Mo. 105

si. Jahrgang

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Amts- unä Inlelkigenzbkatt für äen Aezirk.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 9. Aeptember 1886.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

^oMfche WcrcHrkictzterr.

Deutsch es Reich.

Hohenschwangau, 5. Sept. Der deutsche Kronprinz, welchem gestern die Königin-Mutter bis Füssen entgegengefahren war, besuchte heute vormittag gemeinsam mit der Königin-Mutter das Schloß Neuschwan­stein, kehrte 1 Uhr nachmittags von dort hieher zurück und setzte um Ve3 Uhr über Oberdorf die Reise nach Augsburg fort. Die Königin-Mutter gab ihm bis über Füssen hinaus das Geleite. t

Augsburg, 5. Sept. Vom frühen Morgen an hatte sich unsere Stadt zum Empfange des Kronprinzen, welcher von Hohenschwangau hieher zurückkommen sollte, gerüstet. Reicher Flaggenschmuck zierte die Straßen, und Vorbereitungen zur Illumination wurden getroffen. 7 Uhr 15 Min. lief der Lindauer Kurrierzug in den Bahnhof- ein. Von enthusiastischen Hochrufen begrüßt, verließ der Kronprinz den Waggon, von dem Fürsten Fugger- Babenhausen und dem kommandierenden General des 1. Armeekorps v. Horn empfangen und von Generalmajor Frhrn. v. Reitzenstein, Regierungsdirektor Dr. Groh, ersten Bürgermeister v. Fischer, Offizieren verschiedener Truppen­teile und den Veteranenvereinen begrüßt. Nach kurzem Aufenthalt im Königs- salon fuhr der Kronprinz in der Hofequipage, einem prachtvollen Viererzug, nach dem HotelDrei Mohren". Nachdem die vor dem Hotel harrende Menschenmasse wiederholt langandauernde Hochrufe hatte erschallen lassen, erschien der Kronprinz mehrmals auf dem Balkon. Um 8 Uhr 20 Min. verließ der Kronprinz das Hotel wieder und fuhr direkt nach dem Ausstellungs- platz, um an dem von der Stadt ihm zu Ehren gegebenen Souper teil­zunehmen. Die Illumination durch mehr als 10,000 Lampions, war'feen­haft. Am Souper 36 Gedecke nahmen außer den Genannten teil: Kriegsminister v. Heinleth, die Herren des geschäftsleitendern Ausschusses, sowie das Gefolge des Kronprinzen. Um 10 Uhr wurde M Tafel auf­gehoben. Nach einstündigem Rundgang kehrte der Deutsche Kronprinz, kurz vor 11 Uhr, in das HotelDrei Mohren" zurück.

Berlin, 6. Sept. Prinz Wilhelm von Preußen wird nur wenige Tage bei dem Kaiser von Rußland bleiben und sich dann zu den Manövern in den Reichslanden begeben. Man darf den Besuch den Prinzen in Rußland als das Correlat zu dem Besuch betrachten, welchen der Erzherzog Carl Ludwig von Oesterreich jüngst dort abgestattet hat.

Berlin, 6. Sept. DieNordd. Allgem. Ztg." dementiert eine Nachricht, daß die Mächte über die bulgarische Revo­

lution ihre Meinungen ausgetauscht hätten. Auch sei weder in Ga st ein noch in Franzensbad über den Nach­folger des Fürsten Alexander von Bulgarien verhandelt worden. Auch in Franzensbad sei das Thema der bulgarischen Revo­lution nicht behandelt worden.

Bulgarien.

Sofia, 4. Sept. Beim Empfang der diplomatischen Agenten und Offiziere im fürstlichen Palais waren sämtliche Offiziere und diplomatischen Agenten anwesend mit Ausnahme des deutschen,und russischen Agenten. Der Fürst hielt eine längere Ansprache. Er sagte darin:

Während sieben Jahren habe ich an der Unabhängigkeit und im Interesse Bulgariens gearbeitet. Meine beständige Sorge war hauptsächlich der Armee und den Offizieren zugewendet. Ich betrachtete diese letzteren als meine Familie, als meine Kinder,. Ich war über meine persönliche Lage beruhigt, als ich mich von den Offizieren umgeben sah, die meine Begleiter in unseren Kämpfen für- den Ruhm Bulgariens gewesen sind. Als ich in jener trauri­gen Nacht Geräusch hörte, fragte ich vor allem, ob Truppen da wären. Man antwortete mir: Ja, und ich war dann beruhigt, denn ich hatte Ver­trauen in meine Armee. Ich bin ungeachtet all dieser unglücklichen Ereig­nisse über meine Offiziere nicht enttäuscht, sie waren auf der Höhe der Situation in den Unruhen, welche auf meine Abreise folgten. Dank Popow und Mut- kurow (hier umarmte der Fürst diese Offiziere) ist-4>ie Ehre der bulgarischen Offiziere wieder hergestellt.Ihr habt dadurch die'Ehre Bulgariens gerettet, die von einigen irregeleiteten Söhnen, denen ich übrigens gerne verzeihe, befleckt worden; ich bin stolz darauf, daß meine Offiziers ein solches Ver­ständnis für die Waffenehre bewiesen; ich danke euch, daß ihr dieselbe flecken­los bewahrtet, der Soldat kann feines Eides nur durch den obersten Kriegs­herrn entbunden werden." Mit tiefer Bewegung fuhr er fort:Sollten die Umstände es fordern, daß hierin eine Aenderung eintrete, so werde ich, in was für Verhältnissen ich mich befinden sollte, meinen Eintritt im Dienste Bulgariens geltend machen und zu Gott für dasselbe beten. Meine Seele wird stets mit meinen Offizieren sein, und bei einem Feldzuge werde ich der erste sein, der als Volontär Aufnahme verlangen wird. Endlich kann ich nicht in Bulgarien bleiben, denn der Czar will es nicht, weil meine Anwesen­heit in Bulgarien den Interessen des Landes widerstreite. Ich bin ge­nötigt, den Thron zu verlassen. (Hier fiel Popow ein: Wir waren, wir sind und werden immer mit Ihnen sein! Mut! Vorwärts!) Der Fürst fuhr fort:Die Unabhängigkeit Bulgariens erfordert es, daß ich das Land verlasse; denn wenn ich es nicht thäte, so würde eine russische Okku-

I e u i l l e t o n.

(Widerrechtlicher Nachdruck wird verfolgt.)

Kerr Schnorps und sein Irack.

Von Fritz Brentano.

(Fortsetzung.)

Böse Menschen wollten später behaupten, es sei der Hochzeitsschniepel seines Urgroßvaters, den er trage, aber diese Verleumdung meines Helden muß ich mit Entschiedenheit zurückweisen. Ich habe genaue Ermittelungen angestellt und aus dem Munde des durch seine Gewissenhaftigkeit bekannten Verkäufers, Hoffa, selbst er­fahren, daß der Frack wirklich und wahrhaftig bei ihm gekauft wurde.

Daß er trotzdem nicht dennoch von einem Urgroßvater herstamme, wagte Hoffa indessen nicht zu behaupten, da ihn das ehrwürdige Alter des betreffenden Kleidungs­stückes möglicherweise Lügen gestraft hätte. Doch will ich mich über das Taufzeug­nis des Schniepels in keine weiteren Erörterungen verlieren und nur so viel konstatieren, daß er der Schrecken aller anständigen Leute und der Aerger des ganzen Orchesters war.

Er sah wirklich so schäbig-altmodisch aus und schändete die ganze Korporation. Der Kragen glich einem Pferdekummet, hinter welchem der dicke Kopf unseres Schnorps vollständig verschwand; die Aermel waren so eng, daß Gottlieb nur mit Mühe seinen Contrabaß bearbellen konnte und die breüen Schöße standen wie zwei riesige Wind­mühlenflügel von den Beinen des Frackträgers ab, der in dem Gewand den Total­eindruck einer Karrikatur, aber nicht eines wohlsituirten Orchestermitglieds machte.

Er mußte viel Spott erdulden, wenn er so erschien, der biedere Schnorps. Aber er hatte ein dickes Fell und alles ging spurlos an ihm vorüber. Wie oft hatte der Hofiapellmeister ihm unverkennbare Andeutungen gemacht, daß es doch nun endlich einmal an der Zeit wäre, dem armen alten Schniepel die verdiente Ruhe zu gönnen Schnorps hatte sich bei derlei Sticheleien immer furchtbar dumm gestellt wie oft hatte ihn der hochwohlgeborene Herr Intendant, der in Garderobe-Ange­legenheit äußert peinlich war, mit den auffallendsten und vielsagendsten Blicken ge­

mustert Schnorps war dafür blind, bis eines Tages ein außerordentliches Ereignis ihm einen Ukas zuzog, welcher der Herrlichkeit des alten Schniepels vorläufig ein ge­waltsames Ende machte.

Und das ging so zu.

Herzog Wilhelm, ein Verwandter des Königshauses, war als Divisions-Kom­mandeur nach der ehemaligen Residenz versetzt worden. Er war ein äußerst jovialer Herr der allabendlich das Theater besuchte und sich daselbst nach Kräften amüsierte^ Gleich in den ersten Tagen seiner Abwesenheit fand ein Abonnements-Konzert statt,, welches der hohe Herr mit seiner Gegenwart beehrte. Der Baritonist der königl. Bühne sang gerade eine Arie, als des Herzogs Opernglas sich etwas auffallend auf den seiner Loge vis-ä-vis postierten Schnorps richtete, der im Schweiße seines Angesicht seinen Contrabaß bearbeitete. Die komische Erscheinung war nun allerdings dem übrigen Publikum längst bekannt, dem Herzog aber war sie neu und er zeigte bei dem Anblick derselben so unzweideutige Spuren einer ungeheuren Heiterkeit und be­trachtete den Urgroßvater-Schniepel so beharrlich, daß schließlich das ganze Publikum seinen Blicken folgte und in kurzer Zeit ein allgemeines Gekicher im Zuschauerraum entstand. Der Sänger auf der Bühne geriet in einige Verwirrung, ihm war zuerst als ob er die Ursache zu dieser Stömng gegeben habe, allein nach kurzer Weile ent­deckte auch er den Gegenstand der allseitigen Aufmerksamkeit und beschaute ebenfalls Schnorps, so daß die große Aie recht unerquicklich zu Ende ging, zum Aerger des Baritonisten, der den Schniepel des ahnungslosen Musikers verwünschend, von der Bühne abtrat. In der Zwischenpause erschien der Herzog in der Jntendantenloge und unterhielt sich lebhaft lachend längere Zeit mit dem Bühnenchef, bei welcher Ge­legenhell mehrmals die Blicke der beiden Herren den Kontrabassisten in bedenklicher Weise streiften. ^

Am andern "Morgen aber erhielt dieser ein großes Schreiben mit der bekannten grünen Siegelmarke aus der Intendantur in welchem ihm, zwar in den höflichsten Wendungen, aber doch mit aller Entschiedenheit bedeutet wurde, künftig in einem Leibrock zu erscheinen, welcher der Würde der königl. Bühne entsprechender und weniger geeignet wäre, die Lachlust des Auditoriums herauszufordern.