinchole vomFigaro" einiges mitgeteilt. Er demen­tiert die Gerüchte, als wäre er ein Don Juan und > hätte soviel Liebschaften als 10 junge Männer von! 25 Jahren zusammen. Das Zerwürfnis komme da her, daß Mad. Boulanger sich der Verheiratung ^ ihrer Tochter Marcelle mit einem Mann ihrer Wahl ^ aus wichtigen Gründen stets widersetzt habe; als sie doch zu stände kam, trennte sie sich ganz von ihrem Mann und zog sich mit ihrer älteren Tochter nach Versailles zurück. Der General verlange die Schei­dung. und nicht die Frau.

Paris 8. Dezbr. Der Artikel derNordd. Allg. Ztg.", worin anläßlich der dem ehemaligen Oberst Stoffel in Straßburg durch eigene Schuld widerfahrenen Unannehmlichkeit die Thatsache kon­statiert wird, daß in letzterer Zeit in einer ganzen Anzahl deutscher Städte französische Offiziere Auf­enthalt nehmen und häufig durch ihr Benehmen ihre Ausweisung notwendig machen, hat natürlich die ge­samte chauvinistische Presse zu wahren Wutausbrü­chen veranlaßt. Als "Antwort werden zuvörderst alle alten absurden Spioncngeschichten wieder her­vorgesucht und sodann verlangt, daß die Regierung sich diese deutsche Insolenz nicht länger gefallen lasse. Der radikale Deputierte Camille Dreyfous gcberdet sich in seinem OrganeLa Nation" geradezu wie ein Toller:Ich frage, wie lange wird man noch diese deutsche Frechheit ertragen. Wozu nützt es, daß wir 20 Milliarden für unsere Armee ausgege­

ben haben? Wozu soll die jetzt noch verlangte Mill. dienen, wenn wir immer noch ungerächt alle Belei­digungen Deutschlands ertragen sollen? Unsere Ar­tillerie ist die erste der Welt, unser Gewehr ist besser als alle Gewehre der europäischen Armeen. Wenn wir jetzt nicht bereit sind, wenn dann werden wir es sein? Und wenn wir es sind, warum warten wir noch? Ich verlange nicht, daß man sofort Deutsch­land den Krieg erkläre. Aber genug der Provoka­tionen. Man weist die französischen Offiziere aus Deutschland aus: Feget die deutschen Offiziere fort, welche in den Hotels von Nancy und in allen an­deren Städten der Ostgrcnze sich aushalten. Feget die deutschen Commis fort, welche in allen Magazi­nen uud Comptoiren von Paris angestellt sind. Wenn mau mit Wilden zu thun hat, darf man die­selben nicht als civilisierte Menschen behandeln.

Im nächsten Jahr, dem 100. Jubiläumsjahr der großen französischen Revolution von 1789, soll in Paris ein Sozialdemokratenkongreß stattfinden. Wenn deutsche Genossen ihn besuchen, so wird Lieb­knecht allein das Wort führen müssen; denn er ist der Einzige, der französisch und englisch fertig spricht, beinahe wie deutsch. Sein Schüler ist Bebel, dem ! er einst in gemeinsamer Haft das Verstehen des ! Französischen gelehrt hat, der es aber noch nicht sprechen kann.

! Der Kriegsminister in Paris ist ein Bar- ! bar; er hat den Hauptmann Briant, den Schwie- ! gersohn Boulangers, mitten aus den Flitterwochen herausgerissen und ihn für einen ganzen Monat in Arrest gesteckt. Warum? Weil Briant ohne seine Genehmigung ein Buch geschrieben hat:Der mor­gige Krieg."

Italic«.

! Rom, 7. Dez. Die offiziöseJtalia" schreibt ! anläßlich der gestrigen Rede Crispis: Die Rede be- ! zweckte die Aussöhnung zweier Länder, die keinen i Grund haben, sich zu befehden. Die Tripelallianz ! stehe einem solchen friedlichen Einvernehmen durch­aus nicht entgegen. Italiens Rüstungen seien nicht, gegen Frankreich gemünzt, sondern sollen einfach die Sicherheit des Landes gegen irgendwelche Even­tualitäten verbürgen. DieItalic" hofft, daß Cris­pis Rede in Frankreich ein freundliches Echo finden werde.

l Rom, lO. Dezbr. Die ZeitungCapitano" Fracassa" bringt ein Telegramm aus Neapel, wel­chem zufolge am Samstag, abends 0 llhr, 2 junge Leute, Alfano und Rossi, Mitglieder einer republi­kanischen Verbindung, dabei betroffen wurden, wie sie an einem unter das deutsche Konsulatsgebäude gelegten Bindfaden zu einer dort gelegten mit Draht umwickelten Bombe Feuer legten. Dieselben wurden verhaftet. Alsano ist einer der Fünfzehn, welche wegen Ausstreuung von mit aufrührerischen Redens­arten beschriebenen Zettelchen bei der Ankunft des Kaisers Wilhelm in Neapel verhaftet wurden.

In den letzten Tagen ist ein neuer Band Re­den des Papstes erschienen. Diese Reden gaben, wie die Pol. Korresp. hervorhcbt, durch Form und Inhalt Zeugnis ab von der geistigen Frische und der körperlichen Widerstandskraft des Oberhauptes der katholischen Kirche. Der Papst hat ungeachtet seines herannahenden 80. Lebensjahres in dem ab­laufenden Jahre nicht weniger als 76 Reden gehalten.

England

Den Engländern giebt es viel zu sprechen und dem I)r. Mackenzie viel zu denken, daß ihn die Kaiserin Friedrich nicht ein einziges Mal hat nach Schloß Windsor rufen lassen und ihm noch weniger einen Besuch gemacht hat. Großen Eindruck nicht nur aus ihn, sondern auch auf das Publikum hat es gemacht, daß er aus der Aerztegescllschaft hat austreten müssen. Auch bei einem Fest zu Ehren der Universität in Edinburg, an welchem Mackenzie teilnahm, war nicht ein einziger Arzt er­schienen, obgleich alle anfgesordert waren.

DerTemps" hat folgende Depesche: Sansi­bar, 8. Dez. Der Häuptling Buschere hat 4000 Alaun, mit Hinterladern bewaffnet, bei sich und hält die Deutschen im Schach. Letztere wurden inBaga- moyo angegriffen und erlitten bedeutende Verluste.

- Tie englischen Unterthancn beklagen sich über die Blockade, die ihnen enorme Verluste bringt. Die Indier behaupten, England unterstütze Deutschland zu ihrem Schaden. Man fürchtet, daß in Sansibar ein Aufstand ausbricht. Der englische und deutsche