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pation platzgreifen. Bevor ich jedoch abreise, möchte ich die höheren Offenere zu Rate ziehen und eine Regentschaft einsetzen, welche die Interessen der Offiziere zu wahren suchen wird. In allen Fällen rechne ich aus die Armee.
Sofia, 6. Sept. In einer gestern unter dem Vorsitze des Fürsten Alexander abgehaltenen Versammlung von Vertretern aller Parteien wurde die gegenwärtige Lage Bulgariens beraten. Es wurde eine Kommission ernannt, bestehend aus Stambuloff, Radaslawoff, Karaweloff, Geschoss, und Stoiloff, welche mit Rußland und den übrigen Mächten über die Lösung der gegenwärtigen Krisis verhandeln soll.
Sofia, 6. Sept. (Havas-Meldung.) Die Regierung teilte dem russischen Konsul den Entschluß des Fürsten, abzudanken, mit und erklärte, daß sie für dieses Opfer Garantien für die innere Unabhängigkeit Bulgariens verlangen müßte. Eine Occupalion dürfe nicht statifinden. Die Verfassung müsse aufrecht erhalten bleiben. Rußland könne einen General als KrregS- Mlnister entsenden, zu der inneren Reorganisation der Armee jedoch nur bulgarische Offiziere verwenden. Ter Konsul telegraphierte hierüber nach Petersburg.
— Aus Sofia meldet das „Wiener Tagbl." (7. Sept.): Bog- danoff drückte Alexander den Wunsch Rußlands aus, daß er (Bogdanoff) drei bis vier Tage noch verbleibe, bis die vom Zaren delegierte Persönlichkeit eintreffe. Die Entsendung Dolgorocky's unterbleibt. — Die gestrige Notabtenversammluna sicherte allen an der Gegenrevolution Beteiligten Straflosigkeit zu. Nekludoif und Bogdanoff begleiten Alexander an die Landesgrenze. Anläßlich seiner Abreise werden große Ovationen vorbereitet.
Budapest, 7. Sept. (2 Uhr 10 Min.) Die „Revue de l'Orient" meldet, Alexander gab heute offiziell dem Zaren und dem Sultan seine Abdankung bekannt. Die dem Fürsten ergebenen Offiziere traten zu einer vertraulichen Besprechung zusammen. Dep. d. Frks. Journ.
Sages-Weirigkeitsn.
Ludwigsburg, 4. Sept. Gestern ist die Gewerbeausstellung im Kreise der Aussteller und ihrer Familien und der städtischen Behörden offiziell geschlossen worden im Gefühl großer Befriedigung, dem der Vorstand des Gewerbevereins Fabrikant Hoffmann und der Oberbürgermeister Ausdruck gaben. Daß Ludwigsburg, das württ. Potsdam, nicht bloß dem Kciegsgott dient, sondern auch den friedlichen Göttern des Gewerbes und der Industrie, ist nun männiglich kund geworden. Mit Wehmut sieht man den Ausstellungsgarten schwinden, der hier eine soziale Mission erfüllt hat und ein neutraler Boden zwangloser gemütlicher Geselligkeit aller Stände und Schichten der Gesellschaft war.
Fellbach, 6. Sept. Gestern hat ein hiesiger Weingärtner an einen fremden Wirt sein diesjähriges Herbsterzeugnis zu 150 <M pro 3 bl verkauft.
Göppingen, 6. Sept. Das G. W. berichtet: Zur Warnung, in erhitztem Zustande zu trinken, dient der in den letzten Tagen in einem benachbarten Ort vorgekommene Fall, woselbst ein schulpflichtiges Kind, welches bei der großen Hitze einen Gang nach E. zu machen halte, seinen Durst wiederholt mit Wasser stillte und kurze Zeit nach seiner Heimkunft, ohne Zweifel infolge zu schneller Abkühlung, starb.
Rotten bürg, 5. Sept. In der Nähe von Nemmingheim, diess. Oberamts, spielte sich ein blutiges Drama ab. In das große Hopfentrockengebäude, genannt Krimm, drangen 2 Stromer und 1 Frauenzimmer ein, obgleich denselben von dem Aussetzer I. Däuble von Nemmings- heim der Eingang verwehrt wurde. Durch den Widerstand gereizt, brachten die Eindringlinge dem letzteren mit Messern erhebliche Verwundungen an Kopf und Arm bei, worauf der Verletzte als Waffe eine Sense ergriff und Hiemil auf die Frechen eindringen wollte; allein dieselben stießen ihm ihre Messer mit voller Wucht in den Leib und entflohen dann. Täuble wird wahrscheinlich seinen Verätzungen erliegen. Die Thüter wurden entdeckt und verhaftet.
Von der Bottwar, 5. Sept. Die Hopfenernte nimmt einen raschen und günstigen Verlauf, sie ist in einigen Orten schon beendigt. Das günstige Wetter ermöglicht ein schnelles Trocknen; die Ware ist hell, schön und gewürzreich. Für einige Partien Frühhopfen wurden auf dem Nürnberger Markt für die erste Sendung 140 für die zweite noch 100 per Ztr. mit dem Bemerken bezahlt, daß von jetzt ab nur noch 60—80 geboten werden könne. Bei den meisten Produzenten ist die Ernte ausgiebiger als anfänglich geschätzt wurde.
— Aus Württemberg, 5. Sept. Man schreibt dem Fckf. Journ.: In der Umgebung von Blaufelden, OA. Langenburg, fanden in der vergangenen Woche täglich Manöver statt. Wegen der drückenden Hitze werden die Hebungen seit einigen Tagen früher eröffnet und noch vor Mittag beendet, auch werden den Soldaten die Tornister von Ort zu Ort nachgeführt, und endlich die Hausbesitzer derjenigen Orte, durch welche die Märsche statt- findcn, angehalten, vor ihre Häuser Kübel mit Wasser aufzustellen, damit die Soldaten im Vorbeimarsch sich etwas erfrischen können. Die Mannschaft, welche trotz all' dieser humanen Vorkehrungen von der großen Hitze viel zu leiden hat, wird von den Quartiergebern aufs Beste versorgt und verpflegt, und hört man auch von keiner Seite irgend welche Klage. Das Publikum strömt zu den Uebungen täglich in Massen herbei. Besonderer Aufmerksamkeit erfreuen sich auch die in Rolhamsee aufgestellten Feldbäckereien, welche Heuer erstmals im Manöver zur Anwendung kommen. Es sind fünf Feldbackösen aufgestellt; mit verhältnismäßig wenig Bedienung werden täglich 2500 Tagesportionen Soldatenbrod gebacken.
Wevrnischtes.
— Ueber die Erdbeben in den Ver. Staaten wird aus New- york vom 4. ds. gemeldet: „Die Ruhe, welche die Einwohner von Charleston infolge des Aufhörens der Erdstöße wiede'rzugewinnen begannen, ist wiederum gänzlich erschüttert worden. Die Stadt wurde heute von neuen Erdstößen und einem Kieselsteinregen heimgesucht, wodurch die größte Bestürzung unter der Bevölkerung erzeugt wurde, die von Furcht völlig gelähmt ist. Eine Abteilung militärischer Ingenieure ist entsandt worden, um die noch stehenden Gebäude zu prüfen und zu entscheiden, ob dieselben wieder bewohnt werden können. Auch ist eine Anzahl von Zelten für die Obdachlosen eingetroffen. Der Hasen ist durch das Erdbeben gänzlich unberührt geblieben. Die Tiefe des Wassers blieb in allen Teilen unverändert. Der Kapitän eines Küstendampfers meldet, daß er, während sein Schiff auf der Höhe von Port Royal (Jamaica) lag, ein fürchterliches, donnerähnliches Geräusch hörte, das l'/z Minute anhielt. Man empfindet einige Besorgnisse betreffs der Bermudainseln, die direkt in dem Kurs liegen, den das Erdbeben eingeschlagen hat." — Vom 5. Sept. wird gemeldet: Gestern abend wurden in Charleston, Savannah, Columbia und Augusta weitere Erderschütterungen verspürt. — Die Insel Jamaica wurde in der Nacht des 19. Aug. von einem Orkan heimgesucht, der auch während des nachfolgendes Tages wütete. Die Plantagen wurden verwüstet, die Piment-, Kaffee- und Bananenernte ist vernichtet, und mehrere Distrikte sind von Bäumen entblöst. Die Militärkaserne in Newcastle büßte ihr Dach ein und mehrere auf der Werft in Kingston liegende Schiffe wurden arg beschädigt.
— Aus russischen Hofkreisen wird folgendes Geschichtchen erzählt: Vor einigen Tagen erschien die Zarin in einer neuen maisfarbenen Sommertoilette, die unter den Hofdamen wegen ihrer reizenden Fayon allgemeine Bewunderung erregte. Man meloete das Hosfräulein Feodorowna Ghika, und zum allgemeinen Entsetzen rauschte wenige Minuten später die junge Dame ineinemKleideindenEmpfangsaal, das jenem der Kaiserin aufs Haarglich. Die Zarin errötete, das Hoffräulein erbleichte vor Schrecken über diesen Mißgriff des Pariser Ateliers. Der Zar war es, welcher mit einem Scherzworte über die überaus peinliche Situation
Das mar deutlich. Schnorps war zivar wütend — sprach von Tyrannei, Beschränkung der persönlichen Freiheit, schimpfte mit seiner Frau und prügelte die jungen Schnörpse, allein das half alles nichts — das Facit blieb immer, die Anschaffung eines neuen Schniepels.
Was nie geschehen war — geschah! Die Stadt sah einige Tage lang den Contrabassisten Schnorps nebst seiner Gattin von einem Kleiderladen zum andern wandern. Daselbst führte er überall längere Verhandlungen, um nach einiger Zeit knurrend und scheltend über „unverschämte Preise" rc. weiter zu ziehen, bis endlich die Firma I. Ai. Lindenfeld das unerhörte Glück hatte, mit Herrn Schnorps und Gattin einen Lieferungs-Kontrakt über einen neuen Frack abzuschließen. Die Letztere hatte bei dieser Veranlassung alle Künste des Feilschend aufgeboten, denn während der Nachbar Regierungssekretür, der wenige Wochen vorher aus demselben Geschäft das gleiche Kleidungsstück erhalten hatte, 16 Thaler für dasselbe bezahlen mußte, hatte sie es glücklich für 15 Thaler erhandelt. —
Das letzte Abonnements-Konzert der diesmaligen Saison gestaltete sich zu einem merkwürdigen Ereignis für die Besucher desselben sowohl, wie für die Mitwirkenden. Nicht etwa weil Beethovens gewaltige neunte Symphonie zum ersten Male seit vielen Jahren wieder aufgeführt wurde — nein, sondern Schnorps der Contr a bassist trug einen neuen Frack!
Dies war so auffallend, t aß es längere Zeit dauerte, ehe die allgemeine Aufregung sich gelegt hatte und der selige Beethoven zu würdiger Geltung kommen konnte. Einer teilte es dem Andern mir, alle Gläser richteten sich auf den Contrabassisten, die Kollegen desselben kicherten und flüsterten und der Kapellmeister warf von Zeit zu Zeit einen Blick der Befriedigung auf seinen Musiker, dem nun nichts mehr zu seiner Vollendung fehlte.
In der Zwischenpause erschien der Herr Intendant auf der Bühne. Er ging zweimal an Schnorps vorüber und konnte es nicht unterlassen, ihn leicht auf die Schulter zu klopfen — das höchste Zeichen der Zufriedenheit Seitens des Bühnengewaltigen.
So schien denn mit Schnorpsen alles in schönster Ordnung und der gespenstische Urgroßvater-Schniepel war anscheinend in das Reich des Vergeffens gesunken.
Doch mit des Geschickes Mächten Ist kein ew'ger Bund zu flechten,
Und das Unglück schreitet schnell.
„Höre Trin e", sagte der Contrabassist eines Tages zu seiner Gattin, „wenn mich auch höhere Tyrannei gezwungen hat, das Sündengeld für den neuen Schniepel auszugeben, umkommen soll der Andere deshalb doch nicht. Laß doch 'mal den alten Peter kommen, er soll eine Jacke für den Michel daraus machen, die kann der Junge noch Jahre lang tragen."
Peter war nämlich der Leibflickschneider des Hauses und Michel der älteste Sprößling und mutmaßliche Contrabaßerbe der Schnörpse.
Der Schneider kam, untersuchte den alten Schniepel unter Zuhilfnahme seiner großen Hornprille mit Kennerblicken nach allen Richtungen hin und erklärte endlich mit aller Entschiedenheit, daß hier seine Kunst scheitere und aus dem Ding nichts mehr zu machen sei.
Daß war ein Donnerschlag für Schnorps, denn Peter war in dieser Beziehung eine Autorität und machte sonst gewiß, was zu machen war, das hatte er an der Schnorp'schen Garderobe seit Jahren redlich bewiesen. Der Schniepel wurde also wieder unter den andern alten Kram in den Schrank gehängt und schien hier verwesen zu sollen, bis er plötzlich doch seine Bestimmung fand.
Frau Trine Schnorps kam nämlich auf die Idee, sich eine Kaputze daraus machen zu lassen, welche Tracht damals stark in der Mode war. Dieselbe sollte mit recht viel Litzen und Bändern verziert werden, damit man das alte Tuch darunter nicht sehe, auch sollte dasselbe zum Ueberfluß noch gewendet werden. Sie war sehr stolz auf diese Idee und berief auch sofort die halbtaube Frau Müller, die alte Näherin, welche oftmals bei ihr arbeitete und die berühmt wegen ihrer Dummheit, sonst aber ein armes, anspruchloses Weib war, das geduldig sich durch das Leben half, ohne große Lohnsätze aufzustellen. Um dieses letzteren Umstandes willen erstellte sie sich denn auch der Kundschaft der Frau Schnorps, deren Wirtschaft sie bis in den hintersten Winkel kannte.
(Fortsetzung folgt.)