Friedrichsruh begeben. Der Chef der Reichskanzlei, Dr. v. Rottenburg, wird ihn dahin begleiten.

Berlin, 2. Juli. Nach einem Telegramm der Frkf. Ztg." bestreitet Mackenzie entschieden, daß er dem Interviewer im Haag gesagt habe, er habe die Krebsdiagnose verschwiegen, um die Einsetzung einer Regentschaft oder ähnliches zu verhindern. Er habe dem Interviewer nur gesagt, daß seit Februar die Aerzte über die Krebsdiagnose einig gewesen seien. Auf die Frage, ob das Bekanntwerden dieser Diag­nose die Einsetzung einer Regentschaft zur Folge ge­habt haben würde, habe er die Antwort verweigert.

Verschiedene Berliner Blätter meldeten, das Marmorpalais bei Potsdam, die Residenz des Kaisers, werde außerordentlich streng bewacht, weil man Attentatspläne befürchte. (?)

Eine Erhöhung der Zivilliste soll nach überein­stimmenden Andeutungen derSchles. Ztg." und derHamb. Nachr." beantragt werden unter dem Titel einer Bewilligung von Repräsentationskosten aus Reichsmitteln für den Kaiser. Die Dotation für den Kaiser und das kaiserliche Haus be­trägt bekanntlich jährlich 12 Will. Diese Summe wird von der preußischen Staatskasse aufgebracht. Kaiser Wilhelm I. ermöglichte es bekanntlich, aus der Dotation jährlich noch mehrere Mill. zurückzulcgen. Infolge dessen hinterließ er bei seinem Tode Ersparnisse, welche auf mehr als 50 Mill. 4L sich belaufen sollen. Es erscheint somit nicht wahrscheinlich, daß, wie dieHamb. Nachrich." angeben, schon zu Lebzeiten Kaiser Wilhelms I. eine Erhöhung dieser Dotation durch einen Zuschuß aus der Reichskasse für Rcpräsentationskosten in Anregung gekommen ist. Vor der Thronbesteigung König Wilhelms in Preußen betrug die Dotation des königlichen Hauses jährlich 7ftz Mill. 4c. Zu dieser Dotation kommen bekanntlich noch die Einkünfte aus dem Privatvermögen und aus dem Vermögen des königlichen Fideikommisses und des Krontresors.

Wie verlautet, hatte der türkische Botschaf­ter in Berlin dieser Tage eine Besprechung mit dem Grafen Herbert Bismarck in Bezug auf die bulgarische Angelegenheit. Graf Bismarck soll dem Vertreter der Türkei dabei deutlich zu verstehen ge­geben haben, daß die deutsche Regierung in dieser Zeit der Trauer sich mit der Sache in keiner Weise beschäftigen und der Türkei nnr raten könne, auch ihrerseits die Sache ruhen zu lassen, um nicht un­nötige Verwicklungen herbeizuführen.

Auf der preußischen Gewehrfabrik zu Spandau soll der gesamte Betrieb vom 7. Juli ab auf unbestimmte Zeit gänzlich ruhen. Es wird dann an Stelle der alten Maschine eine neue von erheblich größerer Leistungsfähigkeit (200 Pferdekräfte) aufge­stellt werden.

Oesterreich-Ungarn.

Was uns die Erhaltung des Friedens kostet, das wissen wir Deutschen ja aus dem Reichs­tag ; Oesterreich-Ungarn bleibt mit seinen Rü­stungen und Opfern nicht zurück. Es hat für das Bereitsein zu jeder Stunde von 1886 an bis Ende 1889 572 Millionen Gulden -- 1100 Mill. Mark bewilligt.

Kaiser Franz Joseph von Oesterreich hat dem Botschafter Grafen Karoly in London das Groß- kreuz des Stephans-Ordens verliehen und zugleich dessen Rücktrittsgesuch genehmigt.

Frankreich.

Paris. Einer, einem Schweizer Blatt ge­wordenen Mitteilung zufolge beginnt sich langsam aber stetig ein Wechsel der Gesinnung gegen Deutsch­land anzubahnen. Bereits wagen es größere Zeitun­gen verschiedener politischer Farbe, daraus hinzuweisen, daß man besser daran thäte, die Revanchcgcdanken vorderhand znrückzudrängen. Die paarmal 100000 Elsäßer seien zwar recht bedauernswerte Leute, allein es lohne sich nicht, um ihretwillen einen Krieg zu beginnen, der das Glück von vielen Millionen Men­schen in Frage stelle. Ganz offen wird zngestanden, daß man, wie die politischen Verhältnisse jetzt liegen, nicht da-an denken könne, vor einem halben, ja viel­leicht vor einem ganzen Jahrhundert Elsaß-Lothrin­gen zurückzugewinnen. Ob dieser Umschwung eine Folge der sich ersichtlich besser gestaltenden Beziehun­gen Deutschlands zu Rußland, läßt sich nicht sagen. Es scheint, daß den Franzosen die Isoliertheit, in die sic Bismarcks Politik zu bringen wußte, nachgerade doch ein gewisses Unbehagen verursacht, jedenfalls sind gewisse Vorzeichen derselben vorhanden. Es er­scheint unter diesen Umständen gar nicht unmöglich, daß sich auch die französisch-deutschen Beziehungen im Laufe der nächsten Zeit günstiger gestalten. Kriegs- minister Freßcinet hat die Bestimmungen des Ge­setze? vom 17. Dez. 1843 über die Heiraten der Of­fiziere abgcschafs: und anaeo.duet, daß Offiziere im

Dienst, sowie Militärbeamte, deren regelmäßiges Ge­halt 5000 Fr. beträgt, heiraten können, ohne daß die Braut Vermögen in die Ehe bringt.

Paris, 2. Juli. Die Unsicherheit in den ! Straßen von Paris ist so groß, daß die Polizei­agenten vor dem Raub- und Diebsgesindel, welches ! zumeist mit Revolvern und Totschlägern bewaffnet ! auf seine Unternehmungen ausgeht, selbst Angst haben.

^ Italien.

! Im italienischen Postbureau zu CremoIIa ! wurden Unterschlagungen im Bettage von 900 000 ! Lire entdeckt.

s Rußland,

j St. Petersburg. 30. Juni. Die hiesige Presse fährt fort, gegen Oestreich-Ungarn zu eifern. DasNowoje Wremja" erklärt, daß dem Reiche i der Habsburger auch der Einfluß auf die westliche i Hälfte der Balkan-Halbinsel nicht zufallen dürfe, weil deren Bevölkerung durchwegs der griechisch-or­thodoxen Kirche angehöre.DerGrashdanin" be­streitet überhaupt die Möglichkeit einer Verständigung ^ mit Oestreich-Ungarn, so lange dessen Orient Politik unverändert bleibe.

Petersburg. Der Kaiser hat dem unter ^ i großen Ehren empfangenen außerordentlichen deut- ? schen Abgesandten, General von Pape, den St. I Andreas- und den Alexander-Newski-Orden verliehen. ? Gnieral Pape ist nach Berlin zurückgekehrt. !

Nach einem Warschauer Telegramm äußerte ^ der Großfürst Wladimir, Bruder des Zaren, während eines Festmahles, an welchem Graf Gurko und andere ^ Generale teilnahmen, daß die Thronrede des deutschen ^ Kaisers auf den Zaren den allerbesten Eindruck ge- ! macht, dessen Sympathieen für die preußische Königs­familie bedeutend gesteigert und das Vertrauen auf ^ die Erhaltung des Friedens befestigt habe, welchen j Rußland nie mutwillig stören werde.

Amerika.

^ Im Westen der Vereinigten Staaten ist ! eine große Schließung von Fabriken eingetreten. Alle ! Eisenwerke, soweit sie Mitglieder der Gewerkvereine ! als Arbeiter beschäftigen, haben ihre Fabriken ge­schlossen, weil die Arbeiter sich geweigert haben, auf ! eine Herabminderung der Lohnsätze einzugehen. Da- ! ! durch werden etwa hunderttausend Arbeiter brotlos, i ! --- -------

- Kleinere Mitteilungen.

Bietigheim, 30. Juni. Wie überall, so stehen auch i hier die Weinberge ausgezeichnet. Die Traubenblütc ist nun j nahezu vollendet und ging bei der günstigen Witterung gut ^ vorüber. Obst gibt es ziemlich viel, und auch die Getreide- ^ felder sehen infolge der warmen Regen günstiger ans, doch werden die Halme durchweg etwas kurz bleiben.

Im Jahre 1842 wurde die Försterstochtcr Otto bei ^ Tankow vergewaltigt und ermordet gefunden und der Hilfs- ' i jäger Rostin vom Schwurgericht in Klistrin als Mörder zu ^

! lebenslänglichem Znchthanse verurteilt, in welchem er vor , Jahren gestorben ist; er hatte fortwährend seine Unschuld i beteuert. Jetzt hat ein alter Mann auf seinem Krankenbette dem Pfarrer ans eigenem Antriebe gestanden, daß er der Mörder sei. Der Geistliche hat dem Gericht Anzeige gemacht. ^

' (Wie du mir so ich dir.) Einige Hamburger und

Bremer Zigarrenhändler sind sehr aufdringlich. So bekam ^ ein Barmer Zahnarzt, wie derW. M." berichtet, einen Brief folgenden Inhalts: ?. Sic haben immer noch nicht von

meiner Ihnen schon so oft gemachten Offerte Gebrauch ge­macht. Damit sie sich nun von der Reelität meines Geschäfts überzeugen, erlaube ich mir Ihnen einProbe-Sortiment frei zu übersenden und übermache Ihnen gleichzeitig die Rechnung, für deren Betrag mit 38 70 4 Sic mich giftigst erkennen !

- wollen. Habe ich bis Sonnabend keine Nachricht, so gehen ^

^ die Zigarren an Sie ab." Die Antwort des Zahnarztes i

lautete:Mit Vergnügen sehe ich der Sendung Zigarren entgegen. Jedoch werde ich mir erlauben, zur Ausgleichung der Rechnung Jkmen für 38 4L 70 4 Zahnpulver zu schicken." Der Zahnarzt erhielt keine Zigarren.

Ans Kaiser Wilhelms Leben erzählt sein Vorleser, Hofrat Louis Schneider, in seinen hinterlassenen Erinnerun­gen:Die Selbstbeherrschung des Königs war eine außer­ordentliche. Schneider behauptet, daß nach dem Zeugnis Aller, die dem König in jüngeren, wie in älteren Jahren gedient, nie ein Schimpfwort oder ein Fluch über seine Lippen gekommen;sein Gleichmut bei selbst persönlich sehr unange­nehmen Verhältnissen ist nie erschüttert worden, nie hat einer seiner Diener ein unfreundliches oder verletzendes Wort ans seinem Munde gehört. Das Einzige, woran sie erkannten, daß er unzufrieden war, soll ein etwas betontes Hm! gewesen ! sein." Einmal hatte sich der König den Fuß verstaucht. Es i wurde ein Tritt von Mahagoniholz angefertigt, der zusam- ! mengeklappt in den Wagen gelegt und aufgestellt wurde, wenn j der König zu Pferde stieg. Eines Tages mußte der König j znm Manöver fahren, die Zeit drängte und er sah den Tritt I unter einen, Stuhl im Adjulantenzimmer liegen, während er ! zum Wagen hinabeilte. Als er sah, daß der Tritt vergessen ^ worden war, sagte er zu dem dort harrenden Kammerdiener: daß mir der Tritt nicht vergessen wird. Ich kann ja dran- . ßcn gar nicht zu Pferde steigen, wenn der Tritt nicht mit- - genommen wird."Meine Schuld ist es nicht, Eure Ma­jestät! Wenn ich gewußt hatte, daß das Gestell mitgenommen ^

werden sollte, dann hätte ich es gewiß besorgt." --Ich sage ja auch nicht, daß Du daran schuld bist; aber ich habe es ein für allemal gesagt, daß der Tritt jedesmal mitgenommen werden soll."Mir haben Eure Majestät nichts gesagt, sonst wäre es gewiß geschehen."Ich habe mit keinem Worte gesagt, daß ich Dir jden Auftrag gegeben, aber Ihr müßt Euch doch so etwas unter einander sagen. Ich komme ja in die größte Verlegenheit, wenn ich im Angesicht der Truppen nicht zu Pferde steigen kann. Die Sache ist mir schon unangenehm genug." Abermals Beteuerungen des Kam­merdieners, daß er durchaus unschuldig sei, statt den Tritt zu nehmen, und selbst in den Wagen zu legen, ohne ein Wort zu verlieren. Mir krübbelte vom bloßen Zuhören das Blut, schreibt Schneider, und die Ruhe des Königs war mir unbe­greiflich. Endlich mußte der Garderobier kommen, den Tritt nehmen und in den Wagen schieben. Auch er hörte kein un­freundliches Wort, und beim Abfahrcn sagte der König:Nun müssen wir aber schnell fahren." Einmal war die königliche Equipage nach Potsdam, anstatt nach Nowawes gefahren, von wo der König sich nach Babelsbcrg zu begeben Pflegte. Es war llfts Uhr Nachts und stockfinster, als der Eisenbahn­zug in Nowawes anhielt. Alle Welt war durch das Aus­bleiben der Equipage in peinlichste Verlegenheit gesetzt, nur der König sagte ruhig:Nun, dann wollen wir zu Fuß gehen, es ist glücklicherweise schönes Wetter." So geschah es denn auch, ohne daß dieses Vorfalles wieder erwähnt worden wäre."

Ein einsilbiger Scheidung sg rund. Aus London meldet man: Die seit einem Jahre vermählte Gattin des Obersten Streaton wurde vor einigen Tagen die Mutter eines Kindes. Der Oberst kündigte das freudige Ereignis in englischen Blättern mit den Worten an:Meine geliebte Frau ist glücklich entbunden und hat mir nur ein Töchterchen geschenkt." Das Wörtchennur" beleidigte die junge Mutter in so hohem Grade, daß sie sich in das Haus ihrer Eltern zurückbringen ließ und den Entschluß kund gab, nie wieder zu einem Manne zurückznkehren, der sein erstes Kind mit solcher Geringschätzung begrüßte. Die Verwandten versuchten eine Versöhnung der Gatten herbeizuführen, aber die Frau hat bereits die Scheidungsklage cingercicht und erklärte, wenn man sie zwinge, zu idrem Gatten zurückznkehren, werde sie sich selbst und das Kind, was ohnehin nnr ein Töchterchen sei, töten.

lieber die geistige Befähigung der Kinder von Aerzten im Verhältnis zu andern Kindern hat Galton sehr merkwürdige Thatsachen gefunden. Es ergab sich aus einem Studium der Nachkommen der Mitglieder einiger be­deutender wissenschaftlicher Londoner Gesellschaften, daß oie Juristen die begabtesten Kinder und die wenigsten Idioten zur Welt bringen. Dann kommen die Aerzte und endlich die Geistlichen, welche am meisten Idioten und Schmachköpfe u. am wenigsten Talente produzieren, so daß ans der Geistlich­keit 6 mal so viel Idioten stammen, wie ans der Rcchts- gelchrsamkeit.

Handel Verkehr.

Nagold. Am 1. Juli d. I. ist der ermäßigte Eisenbahn-Fracht-Tarif für Steinkohlen ins Leben getreten, aus welchem wir nur hervorheben wollen, daß die Fracht für eine Wagenladung Kohlen nach Nagold ab den Saargruben um 910 d ab den Ruhrkohlenstationen etwa 8 ^ und ab Mannheim und Ludwigshafen um 9 billiger geworden ist.

Stuttgart, 2. Juli. (Landesproduktenbörse.) Die Erntc-Anssichten in Württemberg Ende Juni d. I. lassen im Durchschnitt ans eine schwache Mittelcrnte hoffen. Die große Trockenheit im vorigen Sommer und Herbst verhinderten die rechtzeitige Bestellung der Wintcrgetreidefelder, wodurch sich dieselben nicht mehr bestocken konnten. Der Regen, der in den letzten 14 Tagen niederging, konnte diesen Uebelstand nicht mehr, gut machen, weshalb beim Winterfell! kaum eine schwache Mittelernle zu erwarten ist. Besser ist der Stand der Som­merfelder, diesen kam noch in der letzten Stunde der erwünschte Regen zu gut. Bei Gerste, Haber und Sommerweizen ist noch trotz der ungünstigen Frühjahrswitterung eine gute Mit­telernte zu hoffen. Der Ausfall an Heu und Stroh ist für die Landwirte sehr empfindlich und kann kaum noch durch einen zweiten Schnitt ausgeglichen werden. Die Aussichten auf Obst und Wein sind dagegen sehr günstig, wie dies seit Jahren nicht mehr der Fall gewesen. Die heutige Börse ver­lief bei unveränderten Preisen ziemlich lebhaft. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen bayerischer 20<L 60 4, bis 2l russischer Jrca 20 4L 50 4, ungarischer 20 4L 75 4, fränki­scher 20 4L 40 4, Kernen, Oberländer 21 .lL 30 4, Rüben­reps, ungarischer 23 .^L 75 4, Haber I., wnrttembergischcr 16 4L 40 4, russischer 14 HO 4.

Konkurseröffnungen. Christian Zimmcrmann, Schuhmacher von Heselwangen (Balingen) s. Z. in Amerika. Reinhold Fischer, Schuhmacher von Hansen d. M. (Bracken­heim,) nach Amerika entwichen. Daniel Dichter, Metzger in Blaubeuren. Karolinc Koch, gcb. Scheiffele, Witwe des Georg Koch, Händlers in Döffingen (Böblingen). Eduard Palmer, Lammwirt in Simmozheim (Calw). Friederike Voigt, Witwe, Krämcrin in Steinhcim a. M. (Marbach).

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