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Amts- nud Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag den 13. März

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sein. .

1888 .

Unser Aaiser ist tot.

Die Hellen Thräüen entrollen den Augen, und mühsam ist es, in dem ungeheuren Schmerze, der jeden Deutschen, jeden Menschen nieder­beugt, die Feder zu führen. Was sollen wir denn sagen? Kein Wort und kein Buchstabe spricht das aus, was das Herz sagt, die Trauer ist endlos und kein Trostwort vermag vor der Hand sie zu stillen. Was ist unser Kaiser nicht dem deutschen Volke gewesen? Können wir es denn mit Worten schildern? Der gute alte Herr, der väterlich über das teure deutsche Vaterland wachte, der bestrebt war, von jedem Einzelnen den Kummer sernzuhalten, der unermüdliche Wahrer des Friedens. Kaiser Wilhclm'L Bild stak tief drinnen im Herzen unseres Volkes, und das Volk, alle deutschen Stämme, sie haben nichts als Thränen, heiße Thränen. Zwei Wochen vor der Vollendung des 91. Lebensjahres ist Kaiser Wilhelm dem Vatcrlande entrissen. Wir konnten nach den trüben Meldungen der letzten Tage daraus vorbereitet sein, aber wir wollten cs doch nicht glauben. Unser guter Kaiser Wilhelm, unser teures Vater­land, sie waren so eng und innig mit einander verwoben, daß wir es nicht fassen können, wie wir ohne den Kaiser nun dastehen sollen. Kaiser Wilhelm war dem Vatcrlande Ein und Alles.

Und hat der ehrwürdige Held im Silberhaar diese heiße Liebe nicht verdient? Der Kaiser war als mächtigster Herrscher der Welt auch der edelste Mensch, und wir wollen suchen, wer neben strahlender Ehre, Sicgesglück und Ruhm auch so tiefe» Kummer errungen wie unser Kaiser. Unter Sorgen und bitterer Kümmernis verlebte er seine Jugend, unter Sorgen und Kümmernis seine letzten Tage. Aber Eins war ihm be­schert, ein sanfter, seliger Tod. wie nur ein jeder ihn wünschen sich kann.

Am 22. März 1797 war Kaiser Wilhelm als Zweitältester Sohn des späteren König Friedrich Wilhelm III. von Preußen geboren, ein schwächlicher Knabe, der aber in seinen Jugendjahren schon große Vor­liebe für den Soldatenstand bewies, ein Knabe, von dem seine Mutter, die unvergessene Königin Louise, vor allem seine Wahrheit und Schlicht­heit rühmte. Er war ihr Liebling. Das schlimme Jahr 1806 lehrte den jungen Prinzen die ganze Not des Lebens kennen, aber cs lehrte ihn auch, daß nichts so hoch steht, daß es unantastbar wäre. Kaum je hat es einen demütigeren und bescheideneren Monarchen gegeben, als unseren Kaiser. Die heißgeliebte Mutter des jungen Prinzen Wilhelm erlebte nicht die Wiederaufrichtung Deutschlands, sie starb früh am gebrochenen Herzen. Aber der jugendliche Prinz Wilhelm durchlebte mit die hehren Begeistcrungstage des Freiheitskrieges und auf französischem Boden in der Schlacht bei Bar sur-Aube holte er sich die Feuertaufe. Als der grimme Kriegesstreit vorüber war, widmete sich Prinz Wilhelm, der als zweitgeborener Sohn zunächst keine Aussicht auf den Thron hatte, mili­tärischen Studien und zwar mit einem solchen Eifer, daß er mit Recht die ihm früh übertragenen höheren Stellen verdiente. Als junger Ge­neral lenkte er bereits während einer Reise seines Vaters nach Rußland das Militärwesen mit außerordentlichem Geschick und galt bald in ganz Europa als die hervorragendste militärische Autorität. Einen glücklichen Ehebund schuf die Vermählung mit der Prinzessin Augusta von Sachsen- Weimar, und zwei Kinder sind aus dieser Verbindung hervorgegangen, unser jetziger Kaiser Friedrich Wilhelm I. (als König von Preußen Friedrich III.) und die Frau Großherzogin von Baden. Als 1840 König Friedrich Wilhelm III. starb, wurde der Prinz Wilhelm von Preußen bei der Kinderlosigkeit seines Bruders Thronfolger. Der Prinz von Preußen bemühte sich redlich, Kenntnis von dem gesamten Staatswesen, dem er als eifriger Militär bisher ferne gestanden, zu erlangen, und längst ist seine angebliche volksfeindliche Haltung von 1848 als Fabel er­klärt. Als kommandierender General befehligte er die Truppen im badischen Feldzuge und beendete diesen rasch und glücklich, zog sich dann aber wieder in die Stille von Babelsberg und Koblenz zurück, eifrig der Ver­besserung der gesamten Armeevrganisation sich widmend. Als König Friedrich Wilhelm IV. von einem unheilbaren Leiden befallen wurde, übernahm Prinz Wilhelm erst die Vertretung und sodann die Regent­schaft für seinen Bruder. Damit begann für Preußen eine neue Zeit

sowohl der inneren wie der answärtigen Politik, König Wilhelm führte sein großes Meisterwerk, die Militärorganisation, glücklich durch und das Ministerium Bismarck begann seine deutschnationalc Politik. Freilich ging das ohne schwere Kämpfe nicht ab, die den inneren Frieden targ bedrohten, König Wilhelm war den Angriffen von wahnwitzigen Aten- tätern ausgesetzt, bis endlich der schleswig-holsteinische Krieg eine Wen­dung brachte und der von 1866 die Vollendung der neuen Politik. Der innere Zwiespalt nahm in Deutschland ein Ende, Nord und Süd näherte sich mehr und mehr, und in den großen Jahren 1870/71 bewährte sich felsenfest die echte deutsche Treue. Auf das greise Haupt König Wil­helms sank die Kaiserkrone und begeistert huldigten dem Heldenkaiser alle deutschen Stämme. Große Ehren und vielen Ruhm haben dem Kai­ser die Jahre 18711888 gebracht. Stets war er bemüht, durch freundschaftliche Beziehungen zu allen Mächten Deutschlands den Frieden zu erhalten, weite Reise unternahm der ehrwürdige Monarch, der von allen Völkern Europas gleich geehrt wurde, dem ein tückischer Buben­streich doch nicht das volle und feste Vertrauen zu seinem deutschen Volke zu stören vermochte. Herben Kummer brachten die letzten Wo­chen dem greisen Herrn, der besonders zärtlich alle seine Familienglieder umfangen, und sie trugen dazu bei, die tückische Krankheit zu erschweren. Wenige Tage reichten hin, den Urheber der gewaltigsten Ereignisse der Geschichte diesem Leben zu entreißen, aber in dem Gedächtnis aller Völ­ker wird für alle Zeiten das Andenken fortleben an Wilhelm I., den Großen, den erhabenen Feldherrn, weisen Staatsmann und fürsorglichen Vater seines Volkes. Das wissen wir, Kaiser Wilhelms Bild wird für immer und ewig am strahlendsten leuchten im Ruhmestempel des neuen Deutschen Reiches.

Kaiser Friedrich I.*),

unser teurer bisheriger Kronprinz, hat am Todestage seines Vaters die Würde des deutschen Kaisers und Königs von Preußen übernommen, er, der würdige Sohn des großen Vaters; freilich verschleiert auch beim Gedanken an ihn tiefe Wehmut unser Auge, der starke, kraftvolle Mann ist seit Jahresfrist von einem fürchterlichen, schleichenden Leiden heimge- gesucht, das unbestreitbar die weiteste Ausdehnung genommen hat, aber heiß flehen die Bitten eines ganzen großen Volkes um die volle Gene­sung seines neuen Kaisers, der sofort über den Brenner und durch Ti­rol mit der Kaiserin Viktoria nach Deutschland zurückkehren und vor­läufig in dem Berlin benachbarten Charlottenburg seinen Wohnsitz neh- !. men wird. Kaiser Friedrich Wilhelm steht, nächst seinem verstorbenen > Vater Alldeutschland am nächsten und wir vertrauen seiner Weisheit und ! Kraft. Gott mag ihn schützen und erhalten zur Wahrung des Friedens ! des ganzen deutschen Reiches im Innern und nach Außen. Betreffs des ! Ueberganges der deutschen Kaiserwürde ist keinerlei andere Bestimmung in der Reichsverfassung enthalten, als daß diese Würde mit der Krone Preußen verbunden ist. Der neue Träger der Königswürde hat nach Art. 54 der preußischen Verfassung in Gegenwart beider Häuser des Landtages das eidliche Gelöbnis zu leisten,die Verfassung des König­reiches fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren." Indessen braucht dieses Ge­löbnis nicht sofort zu erfolgen; es ist namentlich keine Voraussetzung des Beginnes der Ausübung der königlichen und kaiserlichen Rechte. Die Schwierigkeiten, welche sich aus der Krankheit Kaiser Friedrich Wil­helms ergeben, werden, dessen darf man gewiß sein, durch den Kaiser und die Nation unter dem Rate des Staatsmannes, der an erster Stelle das deutsche Reich begründen hals, überwunden werden. Das deutsche Volk hat das Vertrauen, das es dem nunmehr regierenden Kaiser entge- genbringt, stets und namentlich während der letzten Monate unaufhörlich bewiesen. Die Stellvertretung, welche Kaiser Wilhelm den, Prinzen Wilhelm erteilt, ist erloschen, alle Regierunqsrechte gehen auf den Kaiser Friedrich W ilhelm über.

*) Den» die früheren drei Kaiser Friedrich des alten dent'clieii Reiches wer­de» schwerlich gerechnet.