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— Hegezeit. Ueber die neue, in Württemberg durch K. Verordnung eingeführte Hegezeit wird dem N. Tgbl. von sachverständiger Seite geschrieben: Für unsere Jagdverhältnisse ist hauptsächlich die Aenderung in den Schonzeiten des Rehs und des Hasen von Interesse. Für den stärkeren Bock ist, entgegen den Befürchtungen vieler, die alte Hegezeit beibehalten, was wir nur billigen können; dagegen ist der bisher im Jahr seiner Geburt nicht jagdbar gewesene Kitzbock vom 15. Okt. an für jagdbar erklärt und auch die Rehgeißen, deren Schuß ebenfalls am 15. Oktober (statt bisher am 1. November) beginnt, sehen ihre Sicherheit uni 14 böse Tags mehr beeinträchtigt. — Am besten hat's der biedere Lampe, der bisher vom 16. August an jagdbar war. Diese Bestimmung, ursprünglich zu dem Zweck erlassen, daß der Jagdbesitzer in die Lage versetzt sein soll, hin und wieder seinem Tisch durch einen jungen Hasen schon im August Abwechslung zu verschaffen, wurde von vielen Jagd- besitzern so angesehen, als müsse vom genannten Tag an ein Vernichtungskrieg gegen alte und junge Hasen, trächtige und säugende Häsinnen, deren es um diese Zeit noch viele gibt, eröffnet werden. Diesem barbarischen Unfug, der naturgemäß noch zur Folge hatte, daß mageres, fast ungenießbares und oft eckelerregendes Wild zu Markt gebracht wurde, ist durch die Ausdehnung der Hegezeit bis zum 1. Oktober gründlich abgeholfen. Unsere ländlichen Nimrode, die für den Montag schon ihre Donnerbüchsen mit grobem Hasenschrot gerüstet haben, müssen sich in diese Enttäuschung fügen. Die Vorteile der neuen Verordnung werden sie bald mir derselben versöhnen. — Hühner und Wachteln genieß n künftig um 8 Tage länger Schonung, nämlich bis 23. August. Wildenten sind um 14 Tage früher als bisher, d. h. schon am 1. Juli jagdbar, Schnepfen und Bekassinen voni 15. Juli an. — Die Zeche bei der ganzen Aenderung bezahlt das edle Hochwild, insofern für den Hirsch die Schuß;eit um 4 ( 2 Monate, für Tiere um l'/e Monate verlängert worden ist. Man ist da zu Gunsten der Landwirtschaft brs an die äußerste Grenze gegangen, ebenso wie bei den Rehgeißen. Die neue Hegezeit ist am Donnerstag, den 12. ds., in Kraft getreten.
— (N e g i m e n t s s e st.) Wie wir hören, verspricht die Landesversammlung früherer Angehöriger des Grenadier-Regiments „König Karl" (5. Württ.) Nr. 123, welche am Sonntag, den 26. September d. I., nachmittags von 3 Uhr an im großen Festsaal der Liederhalle abgehalten wird, sehr zahlreich besucht zu werden, zumal dieser Saal ca. 5000 Personen faßt. Einladungen zur Mitteilung an die Kameraden, aus deren Bezirken sich das Regiment seit 40 Jahren rekrutiert hat, sind bereits ergangen. Das K. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten hat auf Ansuchen des Komites für die Festteilnehmer die Beförderung auf Militär-Retourbillete zum Preise von 4 Pf. pro Kilometer für Hin- und Rückfahrt zusammen mit der Bestimmung gewährt, daß die Brllete, um Giltigkeit für die Rückfahrt zu besitzen, in Stuttgart mit dem Komitestempel zu versehen sind. Durch die 3—4tägige Giltigkeitsdauer ist somit den Festteilnehmern auch der Besuch des darauffolgenden Cannstatter Volksfestes ermöglicht. Der Kommandeur des Regiments, Oberst v. Clausen hat die Entsendung von Deputationen und der Regimentsmusik in Uniform nebst Erinnerungszeichen früherer Zeiten zugesagt, so daß bei dem Fest zwei vollständig ausgerüstete schwarze Jäger den Teilnehmern das Andenken an die Abstammung von dieser so berühmten Truppe in lebendige Erinnerung bringen werden. Anmeldungen wegen billigster Unterbringung sind an den Vorstand des Komites, Polizeiinspektor Bozenhardt, zu richten und solche bald möglichst erwünscht.
Karlsruhe, 16. Aug. Der hiesige „Politechnischs Verein" will sein 20. Stiftungsfest als „akademische S ch e f s e l f e i e r" abhalten, bereu Ertrag dem Scheffeldenkmal dahier zu gut kommen soll. Im Rahmen des studentischen Kommerses sollen ernste und heitere Aufführungen im Sinne Scheffel's geboten werden. Es hat sich bereits ein Festkomito gebildet, welches unter der deutschen Studentenschaft eine Wettbewerbung für ein entsprechendes Festspiel als Mittelpunkt der Feier ausgeschrieben hat. Auch in anderen Kreisen sind für den Winter Aufführungen zum Besten des hiesigen Schcffeldenkmals in Aussicht genommen.
Hannover, 16. Aug. Ein Dynamitdieb st ahl im Bantorfer
daß etwas ganz Außerordentliches vorgegangen sein müsse. Er gab deshalb Jonas, den der Chef gar nicht gesehen hatte, einen heimlichen Wink, sich eiligst zu entfernen. Ehe Etwold sich umwendete war dies geschehen.
„Herr Kommerzienrat —" sagte Duprat in banger Erwartung.
„Duprat", zischte der, ihn am Arm packend und sich scheu umsehend. „Duprat — soeben war ein Mensch hier —"
„Was? Wie?" fuhr Jener zurück.
„Leugnen Sie nicht!" rief Etwold gedämpft. Ich sah ihn hier aus dem Gitter kommen, indem ich zufällig von Weitem nach dem Haus herüberblickte; „er war also hier."
„Ja, aber wer denn nur?" fragte Duprat, noch unschlüssig, ob er bekennen oder ableugnen solle.
„Wer? Mein Todfeind!" zischte Etwold, „der vernichtet werden muß, wenn ich Ihnen und meinen Kindern erhalten bleiben soll."
„Allmächtiger Gott!" rief Duprat bestürzt. „Herr Kommerzienrat meinen —"
„Ruhig, Duprat, ruhig", sagte Etwold besänftigend. Kommen Sie mit nach meinem Privatkabinet, und ich werde Ihnen Alles sagen was Sie jetzt zu wissen nöthig haben."
Als dieser Zimmerwechsel vollzogen und der Kommerzienrat sich seines Oberrockes entledigt hatte, fuhr Etwold fort: „Ich sagte Ihnen, daß der Tag vielleicht nicht mehr fern sei, wo ich Ihnen mein ganzes Vertrauen schenken und dagegen Ihre ganze Treue fordern werde. Ich hatte dabei einen späteren Zeitpunkt in's Auge gefaßt und auch einen anderen Gegenstand. Das hat sich nun durch diese unerwartete Begegnung ganz anders gestaltet. Jemand, den ich längst gestorben und verdorben wähnte, taucht da plötzlich vor mir auf, und zwar aus meinem eigenen Hause.
Bergwerk bei Hannover regt das Publikum zu lebhaften Erörterungen an. Die Ansicht, daß ein Attentat gegen das Bantorfer Bergwerk beabsichtigt werde. findet die wenigsten Vertreter. Viel allgemeiner ist die Annahme, daß Anarchisten den Diebstahl auf Anordnung ihrer Führer ausgeübt haben und der Sprengstoff schon unterwegs nach England, Belgien oder Holland war, als der Diebstahl entdeckt wurde. Am Freitag abend hat eine Kontrole stattgefundcn und ist alles in Ordnung gefunden worden. Am andern Morgen V 28 Uhr fand ein Beamter eine Dynamitküste im Vorkeller stehen, und als er seinen Blick auf die Thür warf, war dieselbe erbrochen, ebenso die zweite zum Lager führende. Aus demselben waren zwei Kisten entwendet. Beide aus dem Bergwerkbereich zu bringen, ist den Dieben wohl zu schwer geworden, und so ließen sie eine vor dem Ausgange zurück. Die andere trugen sie eine Strecke fort, öffneten dieselbe und nahmen 25 Pfund Dynamit, sowie eine Hauptpatrone mit Zündschnur." Die Diebe sind über die Lagerung des Sprengstoffes nicht genau orientiert gewesen, was sich daraus ergibt, daß sie erst den Pulverkeller erbrochen haben, ohne aus demselben etwas zu entwenden. Der Verwaltung ist nachträglich ausgefallen, daß jüngst einige Arbeiter nur kurze Zeit blieben und ohne Ursache und Abmeldung wegblieben. Eine bei denselben sofort vorgenommene Haussuchung hat zu deinem Resultat geführt. Gestern jedoch ist ein in Linden wohnender Arbeiter verhaftet worden, welcher vor kurzer Zeit im Bantorfer Bergwerke in Arbeit getreten und seit einigen Tagen vor Ausführung des Diebstahls sich nicht wieder hat sehen lassen. Gegen denselben sollen belastende Momente vorliegen.
Berlin, 17. Aug. Gestern, am dritten Bundestag des Radfahrerbundes, errangen bei dem Rennen auf dem Zweirad im Kampf um die Meisterschaft in Deutschland Pundt aus Berlin den ersten, Davids aus Hannover den zweiten Preis. Beim Rennen auf dem Dreirad erhielt Einberg aus Berlin den ersten, Voigt aus Leipzig den zweiten Preis. Beim Tournier um die Meisterschaft in Europa aus dem Zweirad wurde Hale aus England der erste und Davids aus Hannover der zweite Preis zuerkannt. Auf dem Dreirad siegten Kiderl 0 n aus Hollano und Voigt aus Leipzig.
WerrnischLes.
(Einges.) Bei dem Lieder fest des Schwäb. Sängerbundes in Heilbronn konnte man an den Fahnen und Standarten der Gesangvereine verschiedene Bezeichnungen ihrer Vereinigung, wie „Liederkranz", „Eintracht", „Cäcilienverein" u. s. w. finden. Vielleicht interessiert es manche Gesangesfreunde Näheres über die letztere Benennung zu erfahren. Die Cäcilienvereine (nur kaiholische) haben ihren Namen von der „heiligen Cäcilia", der Schutzpatronin der Musik. Nach dem „Christlichen Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus" ist die Legende derselben kurz folgende. Cäcilia soll im 2. Jahrhundert in Rom g-lebt und einem alten edlen Geschlecht angehört haben. Ihre Mutier scheint eine Christin, ihr Vater aber ein Heide gewesen zu sein. Derselbe gab nämlich seine Tochter einem heidnischen Jüngling Valerius zur Ehe. Cäcilia hatte sich jedoch im stillen dem Dienste des Herrn geweiht und beständige Jungfräulichkeit gelobt. Sie bewog daher ihren Bräutigam, einen in einer unterirdischen Gräberstätte verborgen lebenden Bischof aufzusuchen. Ec eilte zu ihm hin, kam als Getaufter zurück und erblickte nun bei Cäcilia einen Engel mit zwei Kränzen von Rosen und Lilien in der Hand. Als bald daraus die Christenverfolgung ausbrach, wurde Valerius, der unermüdlich in Werken christlicher Liebe war, als Christ angegeben und enthauptet. Auch Cäcilia sollte, als sie freudig ihren Glauben bekannte, in ihrem eigenen Hause im überhitzten Badezimmer erstickt werden; allein sie blieb unversehrt. Sofort wurde sie dem Scharfrichter übergeben; aber auch diesem gelang es nicht, durch dreimaligen Beilhieb das Haupt vom Rumpfe zu trennen. Weiter als drei Hiebe waren nicht erlaubt und so lebte sie noch drei Tage. In golddurchwirklein Gewände wurde sie in den Sarg gelegt und in einem unterirdischen Begräbnisplatz begraben. Ihr Grabgemach soll auch die Begräbnisstätte für die Päbste des 3. Jahrhunderts geworden sein. Später wurden ihre Gebeine unter dem Altar der Cäcilienkirche in
Ich sah den lechzenden Blick und seine drohend geschwungene Faust hinter Eisenstäben — 0 , mein Gott!"
Der erregte Sprecher sank stöhnend in einen Sessel und bedeckte auf einen Augenblick sein Gesicht mrt beiden Händen.
„Und der erinnert mich", sagte er dann, emporspringend und unstät umher blickend, „an ein Traumbild, welches mich verfolgt seit — seit längerer Zeit und mich mir selbst so hinter Eisenstäben zeigt in — einem Irrenhaus. Sie lächeln! Ja, ja — es ist auch Thorheit, an so Etwas zu glauben, denn Träume sind doch Schäume — nicht wahr, Duprat? Und dennoch wenn man auf eine so unerwartete, wie schreckliche Weise, an dieses Traumbild erinnert wird, dann — krampst sich Einem das Herz zusammen und hier oben im Kopfe beginnt's zu wirbeln. Aber Das war es nicht, was ich sagen wollte, vorausgesetzt, daß Sie mir zuschwören, Duprat, was Sie mir zehnmal zu verstehen gegeben, daß Sie nämlich mit mir stehen und fallen wollen, siegen oder untergehen —"
„Mein Leben für das Ihre!" rief Duprat eifrig. „Wer ist es, der Sie bedroht? Ich erwürge ihn mit diesen meinen Händen."
„Recht so!" rief der Kommerzienrat, ihm warm die Hand drückend. „Ein Elender ist es, und leider der Mitwisser einer Schuld, die mit Centnerschwere auf mir lastet und fortzeugend nur Böses geboren hat."
„Sie — ein Verbrecher?" staunte Duprat.
„Ein Verbrecher? Nein und ja", entgegnete der Andere, verzweifelt die Hände ringend. Man kommt manchmal dazu, man weißt nicht wie — im Traum. Genug, die Schuld gestehe ich ein; ich gestehe ein, daß sie wie ein Mühlstein an meinem Halse hängt und mich herabzieht, tief und immer tiefer. Nun kommt dieser Mensch, der Alles weiß, der mich haßt, mein Todfeind, um sich an meine Fersen zu heften, mein Traumbild wahr zu machen, und mich hinein zu treiben ins Irrenhaus."