die Kosten der ersten Ausrüstung erheblich genug in'S Gewicht fallen. Es mag sodann an das Sozialistengesetz erinnert werden, das auf zwei Jahre verlängert wurde, während die beantragten Verschärfungen abgelehnt wurden. Von Wichtigkeit ist ferner die Verlängerung der Legislaturperioden auf 5 Jahre, die wesentlich zu dem Zwecke hinausgeschoben wurden, um die häßlichen Wahlagitationenen soweit möglich einzudämmen. So bedeutsam nun auch die Arbeit sein mag, die der Reichstag vollendet hat. namentlich im Hinblick auf den äußeren Friedensschutz, — noch bedeutsamer ist es doch, insbesondere in historischer Erwägung, daß im Augenblick des schweren Schlages, der die deutsche Nation wie das preußische Königshaus treffen sollte, — eine Vertretung des deutschen Volkes gegeben war, zu der Kaiser Wilhelm wie sein Nachfolger, die verbündeten Fürsten wie die vereinigten deutschen Stämme mit gleicher Zuversicht Hinblicken konnten.
Der Reichskanzler hatte im Reichstage eine längere Unterredung mit dem Abg. von Bennigsen. Man flüstert abermals von einem Eintritt des nationalliberalen Führers in das Ministerium und von einer hohen Ordenauszeichnung.
Berlin. Der 22. März, der Geburtstag Kaiser Wilhelms, ist als ein hehrer Gedächtnis- und ernster Trauertag weit und breit begangen. Der Trauergottesdienst, der aus Anlaß des Tages stattfand, ist zahlreich besucht, in den Schulen ist die Jugend von ihren Lehrern auf die Bedeutung des entschlafenen Kaisers hingewiesen worden, lieber die Einzelfeiern liegen zahlreiche Berichte vor, die indessen Neues nicht mehr bieten können.
Kaiser Wilhelm hatte kurz vor seinem Hinscheiden die Aufstellung von Mannschafts-Bibliotheken auf den Berliner Garnisonwachen genehmigt. Die Bibliotheken sind den Mannschaften jetzt zur Benüz- zung übergeben.
Berlin. Den Kaiser Wilhelm hat das Kgl. Opernhaus und das K. Schauspielhaus in Berlin jährlich mehr als eine Million gekostet.
Berlin. Die Kosten der Trauerstraße werden sich, soweit sich die Sache bisher übersehen läßt, auf rund eine halbe Mill. Mark stellen. Charlottcnburg hat 40000 aufgewandt, lieber eine halbe Million ^ an Wert sollen nach Schätzung von sachkundiger Seite die Blumen- und Kranz-Spenden repräsentieren, welche am Sarge des verewigten Kaisers von liebevollen Händen aus aller Herren Länder niedergelegt worden sind. Einzelne der Kränze waren wahre Kabinettsstücke der Blumcnbinderei und kosteten an sich schon ein kleines Vermögen. Der Kranz der Schlesischen Malthescr-Ritter kostete allein 750
Berlin, 22. März. Der Kaiser ließ den Leibärzten des verstorbenen Kaisers, und zwar dem Geheimrat v. Lauer das Kreuz der Großkomthure, dem Dr. Leuthold das Komthurkreuz und Dr. Ti- mann das Ritterkreuz des Hohenzoüern'schen Hausordens mit sehr gnädigen Handschreiben zugehen.
Berlin, 22. März. Unter vielen anderen Zuschriften ist dem Reichskanzler auch eine solche aus Konstantinopel zugegangen von den Schülerinnen des dortigen türkischen Mädchenpensionats. Das Schriftstück, in fließendem Deutsch abgefaßt, trägt die Unterschrift der Töchter mehrerer hoher türkischer Würdenträger.
Berlin, 23. März. Behufs Entlastung des Kaisers von politisch weniger wichtigen, dabei aber zeitlich oft dringenden und den Kaiser daher oft in der Ruhe störenden Arbeiten wegen Leistung der Unterschrift rc. hat Se. Majestät gestern Bestimmungen behufs seiner Stellvertretung durch den Kronprinzen erlassen. Dieselben beruhen auf vorherigen Beratungen zwischen dem Kaiser, dem Kanzler und dem Kronprinzen und bezwecken lediglich die Beschleunigung des Geschäftsgangs und die Schonung der Gesundheit und Arbeitskraft des Herrschers für wichtigere politische Entscheidungen. — Ein Amuestieerlaß ist in der Hauptsache durch Justizminister v. Fricd- berg ansgearbeitct und vom Kaiser gebilligt, jedoch noch nicht erschienen, da verschiedene Erhebungen im Einzelnen noch ausstehcn.
Berlin, 23. Mürz. (Das Befinden des Kaisers.) Von gut informierter ärztlicher Seite geht dem „B. T." die erfreuliche Mitteilung zu, daß der Kaiser feit vorgestern fast ganz frei von Husten und Auswurf ist. Auch Professor von Bergmann faßt den jetzigen Zustand und die Aussichten für die nächste Zukunft günstiger auf als in San Remo, obwohl er an seiner ursprünglichen Ansicht über die Grundkrankheit festhält.—Aus Petersburg wird uns auf telegraphischem Wege ein Berliner Privattelegramm
der „Nowje Wremja," übermittelt, wonach angesichts des günstigen Umschwunges in der Krankheit des Kaisers Mackenzie die feste Zuversicht hege, das Leben Sr. Maj. viele Jahre erhalten zu können, eine frohe Hoffnung, welche auch der kaiserliche Patient teilt.
Berlin, 24. März. Nach einer Meldung des „Berl. Tgbl." ist in den lokalen Krankheitserscheinungen des Kehlkopfes des Kaisers am jüngsten Donnerstag eine überaus günstige Wendung cinge- treten, die von den behandelnden Aerzten als die erste entschiedene Besserung seit mehreren Monaten bezeichnet wird. Man nimmt an, daß der Kaiser bis Mitte Mai in Charlottenburg verbleiben wird.
Kronprinz Rudolf von Oesterreich hat, wie - man jetzt erfährt, bei seiner Anwesenheit in Berlin zu den Trauerseierlichkeiten für Kaiser Wilhelm nicht bloß mit Kaiser Friedrich, sondern auch mit dem Reichskanzler Fürsten Bismarck eine längere Unterredung gehabt. Länger als eine Stunde soll Kronprinz Rudolf bei dem Kanzler verbracht haben.
Der Stadtrat von Düsseldorf genehmigte 30000 für die Errichtung eines Kaiser-Wilhelm- Denkmales.
Der schlesische Provinzialausschuß hat beschlossen, im Verein mit Breslau in Breslau selbst, der Hauptstadt Schlesiens, ein Reiterstandbild des Kaisers Wilhelm zu errichten. Auch in Elberfeld, Köln, Stuttgart u. a. Städten sind von den städtischen Behörden Vertretungen bereits dahingehende Beschlüsse gefaßt worden. In Frankfurt a. M. hat der Bierbrauereibesitzer Hildebrand als erster für ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal dem Bürgermeister 10000 ^ überreicht. In Elberfeld die Familie v. d. Heydt 7 000 ^
Schweden und Norwegen.
Auch in Schweden ist, wie früher schon in Frankreich und Spanien, eine beträchtliche Erhöhung des Branntweinzolles beschlossen.
Frankreich.
Im Pariser „Figaro" richtet der Schriftsteller Coppäe ein 20 Strophen langes Gedicht an Kaiser Friedrich, worin er um Rückgabe von Elsaß-Lothringen bittet." Der Narr!
Bei dem am Dienstag in Paris stattgehabten Begräbnis des Vaters des Präsidenten Carnot ist es leider zu einer sehr. bedauerlichen Szene gekommen. Als der Leichenzug die Boulevards passierte , wurde Jules Ferry von einer Bande von Boulangisten insultiert, sein Wagen bedrängt und die Fenster eingeschlagen. Die Polizei kam gerade im richtigen Moment, den schwer Bedrohten zu befreien.
Paris, 24. März. Der aus Generalen bestehende Untersuchungsrat gegen Boulanger hat sich gestern konstituiert. Boulanger kam abends 5'/« Uhr auf dem Bahnhofe an und wurde von etwa 400 Personen mit Zurufen empfangen. — Gestern fand eine Versammlung der Gegner Boulangers statt, welcher etwa 2500 Personen beiwohnten. Joffrin hielt eine Rede, worin er das Säbclregiment brandmarkte, während Graf Neuville zu Gunsten Boulangers sprach. Die Versammlung nahm einen äußerst stürmischen Verlauf. Rufe: „Nieder mit Boulanger!" wurden mit Hochrufen auf den General beantwortet. Schließlich wurde eine Tagesordnung angenommen, welche sich aufs schärfste gegen Boulanger ausspricht.
Wie bereits erwähnt, scheint Held Boulanger endlich glücklich abgewirtschaftet zu haben. Frankreich mag sich gratulieren, daß es einen Mann ab- gethan hat, der mehr und mehr dem Fluch der Lächerlichkeit verfiel. Und doch drängt sich dabei unwillkürlich die Beobachtung auf, eine wie große Gefahr für die Republik in dem Anftreten dieses Mannes gelegen, und wie leicht es irgend einer kräftigen Persönlichkeit sein würde, die Ziele zu erreichen, die Boulanger anstrebt. In der Thais, wenn dieser Maulheld aus anderem Holze geschnitzt wäre, wenn er sich durch seine Eitelkeit, Unbesonnenheit, kurz, durch die ganze Erbärmlichkeit seines Charakters nicht selbst die Grube gegraben Hütte, in die er^ jetzt gestürzt ist, so würde er jetzt wohl an der Äpche der Republik stehen. Es ist eine herbe Lehre für Frankreich, daß sogar ein solcher Mensch zu einer ernstlichen Gefahr werden konnte. Es ist aber auch eine Lehre für das Ausland: noch sind die Zeiten nicht vorbei, in denen in Frankreich ein Napoleon möglich ist, und es fehlt eben nur an einer geeigneten Persönlichkeit, um eine erneute Auflage des dritten oder sogar des ersten Kaiserreiches zu veranstalten.
Mit dieser Thatsache wird man Frankreich gegenüber fortan rechnen müssen.
Italien.
Wie aus Rom telegraphiert wird, erteilte die Deputiertenkammer dem Minister Crispi bei Beratung des Auswärtigen Amtes ein volles Vertrauensvotum.
Rußland.
Die Petersburger Blätter fahren fort, kräftig gegen Oesterreich losznzetern, und die Hoffnung auf einen besonderen Bund zwischen Deutschland und Rußland auszusprechen. Da werden sie freilich lange warten können.
Dem Polizeimeister in Riga, welcher die Anlegung offener Trauer aus Anlaß des Hinscheidens Kaiser Wilhelms verbot, ist von Petersburg ein Verweis erteilt worden.
Bulgarien.
Sofia, 20. März. Der nächste Schritt der Pforte gegen den Prinzen Ferdinand oder die bulgarische Regierung wird unbedingt und unter Zustimmung des Prinzen die Unabhängigkeilserklärung Bulgariens zur Folge haben. Bisher .hielt der Widerspruch des Prinzen selbst und des Ministers Natsche- vitsch die Proklamation der Unabhängigkeit zurück. — An eine freiwillige Abreise des Prinzen Ferdinand ist unter keinen Umständen zu denken. Auch von einer Reise des Letzteren außerhalb des Landes ist nie die Rede gewesen. Man macht sich hier auf den demnäch stigen A usb ruch innerer Unru h en ge faßt.
Kleinere Mitteilungen.
In Freuden stadt mißhandelten drei Stromer einen 9jährigen Knaben, von dem sie Geld haben wollten, so daß der arme Junge schließlich bewußtlos liegen blieb.
In Zwiefalten wurde die Oberköchin der Irrenanstalt verhaftet. Dieselbe steht in dringendem Verdacht, von den ihr von der Verwaltung zur Zubereitung der Speisen übergebenen Naturalien als Schmalz, Eier rc. schon seit längerer Zeit einen großen Teil unterschlagen und verkauft zu haben.
Wie die K. Ztg. vom Freitag abend telegraphisch aus Bonn meldet, steht seit 6 Uhr das ehemalige Minoritenkloster, bestehend aus Kirche, Pfarrhaus und Schule, und begrenzt von Neu- u. Brüder- gaffe, in Flammen. Sämtliche bezeichnten Gebäude, sowie das angrenzende Hintergebäude des Gasthauses z. gold. Stern sind fast ganz ausgebrannt.
In Sinnersdorf bei Bayreuth hat ein Itjähriges Bürschlein Eber ein lOjähriges Mädchen unterwegs überfallen, um ihm Zucker abzunchmen. Da das Mädchen sich wehrte, schlug er cs zu Boden und verfolgte es dann an den Bach, an welchem es sich von Blut und Schmutz steinigen wollte, stieß es hi nein und ließ es hülflos ertrinken. _
Handel K Verkehr.
Sulz a. N. Heu 4 Stroh 3 pr. Ztr.
Konkurseröffnungen. Friedr. Schieber, Rotgerber in Murrhardt. Nachlaß des st Richard Hurth, gewes. Kaufmanns in Sindelsingen. Johannes Strohecker, Rosenwirt in Cannstatt. Jakob Schäufelc, Schwcinchändler in Hermaringen. Paul Scheib, Lammwirt in Pfedelbach. Kon- rad Benz, Spezereihändler in Ulm. Balthas Lollmer, Wein- gärtncr in Rottenburg. Gerold Gehring, Krämer in Obern- heim, OA. Spaichingen.
Die Ziehung der Badischen 4 pCt. 100 Thlr.-Lose findet am 1. April statt.
Farbig, schwarz und weitz Seiden- MoirSe bau Mk. 2.6S bis Mk. 10.30 per Met. (antigns krangais) versendet robcn- und stückweise porto- und zollfrei das Fabrik-Depot <4. llennedeiK (K. u. K. Hoflief.) Liirivb. Muster umgehend. Briefe kosten 20 i Pf. Porto.
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Vrrantwortlichrr Nrdaktrur Steinwandcl in Nagold. — Dr»l! »nd s t , r r schrn Buchhandlung in Nagold.