vor, die innere Politik spiele keine Rolle dabei, es handle sich nur um Fragen der äußeren Politik. Endlich aber wird auch mehrfach versichert, der Kaiser habe das Entlassungsgesuch Bismarcks abgelehnt, auch sei über die schwebenden Fragen eine Einigung erfolgt.
Leipzig, 9. April. In den hiesigen nationalen Kreisen ist eine Adresse an den Reichskanzler in Vorbereitung, worin der dringende Wunsch nach dem Verbleiben desselben im Amte ausgesprochen und zugleich das rückhaltlose Vertrauen bekundet wird, unser erhabener Kaiser Friedrich werde in seiner allgemein verehrten Weisheit und hochherzigen Hingebung an die großen Interessen der Nation Mittel und Wege finden, einen so unersetzlichen Verlust von Deutschland abzuwenden. Die Adresse soll zur Unterzeichnung öffentlich ausgelegt werden.
Darm st adt, 6. April. Bezüglich des Heiratsplanes des Battenbergers mit der Prinzessin Viktoria wird von der, der „Magdeb. Ztg." nahestehenden Seite versichert, Bismarck hätte bereits vor längerer Zeit die Zustimmung zur Heirat an die Bedingung geknüpft, daß der Battenberger auf den Bulgarenthron endgiltig verzichte, der Prinz habe jedoch damals die Erfüllung dieser Forderung abgelehnt. — Damit fallen alle die heuchlerischen Versicherungen der deutschfreisinnigen und demokratischen Presse, die Heirat sei nicht im mindesten politischen Charakters, in sich selbst zusammen. So lange der Battenberger nicht ausdrücklich auf jede bulgarische Idee verzichtet, bleibt er nach seiner Vergangenheit eine politische Persönlichkeit und muß für Rußland eine Person des Mißtrauens sein.
Der klerikale „Westfälische Merkur" .schreibt: Der Bräutigam in 8pe ist der vertriebene Fürst von Bulgarien, jener Mann, der in Petersburg tätlich gehaßt wird. Eine enge verwandtschaftliche Verbindung zwischen diesem und unserem Kaiserhaus müßte den Zorn und das Mißtrauen Rußlands heraufbeschwören. So sieht wenigstens Fürst Bismarck die Sachlage an, und das wohl nicht mit Unrecht. Wo aber hohe politische Gesichtspunkte ins Spiel kommen, muß jede „unklare Gesühlspolitik" schweigen, und auch „maßgebende Persönlichkeiten" haben ein Opfer zu bringen. Also Wahl zwischen der Freundschaft Rußlands und einer Herzensheirat. ! Wie da die Entscheidung fallen wird, erscheint uns! nicht zweifelhaft.
Berlin. Auf Wunsch Kaiser Friedrichs, der selbst verhindert ist, sich an das Ueberschwemmungs- gebiet zu begeben, reist heute (8.) Kaiserin Viktoria, nach Posen und wird dort mittags vor 1 Uhr ein- ! treffen. Nach vierstündigem Aufenthalt erfolgt die Rückreise nach Berlin. Unter der Bevölkerung der ! schwer heimgesuchten Stadt herrscht in Folge der ^ Ankündigung des hohen Besuches die größte Freude. !
Berlin. Wie bereits gemeldet, ist die Rücktrittsfrage des Fürsten Bismarck vorläufig als erledigt zu betrachten. Vorläufig leider nur, ! denn es gewinnt heute wieder den Anschein, als wenn ! diese Frage in kürzester Zeit von Neuem auf dem Plan erscheinen und einen weit akuteren Charakter! dann annehmen wird, als sie bisher gehabt hat. ! Gestern noch war man in bestunterrichteten Kreisen > der Ansicht, daß die Kanzlerkrisis völlig überwunden ! und aus der Welt geschafft sei; heute aber gibt man doch schon wieder zu, daß Einflüsse, deren Bekämpfung dem Fürsten-Neichskanzler unmöglich werden dürfte, demselben doch in nächster Zeit Veranlassung geben würden, auf seinem Entlassungsgesuche zu bestehen. Wir verzichten darauf, auch nur annähernd die zahlreichen Gerüchte zu skizzieren, welche in dieser Beziehung augenblicklich umlaufen; nur so viel sei erwähnt, daß dieselben — wenn auch manches Falsche — so doch immerhin recht viel Wahres enthalten. Nach den an authentischer Quelle eingezogenen Informationen steht es unbedingt fest, daß Rußland die Verbindung einer preußischen Prinzessin mit dem Fürsten Alexander sehr übel ausgenommen und darin keineswegs einen ruffenfreundlichen Akt Preußens erblickt haben würde, es sei denn, daß der Fürst vorher in formellster Weise auf alle und jede Ansprüche, ' welche den bulgarischen Fürstenthron betreffen, Verzicht geleistet hätte. Da letzteres nicht erfolgte, so mußte Fürst Bismarck auf seinem Standpunkte beharren, was ihm übrigens um so weniger schwere wurde, als Kaiser Friedrich den politischen Bedenken,! welche gegen eine solche Verbindung sprechen, sofortj volle Gerechtigkeit widerfahren und das Projekt, das '
bekanntlich auf die Initiative der Kaiserin Viktoria zurückgeführt wird, fallen ließ. In der That ist dies Hciratsprojekt aber bereits in seinen Borstadien so weit gediehen, daß eine Rückkehr von demselben auch nicht zu den leichtesten Aufgaben gehört, zumal es der Lieblingswunsch unserer Kaiserin ist, jene Verbindung zu Stande kommen zu sehen. Es mögen daher auch diejenigen wohl nicht ganz im Unrechte sein, welche behaupten, daß der mehrfach erwähnte Vermählungsplan keineswegs ausgehoben, sondern nur aufgeschoben sei und bei erster bester Gelegenheit greifbare Gestalt gewinnen dürfte. Ist dies richtig, so scheint es auch ganz zweifellos zu sein, daß die Demission des Fürsten Bismarck sofort wieder in Frage kommt, sobald jener Fall eintritt.
Berlin, 7. April. Die „Krzztg." plaidiert dafür, daß man das Schullastengesetz, mit welchem nach den Beschlüssen der Kommission eigentlich niemand einverstanden sei, fallen lasse und den dafür vorhandenen Ueberschuß von 20 Millionen für die Ueberschwemmten verwende.
Berlin, 8. April. Fürst Bismarck begibt sich nächster Tage nach Varzin, so meldet ein hiesiges Blatt. Das Hochwasser hat auf seinen Besitzungen bedeutenden Schaden angerichtet.
- Berlin, 8. April. Dr. Mackenzie bleibt in Berlin, um die Ankunft der Königin von England zu erwarten.
Berlin, 9. April. Der Kaiser erfreut sich des besten Wohlbefindens; er hustet nur noch sehr wenig, die Anschwellungen der Stimmbänder, die in den letzten Tagen auftraten, sind vollständig zurückgetreten. Das Schlucken macht keinerlei Beschwerden mehr.
Berlin, 9. April. Kaiser Wilhelm soll, wie hiesige Blätter melden, jedem Invaliden aus dem Kriege 1870 bis 1871 testamentarisch 30 zugewiefen Huben.
Berlin, 9. April. Die Kanzlerkrisis besteht nach wie vor fort. Die Mitteilung eines ! hiesigen freisinnigen Blattes, daß Fürst Bismarck j sich in diesen Tagen nach Varzin begeben werde, um ! dort längere Zeit zu verbleiben, ist erfunden, i Berlin, 10. April. Nach der „Nordd. Allg.
! Ztg." verlieh der Kaiser Dr. Mor. Mackenzie das Großkomthurkreuz des Hohenzollernordens. Am 8. April händigte er demselben die Insignien des Ordens mit ungefähr folgenden Worten ein: Als Sie zuerst kamen, hatte ich Vertrauen zu Ihnen, weil Sie durch meine deutschen Aerzte empfohlen; bald jedoch lernte ich Ihre Tüchtigkeit selbst schätzen und gebe ich Ihnen deshalb mit vielem Vergnügen diesen Orden, in Anerkennung Ihrer wertvollen Dienste und in Erinnerung an meine Thronbesteigung!
Für den Fall eines Rücktrittes des Reichs-! kanzlers von seinem Amt ist als sein Nachfolger ! der Statthalter v. Hohenlohe in Straßburg genannt! worden, in auswärtigen Fragen ein besonderer Ber- trauensmann des Kanzlers.
Berlin. Wie aus zuverlässiger Quelle gemeldet wird, beabsichtigt Kaiser Friedrich in der Bekleidung der Offiziere insofern eine Aenderung ein- treten zu lassen, als in Zukunft statt der Epaulettes nur noch Achselstücke getragen werden sollen. Das Berliner Kriegsministerium soll mit Vorschlägen über Form und Ausstattung neuer Achselstücke beauf- ^ tragt sein. !
Ein kaiserlicher Gnadenerlaß für den Bereich des Reichslandes Elsaß-Lothringen steht jetzt ebenfalls bevor. Der Erlaß wird sich im allgemei- j neu an den preußischen Amnestieerlaß anschließen.
Berlin. Um den stellvertretenden Oberbefehl des deutschen Heeres durch König Albert von Sachsen im Mobilmachungsfalle bei Verhinderung des Kaisers soll es sich bei dem letzten Besuche des Königs in München gehandelt haben. So wird wenigstens der Boss. Ztg. von dort telegraphiert.
Berlin, 10. April. Der Kaiser spendete für die Ueberschwemmten 50000 ^
Berlin, 10. April. Die Kaiserin hatte einen begeisterten Empfang in Posen, auch von den Polen. Sie soll die Absicht haben, auch allen anderen überschwemmten Gebieten Deutschlands nach und nach, ohne sich zu lange vom Kaiser zu entfernen. einen Besuch abzustatten. Bemerkt wird, daß sich in diese Stellvertretungspflichten der Kaiserin auch die Prinzessin Viktoria teilt.
Ein erfreulicher Erfolg der Arbeiter-Kolonien und Berpflegnngsstationen in Deutschland ist die
Thatsache, daß sich die Zahl der Sträflinge in den Korrektionsanstalten von 23000 auf 18 000 vermindert hat, was eine Ersparnis von 1 Million ausmacht.
Dänemark.
König Christian von Dänemark hat aus Anlaß seines 70. Geburtstages eine Amnestie für Personen, welche wegen politischer Vergehen verurteilt worden sind, erlassen und die Einstellung von noch schwebenden politischen Prozessen befohlen.
Frankreich.
Paris. Die sog. „Patrioten-Liga", die sich einige Zeit lang bescheiden im Hintergründe gehalten hat, benutzt die, in eine neue Phase getretene Bon- langitis zu einer wütenden Apostrophe au den Natio- nal-Helden. Die Boulange durch eine Deputation überreichte Adresse lautet: „General! Eifrige Hüter der Unabhängigkeit des Vaterlandes und voll feuriger Opferwilligkeit für seine Größe, vereinigen sich Mitglieder der „Patriotenliga", Schüler Derouledes, in Hoffnung und Vertrauen auf Sie, und im Danke für alles, was Sie gethan, um die nationale Armee auf die Höhe ihrer Bestimmung zu bringen, mit ihren Brüdern von Elsaß-Lothringen, um in Ihnen den Verfechter der Ansprüche auf unser nationales Eigentum zu begrüßen. Erbärmliche Leute, die uns regieren, haben Sie verurteilen lassen, und das Gesetz verdreht, um es besser verletzen zu können. Wir erheben Einspruch gegen die Maßregel, welche Sie und zugleich alle die trifft, die den Dienst des Vaterlandes über die Streitigkeiten der Parteien stellen und den Namen Patrioten zu verdienen trachten. Die Stunde ist feierlich. Vielleicht schon morgen sollen wir an einem Kriege teilnehmen, in dem der Sieg uns endlich den Rhein, die natürliche und geschichtliche Grenze des alten Galliens, zurückgeben soll. Wir zählen auf Sie, General! Sie werden der glorreiche Krieger sein, der das Vaterland wieder freimachen wird vom Atlantischen Meere bis zum Rhein. Es lebe Frankreich! Es lebe die Republik! Es lebe die Armee!
Paris, 6. April. Die Nachricht der „Kölnischen Zeitung" aus Berlin, 5. April, über den möglichen Rücktritt des Fürsten Bismarck macht hier großes Aufsehen; alle Blätter teilen dieselbe mit und begleiten sie mit Bemerkungen im verschiedenen Sinne je nach der Richtung der Blätter. Aber niemand will an die Möglichkeit glauben, daß es dazu kommen könne, und die Börse l-lieb sehr fest.
Paris, 9. April. In Perigueux (Dordogne) wurden von 148000 eingeschriebenen Wählern 100 000 Stimmen abgegeben. Boulanger erhielt 59 500 Stimmen und ist also gewählt.
So groß soll der Aerger der allezeit geizigen und engherzigen Prinzen von Orleans sein, daß sie die Herzogin Clementine, die für ihren Sohn Ferdinand etwas tief in das Portemonnaie gegriffen hat, unter Vormundschaft stellen wollen. Trotzdem will Prinzessin Clementine sich nach Brüssel begeben, um die Hilfe des Herzogs von Aumale für eine bulgarische Anleihe zu gewinnen.
Belgien.
Die belgische Regierung hat nach der K. Z. der 2. Kammer einen Gesetzentwurf über Arbeiterwohnungen unterbreitet und werden die kgl. Sparund Alterskassen ermächtigt, einen Teil ihrer verfügbaren Gelder behufs Errichtung solcher auszuleihen.
Italien.
Rom, 7. April. Der Kriegsminister ordnete die umgehende Rückkehr des Gros der afrikanischen Truppen an. Vierzehn Transportdampfer gehen nach Massauah ab, wo den Sommer über nur ein Ko- lonial-Korps von wenigen Truppen verbleibt.
England.
London, 7. April. Die Regierung wird im Unterhaus über die „Battenbergerei" interpelliert.
London, 9. April. Auf Ersuchen des Botschafters in Berlin, E. B. Malet, erläßt der Lord Mayor von London in sämtlichen Zeitungen einen beredten Aufruf für die, Ueberschwemmten in Preußen und erklärt sich zur Annahme von Gaben bereit. In der Zuschrift an den Lord Mayor bemerkt der Botschafter, Tausende in England werden gewiß freudig bereit sein, gerade in dieser Zeit thatsächliche Beweise der Sympathie und Achtung für Deutschland zu geben.
London, 9. April. In den letzten Tagen hat ein äußerst lebhafter Depeschenwechsel zwischen Berlin und Florenz stattgefunden, die Königin von