In Sachen der Reichstagswahlperioden schreibt der Hannov. Kurier:Wie wir erfahren, haben sich die Führer der nationalliberalen und kon­servativen Partei über die Verlängerung der Legis­laturperioden auf 5 Jahre bereits verständigt. Ein entsprechender Antrag wird gleich nach der Eröffnung des Reichstages eingebracht werden und ist die An­nahme mit Sicherheit zu erwarten. Niemand denkt aber daran, das Gesetz zu Gunsten der gegenwärtigen Volksvertretung zur Ausführung zu bringen. Es wird erst nach Ablauf der jetzigen Legislaturperiode in Kraft treten."

Die Kaiserin Augusta empfing und erwi­derte in Baden-Baden den Besuch des Kaisers und der Kaiserin von Brasilien. Der Sultan hat dem Kriegsminister Bronsart v. Schellendorf den Medschidje-Orden 1. Kl. verliehen.

Minister Graf Kalnoky ist am Dienstag abend wieder in Wien eingetroffen. Graf Her­bert Bismarck wird sich am Freitag nochmalsauf einen Tag nach Friedrichsruhe begeben.

Die Berliner Börse hat das Ausbleiben Czar Alexanders mit einem Weichen der russischen Papiere begleitet.

Berlin. 21. Sepl. 80 Jahre Soldat ist am 3. Oktober d. I. unser Kaiser. Am 3. Oktober des Jahres 1807 war es, als der damals 10jährige Prinz nach der am Neujahrstage 1807 in Königs­berg erfolgten militärischen Einkleidung zu Memel in die Front der Armee eintrat und es ist deshalb begreiflich und berechtigt, wenn die Stadt Memel sich besonders veranlaßt fühlt, diesen Tag in beson- ! derer Weise zu feiern. j

Berlin, 22. Sept. Der Kaiser begeht in aller Stille heute ein militärisches Jubiläum. Heute vor 50 Jahren wurde er mit der Führung des Garde­korps betraut.

Die deutsche Regierung hat der Pforte am Montag die Erklärung zugehen lassen, daß sie die von > Bulgarien in der Beleidigungssache des deutschen Kon- i suls Löper gegebene Genugthuung für genügend er- ^ achte.

DieGrenzboten" bringen einen Aufsatz über' Stammverwandtschaft und Waffenbrüderschaft" mit ! England", den man überschreiben könnte: Verlaßt! Euch nicht auf England! Er weist geschichtlich ! nach , daß 1870 in England Volk und Regierung j trotz erklärter Neutralität vielmehr Frankreich als Deutschland begünstigte. In den 60er Jahren that England alles, um zu verhüten, daß Schleswig-Hol­stein von Dänemark getrennt und Kiel ein deutscher Kriegshafen wurde. Auf dem Wiener Kongreß 1814 und 15 nach dem Sturze Napoleon I. that England alles, daß Preußen für seine gewaltigen Anstrengun­gen sehr ungenügend entschädigt und ein möglichst schwacher Staat bleibe, es stellte sich auf des Fran­zosen Tallehrand Seite; die Rettung Wellingtons und seines Heeres durch Blücher bei Belle-Alliance war rasch vergessen. Die Waffenbrüderschaft Eng­lands im 7jährigen Kriege war auch nicht viel wert.

Man sollte es nicht für möglich halten, auf welche Tollheiten die Feinde Deutschlands verfal­len. Schwarz auf weiß in ellenlangen Spalten ver­raten Petersburger Blätter (Swjet) einGeheimnis Gambettas", wie Frankreich bei dem nächsten Krieg mit der deutschen Armee verfahren werde. Und wie lautet dieses Geheimnis Gambettas, von welchem die Russen sagen, Fürst Bismarck kenne und fürchte es schon lange und fange nur deshalb keinen Krieg an? Wenn es wieder zu einem Krieg kommt, dann wird j Frankreich die deutsche Armee auskaufen, es wird zur deutschen Armee sagen: Brave deutsche Soldaten! Ihr seid unsere Brüder, was würde das Ergebnis dieses Krieges sein? Abermals 5 Milliarden. Wir zahlen sie gutwillig! Ihr seid eine Million Solda­ten , es erhält jeder 5000 Franks und unser Ver­sprechen, ihn irgendwo mit seiner Familie anzusiedeln, in Amerika, Neuseeland oder irgendwo." So wört­lich die Russen in vollem Ernst. Sie wollen diesen! Plan aus Berlin erhalten haben, wo Bismarck das! Gruseln gelernt habe.

Oestcrreich-Uligalll. !

Wien, 20. Sept. Der Sekretär des Fürsten ! von Bulgarien, Fleischmann, sagte dem Interviewer! derAllg. Ztg.", der Prinz von Coburg hoffe zu-! versichtlich in absehbarer Zeit sein Verhältnis zu den fremdländischen Agenten herzlich zu gestalten. Die Opposition arbeite mit Hochdruck. Die Majorität des Volkes aber sei für den Prinz von Coburg, des­

halb sei der Ausfall der Wahl zweifellos. Die Mi­litärpartei sei für den Prinzen. Der Prinz und die Regierungsorgane heben die Suzeränität der Pforte hervor und hoffen, daß die Beziehungen zu dieser sich wieder freundlich gestalten.

Wien, 21. Sept. Die Königin von Serbien nimmt mit dem Thronfolger in Florenz dauernden Aufenthalt. In unterrichteten Kreisen verlautet, Graf Kalnoky sei von dem Resultate der Entrevue mit dem Fürsten Bismarck hochbefriedigt und sehe init größter Beruhigung der Entwickelung der politi­schen Situation entgegen.

Wien, 22. Septbr. Zalewski, welcher dem Postärar 150 000 fl. veruntreut hatte, und der nach Amerika flüchtete, in Newyork aber verhaftet wurde, wurde von den Geschworenen einstimmig als schuldig im Sinne der Anklage erklärt, die Nathanson, seine Geliebte, wurde einstimmig freigesprochen, was stür­mischen Beifall fand.

Dr. Morell Mackenzie wird in diesen Tagen beim deutschen Kronprinzen in Toblach in Tirol er­wartet.

Pest, 22. Sept. Tis za hielt vor seinen Großwardeiner Wählern eine Rede, worin er am Schluffe sagte: Sämtliche Staaten Europas wünschen den Frieden; er (Tisza) glaube begründete Hoffnung dafür zu haben, daß der Friede so bald nicht gestört werde. Wir sind aber gezwungen, unsere Wehrkraft zu erhalten und zu entwickeln in einer Zeit, wo alle Staaten um uns nicht nur die Erhaltung, sondern auch die Vermehrung ihres Heereskraft anstreben.

In Agram wurde am 13. das Urteil des ersten Gerichts im Betrugsprozesse des kroatischen Parteiführers Starcewic verkündet. Bekanntlich wurde David Stareewic zu 6 Jahren und sein Bru­der Ivan zu 2 Jahren schweren Kerkers und zum Verlust des Doktorgrades verurteilt. Der Mann, der Jahre hindurch im kroatischen Landtage den De­magogen gespielt hat, wurde von kroatischen Richtern als Betrüger entlarvt. Als Advokat hatte er seine Klienten ausgeplündert und vor Gericht versuchte er sich durch falsche Schriftstücke zu retten. Nach Ver­nehmung des Urteils legte Starcewic Berufung ein und sagte: Gott werde nicht länger solche Richter dulden. Der Staatsanwalt ließ die Aeußerung zu Protokoll nehmen, um das Strafverfahren gegen Starcewic wegen Beleidigung der Richter einzuleiten. Ein anderer Kroate, ein Rechnungsrat im Hon- vedministerium, Tomisitsch, der seit Jahren die Rech­nungsabteilung leitet, in welcher die Rechnungen der kroatischen Landwehrtruppen geprüft werden, gestand in einem Verhör, daß er seit dem Jahre 1882 im Einverständnis mit dem Agramer Rechnungsbeamten Schmidler planmäßig Unterschlcife verübt habe. Hier­auf wurde das Agramer Honvedkommando angewie­sen, Schmidler zu verhaften. Derselbe hat sich im Gefängnisse erhängt. (Schöne Zustände!)

Frankreich.

Paris, 18. September. Bei St. Claude in Burgund hat irgend ein heißblütiger Chauvinist die! jüngst dort errichtete Bildsäule Voltaires umzuwer- > fen versucht, weil der Dichter mit Friedrich dem! Großen verkehrt hat! Folgender Zettel war in der j Stadt angeklebt:Nieder mit Voltaire, dem Prussien! ! Wie? Man hat es gewagt, in der patriotischen! Stadt St. Claude einem Manne ein Standbild zu errichten, der alle Vaterlandsliebe mit Füßen getreten, der während langer Zeit der Höfling und besoldete Schmeichler des Königs von Preußen, Friedrichs II., war und die Schamlosigkeit so weit trieb, an diesen König, als er uns bei Roßbach geschlagen hatte, ein Glückwunschschreiben zu richten?" Weil das dortige BlattLe Petit Bourguignon" den Klerika­len dieses Attentat auf Voltaire zugeschrieben hat, so wurde am nächsten Tag eine Statue der Madonna zum Teil zerbrochen, der Kopf und ein Arm abge­schlagen.

Paris. Gegen 1000 Sozialisten haben sich gestern gegen die französische Kriegsgelüste erklärt. Einer derselben wandte sich auch gegen die Befrei­ung von Elsaß-Lothringen, dem dadurch nicht gehol­fen würde. Die Leute gehören alle dem radikalen Anarchismus an.

Paris. Der Mobilisierungs-Versuch hat den Franzosen so imponiert, daß der Kriegsmi- nister ein neues Schauspiel inszeniert. Der Minister will nämlich eine Abteilung Eisenbahnarbeiter einbe­rufen. Der Sammelplatz ist in Salory Versailles, die Kosten werden auf 120000 Franken veranschlagt.

Es wird jetzt offiziell bestätigt, daß die Persön­lichkeit, von welcher derFigaro" den Mobilmachungs­plan erhielt, ein inzwischen flüchtig gewordener Jour­nalist Aubanel ist. Von wem letzterer das Schrift­stück hat, darüber ist nichts bekannt geworden.

Paris, 21. Sept. lieber die bereits erwähnte Rede, welche Boulanger am Schluß der Uebungen seines Armeekorps in St. Galmier an seine Offiziere gehalten hat, wird derVoss. Ztg." noch folgendes Nähere mitgeteilt: Boulanger sagte u. a.:Ich werde nicht aufhören, Ihnen immer wieder zu sagen: greifen Sie an! . . Den Reitern sage ich: Seien Sie mehr als kühn, seien Sie tollkühn! Davon hängt der Er­folg ab. Brechen Sie in den Feind ein, wie ein Eber (!) Es gibt keine (?) Truppen, welche einem los­gelassenen (omdalls) Franzosen Stand halten. Mit Theorien und Wissenschaft allein ist es heutzutage im Kriege nicht gethan, man muß auch mit raschem Ent­schlüsse aus dem Soldaten alles herauszubekommen wissen, was er nur immer leisten kann; und aus dem französischen Blute kann man viel herausbekommen. Es wäre Wahnsinn, zu glauben, daß der Augenblick einer Entwaffnung in Europa gekommen sei; es wäre ein Verbrechen zu sagen, wir wollen den Frieden um jeden Preis. Darum fahren wir mehr als je fort, zu arbeiten; es ist für Frankreich!"

Prinz Jerome Napoleon wird jetzt eben­falls eine Art Manifest veröffentlichen und darin das demokratische" Kaisertum als einzige Rettung für j Frankreich bezeichnen. Nun fehlt nur noch sein Sohn ! Viktor mit einem Programm!

Italien.

Rom, 19. Sept. In Mailand ist ein großer Aufstand der Maurer ausgebrochen, mau erwartet die Arbeitseinstellung von mehr als 10 000 Maurern und ähnlichen Arbeitern. Mehrere Rädelsführer wurden verhaftet.

Rom, 20. Sept. Der Unterrichtsminister suspendierte vier Professoren und einen Privatdozenten der medizinischen Fakultät der Universität Messina, weil sie nach dem Ausbruch der Cholera die Stadt verließen. Die Epidemie nimmt indessen ab.

Rußland.

Aus Petersburg wird der Köln. Ztg. tele­graphiert: Das Vorgehen Deutschlands wegen der dem deutschen Konsul in Rustschuk, Herrn v. Löper, zugefügten Beleidigung hat hier gewaltiges Aufsehen gemacht und dies umsomehr, als es gerade in die Zeit der Zusammenkunft zwischen dem Fürsten Bis­marck und dem Grafen Kalnoky hineinfällt. In der Presse und in der gebildeten Gesellschaft kann man als ersten Eindruck bemerken, daß das deutsche Vor­gehen Allen imponiert hat. Es zeigt sich bisher kein Mißtrauen, sondern mehr eine wohlwollende Stim­mung für Deutschland. Möglicherweise ändert sich dies allerdings bald wieder; man glaubt überall die Frage herauszuhören, weshalb Rußland nicht schon lange thatkräftig vorgegangen sei.

Russischen Blättern zufolge soll mit dem 1. Januar in Rußland das Tabaksmonopol eingeführt werden.

Auf einen Brief, den der Graf von Paris in Sachen des Fürsten Ferdinand von Bulgarien an den Zar gerichtet hat, antwortete dieser wörtlich : Euer Hoheit haben sich bereits überzeugen können, daß die russische Regierung, die Verträge achtend, sich zu keinen Kombinationen herbeilassen kann, die nur den Familienehrgeiz begünstigen würden."

Türkei.

Herr Krupp junior ist in Konstantinopel an­gekommen und hat sich dem Sultan, der ein guter Abnehmer seiner Kanonen ist, unterthänigst vorge­stellt. Dem Sultan, der ein gejcheidter Mann ist, sielen alle seine Schulden ein, er wußte sich aber zu helfen, er hing Krupp auf der Stelle das Großbaud um, gab ihm ein großes Gastmahl, stellte ihm Wa­gen und Pferde und Schiffe zur Verfügung und überhäufte ihn so mit Artigkeiten, daß Krupp mit seiner Mahnung nicht zu Wort kommen konnte. Aber ohne" wird der Kanonenkönig doch nicht abreisen.

Bulgarien.

Fürst Ferdinand hat sich dem diplomatischen Vertreter einer der Großmächte gegenüber, den ec kürzlich empfangen, über die innere Lage Bulgariens folgendermaßen geäußert:Seit meiner Ankunft hat sich die Lage bedeutend gebessert, ich sehe den bevor­stehenden Wahlen mit Zuversicht entgegen und er­warte von deren Ausgang eine ruhige Entwicklung