Der Gesellschafter.
Amts- «rrd Intelligenz-Blatt für -en Oberamts-Bezirk Nagold.
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1888 .
Amtliches.
Nagold.
Landestrauer für Seine Majestät den Kaiser Friedrich
betreffend.
Die Schultheißenämter werden unter Hinweisung auf die K. Verordnung vom 15. d. Mts. im obigen Betreff ausgefordert, sich genauestens nach den getroffenen Anordnungen zu richten. Den 17. Juni 1888.
K. Oberamt. vr. Gugel.
Der Postexpeditor tit. Postverwalter Pfinder in Alten steig wurde seinem Ansuchen entsprechend wegen hohen Alters und Abnahme der körperlichen Kräfte in den Ruhestand versetzt.
Der bisherige Gemeindepfleger Jakob Eisenhardt von Dachtel, O.A. Calw, wurde zum Schultheißen der gedachten Gemeinde ernannt.
Tages-Neuigkeiten.
** Nagold, 19. Juni. Den Tag der Beisetzung Kaiser Friedrichs III. hat auch unsre Stadt gestern festlich begangen. Die Läden waren geschlossen, störende Arbeiten unterblieben. Zum Trauergottesdienst bewegte sich um 9Vz Uhr ein stattlicher Zug durch die Stadt, den die Schuljugend mit den Präparanden und Seminaristen eröffnet?. Mehrere Vereine (Feuerwehr, Militärverein, Liederkranz, land- wirtschaftl. Verein und Turnverein) mit florumhüll- len Fahnen, die HH. Bezirksbeamten, bürgerl. Kollegien und viele Einwohner schloffen sich an. Nachdem der Seminaristenchor den wehmütig stimmenden Choral: „Ach, wie nichtig rc." gesungen hatte, stimmte die Gemeinde an: „Was Gott thut rc." Nach dem Eingangsgebet erscholl der feierliche Männerchor: „Himmelsruh und Frieden rc." Die Predigt über den vorgeschriebenen Text (Römer 11,38) hielt Dekan Schott. In einer längeren Einleitung stellte er eine treffliche Vergleichung zwischen den beiden so bald nach einander verewigten deutschen Kaisern an, auf die er schließlich das zunächst aus Saul und Jonathan sich beziehende Bibelwort anwendete: Beide, holdselig und lieblich in ihrem Leben, sind auch im Tode nicht geschieden; leichter, denn die Adler, und stärker, denn die Löwen (2. Sam. 1, 23). Die vom Redner angeführten Bergleichungspunkte waren: Kaiser Wilhelm, der nach glorreichem Greisenalter und langer Regierungszeit im Frieden entschlief, ein Held, von dem die Weltgeschichte noch in späteren Zeiten reden wird; Kaiser Friedrich, ein Mann, der zum Leiden und Sterben die Bestimmung vor sich sah, nur 100 Tage regieren durfte, und den unter der Gebundenheit des Leibes ein früher Tod dem deutschen Volke entriß. Dieses soll aber nicht bloß klagen und trauern, sondern danken, denn der heute zur Ruhe Gebettete ist und bleibt eine edle Gestalt, ein Mann mit herrlichen Anlagen des Leibes und der Seele, ein Held, von dessen Thaten die Weltgeschichte erzählen wird, ein Mensch von liebenswürdigen Eigenschaften, ein Sohn, gehorsam dem Vater, wetteifernd mit dessen Tugenden, ein Vater, der ein Vorbild für alle Väter war, ein Dulder in Stille und Demut; kurz: das vollendete Bild eines deutschen Mannes, dessen ruhmreiche Thaten fortleben werden im Gedächtnis jedes Deutschen, dem unvergeßlich -bleibt, daß ohne den damaligen deutschen Kronprinzen die deutsche Einheit nicht so rasch erfolgt wäre. Auf den Text übergehend, gelten die Worte desselben dem Volke Israel; er kann aber wohl auch in Beziehung gesetzt werden
mit der Geschichte Preußens und dessen Königshaus, was sodann ausgeführt wurde. Redner schloß mit einem tröstlichen Wunsch für das trauernde Kaiserhaus. „Wenn dasselbe dem Herrn auch ferner die Ehre giebt, so wird er an ihm seinen Namen verherrlichen und uns auch den neuen Kaiser zum Segen setzen, was er in Gnaden schenken möge."
st-f Nagold, 19. Juni. Gestern fand im Seminarsaal eine Trauerfeier für den verewigten Kaiser Friedrich statt. Die Einleitung bildete eine tiefergreifende Komposition von Schubert („Zum Sanktus"), welcher ein passender Text untergelegt war: „Tönet Trauerlieder, tönet bang und schwer; unser treuer Kaiser, ach er ist nicht mehr u. s. w. Nachdem hiedurch die Gemüter in innig bewegte Stimmung gebracht waren, zeichnete Professor W e- tz e l das Charakterbild des entschlafenen Kaisers als eines Kriegshelden, dessen Thaten auf immer in die Geschichte des deutschen Reichs eingegraben sind,
! wie als eines auf allgemein menschlich-edle Bestrebungen gerichteten Friedensmannes, dessen heldenhafte Person, geschmückt mit einem gewinnenden Wesen und ausgezeichneter Bildung, nicht nur das Herz des deutschen Volks, vorab der Süddeutschen, eingenommen sondern auch auf die umwohnenden Völker, welche der Verewigte als Kronprinz besuchte, einen imponierenden und zugleich bezaubernden Eindruck gemacht habe. Den Schluß der ansprechenden und würdigen Feier bildete abermals ein ergreifender Chor der Seminaristen: „Wir neigen im Schweigen Dir Gott uns, dem Starken, Du spendest das Leben, Du sendest den Tod. Du hast unfern Marken den Kaiser gegeben, Du hast ihn genommen, Dein Will' ist Gebot u. s. w." Der Schluß dieses Chors ist auch unser aller Wunsch: „Gott schütze das Reich!"
- Haiterbach, 18. Juni. Die gestrige landwirtschaftliche Versammlung im Gasthaus zum Löwen war von hier und auswärts stark besucht. Da der Vorstand des landwirtschaftlichen Bezirksvereins Hr. Oberamtmann vr. Gugel am Erscheinen verhindert war, so wurden die Verhandlungen vom Vereinssekretär Hr. Oberamtstierarzt Wallraff geleitet. Nachdem dieser die Versammlung eröffnet hatte, erhielt Hr. Landwirtschaftsinspektor vr. W i e- dersheim aus Reutlingen das Wort, um in einem spannenden Vortrag die Anwesenden über den Wert der Zuchtgenossenschaften zu belehren. Demselben entnehmen wir, daß die Rinderzucht am Anfang unseres Jahrhunderts noch eine ganz stiefmütterliche Behandlung erfuhr. Die Viehhaltung erschien den Bauern als ein unentbehrliches Uebel, notwendig zur Produktion von Dünger, die Rinder waren also nur „Düngermaschinen." Dieser verkehrten Ansicht wurde indessen cntgegengearbeitet durch landwirtschaftliche Autoritäten, besonders durch die Bestrebungen unseres Königs Wilhelm. Es sei hier nur an die Gründung des landwirtschaftl. Festes in Cannstatt und an die Errichtung der Zentralstelle erinnert. Durch diese und ähnliche Maßnahmen wurde die Rindviehzucht auf einen ganz anderen Standpunkt gebracht. Dieselbe erscheint nunmehr dem Landmann nicht mehr als notwendiges Uebel, sondern als Grundlage des landwirtschaftl. Betriebs. — Worin bestanden denn die Schwächen der früheren Rinderzucht? 1) in der Farrenhaltung, d. h. ! in der Zulassung ungeeigneter Farren zur Nachzucht. Diesem Uebelstand ist jedoch durch das im Jahr 1883 verabschiedete Farrenhaltungsgesetz abgeholfen. Nur sollte nach des Redners Ansicht dasselbe noch strenger gehalten, eine Verpachtung der Farrenhal
tung nicht geduldet, sondern die Selbstverwaltung derselben jeder Gemeinde zur Pflicht gemacht werden; auch sollten in Gemeinden mit größerem Viehstand nur Farren 1. höchstens 2. Klasse zulässig sein. 2. in Beziehung auf die Aufzucht des Rindviehs. Es herrschte früher und besteht wohl da und dort noch die schädliche Gewohnheit, den Kälbern möglichst bald die Milch zu entziehen, ohne denselben einen andern Ersatz zu bieten, als sie recht frühzeitig ans Fressen von Heu und Stroh zu gewöhnen. Durch diese unvernünftige Behandlung, sowie durch zu hoch gestellte Krippen und Raufen bekommen die jungen Tiere die bekannten Hängebäuche. Eben so unverständig ist es, die bis ^ijährigen Tiere möglichst „rauh" zu halten. Es hat zwar eine gewisse Berechtigung, junge Tiere nicht zu üppig zu füttern; aber dieselben so rauh zu halten, daß sie infolge dessen ein raupeliges und struppiges Aussehen erhalten. ist gewiß nicht von Vorteil. Rauh- härige Tiere sind gewöhnlich schlecht gefüttert, so lange aber ein Tier im Wachstum begriffen ist, muß es kräftig gefüttert werden, natürlich mit Maßhalten. Sehr nachteilig wirkt ferner ein zu frühes Zulassen junger Tiere für Zuchtzwecke, ein zubaldiges Anspannen derselben, ein zu langes Benützen trächtiger Tiere zum Zug, ein möglichst baldiges Wiedereinspannen der Muttertiere, ohne ihnen die nötige Erholungszeit zu gönnen. — Diese und andere Mißstände sind die Ursache gewesen, die rationellen Landwirten Veranlassung gaben, sogenannte Herdbuchgesellschaften oder Zuchtgenoffenschaften zu gründen. Der Wert für den einzelnen Teilnehmer besteht darin, daß er in den Stand gesetzt wird, einen möglichst großen Gewinn von seinem Viehstand zu erzielen durch Mästung, reichliche Milchngtzung und Heranziehung von schönem Zuchtvieh. Ein solcher Verein hat sich im Oberamt Balingen durch die Bemühungen des dortigen Oberamtstierarztes gebildet. Besagter Verein bildet eine Sektion des dortigen landwirtschaftlichen Bezirksvereins. Die Statuten desselben, aus 10 bestehend, werden vom Redner mitgeteilt und näher erläutert, auch Formulare über Registerführung zur Einsicht vorgelegt. Durch solche Vereine werden die einzelnen Mitglieder zu einem edlen Wetteifer in Wart und Pflege ihres Viehes angeregt. Schöne Erfolge auf diesem Geriet haben aufzuweisen Mößkirch am Bodensee, Frankfurt a/M. sowie die Haller Herdbuchgesellschaft. Hr. vr. Wie- dersheim empfiehlt noch die Einführung von Zuchtviehmärkten; er bezeichnet zwar das Abhalten derselben als einen Zukunftsplan, doch ist in Blaufel- den schon ein Anfang damit gemacht worden. Ob unser Bezirk zu derartigen Gründungen reif ist, vermag Redner nicht zu beurteilen, da er die Verhältnisse zu wenig kennt. Er möchte aber dem Ausschuß des landwirtschaftlichen Bezirksvereins diese Frage zur Erwägung ans Herz legen und bittet denselben durch entgegenstehende Schwierigkeiten sich nicht ab- schrecken zu lassen. Denn aller Anfang ist schwer, nur soll man denselben nicht zu schwer nehmen. Der Vorsitzende Hr. Wallraff versichert, daß nach seinen Wahrnehmungen im Bezirk Material genug vorhanden sei, um eine derartige Genossenschaft gründen zu können, und will die Sache bei der nächsten ! Ausschußsitzung in Anregung bringen. Er hofft, daß wenn man einmal im Sattel sitze, man auch werde reiten können. Auf Ersuchen des Hr. Vorsitzenden wurde dem Hrn. vr. Wiedersheim für seinen sehr lehrreichen Vortrag der Dank der An- ! wesenden durch Erheben von ihren Sitzen ausgedrückt.