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Vers 4: Tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag rc. Dem LiedNun danket alle Gott" folgte das Schlußgebct, nach welchem die höchsten Herr­schaften das Gotteshaus verließm. Die Feier in der Universitätsaula um 11 Uhr begann nach Empfang der Deputationen mit einem Fsstmarsch und mit einem Chorgesang des akademischen Gesangvereins. Hierauf ergriff als klootor UgSnilicentissimus der Großherzog das Wort. Vor ihm lagen auf rotsammetener Decke dis goldenen Scepter der Universität. Er knüpfte an die Erneuerung der Universität zu Anfang dieses Jahrhundert an und sprach dem Kronprinzen sowie den Vertretern der auswärtigen Universitäten seinen Dank für ihr Erscheinen aus. Hierauf schilderte der Kronprinz, der sich im Namen des Kaisers zu einer längeren Beglückwünschungsrede erhoben hatte, mit besonders warmen Worten dis Verdienste der Universität Heidelberg um die Wiedergeburt Deutschland und während des letzten Krieges. Prorektor Bekker dankte in längerer Rede, worauf die Gratulationen des badischen Ministeriums, der badischen Stände und der deutschen Hochschulen durch Pro­fessor Zeller- Berlin erfolgten. Die Rede des Letzteren, in welcher er die unverwüstliche Jugendkrast Heidelbergs pries, machte einen tiefen Eindruck, ebenso die Begrüßung des Professors Stevenson aus Rom, welcher als Delegierter des Papstes Leo den Katalog der aus Heidelberg entführten Bibliothek überbrachte. Ihm wie dem Franzosen Jules Zeller-Paris, der in längerer französischer Rede geistvoll und lebendig im Namen der fremd­ländischen Akademien sprach, reichten der Großherzog und der Kronprinz die Hand. Oberbürgermeister vr. Wilckens überreichte eins Marmorbüste des Großherzogs als Geschenk der Stadt zum Schmuck der Aula. Um halb zwei Uhr endete die Feier.

3. Aug. sTns SchloßfestZ Soeben, nachts 11 Uhr, komme ich vom Schlosse, schreibt der Berichterstatter des Schwab. Merk. Wo soll ich Worte finden, die Bilder zu schildern, welche die Seele erfüllen? Was wollen nackte Worte, wenn unvergleichliche Farbentöne uns entzückt haben, wenn tausendfältiger Lichtreiz das Herz dunkel gemacht hat! Hier muß selbst der Maler den Pinsel verzichtend aus der Hand legen. Mit Beginn der Dunkel­heit ließen zunächst die elektrischen Lampen im Stückgarten und vor der Schloßbrücke ihren weißen Glanz über ihre grüne Umgebung fallen, während im Schloßhofe selbst die zahlreichen, von Milchglasglocken umgebenen Gas­flammen sich entzündeten. Die Erleuchtung des Bandhauses, wo die Cour gehalten wurde, bewirkte ebenfalls elektrisches Licht. Als um 8 Uhr die badischen Herrschaften und der Kronprinz erschien, begann sofort die Cour, zu welcher nur bestimmte Kreise, namentlich die Professoren mit ihren Frauen, Einladungen erhalten hatten. Während sich nun im Bandhause der Groß­herzog und die Großherzogin, sowie ihr hoher Gast aufs Liebenswürdigste mit den ihnen vorgestellten Personen unterhielten, entwickelte sich draußen im Schloßhof eine zauberhafte Welt. Licht an Licht, ringsum an allen Fenstern vom Boden bis zum Dache, erhob seine strahlende Flamme; aus allen Luken, um alle Flaggenstangen, unter Bäumen und Büschen leuchtete es in gelb, orange und rot. Unter den Bäumen waren Papierlampions aufgehängt, um die Flaggenstangen waren bunte Glaslichtchen aufgestellt, das schönste Licht aber gaben die kleinen Jlluminationslämpchen, die in Tausenden und Aber- tausenven an den weiten Fassaden angebracht waren. Am glänzendsten waren die an und für sich schon schönen Bauwerke, der Otto-Heinrichsbau und der Friedrichsbau, erleuchtet. Die Lämpchen waren so dicht neben einander auf­gestellt, daß sie im Flimmern eine einzige Kette bildeten; die Strahlen von Licht zu Licht suchten sich wechselseitig, sanken dann wieder einen Augenblick in sich zurück, um von Neuem das Spiel mit der Nachbarflamme zu beginnen. Dieses zuckende, blitzende und wieder verschwindende Leben, tausendfach von allen Seiten wiederholt, war unbeschreiblich schön. Dazu kam, daß das Licht die edlen Einzelheiten der reichausgestatteten Fassaden zu Tag treten ließ, was mit den leeren Fensterhöhlen und den geborstenen Giebelteilen einen wunderlichen Gegensatz bildete. Ueber diesem einzigen Bilde lag der tiefblaue

Nachthimmel, aus welchen: die Sterne ihr Licht herübersendeten. Nicht zu vergessen ist der Springbrunnen im Schloßhofe, der nach langen Jahren des Schlummers nunmehr zu neuer Thätigkeit erweckt worden ist. Doch spricht er nicht blitzartig wie seine Kollegen, vielmehr plätschert er etwas unbeholfen und schlaftrunken über uraltes Gestrüpp, das sich in seinem hohen steinernen Becken angesiedelt hat. Diese Scenerie paßte in den Rahmen des Ganzen vortrefflich hinein. Geradezu märchenhaft gestaltete sich der Anblick, als zu dem vielen schon vorhandenen Licht noch grünes und rotes bengalisches Feuer seine geisterhafte Helligkeit über die epheuumsponnene Ruine warf. Alles war entzückt, und wie aus Verabredung fing die Musik und zugleich tausende junger und alter StudentenkehlenAlt-Heidelberg du feine" zu spielen und zu singen an. Das war ein unvergeßlicher Augenblick. Inzwischen war die Kur im Bandhause beendet, und die fürstlichen Herrschaften traten ins Freie. Das Vandhaus war durch eine Brücke, welche über den Schloßgraben führte, mit dem Stückgarten direkt verbunden; so konnten die Herrschaften nach dieser Seite den Ausgang nehmen und den Rundgang durch das ganze Schloß vom Stückgarten aus beginnen. Ueberall ertönten laute Hochrufe, die sich beim letzten Erscheinen der fürstlichen Ehrengäste zu rauschender Begeisterung erhoben. Gegen Veil Uhr verließen der Großherzog und seine Begleitung das Schloß. Die meisten übrigen Teilnehmer ließen es sich noch lange am Festort behagen. Es war jedem Geschmack Rechnung getragen. Wer des Anschauens der un­endlichen Lichtfülle müde war, konnte sich ein angenehmes Plätzchen suchen, wo er sich ein Glas Wein oder Bier schmecken lassen konnte. Beides wurde an verschiedenen Büffets unentgeltlich verabreicht. Das ganze Fest in allen seinen Teilen war so sehr gelungen, daß überall die glücklichste Befriedigung wahrgenommen werden konnte.

4. Aug. DieFestfeier in der Heiliggei st kirche begann vormittags V 2 IO Uhr und dauerte die Rede des Geh.-Rats Prof. Kuno Fischer volle 3 Stunden. Nachmittags 3 Uhr war großes Festmahl im Museum an 5 langen Tafeln. Den Ehrensitz nahm der Kronprinz ein, ihm gegenüber saß der Großherzog. Zum ersten Toast auf den Kaiser erhob sich der Gr 0 ßherz 0 g nach Beendigung des Mahls. Hierauf brachte der Kronprinz ein Hoch auf den Großherzog aus. Prorektor Bekker feierte nun in kernigen Worten den Kronprinzen Fried­rich Wilhelm, den hohen Gönner von Kunst und Wissenschaft, den zu Hause wie im Kriege gleich bewanderten, den Stolz und die Hoffnung Deutsch­lands. Die Worte hatten einen ungeheuren rauschenden Jubel im Gefolge. Staatsminister N 0 kk läßt die Gäste leben, worauf Prof. Helmh 0 ltz die Reihe der Toaste mit einer geistvollen Lobrede aus die Stadt Heidelberg schloß. Abends 9 Uhr brachten sämtliche studentischen Korporationen dem Großherzog als Rektor einen Fackelzug.

5. Aug. Der Kronprinz ist um 10 Uhr 10 Min. Abends abgereist; der Großherzog, die Großherzogin, die Prinzen und zahlreiche Notabilitäten begleiteten denselben zum Bahnhof. Als sich der Zug in Bewegung setzte, brachte der Oberbürgermeister ein dreifaches Hoch auf den Kronprinzen aus.

WerrnischLes.

* Rechnungsergebnisse der Volksschullehrer- Pensionskasse und der Volksschullehrwitwenkasfe vom 1. April 188431. März 1885: Summe der Einnahmen sck 1,, 428,149 61 H, Summe der Ausgaben 428,149 61 H. Kassenstand 0. Die

Beiträge zu den Gehalten einzelner ev. Hilfslehrer beliefen sich auf 17,339 76 H, die Amtsverwesereikosten in Krankheitsfällen von Lehrern ev. Konfession 43,997 ^ 18 H, die Ruhegehalte des Dienstes enthobener Schullehrer ev. Conf. 226,220 34 H die Gratialien und Unterstützungen an nicht pen­sionsberechtigte Lehrerinnen 2,189 04 H. Die jährlichen Ruhegehalte an

209 ev. Schullehrer betrugen 228,581

Die Einnahmen 2., beziffern sich auf 261,079 47 L.

ihrer Aussage, Nichts zu wissen. Der Assessor mußte unverrichteter Sache wieder abziehen, die beiden Frauen triumphierten.

In sehr verdrießlicher Stimmung verließ Soltmann das König'sche Haus. Hedwig war gleich nach der Rückkehr des Kommissars polizeilich beobachtet worden; man hatte aber nichts Auffälliges bemerkt, so daß er selbst nicht mehr daran zwei­felte, daß Eduard nicht in der Residenz, sondern zugleich mit seinem Complicen, dem nicht zu ermittelnden Baron Dryden, nach auswärts entkommen sei. Von des Letzteren Aufenthalt, wußte Hedwig ebenfalls nicht weiter, als daß er in der Residenz lebte.

Und nicht anders war es mit Duprat und dem Kommerzienrat. Auch Diese waren beobachtet worden, ohne daß etwas Verdächtiges zu Tage getreten wäre. Zwar war Duprat seinen Verfolgern eines Tages entkommen, als er ein Haus mit zwei Ausgängen betrat, in dem man dann vergebens nach ihm forschte, aber seitdem war er noch schärfer beobachtet worden, und doch war auch hier das Resultat gleich Null.

Ich habe keine Lust und keine Veranlassung, mich diesen Beiden jetzt gegen­über zu stellen", murmelte Soltmann.Aber was kann ich nun noch thun?"

Er stand einen Augenblick unschlüssig, an den Spitzen seines wohlgepflegten Schnurrbartes knabbernd? dann schlug er gedankenvoll die Richtung nach seines Freundes Neubert Wohnung ein.

Er fand Letzteren nicht zu Haus und Das verwehrte seinen Verdruß. Man hat eben Tage, wo einem nichts nach Wunsch geht.

Nach dem Kommissariat znrückkehrt, ward ihm von Racheis ein sehr erstaunliche Mitteilung.

Wir befinden uns auf einer falschen Fährte", sagte er, und was ich gleich anfangs sagte, als wir die Mordstätte in der Schwedengasse besichtigten, findet durch das Bestätigung, was Neubert seit dem Ueberfall imFuchsbau" ermittelt und mir soeben mitgeteilt hat".

Des Assessors Züge verlängerten sich mit jedem Wort, das der Kommissar sprach.

Neubert hätte" sagte er, und weiter brachte er es nicht. Der Gedanke, daß er in der Irre gegangen und sein kleiner Kollege Alles entdeckt hatte, erweckte denn doch seine lebhaftesten Bedenken und nicht zum mindesten seinm Neid.

Der Kommissar lächelte selbstzufrieden, nicht sowohl wegen Soltmann's Ent­täuschung als vielmehr deswegen, daß seine Ansicht von dem Mord in der Schweden­gasse nach so langem Suchen Bestätigung gefunden.

Ich wußte gleich", nahm er wieder das Wort,daß es sich da in erster Linie um einen Raubmord handelte, und äußerte meine Meinung gegen den Kommerzien­rat dahin, daß hier ein neues, frevelhaftes Attentat der Anarchisten vorliege."

Ich entsinne r^ich Dessen", erwiderte Soltmann,denn ich war es, der dieser Ansicht entgegentrat,' und Das thue ich auch jetzt noch, bis ich es erwiesen sehe, daß Sie damals Recht gehabt."

Und den Beweis dafür hat Neubert erbracht", sagte, noch immer lächelnd der Kommissar.Ad 1: das Kostüm, welches der so schwer verdächtige Eduard Etwold in jener unglückseligen Ballnacht getragen, ist von Neubert rekognoscirt worden."

Von Neubert selbst doch nicht?" wandte Soltmann ungläubig ein,da er es früher ja nie gesehen hat."

Mer von dem Personal des Hotels", entgegnete Racheis,in welchem Herr Eduard während seines kurzen und geheimen Aufenthaltes hier logirte."

Er hätte seinen Namen in das Fremdenbuch eingetragen?"

Nein, das hat er zu umgehen gewußt und war auch nicht erforderlich, da er an einem Tage kam und am anderen Morgen schon wieder abreiste. Aber in der Maskengarderobe, aus der er das Kostüm entlehnte, ist er weniger vorsichtig gewesen; da hat er seinen Namen und den des Hotels eingetragen, in dem er logierte. Er bat aber den vorsichtigen Garderobier, daß er das Kostüm nur nach dem Zimmer Nummer 16 senden möge, wo er es denn auch von den Händen des Boten selbst in Empfang nahm. Hier wurde es am nächsten Morgen auch von Diesem wieder ab­geholt. Herr Eduard hat Verschiedenen vom Personal das Kostüm gezeigt und sie nach ihrer Meinung gefragt, so daß ein Zweifel gar nicht obwalten kann. Es war eine sehr glückliche Idee unseres Neubett, statt nach den ungezählten Maskengarder­oben unserer Stadt umherzulaufen, einfach in den weniger zahlreichen Hotels Nach­frage zu halten."

(Fortsetzung folgt.)