4

Mge rum Gefell scliafter.

^ 145 .

Samstag den 8. Dezember

1888 .

Amtliches.

Nagold.

An die GrlsvsrsteHerr.

Die Vorbereitungen für die neuen Landtagswahlen betreffend.

Unter Beziehung auf die K. Verfügung vom 3. Nov. d. I., Reg.-Bl. Nr. 28, werden die Orts­vorsteher aufgefordert, dafür zu sorgen, daß in jeder Gemeinde

1) die Ortswahlkommission für die Entwersung und Fortführung der Wählerlisten alsbald ordnungs­mäßig bestellt wird. Dieselbe besteht aus dem Orts­vorsteher als Vorstand, dem Gemeindepfleger und 3 weiteren von dem vereinigten Gemeinderat und Bürgerausschuß aus ihrer Mitte zu wählenden Mit­gliedern (Art. 1 des Wahlgesetzes vom 26. März 1868, Reg.-Bl. S. 178).

Dabei wird darauf aufmerksam gemacht, daß nach Artikel 2 des Wahlgesetzes die Kommissionen bleibend sind und daher eine Neuwahl der von dem vereinigten Gemeinderat und Bürger-Ausschuß be­stellten Mitglieder nur insoweit stattfindet, als Letz­tere aus jenen Collegien ausgeschieden sind. Es ist aber eine Neuwahl auch für solche Kommissionsmit­glieder vorzunehmen, welche seit der letzten Abge- ördnetcnwahl in Folge des Ablaufs ihrer Wahl­periode aus dem Gemeinderat oder Bürgeransschuß ausgetreten und dann später wieder gewählt worden sind, da das betreffende Kommissionsmitglied, wenn auch mitunter nur kurze Zeit, aus dem Kollegium auszuscheiden hatte. Dabei unterliegt es jedoch kei­nem Anstande, daß dasselbe auf's Neue in die Kom­mission gewählt werden kann.

2) die Wählerlisten durch Erhebung und Samm­lung des zu ihrer Ergänzung und Richtigstellung dienlichen Materials (Artikel 3 und 4 -des Wahlge­setzes) gehörig verbreitet werden, damit dieselben, namentlich in größeren Gemeinden, innerhalb der an das Wahlausschreiben sich anschließenden zebn- tägigen Frist ohne Schwierigkeit fertig gebracht wer­den können, wobei den Ortswahlbehörden in Gemäß­heit eines Ministerialerlasses vom 8. Nov. 1870 bemerkt wird, daß nach der Ansicht des Ministeriums des Innern die zur ritterschaftlichen Abgeordneten­wahl berufenen adeligen Rittergutsbesitzer unter den Voraussetzungen und Art. 2 des Verfassungsgesetzes vom 26. März 1868 (Z. 80, S. 176) zur gleich­mäßigen Teilnahme an den Abgeordneten-Wahlen der Stadt- und Oberamts-Bezirke berechtigt, folgen­weise zutreffenden Falls in die Wählerlisten aufzu­nehmen sind, und da ferner nach Art. 4 des Gesetzes vom 26. März 1868, R.-Bl. S. 179, Wahlberech­tigte, welche in der Gemeinde ihres Wohnsitzes oder ihres nicht bloß vorübergehenden Aufenthalts direkte Staatssteuern (wozu auch die Steuer aus Kapital-, Dienst- und Berufs-Einkommen gehört), Wohn-, oder Bürgersteuer entrichten, von Amtswegen in die Wäh­lerlisten aufjunehmen sind, so sind bei Anfertigung der Wählerlisten auch die Steuerabrechnungsbücher und die Steuereinzugsregister zu vergleichen, damit Auslassungen möglichst vermieden werden.

3) fft binnen 6 Tagen durch Einsendung eines Protokoll-Auszugs anzuzeigen, daß und wie die O-rtswahikommissionen für Entwerfung und Fort­führung der Wählerlisten ergänzt sind und wie groß die ungefähre Anzahl der Wähler und der Bedarf an Wählerlisten zu einfacher Aufstellung ist.

Den 6. Dezember 1888.

_ K. Oberamt. I)r. Gugel.

Die Schulstelle in Bronnholzheim wurde dem

Schullehrer Köngcter in Hornbcrg (Calw) übertragen.

Tages-Rerrigkeiten.

Deutsches Reick.

* Nagold, 7. Nov. Wie geahnt, hatte die Bürgerausschußwahl wieder zwei Termine nötig, und haben von 424 Wahlberechtigten 136 abgestimmt. Gewählt wurden: Gustav Klein als Obmann mit 24 Stimmen; in den Ausschuß : Ehr. Schuon mit 67, Uhrmacher Günther 58, alt Adlerwirt Stockinger

52, Gutekunst z. Pflug 51, Bäcker Wagner 41. Gottl. Schmid, Kfm. 37, und als Ersatzmann für G. Klein, welcher im Ausschüsse zu verbleiben hätte und nun als Obmann gewählt ist, Robert Theurer, 35 Stimmen.

* Nagold, 7. Dez. Gestern Abend gegen 7 Uhr wurde unsere Feuerwehr durch die bekannten Signale eines auswärtigen Brandes allarmiert: es brannte in Unterschwandorf und kam das Feuer in dem Dachstuhle des Hauses des Löwenwirts Schüßler aus. Obgleich die Feuerwehren von Haiterbach und Oberschwandorf schnell auf dem Platze waren, so konnte es doch nicht verhütet werden, daß auch das Nachbargebäude des Schreiners Angster sofort er­griffen und wie ersteres vollständig zerstört wurde, wodurch zwei Wohngebäude je mit Scheuer in kurzer Zeit in Schutt und Asche lagen. Da die Beischaf­fung des Wassers schwierig war, so waren die Lösch­versuche sehr erschwert und nur der angestrengtesten Thätigkeit der Feuerwehren war es zu danken, daß das verheerende Element nicht noch größere Dimen­sionen annahm. Die abgebrannten Hausbesitzer, die beim Ausbruche des Feuers ortsadwesend waren, sollen versichert sein. Ursache des Brandes noch nicht festgestellt; man vermutet Fahrlässigkeit.

Freuden st ad t. Nächsten Sonntag wird dahier eine öffentliche Versammlung der Stadt und Umge­gend mit den benachbarten badischen Interessenten stattfinden, in welcher mit Herrn v. Jaffa, der um sein Erscheinen in Freudenstadt gebeten wurde, die Ausführung der lauggewünschten Murgthalbahn er­wogen werden soll. Herr v. Jaffa ist Deutscher von Geburt.

Stuttgart, 4. Dez. Gestern standen die bei­den Eisenbahnbediensteten vor der ersten Strafkammer, welche das Eisenbahnunglück vom 17. September im hiesigen Bahnhofe verursachten, Hilfsweichenwärter Karl Ehrenfried und Weichenwärter Friedrich Rieth­meyer. Letzterer wurde zu 1 Monat Gefängnis ver­urteilt, Ehrenfried freigesprochcn.

Stuttgart, 5. Dez. Der Schluß des Land­tages erfolgt nächsten Freitag. Prinz Wilhelm wird die Schließung namens des Königs vollziehen. In der heutigen Sitzung beider Kammern gab Minister v. Mittnacht eine Erklärung betreffend die Revision der Verfassung, insbesondere die veränderte Zusam­mensetzung der Ständeversammlung ab. Die Regie­rung suchte im Februar eine vorläufige Orientierung mittelst Besprechungen mit Vertrauensmännern beider Kammern. Die Regierung war bereit, eine Ver­ständigung darin zu suchen, daß die Vertreter der Ritterschaft, der Geistlichkeit und der Universität in die Kammer der Standesherren ausgenommen würden und das Abgeordnetenhaus ein anderes geeignetes Element dafür erhielte. Der Vorschlag der Regie­rung, 22 Abgeordnete durch Höchstbesteuerte, je einen auf 1000, wählen zu lassen, fand nicht die Zustim­mung der Vertrauensmänner. Diese schlugen 17 Abgeordnete, ebenfalls durch Höchstbesteuerte und zwar einer auf 500 Seelen wählbar, vor. Die Erhebungen über diesen Vorschlag waren ungünstig, sie ergaben eine sehr ungleiche Verteilung des Vermögens bei den verschiedenen Berufsklassen. Die Regierung mußte deshalb diesen Vorschlag für unannehmbar erkennen.

Stuttgart, 5. Dez. In der heutigen Sitz­ung der Kammer der Abgeordneten, in welcher das gesamte Staatsministerium (den Kriegsminister aus­genommen) erschienen war, gab Ministerpräsident Freiherr v. Mittnacht eine Erklärung über die Ver­fassungsrevision ab. Aus derselben geht hervor, daß die Regierung beabsichtigt, dem nächsten Land­tag einen Rcvisionscntwurf vorzulegen, der im we­sentlichen auf den 1885 von der Kammer abgelchn- ten zurückgreifcn wird.

Heilbronn, 4. Dez. Demokratische Allüren. Die hiesigenFührer" der demokratischen Partei sind offenbar bei den Sozialdemokraten in die Schule gegangen. Bei der Champignhfeier des hiesigen Ve­teranenvereins am letzten Sonntag blieb nämlich der

, anwesende Redakteur derHeilbronner Ztg.", Fehl-

! eisen, während ein Hoch auf den Kaiser ausgebracht ^ wurde, demonstrativ sitzen. Die allgemeine Ent­rüstung äußerte sich in so unzweideutiger Weise, daß z ein handfester Veteran es unternahm, den taktlosen ^ Herrn aus dem Saale zu geleiten.

Heilbronn, 6. Dez. Bei Beginn der heutigen ! Gemeinderatssitzung bedauerte Oberbürgermeister He- ^ gelmaier jene Worte, über die sich der gesamte Ge­meinderat beleidigt gefühlt hatte, als in der Aufre­gung gesprochen. Mehrere Kollegienmitglieder wollten ! hierauf zu der Angelegenheit das Wort ergreifen, was aber der Vorsitzende verweigerte. Demzufolge verließen alle Gemeinderatsmitglieder den Saal.

Metz, 2. Dez. Mehrfach vorgekommene Fälle lassen den Hinweis nötig erscheinen, daß, wenn­gleich die Paßpflicht sich nur auf die aus Frankreich nach Elsaß-Lothringen kommenden Franzosen und sonstigen Ausländer erstreckt, doch auch deutsche Rei­sende den Nachweis liefern müssen, daß sie deutsche Rcichsangehörige sind. Wer diesen Nachweis nicht erbringen kann, wird von der Weiterreise ausgeschlossen und es bleibt ihm nichts übrig als nach Frankreich zurückkehren oder auf seine Kosten die Reichsange­hörigkeit auf telegraphischem Wege von seiner Heimats­behörde bestätigen zu lassen. Die Art des Nach­weises ist nicht vorgeschrieben; das einfachste Mittel ist jedoch eine von der .Heimatgemeinde ausgestellte Paßkarte, ein sogenannter Jnlandspaß. Es kann da­her den nach Frankreich gehenden Reisenden nicht dringend genug empfohlen werden, die Reise dahin i nicht ohne solche Paßkarte anzutreten, j DerFrankfurter Ztg." wird aus Wien ge- ! meldet, daß man dort glaubt, die Stellung des Gra- ! fen Taaffe sei gerade durch die Preßfehde womöglich noch mehr befestigt worden.

j Berlin, 4. Dez. Der Kaiser unternahm j heule zum erstenmal seit der Wiederherstellung von l seinem Erkältungszustande mittags eine Spazierfahrt.

! Er wurde vom Publikum lebhaft begrüßt. Die Ge- j rüchte, daß das Unwohlsein des Kaisers sich nicht j gebessert habe und daß das alte Ohrenleiden wieder- i gekehrt sei, werden entschieden dementiert. Das Oh- ! renleidcn sei seit l'/r Jahren nicht mehr aufgetreten.

Berlin, 4. Dez. DieBerliner Politischen ! Nachrichten" sprechen sich aufs entschiedenste gegen ! die Beteilung des kapitalbesitzenden Publikums an ! der neuen russischen Anleihe aus, da die Konvertie- ! rung nur den Deckmantel für ganz andere, weitrei­chende Ziele der russischen Politik bilde, und weisen j zugleich auf das Fraternisieren der Panslavisten mit ! den Patriotenbündlern hin. Der Artikel schließt:

!Es würde mehr als ein Verbrechen, es würde ein

- schlimmer Fehler sein. wollte das deutsche Kapital i jetzt, wo ihm die Möglichkeit geboten wird, aus den

- russischen Engagements mit einem blauen Auge da­vonzukommen, durch das Mitmachen der Konvertie­rung sich selbst ein Armutszeugnis ausstellen, den panslavistisch-chauvinistischen Zettelungen aber aus einen grünen Zweig verhelfen."

Berlin, 4. Dezbr. Die hiesige Gruppe der radikalen Sozialdemokraten soll gegen den Abgeord­neten Liebknecht ein Mißtrauensvotum vorbereitet haben, weil derselbe jüngst im Reichstage errklärte die Sozialdemokraten würden, falls Deutschland an­gegriffen würde, ihr Blut für dasselbe gegen Frank­reich zum Opfer bringen.

Berlin, 5. Dez. Die sozialdemokratische Frak­tion brachte im Reichstag einen Antrag auf Abschaf­fung der Getreidezölle für Mühlefabrikate, Hülsen­früchte, Graupen, Gries und Bäckerwaren ein. Der Antrag ist auch von Virchow Langerhans, Munckel (dfrs.), Kröber, einziger Demokrat, unterzeichnet.

Berlin, 5. Dez. Die 10000 Belohnung ans dem großen Postdiebstahl sind zur Hälfte an Hamburger, zur Hälfte an Berliner Kriminalbeamte verteilt worden.

Berlin. 6. Dezbr. DaSBerl. Tgbl." be­rechnet, daß die Neubespannung der Artillerie 12

§