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61. Jahrgang

Amts- unll Intelligenzökatt für äen Kezirst.

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Zamstag, äen A. September 1886 .

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'AoLitifche WcrcHvichterr.

Deutsches Reich.

München, 29. August. In dem Befinden des Königs Otto soll in den letzten Wochen eine Verschlimmerung eingetreten sein. Die Administration des Vermögens des Königs Otto (Obersthofmarschall Frhr. v. Malsan und General Frhr. v. Pranckh) haben an einzelne Gläubiger der Zivilliste Abschlagszahlungen geleistet, begehren jedoch eine bedeutende Reduktion der Forderungen. Einer der Hauptgläubiger, Hofbaurat und Zivil­ingenieur Ritter v. Brandt, soll von einer Forderung von mehreren Mil­lionen eine halbe Million nachgelassen haben. Dagegen hat ein Herrengarde­robengeschäft den verlangten Abstrich von 3000 an einer Forderung von 12000 ^ nicht bewilligt. Unter diesen Verhältnissen dürfte es doch noch zu öffentlichen Verhandlungen am Landgerichte München I. kommen. Vom 1. Sept. an 'werden Familienkarten für den Besuch der königlichen Schlösser Herrenchiemsee, Linderhof und Hohenschwangau nicht mehr ausgegeben.

Schweiz.

Bern, 30. August. Gestern beging der Kanton Bern eine seltsame Feier, die des unglücklichen Kampfes der Berner gegen die Franzosen am 5. März 1798 am Grauholz. Das in Gegenwart der Regierung und einer unermeßlichen Volksmenge enthüllte Denkmal soll eine Warnung vor den Fehlern sein, welche den Fall der alten Eidgenoffenschaft und des mächtigen Bern beschleunigten, Selbstsucht und Uneinigkeit. Das Monument besteht aus einer 12 Meter hohen gebrochenen Säule.

Bulgarien.

Darmstadt, 30. Aug. DieN. H. Volksbl." bringen folgende Nachrichten: In hiesigen militärischen Kreisen, welche über die Ansichten des Prinzen Alexander bezüglich seines Sohnes, des Fürsten von Bulgarien, gut informiert sind, wird folgende authentische Aeußerung erzählt, welche dem ritterlichen Sinne des Vaters zur höchsten Ehre gereicht. Hiernach hätte Prinz Alexander sich nämlich auf das bestimmteste dahin ausgesprochen:Die Gebote der Vernunft und der ruhigen Ueberlegung müßten es zwar meinem Sohne nahe legen, die Rückreise nach Bulgarien zu meiden; allein die Gesetze der Ehre und seine Pflicht als Fürst und Soldat gebieten ihm, keinerlei Gefahr, die ihn in Bulgarien erwartet, zu scheuen und selbst sein Leben in die Schanze zu schlagen. Ich halte meinen Sohn für einen verlorenen Mann, wenn er zurückkehrt, und doch rate ich ihm selbst, dahin zu gehen, wohin ihn seine Pflicht ruft." Der Premier des bulgarischen Ministeriums, Stambulow, depeschierte äm Freitag an den Prinzen Alexander von Hessen:Im Namen unseres Vaterlandes bitten wir Eure Hoheit, Ihrem geliebten Sohne, unserem Fürsten, gleich nach Lemberg zu depeschieren, er solle noch heute direkt von Lemberg nach Bukarest abreisen, wo der bulgarische diplomatische Agent,

Herr Natschewitsch, ihm alles aufklären wird. Die Nation und Armee Bul­gariens erwarten mit Sehnsucht die Rückkehr Sr. Hoheit. Kammer-Präsident Stambulow."

Sofia, 2. Sept. Wach Hartem verlustreichem Kampfe auf­rührerische Gruppen Lei Wad omir geschlagen. (Dep. d. C. Wochenbl.)

Rußland.

Petersburg, 2. Sept. DerRegierungsbote" meldet: Em Telegramm des Fürsten Alexander an den Kaiser vom 30. August dankt demselben, daß Rußland durch die officielle Anwesenheit des russischen Consuls in Rustschuk bei dem Empfang des Fürsten den bul­garischen Staatsstreich mißbilligt habe. Der Fürst will jedes Opfer bringen, um in unwandelbarer Ergebenheit die hochherzigen Absichten des Kaisers bezüglich Bulgariens zu unterstützen und ist bereit, die von Rußland empfangene Krone dem Kaiser zurückzugeben. Die Antwort des Kaisers an den Fürsten mißbilligt die Rückkehr des Fürsten wegen der verhängnißvollen Folgen. Der Kaiser will sich jeder Einmischung in Bulga­rien enthalten, welches, solange der Fürst sich dort befinde, traurigen Zustän­den preisgegeben sei. Der Fürst werde wissen, was er zu thun habe.

(Dep. d. Frks. Journ.)

Hcrges-Werrigkeiten.

Calw, 3. Sept. Die gestrige Nationalfeier, zugleich unser Kinderfest, hat wieder einen recht hübschen gelungenen Verlauf genommen. Vom herrlichsten Wetter begünstigt, das der Hauptfaktor zum Gelingen aller Feste ist, konnte das Programm ganz in der gewünschten Weise zur Aus-, führung gebracht werden. Das am Vorabend des Festes auf dem hohen Felsen angefachte Feuer verbreitete in nächster Umgebung fast Tageshelle, Raketen, römische Lichter rc. garnierten die von dunklem Hintergründe sich abhebenden Flammen. Tagwache, Musik und Böllerschüsse leiteten den Tag in würdiger Weise ein, festlich geschmückte, fröhliche Kinderschaaren belebten schon in aller Frühe die Straßen und boten auf ihrem Zug zur Kirche durch die reich beflaggten Straßen einen äußerst lieblichen Anblick. Der Festgottes­dienst, gehalten von Hrn. Diakonus Braun, führte uns in begeisternder Weise die hohe Bedeutung des Tages vor Augen, es sei ein Tag des Dankes für die Erfolge des deutschen Volkes vor 16 Jahren, ein Tag des Dankes für den Frieden, den wir heute genießen. Nach Beendigung des Gottesdienstes versammelten sich die Kinder mit ihren Lehrern auf dem Marktplatz, woselbst die Kümmelküchlein zur Verteilung kamen.

Der Veteranenverein feierte den Tag zunächst durch ein Festessen im Gasthaus z. Löwen, woselbst nach Beendigung des frugalen Mahles der Vorstand, Hr. Eberhardt, einen Toast auf Se. Majestät den König,

I e u i l l e t o n.

(Widerrechtlicher Nachdruck wird verfolgt.)

Militärische «Humoresken.

Von Fred. Vincent.

II. Der trockene August.

(Schluß.)

Einen Augenblick herrschte tiefe Stille am Frühstückstisch, dann bemerkte Holm bedenklich:

Na, Kinder! So unausführbar ist der Plan denn doch nicht, und ich wundere mich blos, daß bisher noch Niemand von uns auf die Idee gekommen ist. So viel aber scheint sicher, daß uns der Herr Major von Nolle eine ganze Reihe neuer Ein­richtungen mitbringt, die . ."

Die den Dienst auch nicht gerade auf das geringste zulässige und ohne kör­perlichen Nachteil zu ertragende Maß reduzieren werden? Nicht wahr, das wollten Sie, verehrtester Herr Premier Kompagnieführer, soeben mit wohlgewählten Worten ausdrücken?" unterbrach ihn von Scharffenstein in seinem trockensten Tone.

Je mehr Dienst, desto mehr Ehre!" zitierte an Stelle Holm's der jüngste und daher sehr diensteifrige Hauptmann von Stettom den bekannten Ausspruch.

Danke gehorsamst, Herr Hauptmann! Mein Bedarf an Ehre ist auf einige Jahre hinaus bereits vollständig gedeckt!" war die schlagfertige Antwort des Herrn von Scharffenstein.Aber jetzt zu Tisch, meine Herren, Mahlzeit!"

Sowohl die Voraussetzungen Holm's als auch die Befürchtungen Scharffenstein's erfüllten sich im Laufe der nächsten Woche in vollstem Maße. Kaum war der neue Kommandeur bei großer Parole vom Herrn Obersten vorgestellt, vom Offizierskorps

bei dem üblichen Liebesmahle in vorgeschriebener Weiseangegeffen" worden, kaum waren die Kompagnievorstellungen vorüber, da begannen die Arbeiten an einer gan­zen Reihe neuer Einrichtungen, von welchen die Militärschwimmanstalt die ausgedehn­teste war. Trotzdem wurde dieselbe auf das eifrigste gefördert und schon bei Beginn der heißen Sommertage war dergroße Forellenteich" frisch eingedämmt, mit klarem Ouellwasser gefüllt, die nötigen Bretterverschläge, Floße, Pritschen u. s. w. waren errichtet, ja sogar ein niedlicher Kahn, zu Rettungszwecken bestimmt, schwamm auf dem Spiegel des inmitten von Waldesgrün ca. 1 Stunde Wegs von Waldburg entfernt gelegenen, ziemlich tiefen Teiches. Außerdem waren die Schwimmlehrer kommandirt, die nöthigen Lehr- und Hilfsmittel beschafft und das kompagnieweise Baden und Schwimmen nahm rechtzeitig seinen Anfang. Zur Aufsicht bei demselben war von dem Major der inzwischen zum Premier beförderte Lieutenannt von Scharffenstein bestimmt worden.

Das war eine wonnige Zeit für unserentrockenen" Kameraden, der nur noch Abends nach Waldburg kam, die heißen Sommertagen aber ganz im kühlen Forste am Forellenteich oder vielmehr größten Teils in dem Kahne mitten auf demselben zubrachte. Während seiner dienstfreien Zeit ließ er sich, auf dem Rücken in dem Schiffchen auf einer Decke ausgestreckt, von den leisen Wellen des den Teich durch­fließenden Gebirgsbaches schaukeln und beim Schwimmen der Füsiliere brachten wenige Ruderschläge den gewandten Ruderer an die Stelle, wo ein Eingreifen oder eine Hülfe seinerseits angezeigt erschien. Und ein Fall, wo energische Hülfe zur Rettung eines Menschenlebens notwendig wurde, trat schon nach kürzester Zeit ein.

Unter den letztjährigen Rekruten der ersten Kompagnie unseres Bataillons be­fand sich ein riesengroßer, bärenstarker aber ebenso ungeschlachter und ungeschickter Bauernbursche, der besonders wegen seiner unüberwindlichen Wasserscheu die Ziel­scheibe aller ausgelassenen Streiche der anderen Soldaten sowie der Unteroffiziere wurde. Scharffenstein hatte bald eingesehen, daß einstweilen aus dem Füsilier Flecken-