61. Jahrgang.
Uro. 92.
Amts- unä IntelligenMatt für äenKezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
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Dienstag, äen 10. August 1886,
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FtrntttcHe WekcrrrntrncrcHrrrrgen.
Calw.
Kekanutwachnng.
In dem Stell des Michael Stahl von Oberkollbach ist die Tchafriiude erloschen, was hiemit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird.
Den 6. August 1886. K. Oberamt.
Stier, stv. Amtmann, A.-V.
politische Wachrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 5. Aug. Der oft gehörten Meinung, daß die überwiegende Mehrheit der deutschem Auswanderer aus „Armen" bestehen, tritt Major Charles F. Ulrich von der New-Dorker Staats-Eimvandeiungs- behörde mit einigen, die seinerzeit vom Reichskanzler Fürsten Bismarck den Widersprüchen der Reichsopposition gegenüber entwickelte Auffassung lediglich bestätigenden und darum auch für uns besonders interessanten Daten entgegen: „Während der letzten fünf Jahre", so sagt Herr Ulrich, „sind in Castle Garden etwa 2,000,000 Einwanderer gelandet, von welchen allerdings beinahe 6000 als „Paupers" zurückgeschickt werden mußten. Das von den Uebrigen mitgebrachte Vermögen belief sich auf nicht weniger als 150,000,000 Dollars; an Ueberland-Transportaticmskosten zahlten diL Leute in Nerv-Jork allein mindestens 40,000,000 Dollars und an Casile-Garden-Ge- bühren etwa 10,000,000 Dollars das Jahr. Berechnet man den produktiven Wert des Mannes auf 1000 Dollars, dann ergibt sich sofort, welch einen großen Faktor diese 2,000,000 Leute in dem gesunden Wachstum der Nation bilden. Die Zahl der Emigranten, die dem Lande zur Last fallen, ist im Vergleich zu derjenigen, welche zuin Reichtum der Nation erheblich beiträgt, so gering, daß sie nicht in Betracht kommen kann. Das Geschwätz über ausländische „Paupers" ist krasser Unsinn."
Gastein, 6. August. Der Kaiser machte gegen mittag eine ein- stündige Spazierfahrt. Von 1^ bis 2'/z Uhr verweilte Fürst Bismarck beim Kaiser. Um 3 Uhr fuhr der Kaiser zur Villa Meran, um bei der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich zu speisen. Um 50z Uhr fuhr der Kaiser zum Badeschloß zurück. — Prinz Wilhelm von Preußen traf um 4>/z in Begleitung des Majors v. Krosigk hier ein und fuhr zunächst
nach dem Straubinger Hotel, wo ihn das kaiserliche Gefolge begrüßte. Er begab sich dann zum Kaiser in das Badeschloß. — Im Laufe des Tages ist Graf Herbert Bismarck hier eingetroffen. Derselbe unternahm bald nach seiner Ankunft einen Spaziergang mit seinem Vater.
— Ueber die Untersuchung wegen Landesverrat gegen den ehemaligen Lieutenant v. Hartung und seine im Gefängnis ihm angetrarM. Ehefrau (geb. Teich Müller) berichten die Blätter: Die ehemalige Gelitvre des Hartung, eine unverehelichte Zabel, welche gegen Hartung als Denunziantin aufgetreten ist, soll jetzt ebenfalls in Untersuchungshaft genommen worden sein. Die Zabel, mit der Hartung etwa 5 Jahre, bis zum Februar d. I. zusammengelebt, hat in dessen Gesellschaft vielfach Fahrten nach Spandau gemacht. Hartung soll viele Zeichnungen ausgenommen und auch Unterredungen mit dem am Juliusthurm stehenden Posten anzuknüpfen versucht haben. Als die Zabel im März einen Brief von Hartung erhalten, in welchem er ihr mitteilt, „daß sie zu dumm sei und er sie für seine Zwecke nicht gebrauchen könne", und als sie gleichzeitig die Gewißheit gehabt, daß Hartung mit der Teichmüller zusammenwohne, hat sie unter dem 23. März dieses Jahres zuerst einem Beamten Mitteilung von dem Treiben ihres ungetreuen Geliebten gemacht. Sie will im Monat Februar einen großen Bettbezug aus ihrem Vorrat vermißt haben. Als sie Hartung hiervon Mitteilung gemacht, habe dieser erwidert, „sei nur ruhig, darin ist ein Gewehr eingewiäelt und wenn ich von Paris zurückkomme, bringe ich den Bezug wieder mit". Es sei dies zu der Zeit gewesen, als in der Kaserne zu Spandau eines der neuen Gewehre gestohlen wurde.
^ —Der Arie de scheint gesichert trotz aller gegenteiligen Stimmen! Eine Erneuerung des D r e i k a i se r b ü'n l^n i^e s gilt sogar als wahrscheinlich. Bismarck und Kalnoky befinden sich im vollständigen Einvernehmen. Denn Bismarck habe sich in München, so wird von dort berichtet, außerordentlich befriedigend über die Kissinger Verhandlungen ausgesprochen, ebenso über seine Verhandlungen mit dem russischen Gesandten in Paris, v. Mohrenheim, die eine Zusammenkunft mit Giers überflüssig gemacht hätten. Rußland sei von einem Bündnis mit Frankreich weiter entfernt als je. Offiziöse Briefe der Politischen Korrespondenz aus Berlin und St. Petersburg bestreiten jede Aenderung in den Beziehungen der drei Kaisermächte entschieden und meinen, Herr v. Giers, dessen Abreise auf den 7. August festgesetzt sei, werde sicherlich im Laufe der nächsten Wochen den Fürsten Bismarck zu sprechen Gelegenheit nehmen. Anderen Falls brauche man keine politischen Gründe anzunehmen. Auch der Besuch des Erzherzogs Karl Ludwig von Oesterreich in Peterhos gilt als erfreuliches Zeichen, da derselbe zu einem
DölllskelllN. Nachdruck u-rd°l-n.>
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
„Wieso aber wußte man hier die Adresse der betreffenden Mastengarderobe?"
„Sehr einfach. Das Kostüm hatte einer schönen Hausfee so sehr gefallen, daß sie beim Abholen desselben dem Boten auflauerte und ihn nach dem Darleiher desselben befragte. In der Maskengarderobe haben wir den Namen Herrn Eduards und im Hotel seine Personalbeschreibung. Jedenfalls ist erwiesen, daß es sein Kostüm nicht gewesen, welches mit einem Anderen aus dem Fluß gezogen wurde."
„Und das spräche für ein Attentat der Anarchisten?" Soltmann's Lippen kräuselten sich in leisem Spott.
„Geduld! Sie entsinnen sich, daß ivir die Uhr des Ermordeten in der Matratze des roten Matthies versteckt fanden?"
„Es war aber nicht seine Fußspur, die zu der Mordstätte führte."
„Nein, sondern diejenige einer Frau. Und auch diese ist ermittelt."
Soltmann trat erstaunt einen Schritt zurück.
„Das klingt ja wunderbar", sagte er. „Was hat denn der kluge Neubert noch alles gefunden?"
„Zunächst den roten Matthies", sagte Dieser selbst. Er ivar soeben aus einem angrenzenden Zimmer eingetreten und hatte Soltmanns letzte Frage gehört.
Der Assessor wandte sich, keineswegs angenehm überrascht, zu ihm hemm.
„Neubett, so wahr ich lebe!" rief er, zwischen Verwunderung und Aerger schwairkend. „Warum sind Sie nicht gleich am ersten Tage so gescheidt gewesen, alle diese Wunder geschehen zu lassen; man hätte sich viel Arbeit und Verdruß ersparen können."
„Ach, reden Sie. mir nicht von Verdruß, Kollege!" sagte Jener, dem Assessor kordial die Hand hinstreckend. „Auch ich habe den meinen."
„Doch nicht über die Prämie und erhoffte Beförderung?" spöttelte Soltmann.
„Ja, gerade deswegen", erwiderte Neubett, und der Herr Kommissar hier versteht meinen Schmerz zu würdigen."
„Ah bah!" sagte Racheis. „Sie sind doch nahe am Ziel, Neubert; und schließlich läuft Ihnen der Kerl doch noch einmal in die Hände."
„Na, und daß ich dann lieber mein Leben als ihn lasse", beteuerte der Letztere, „Das wird wohl Jeder glauben, der erfährt, was ich nachdem entdeckte."
„Was? noch Etwas entdeckt?" staunte Soltmann.
Neubetts Antlitz strahlte; er wurde um mehrere Zoll größer.
„Ja, Assessor", sagte er, „noch Etwas, und Etwas, um das Sie mich wirklich beneiden werden."
„Ich neide Niemandem Etwas", entgegnete Soltmann pikiert.
„So war es auch nicht gemeint", begütigte Neubett. „Aber sagen Sie's ihm, Herr Kommissar, was ich noch entdeckt habe."
„Nichts Geringeres, als die Geheimmünzerei der Anarchisten", erwiderte Dieser mit gehobener Stimme.
Soltmann war für den Augenblick sprachlos. Als er dann die beiden lächelnden Gesichter sah, rief er ärgerlich: „Ach so! Sie wollen mich etwas zum Besten haben? Sie haben Ihre Stunde leider sehr unglücklich gewählt. Ich bin wahrhaftig nicht aufgelegt, zu scherzen."
Es bedurfte der ernstesten lleberredung der beiden Herren, um dem erregten Assessor begreiflich zu machen, daß alles Gehörte Thatsache sei, und daß bei Neubetts Nachforschungen eine Entdeckung die andere herbeigefühtt habe.
Dies schien trotzdem Soltmann unglaubhaft.
„Kommen Sie mit", sagte Neubett, „und ich werde Ihnen die Instrumente zeigen, mit denen die falschen Hundertmarkscheine fabriziert wurden." Noch nnmer zweifelnd, folgte Soltmann nach dem Nebenzimmer, aus welchem Neubett soeben gekommen. Der Kommissar, welcher an seinem Schreibtisch saß, nahm vergnügt seine Arbeit wieder auf.