des Prinzen Heinrich mit der Prinzessin Irene von Hessen. So recht von Herzen froh war der teure Herr und mit frohem Sinne ist er aus dem alten Charlottenburger Schlosse nach seinem Lieblingswohnsitz Friedrichs- kron bei Potsdam übergesiedelt. Nicht lange mehr hat er bei guter Kraft dort verweilen sollen. Anfänglich zeigte sich nur eine größere Mattigkeit, dann aber machte die Krankheit entsetzliche Fortschritte, indem sie die Luftröhrenwand durchbrach und die Speiseröhre in Mitleidenschaft zog. Auch da kein Laut der Klage, kein Wort der Furcht, aber unverdrossen erledigte der Monarch weiter die Regierungsgeschäfte. Als Held hat er gelebt, als Held ist er geschieden, Ehre seinem Namen.
Wilhelm II.,
der Liebling seines kaiserlichen Großvaters, (geb. 27. Januar 1859) hat den deutschen Kaiserthron bestiegen. Jung, wie selten ein Herrscher, gelangt der neue Kaiser zur Regierung; er folgt großen und machtvollen Monarchen, zu denen die ganze Welt mit Bewunderung emporblickte. Diese Bewunderung wird sich Kaiser Wilhelm II. erst erwerben müssen, aber was ihm sofort entgegenfliegt, das ist die Liebe und das Vertrauen des deutschen Volkes. Wir können dem Enkel Kaiser Wilhelms und dem Sohne Kaiser Friedrichs unser Vertrauen mit gutem Gewissen entgegenbringen , denn er ist ein echter Sproß vom edlen Hohenzollernstamme, friedliebend und auf das Wohl des Volkes bedacht wie seine Vorgänger. Der Kaiser ist jung, aber ihn hat der bittere Ernst des Lebens früh zum gereiften Manne gemacht, und schon lange steht er den Staatsgeschäften nicht mehr fremd gegenüber; denn beide Kaiser hatten ihm für einen Teil
der Staatsgeschäfte die Vertretung übertragen. und die ersten Räte der Krone standen ihm zur Seite. Kaiser Wilhelm II. gilt als eifriger Militär ; aber beide Kaiser waren das ebenfalls, und doch schätzten sie den Völkerfrieden höher als den Waffenruhm. Deshalb ist es Thorheit, glauben zu wollen, die Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. könne einen Wechsel in der deutschen Friedenspolitik herbeiführen, oder gar den Ausbruch eines Krieges veranlassen. Kaiser Wilhelm und Kaiser Friedrich haben mit Unterstützung des Reichskanzlers mit starker Hand den Weg vor- gezcichnet, den wir zu gehen haben; wir brauchen nur vorwärts zu schreiten. Sollte aber wider unseren Wunsch und wider unseren Willen ein Krieg Hereinbrechen, nun gut, wir sind bereit, mit Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich III. ist der deutsche Waffenruhm nicht entschlafen. Mit Thränen in den Augen begrüßten wir den erneuten Thronwechsel, und Kaiser Wilhelm selbst wird am wenigsten mit Freude seine Thronbesteigung begrüßen, aber mit fester Zuversicht blicken wir den kommenden Tagen entgegen. Deutschland steht zu fest, als daß es noch zersplittert werden könnte; alle Stämme sind einig, die Treue, welche sie einander gelobt, unverbrüchlich zu halten. Und einmütig werden sich auch die deutschen Fürsten um den jungen Kaiser scharen. Nie ist ein Volk so heimgesucht, wie das deutsche jetzt, aber aus dem furchtbaren Schmerze erwächst auch der Wille, zusammen das Leid zu tragen. Schwer sind wir heimgesucht und tief neigen wir das Haupt, aber es wird doch auch wieder wahr werden: Der gute, alte deutsche Gott, er lebt noch!
Amtliches.
Nagold.
Baumsatz an den Straßen.
Den Schultheißenämtern sind heute die Baumvisitationsprotokolle durch die Post zugegangen. Die gerügten Defekte sind bis zum 1. Sept. d. I. zuverlässig zu erledigen.
Das Oberamt erwartet, daß die Ortsvorsteher diesem Gegenstand alle Sorgfalt zu Teil werden lassen.
Den 15. Juni 1888.
K. Oberamt. Or. Gugel.
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
In Stuttgart erließ Se. Maj. der König folgende Ordre an das Staatsministerium: Nachdem Kaiser Friedrich kurze Zeit nach Hingang seines erlauchten Vaters ruhmreichen Andenkens auf Gottes Ratschluß in die Ewigkeit abgerufen ist, bestimme ich : Bis nach der Beisetzung unterbleibt jede öffentliche Lustbarkeit und Musik, ausgenommen das kirchliche Orgelspiel. Am Beisetznngstage werden in allen Kirchen die Glocken geläutet und Trauergottesdienste abgehalten.
Zweites großes Musikfest in Stuttgart. Wie uns soeben milgeteilt wird, soll infolge Ablebens Sr. Maj. des Kaisers das Musikfest bis nach den Beisetzungsfeierlichkeiten verschoben werden.
Stuttgart, 16. Juni. Abgesandte der deutschen Partei begaben sich im Laufe des Nachmittags zu dem preußischen Gesandten beim hiesigen Hofe behufs Kondolation. Eine ähnliche Totenfeier wie bei Kaiser Wilhelm wird unter allgemeiner Beteiligung der Bevölkerung im Festsaal der Liederhalle am Montag stattfinden. Die Schaufenster der öffentlichen Läden sind schwarz verhängt und zeigen Trauer- schmuck mit Bildern und Büsten des Kaisers Friedrich. Das Musikfest findet am 22., 23. u. 24. Juni statt.
Baden-Baden, 16. Juni. Die Abreise der Kaiserin Augusta und des großherzoglichen Paares nach Berlin erfolgte um V,6 Uhr mittels Extrazug.
Berlin, 13. Juni. Die Stimmung des Kaisers wird als ergeben und geduldig geschildert. Wenn die Mitglieder der Familie sich ihm mit Thränen in den Augen nähern, weist er mit dem Finger nach oben, um sein unerschüttertes Gottvertrauen zu bezeugen. Er trägt sich auch nach der „Posr" trotz der ungeheuren Beschwerden, die das Leiden verursacht, mit weitaus reichenden Plänen. — Um bei der Pflege des hohen Patienten mitzuwirken, ist gestern abend eine barmherzige Schwester in Schloß Friedrichskron eingetroffen. Dieselbe, aus dem katholischen St. Josephsstift in Potsdam, unterstützt insbesondere die Kaiserin in der Pflege. — Die telegraphischen Meldungen für den Kaiser von Oesterreich und den Minister Kalnocky gehen direkt nach Pest. Der Kronprinz Rudolf verlangte telegraphische Meldungen nach Serajewo, woselbst er gegenwärtig weilt.
Berlin, 14. Juni. Fürst Bismarck ist gegen 5 Uhr von Schloß Friedrichskron zurückgekchrt. Er ist am Krankenlager des Kaisers gewesen. Der
Kaiser schien ihn zu erkennen und reichte ihm und drückte ihm die Hand.
Berlin, 14. Juni. Der Kaiser beauftragte gestern den Reichskanzler telegraphisch, wegen der Uebernahme des Ministeriums des Innern mit dem Oberpräsidenten Grafen v. Zedlitz-Trützschler in Verhandlungen zu treten.
Berlin. Von nah und fern kommen Nachrichten über den gewaltigen Eindruck, den die rapide Verschlimmerung in Kaiser Friedrichs Befinden hervorgerufen. Die deutschen Botschaften und Gesandtschaften im Auslande wurden von Teilnehmenden gestürmt, von den höchsten bis zu den niedrigsten Kreisen herrscht derselbe Anteil.
Berlin, 15. Juni. Alles steht hier unter dem Eindruck der erschütternden Lage in Schloß Friedrichskron. Der Kaiser war feit gestern früh von der Hoffnungslosigkeit seines Zustandes völlig unterrichret. Die Prinzessin Sophie, die zweite Tochter des Kaisers, die gestern ihren 18. Geburtstag beging, trat vormittags an das Krankenlager ihres Vaters, um dessen Glückwünsche entgc- genzunehmen. Unter Schluchzen küßte die Prinzessin dem Kaiser die Hand, dann ließ Seine Majestät sich Papier und Bleistift reichen und schrieb auf einen Zettel, den er ihr überreichte, folgende Worte: „Bleibe fromm und gut, wie du es bisher gewesen, dies ist der letzte Wunsch deines sterbenden Vaters." Weinend nahm die Prinzessin diesen Zettel und verließ, von Schmerz aufgelöst, das Krankenzimmer. Später und insbesondere gegen Mittag trat zuweilen völlige Bewußtlosigkeit ein, dann wieder eine Art Halbschlummer, daun geringe Teilnahme. Die Aerzte flößten dem Kranken Wein, Cocain und andere Stimulantien ein.
Berlin, 15. Juni. Der Kaiser lag bis 9 Vs Uhr in leichtem Schlummer und empfing dann von Perms das Abendmahl bei vollem Bewußtsein. Um 11 Uhr 15 Min. wurde die Fahne auf Halbmast gehißt. Die Estafetten jagten aus dem Schlosse. Die Beisetzung soll, wie verlautet, in der Friedenskirche zu Potsdam, die Aufbahrung im Muschelsaale zu Friedrichskron erfolgen.
Berlin, 15. Juni, abends. Verbürgt ist, daß der Kaiser ruhig und schmerzlos verschieden ist. Ich vernehme aus guter Quelle, daß Mackenzie vorgestern den Kaiser aus das nahe Ende vorbereitete, was dieser ruhig und gefaßt entgegennahm. Ueber die Beerdigungsfeierlichkeiten hat der Kaiser noch selbst Bestimmungen getroffen; nicht in der Friedenskirche, sondern in der Garnisouskirche in Potsdam, wo Friedrich der Große ruht, soll er beigesetzt werden.
Potsdam. 16. Juni. Während der letzten Stunde Kaisers Friedrich hielt die Kaiserin Viktoria die rechte Hand des Kaisers umschlossen. Der jetzige Kaiser Wilhelm und seine Gemahlin standen links am Bette. Der Kaiser liegt auf eisernem Bette, mit den Händen einen Kavalleriesäbel umfassend, auf der Brust den Kranz, welchen ihm der verstorbene Kaiser Wilhelm nach der Schlacht bei Wörth geschenkt. Die Gesichtszüge sind jetzt sehr unverändert.
Berlin, 16. Juni. Ueber die in den Zeitungen (auch von uns. D. R.) erwähnte Szene im Krankenzimmer des Kaisers erfahren wir: Die Kai
serin hatte am Donnerstag den Reichskanzler beim Kaiser gemeldet. Als der Kanzler eintrat, streckte ihm der Kaiser beide Hände entgegen, ergriff die Hand des Kanzlers, drückte sie lange und fest, winkte dann die Kaiserin heran und legte deren Hand in die des Kanzlers, beide dann warm pressend. Es war zugleich der Abschied, den der königliche Dulder von seinem Kanzler nahm, dieser hat ihn nicht mehr lebend gesehen.
Berlin, 15. Juni. Anton v. Werner hat den sterbenden Kaiser heute vormittag ausgenommen.
Berlin, 15. Juni. Soweit bisher verlautet, wird die Leichenfeier und Beisetzung in Potsdam statlfinden. Hofprediger Kögel ist aus Ems berufen und wird heute in Potsdam eintreffen. Die Proklamation des Kaisers Wilhelm II. wird alsbald erwartet; ob der Bundcsrat noch heute Zusammentritt, um offiziell die Mitteilung vom Ableben Kaiser Friedrichs und vom Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. entgegenzunehmen, ist noch nicht gewiß, jedenfalls morgen. Die Obduktion findet heute abend statt. Aus den letzten Stunden des Kaisers wird gemeldet: „Im Laufe des gestrigen Nachmittags war der Zustand Sr. Majestät des Kaisers und Königs eher günstiger als schlimmer. Daß Bewußtsein erhielt sich voll und ungetrübt. Um ihn waren, außer den Aerzten, Ihre Majestät die Kaiserin und General-Lieutenant v. Mischke, auch Se. kaiserliche und königliche Hoheit der Kronprinz war in der Nähe. Da es den Tag über geregnet hatte und die Temperatur etwas gesunken war, so hatte man den hohen Patienten gegen Abend von dem Schlafzimmer an der Parkseite wieder nach dem Schlafzimmer am Sandhof gebracht. Der Kaiser schrieb, wie uns mitgeteilt wird, viel auf und genoß am Nachmittag eine Apfelsine. Einen besonderen Ausdruck der Freude gab er an einem Blumengeschenke zu erkennen. Die Nacht war ruhig vorübergegangen, um 1 Uhr hatte die Kaiserin die Familienmitglieder entlassen und war in dem dem Krankenzimmer zunächst gelegenen Gemache zur Wacht geblieben. Dr. Hovell wachte, der Kaiser war bei vollem klarem Bewußtsein. Gegen 1 Uhr schrieb er Dr. Hovell auf: „Wie steht mein Puls? Wie sind Sie damit zufrieden?" Dann schrieb er noch etwas, das er jedoch behielt. Gegen Morgen verschlimmerte sich der Zustand, es traten Atembeklemmungen ein, dann kamen wieder Augenblicke der Erleichterung. So kämpfte die letzte Kraft des Körpers gegen den nahenden Tod. Am Morgen gegen 8 Uhr war die gesamte Familie um das Krankenbett versammelt, von Potsdam wurden Prinz und Prinzessin Heinrich und Prinz Friedrich Leopold gerufen. Ein Freitag wie heute war's, an dem der hochselige Kaiser starb. Es war gerade der 15. Juni, an dem vor 3 Jahren Prinz Friedrich Karl gestorben war, die beiden Hohenzollern-Söhne, die beiden General-Feldmarschälle vom selben Tag, am selben Datum!
Berlin, 15. Juni. Die Obduktion der Leiche Kaiser Friedrichs wird unter Zuziehung noch anderer, bisher unbeteiligter Aerzte stattfinden; man nennt auch Prof. Schweninger.
Berlin, 15. Juni. Die Skribenten des Hrn. Mackenzie beeilen sich, für die Lungenentzündung,
!
k