Weiber und Kinder, alles war in höchster Begeisterung. Ein solcher Empfang war noch nie da gewesen.

Berlin, 18. Sept. Gegen sozialdemokratische Parteiführer bringt derKorrespondent sür Deutsch­lands Buchdrucker und Schriftgießer" einen gehar­nischten Artikel, in welchem er denselben vorwirst, den Fundamentalsatz des Gewerkvereinswesens, daß sich dasselbe von Erwägungen politischer Natur und von der sogenannten Arbeiterpolitik fernhalten müsse, noch nicht begriffen zu haben. Deshalb sei auch aus den meisten Gewerkschaften nichts Ordentliches gewor­den. Der Artikel protestiert dagegen, daß man die Begriffe Arbeiter und Sozialdemokrat für gleichbe­deutend auffaßt und alle und jeden, der nicht zum Thun und Treiben der Sozialdemokraten Ja und Amen sagt, als Arbeiterfeind bezeichnet.

Berlin, 19. Sept. Es bestätigt sich, daß Erzbischof Dinder den Geistlichen seiner Diözese an­geraten hat, sich von der Wahlbewegung fernzuhalten und auch als Kandidaten sich nicht aufstellen zu lassen; letzteres jedoch in eingeschränkter Form.

Der Dozent am orientalischen Seminar in Ber­lin, Herr I. Mitzatakis, ist nach Friedrichskron be­rufen, um die Prinzessin Sophie in der neugriechi­schen Sprache zu unterrichten. Die Unterrichtsstun­den finden am Vormittage statt. Während der ersten Unterrichtsstunde im Schlosse zu Friedrichskron er­schien auch die Kaiserin Friedrich, welche besonderen Wert darauf legt, daß der Lehrer sich weniger mit der Theorie bezw. der Grammatik befasse, sondern die Prinzessin möglichst rasch in die Praxis der Sprache durch Schreib- und Leseübungen, sowie Kon­versation einführe.

Wie verlautet, wird nach den Kaisermanövern General der Infanterie von Pape zum General- Oberst und zum Höchstkommandierenden in den Mar­ken ernannt werden. Als sein Nachfolger im Kom­mando des Gardekorps wird General von Caprivi genannt.

Es steht zu befürchten, daß die Steigerung der Brotpreise in Deutschland in Folge des Aus­falles der diesjährigen Ernte einen beträchtlichen Um­fang annehmcn wird. Auch aus Bayern komnien Nachrichten über eine Steigerung der Brotpreise. In Speyer und Ludwigshafen, aber auch in einigen rechtsrheinischen bayerischen Städten wird eine Preis­erhöhung von 2 Pfennigen für das Pfund Brot eintreten. In Mannheim erhöhen die Bäcker den Brotpreis um 4 Pfennige für den Laib. So berich­ten wenigstens die München. Neuesten Nachrichten.

Zufolge derPolit. Korresp." findet in den hohen kirchlichen Kreisen Roms die rügende Kund­gebung des Kaisers an Stroßmayer allgemeine Zu­stimmung. Auch wo man den kirchenpolitischen Ideen Straßmayers eine gewisse Sympathie entgegenbringt, anerkenne man den Kaiserlichen Tadel als gerecht und begründet. Man spricht sogar davon, daß der Papst dem Bischof anraten werde, sich in ein Kloster zu­rückzuziehen. (?)

Französische Blätter gefallen sich neuerdings wieder darin, über den Gesundheitszustand Kaiser Wilhelm's II. allerlei infame Skandalnachrichten zu verbreiten. Die Strapazen, denen sich der Kaiser bei den Manövern aussetzt, beweisen selbstverständ­lich zur Genüge, daß der hohe Herr so kerngesund ist, wie nur Jemand sein kann.

Zu den Marinemanövern bei Wilhelmsha­sen wird nachträglich noch bekannt:Die auf der kaiserlichen JachtHohenzollcrn" abgehaltene Kritik über den Ausfall des Angriffes des feindlichen Ge­schwaders auf Wilhelmshafen am 12. September lau­tete einnimmig dahin, daß die feindliche Flotte glän­zend abgeschlagen und Wilhelmshafen effektiv unein­nehmbar sei.

König Oskar und vr. Mackenzie. Aus Stockholm 14. Sept. schreibt man der Köln. Zig.: Be­kanntlich war der Letzte, der dem totkranken Kaiser Friedrich einen Besuch abstalten konnte, der König Oskar von Schweden. König Oskar hatte sich vorher vorsorglich erkundigt, ob sein Besuch für den leidenden Kaiser von nachteiligen Folgen be­gleitet sein könne; cs wurde ihm, und zwar doch wohl nur auf Mackenzies Veranlassung hin, die Antwort zuteil, daß sich Kaiser Friedrich zur Zeit ausnehmend wohl befinde und jeden Besuch entgegcnnehmen könne. Ueber diesen Besuch machte völlig Oskar vor einiger Zeit folgende kurze Mittei­lungen:Ich war sehr erfreut über diesen Bescheid und war geneigt, Herrn Mackenzie, den man in der deutschen Presse s : ycstig angegriffen hatte, mein volles Vertrauen zu schenken, sollte ich. mich doch in wenigen Stunden persönlich von den Erfolgen seiner Behandlung überzeugen dürfen. Aber wie erschrack ich, als ich mich dem armen Kaiser gegenübersah; er wollte sich erheben, als er mich erblickte, aber er hatte

sich kaum aufgerichtet, als sein Körper wieder kraftlos zu­sammenfiel wie ein Packet. Von dieser sterbensmüden Mat­tigkeit und allem andern, was ich in den entstellten Zügen des Leidenden wahrnahm, war ich so erschüttert, daß ich mich nach wenigen Augenblicken in tiefster Bewegung zurückziehen mußte; ich fand später noch Gelegenheit, Herrn Mackenzie meine schmerzlichsten Befürchtungen anzudeuten und ihn um seine aufrichtige Meinung zu befragen; aber dieser (hier fol­gen Ausdrücke, welche wir übergehen) hatte die Stirn, mir auch jetzt noch in diesem furchtbar ernsten Augenblick, wo sich der Tod dem Kaiser schon genähert hatte, zu sagen, daß sich der Patient verhältnismäßig befriedigend befinde, daß der letzte Anfall fast ganz überwunden sei, und daß man sich jetzt wieder auf eine lange Ruhepause im Fortschreiten der Krankheit die berechtigste Hoffnung machen könne."

Der Eisenbahnassistent Arnold, welcher wegen seines Verschuldens an dem furchtbaren Eisenbahn- unsall bei Wannsee zu einem Jahr Gefängnis ver­urteilt worden war, ist.jetzt durch den Kaiser begna­digt und aus der Haft demgemäß entlassen worden. Der Minister v. Maybach hatte das Begnadigungs­gesuch befürwortet. Da dem Arnold die Amtsbe­fugnis nicht aberkannt worden ist, so wird derselbe wahrscheinlich wieder im Eisenbahndienst Verwendung finden.

Hamburg, 18. Sept. DerFrkf. Ztg." te­legraphiert man von hier: Der Kaiser wird am 20. Oktober zltr Schlußsieinlegung der Zollbautes mit dem Bundesrat und Reichstag hierher kommen. In der Mitternacht vom 21. bis zum 22. Oktober erfolgt der Zollanschluß. Schweiz.

Das Gericht in Basel vetnrteilte einen Han­delsreisenden, der seinen Herrn nach und nach um 30009 Fr. betrogen hatte, zu 4 Jahren Zuchthaus.

Oekterrcick-Ungam.

Wien, 15. Sept. Kaiser Franz Josef hat aus Anlaß der jüngsten Ueberschwemmungen in Ti­rol und Vorarlberg für die durch Hochwasser Ge­schädigten und einer Hilfe bedürftigen Bewohner 20000 fl. aus seinen Privatmitteln gespendet.

Frankreich.

Paris, 18. Sept. Herr Deroulsde hat keineswegs, wie er zur Zeit der letzten Wahlen glau­ben machen wollte, seine Revanchepläne in die Tasche gesteckt. Gestern hielt er in Belfort zur Erinnerung an die Schlacht von Valmy vor dem dortigen Lö­wendenkmal wieder eine seiner bekannten Reden, die von etwa 500 anwesenden Luigisten und etwa 2000 herbeigeeilten Einwohnern der Stadt mit großem Jubel und viel Begeisterung ausgenommen wurde. An der Spitze der Vertreter von 25 Comites rief der Führer der Patriotenliga:Wir sind gekommen, um zu den Füßen dieses Monuments von Belfort, dieses noch frei gebliebenen Fetzens des Elsaß, zu protestieren wider die hassenswertc Gefangenschaft, in der Straßburg und Metz, Colmar und Mülhausen, Savernes, Hüningue nnd so viele andere teuere Orte schmachten, welche wir trotz unseres blutigen Widerstandes dem Feinde überliefern mußten. Wir sind gekommen zu protestieren im Namen der natio­nalen Verteidigung, nicht nur zu Gunsten der Inte­grität des Vaterlandes sondern auch zu Gunsten seiner Unabhängigkeit, dieser Unabhängigkeit, welche Deutsch­land täglich verletzt durch eine neue Grenze, welche die Gewalt geschaffen und welche das Recht wieder vernichten wird. Aber hier ist weder der Ort noch die Stunde zu langen Reden. Zwei Formeln genü- . gen überdies, um uns alle unsere Pflichten als Pa­trioten und freie Bürger zu vergegenwärtigen:Re­vision des Frankfurter Vertrags! Revision der Versailler Verfassung!" Drei Rufe genügen, um allen unseren Hoffnungen Worte zu verleihen:Hoch Elsaß-Lothringen'- Hoch Frankreich! Hoch die Re- publick!" Und mit begeistertenHoch die Liga ! Hoch Boulanger! Hoch Dsroulöde!" stimmte die Menge ein! Die Revanche-Bewegung ist ebensowenig tot wie der Boulangismus.

Paris, 18. Sept. Man meldet der Str. P.: Die am Eiffelturm beschäftigten Arbeiter haben heute vormittag die Arbeit eingestellt. Der Tnrm ist jetzt 145 Meter hoch; um in dieser Höhe weiter zu arbeiten, fordern die Arbeiter eine Lohnerhöhung von 20 Centimes für die Stunde, wäh­rend die Unternehmer nur 5 Centimes bewilligen wollen.

Paris, 18. Sept. Nach einer Note, welche in meh­reren Blättern erscheint, Härte die Kammer während ihres letzten Sitzungsjahres für nahezu 1800 Franken Kölnisches Wasser verbraucht. Rochefort schlägt vor, sie fortan die Kammer der Parfümierten" zu nennen.

Paris, 19. Sept. Der Leichnam eines deut­schen Gensdarmcn wurde auf dem Territorium der französischen Gemeinde Suarce (den! .h Schweiz)) eines 1'/, Kilometer von der Grenze an der Straße nach Belfort gelegenen Dörfchens, im Gebüsch ge­funden. Der Hals war von einer Kugel durchbohrt,

DieKorr. Havas" behauptet, daß ein Selbstmord vorliege. Die Gerichtsbehörden von Belfort begaben sich heute nach dem Thatort. DieFrance" stellt die Hypothese auf, daß der Gensdarm von deutschen Schmugglern ermordet worden sei. Dieselben hätten ihr Opfer, um den Verdacht von sich abzuwälzen, auf französisches Gebiet geschleppt.

Rußland.

! St. Petersburg, 18. Sept. Die Angele­genheit Stroßmayer hat in der russischen Presse einen Entrüstungssturm heivorgerufen. Stroßmayer ist in orthodoxen Kreisen sehr beliebt. Sicher ist auch, daß sein damaliges Telegramm den Beifall des Zaren fand. Man glaubt daher in hiesigen . gut unterrichteten Kreisen, daß dieser über den Bcr- ^ weis ungehalten sein werde. Der St. Petersburger ^ Metropolit Isidor hat sich mißbilligend über den Ver- , weis ausgesprochen. Es ist bezeichnend, daß der ! katholische Bischof gerade unter der russischen Geist- ! lichkeit so warme Verteidiger findet. Jedenfalls wird die Mißstimmung gegen Oestreich durch den Vorfall erhöht, und sicherlich wird man an geeigneter Stelle Sorge tragen, daß dieses Gefühl bis zum Zaren hinaufdringt.

Bulgarien.

! Bukarest. 18. Sept. Wie verlautet, wurde ^ der König vom Erzherzog Karl Ludwig eingeladen, i während der Anwesenheit des Kaisers Wilhelm nach ! Wien zu kommen. (?)

Griechenland.

In Athen erörtert man die Frage, ob Prin­zessin Sophie von Preußen, die Verlobte des Kronprinzen von Griechenland, zur griechisch-katho­lischen Kirche übertreten wird oder nicht. Die grie­chische Verfassung erfordert den Glaubenswechsel nichts sie enthält nur eine Bestimmung, welche einzig in Rücksicht der Kinder des jeweiligen Königspaares vor­schreibt, daß sie im griechisch-katholischen Glauben er­zogen werden müssen.

Kleinere Mitteilungen.

Rotten bürg, 19. Sept. Hopfenernte. Der Zudrang von fremden Arbeitern zum Hopfengefchäft ist in diesem Jahre ei» bedeutend schwächerer. Nach den Erhebungen der städtischen Polizei sind hier 779 männliche und 1717 weibliche Personen beschäftigt; zusammen 2496 Auswärtige. Im Vorjahre waren es derer 4078.

Auf einen originellen Gedanken verfiel dieser Tuge ein Provisor der Kannen-Apotheke in Nürnberg, als ge­legentlich des großen Zapfenstreiches für Gencralfeldmarschall Graf Blumeiithal vor der Apotheke ein großes Gedränge entstand und hiebei einige Fensterscheiben eingedrückt wurden. Er holte eiligst einen Hammer und Nägel herbei, packte die an den betreffenden Fenstern zunächst stehenden Personen beim Rockflügel und nagelte diese am Fensterbrett fest, um sofort seine Schadenersatzansprüche geltend machen zu können. Einer der Festgenagelten riß den Rockflügel ab und suchte das Weite.

! Pfultcndorf, 14. Sept. Eine unbegreifliche Barbarei

fand dieser Tage vor der Strafkammer Konstanz die verdiente ! Bestrafung. Ein Rabenvater Max Schund, von Herdwangcu,

^ wurde wegen scheußlicher Mißhandlung seines leibhaftigen ' Kindes zu der Gefängnisstrafe von 9 Monaten verurteilt.

, Von der Unmenschlichkeit des Verurteilten kann man sich einen ! Begriff machen, wenn wir beifügen, daß aus den Akten er- ! hoben worden ist, daß er das lsi/z Jahre alte Knäblein u. a.

! zwang, nacheinander 56 Teller Suppe zu essen, so daß es ^ sich alsbald erbrechen mußte; nicht genug damit, mußte das ^ arme Kind, um ihm denSchleck" gründlich zu vertreiben, das Erbrochene alsbald noch einmal aufessen.

; Daß bei Verbrechern das Gehirn nicht ganz in ! Ordnung ist, haben schon viele Aerzte behauptet. Neu ist,

! daß ein italienischer Arzt gefunden haben will, es fehle den . meisten Verbrechern eine gute und gesunde Nase; bei Hun- § derten von Verbrechern beiderlei Geschlechts, die er untersucht hat, fand er, daß ihr Geruchssinn sehr schwach entwickelt sei. Wo 's aber was zu holen gibt, das riechen sie sofort. _

Handel ck Verkehr.

Nürnberg, 18. Sept. Hopfenbericht. Von heute eingetroffenen ca. 500 Ballen Landhopfen wurden ca. 400 Ballen von 70100 ^, vereinzelt in Auswahl bis 120 verkauft. Von Würtlcmbcrgern, Badischen und Hallertauern wurden ca. 300 Ballen umgesetzt, und erzielten Mittel von 100 -130 Prima bis 175 Die Preise haben seit Sonntag einen Rückgang für beste Sorten von ca. 2b ! für Mitte! und geringe Sorten von ca. 15 erfahren. Die ^ Stimmun g ist sehr flau. Heutiger Gesamtumsatz 700 Ballen.

Farbige Seidenstoffe von Mk. 155

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(Hiezu das Unterhalturrgsblatt 38^ ) ^^

l Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Tn:-: and , Lerla, der S. W. Zais e rgchru Luchhandludz in NazoN.