bünden, da die Moskowiter schon ohnehin von nichts träumen, als wie sie die gottlose Zivilisation des Abendlandes unter die Füße treten könnten; Frank­reich solle, statt die Hand nach Moskau auszustrecken, lieber mit Bismarck eine Verständigung suchen. Mit oder ohne Elsaß-Lothringen würde Frankreich klüger handeln, wenn es, statt mit den Russen das Abend­land zu verwüsten, 1889 die europäische Zivilisation zum Wettkampfe in Paris aufforderte und eine neue Aera stiftete: der vierte Teil der jetzigen Heere der zivilisierten Völker würde dann hinreichen, um Ruß­land zu bestimmen, ein für allemal auf seine Zerstö­rungsgelüste zu verzichten.

Paris, 19. Sept. Boulanger hielt gelegent­lich der Truppenübungen eine Ansprache an die Offi­ziere und empfahl Entwickelung der Offensiv-Taktik. Die Stunde der Abrüstung habe noch nicht geschla­gen, es sei Thorheit, das zu glauben, und ein Ver­brechen, das zu sagen. Es würde heißen, Frieden um jeden Preis sei das einzige Ziel Frankreichs. Die Feinde wüßten, daß dem nicht so sei. Es gelte also weiter zu arbeiten für Frankreich.

Paris, 19. Sept. Sofort nach Wiederer­öffnung der Kammer werden einige republikanische Abgeordnete, welche einer Ausweisung aller Prinzen der königlichen und kaiserlichen Familien günstig sind, den Antrag stellen, daß die Regierung die Bestim­mungen des Gesetzes vom 23. Juni 1886 ausführen und ihr das Recht erteilt werden solle, durch Dekret des Präsidenten der Republik alle Prinzen aus dem Gebiete der französischen Republik auszuweisen. Basly und Genossen gedenken, ihren Antrag auf Beschlag­nahme der Güter der Prinzen zu wiederholen.

Die Deutschenhetze tritt jetzt in ein neues Stadium. Wie derPatriote" schreibt, haben die Bürgermeister der Arondissements von Paris die amt­liche Aufforderung erhalten, vor Ende dieses Monats dem Ministerium des Innern eine Aufstellung aller in ihrem Bezirk wohnenden deutschen Unterthanen ein­zureichen. Die Arbeit ist schwierig, weil die Leute preußischen und deutschen Ursprungs ihre Nationalität verbergen, schreibt das Blatt.

Italien.

In Messina ist die Cholera-Panik aufs Höchste gestiegen. Man weigert sich, die Toten zu begraben. Fast alle Geschäfte sind geschlossen. Die brotlosen Arbeiter zogen vor das Rathaus und ver­langten Brot und Arbeit. Der König Humbert werde in der nächsten Zeit auf Sizilien zum Besuch der Choleraorte erwartet. In Troina sind 3 Aerzte vom wahnsinnigen Pöbel ermordet worden. In Rom sterben 1020 Personen pro Tag an der Krankheit.

England

London. Die englische Presse, nahezu ohne Ausnahme, spendet der deutschen Heeresleitung unge­teiltes Lob. Anläßlich eines Vergleichs der deutschen Armee mit der französischen geht das Urteil des Standard" dahin, daß wenn Frankreich sich seit 1870 auch beträchtlich erholt habe, es keineswegs imstande sei, sich mit Deutschland zu messen.

London, 19. Sept. Nach einer Meldung der Times aus Paris von gestern kamen England und Frankreich überein, die Ueberwachung des Suez­kanals einer internationalen Kommission anzuver­trauen . bestehend aus den Generalkonsuln aller in Kairo vertretenen Mächte. Eine technische Kommis­sion solle eine neutrale Zone festsetzen.

Rußland.

Von einer nach Badakschan abgegangenen r u s- sischen Forschungs-Expedition wurden meh­rere Mitglieder, weil sie es gewagt hatten, auf dem Marktplatze von Eltwa einige Muhamedanerinnen zu insultieren, von der Bevölkerung überfallen und niedcrgcmetzelt. Die Köpfe der Ermordeten wurden auf Stangen gesteckt und von der Bevölkerung durch Straßen der Stadt getragen. Zugleich hat der Emir dieses Landes, Abdullah-Khan, um solchen Metzeleien in Zukunft vorzubeugen, den Russen bis auf weite­res das Betreten seines Gebietes bei Todesstrafe verboten.

Bulgarien.

Der-neueste Zwischenfall in Bulgarien hat wieder ein wenig Leben in die stagnierende diploma­tische Aktion gebracht. Von den Meldungen, die über die Asfaire in die Welt gesandt wurden, ist soviel bestätigt, daß die deutsche Regierung vor kurzem bei der Pforte, als der suzeränen Macht des Fürsten­tums, ernste Vorstellungen über die Behandlung er­

hoben hat, welche der deutsche Konsul v. Löper in Rustschuk seitens der bulgarischen Behörde und Presse ausgesetzt worden ist. Die in Rustschuk erscheinende, unter dem Einfluß des Präfekten Mantow stehende ZeitungBulgarie" hat Herrn v. Löper wiederholt angegriffen und verleumdet. Die hohe Pforte hat sich sofort beeilt, der deutschen Regierung alsbald volle Genugthuung zu verschaffen. Der Präfekt Mantow wurde seines Amtes entsetzt, die ZeitungBulgarie" sofort unterdrückt, der Redakteur derselben unter Ver­folgung gesetzt und vor das Geschworenengericht ver­wiesen. Ebenso hat die bulgarische Regierung dem deutschen Generalkonsul Freiherrn v. Thielmann in Sofia, der mit derselben offiziöse Beziehungen zu unterhalten hat, ihr lebhaftes Bedauern über diesen Zwischenfall ausgesprochen. Was weiter geschehen ist, darüber läßt sich bis jetzt noch kein abschließendes Urteil fällen. DerFranks. Ztg." wird telegraphisch mitgeteilt, die Pforte habe infolge des von Deutsch­land an die Pforte gerichteten Ersuchens, dreien deut­schen Panzerschiffen die Durchfahrt durch die Darda­nellen zu gestatten, dem bulgarischen Vertreter Dr. Bulkowitsch erklärt, Bulgarien müsse Deutschland die weitestgehende Satisfaktion geben, um die Panzer- > schiff-Demonstration zu verhüten, da sich daraus wei­tere Verwickelungen, selbst eine russische Besetzung Bulgariens, ergeben könnten.

Amerika.

! Die deutschen Kriegervereine blühen ! auch in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Viele Hunderte ehemaliger deutscher Krieger waren vor Kur­zem zur Feier ihres 3. Bundesfestes in Chicago ver­sammelt. Der Zweck des deutschen Kriegerbundes in Amerika ist die kameradschaftliche Verbindung ehe­maliger Mitglieder der deutschen Armee, Unterstützung derselben in Notfällen, Wahrung deutscher Sprache, deutscher Sitte und deutschen Wesens. Bor 4 Jah­ren in Milwaukee mit nur 4 Vereinen ins Leben ge­rufen, zählt der Bund heute 25 Vereine mit etwa 2900 Mitgliedern. Deutsche Kriegervereine finden sich in allen größeren Städten der Mittelstaaten, aber ebensogut im fernen Westen, in Denver und Franzisko, und im Osten in Baltimore. __

Kleinere Mitteilungen.

Auf dem Manöverfeld bei Frankenhofen stürzte ein Ulan mit dem Pferde und ist infolge der erlittenen Verletzungen gestorben.

(Neue Münzen). Von den neuen unschönen Zwan- ' zig-Pfennig-Stücken in Nikel sind nunmehr bereits 4714158 ! Stück geprägt worden. Hiervon hat allein die Münzstätte I zu Berlin 2697700 Stück geprägt. Weiter folgen München ! mit 705710, Karlsruhe mit 598555. Der Rest verteilt sich ^ auf die Münzstätten zu Stuttgart, Dresden und Hamburg. ! Trotz dieser beträchtlichen Zahl kursieren die Stücke bei uns nur wenig und es hat ganz den Anschein, als suche jeder, dem die neuen Zwanzig-Pfennig-Stücke unter die Hände kom­men, sich der 'unschönen Münzen möglichst schnell wieder zu ^ entledigen. !

Eine ganz furchtbare Familientragödie hat sich in ! Weinhcim abgespielt. Der 25 Jahre alte Landwirt Schulz, welcher von seiner Familie einige Zeit getrennt lebte, begab s sich vormittags in die Wohnung seiner Schwiegermutter, wo- j selbst seine Frau sich anfhielt. Er überfiel letztere und brachte ihr einen Messerstich in die linke Brustseite bei. Hierauf er- griff er seine anderthalb Jahre alte Tochter und schlitzte der- . selben den Leib auf, so daß die Eingeweide heraustraten. Nicht genug damit, riß der Unmensch den 6 Wochen alten ) Säugling aus der Wiege und warf ihn gegen die Wand. ! Als die Schwiegermutter dazwischen treten wollte, erhielt sie > einen Stich in den Arm. Hierauf jagte sich Schulz eine ! Kugel durch den Kopf, welche den Tod sofort herbciführte. s Die beiden Kinder sind tätlich verletzt, die Frauen hofft mau ! zu retten. Schulz war mit seiner Frau erst seit zwei Jahren ! verheiratet, lebte aber in stetem Unfrieden mit ihr, was all- gemein seiner Habsucht zugcschrieben wird.

Leipzig, 11. Sept. In Falkenstein im Voigtland hat sich gestern Vormittag ein entsetzliches Familiendrama ab­gespielt. Der 29jährige Sticker Schädlich aus Falkeustein kam zu seinem Schwiegervater, dem Materialenhändler Vogel, und verlangte, seine (Schädlich's) Frau, Vogel's Tochter, solle wieder zu ihm zurückkehren. Da Vogel das ablehnte, erschoß er zunächst ihn, dann seine Frau und zuletzt sich selbst.

Unter den Büchern und Papieren eines vor Monaten verstorbenen Fr an k für t erKaufmanns fand man auch ein Büch­lein, das die AufschriftGeheimbuch" trug. In diesem Buch fand sich unter dem Datum 18. Juli 1869 ein Posten von 5000 fl. Dabei stand die Bemerkung:Abfindungssumme von Hrn. Theobald K. für meine entführte Gattin." Die Erben des Verstorbenen hatten bis dahin keine Ahnung da­von gehabt, daß derselbe jemals verheiratet gewesen.

Der Magistrat in Sulza scheint sehr zartfühlend zu sein. Kaum hat er bekannt gemacht, daß Arbeiter in ArbeitS- kleidern in den dortigen Anlagen nicht spazieren gehen dür­fen, so verkünden jetzt Plakate am Stadthaus, daß es ver­boten ist, den Marktplatz in Hcmdärmeln zu überschreiten!

In Haag lebt ein Kuriositenhändlcr Namens Chap- man Euthoven, der sich in seinem 103. Lebensjahre befindet und dabei so rüstig ist wie ein Siebziger. Seine Gattin, mit der er 77 Jahre verheiratet ist, zählt 93 Jahre. Der

Greis, der seine Jugend in England verlebte, war bei dem Begräbnis Nelsons zugegen.

Aus Weimar wird gemeldet, daß bei einer Auktion von Simmenthaler Zuchtvieh auf demKoch'schcn Gute" für einen zweijährigen Bullen der enorme Preis von 1150 bezahlt worden ist.

In Zeitz haben am Sonntag 3 Knaben, von denen der älteste erst 8 Jahre alt ist, dadurch einen Brand verur­sacht, daß sie einem Hund eine brennende Fackel an den Schwanz banden, womit das gepeinigte Tier in einen Schup­pen rannte.

ZurWarnung. In R. eine Frau Birnen. Eine schöne, große teiggewordene Birne anbeißend und verschlingend fühlte sie einen heftigen Stich im Halse, der sofort eine schmerzhafte Anschwellung des inneren Halses nach sich zog. Zwar gelang es der ärztlichen Hilfe, die Birne wieder hcr- auszuziehen, da aber die Geschwulst nicht mehr vermindert werden konnte, so trat nach einer halben Stunde der Tod durch Ersticken ein. In der Birne befand sich eine Wespe, die den tätlichen Stich bewirkt hatte.

Hypnose, Hypnotiseur, hypnotisieren sind Wörter, denen man oft in Tagcsblättern begegnet. Was bedeuten sie? Be­täubung! Der Hypnotiseur wendet die Hypnose bei einem Menschen an, der willenlos gemacht sein will; er hypnotisiert den Menschen. Bei der Hypnose wird der Wille des Men­schen ebenso ausgeschaltet, wie bei der Narkose durch Chlo­roform --- das Gefühl des Chloroformierten außer. Thätig- keit gesetzt. Der hypnotisierte Mensch ist ein willenloses Ge­schöpf , das spricht und thut, was von ihm gefordert wird: er dreht den Kopf auf Kommando, hebt und senkt die Beine, er macht Armbewegungen u. s. w. Ein Arzt in Braunschmeig kam jüngst auf den Gedanken, Schüler der dortigen Taub­stummenanstalt im Beisein des Inspektors (dem ich diese Mit­teilung verdanke), der Lehrer und später auch der Eltern zu hypnotisieren. Der Erfolg war überraschend. Das hypnoti­sierte taubstumme Kind konnte hören und reden (?), reden in jeder ihm vorgesprochenen Mundart und Sprache, natürlich nur so lange, als die Hypnose dauerte. Spätere und wieder­holte Versuche ergaben dasselbe Resultat. Leider blieben, die Taubstummen im nicht hypnotisierten Zustand eben taubstumm. (Wir möchten das Sprechen der Taubstummen doch bezwei­feln. Die Redaktion.) (Dfztg.)

Die Stubenfliege und Tuberkel-Bacillus. In einem der französischen Akademie der Wissenschaften vor­gelegten Bericht der Doktoren Spillmann und Haushalter zei­gen diese beiden Aerzte, wie die Stubenfliege die Koch'schcn Tuberkelbacillen aus dem Auswurf Tuberkulöser aufnimmt und sodaun weiter verbreitet. Die genannten Aerzte fingen die Fliegen, die sich eine Zeit lang bei den Spuckschalen der Tuberkulosen aufgehalten hatten, und setzten sie lebend unter eine Glasglocke. Mau sah an der Innenwand der Glasglocke viele kleine, grauliche Flecke, die Exkremente dieser Tierchen. Diese Flecke sowohl als der Inhalt des Bauches der meisten Fliegen ließen bei der mikroskopischen Untersuchung Tuberkel- Bacillen in Masse erkennen. Aber auch der Auswurf, den man von den Fenstern oder den Mauern eines Spilalzimmers abkratzte, zeigte denselben Bacillus. Eine Fliege hat ein gar kurzes Leben; sie stirbt, trocknet ein, und geht in Staub über; die Bacillen werden also wieder frei, die Keime der Tuber­kulose werden überallhin verbreitet. Es empfiehlt sich des­halb, den Tuberkulosen nur solche Spuckschaleu zu geben, die mit einem Deckel geschlossen werden können, und deren In­halt durch heißes Wasser oder fünfprozentige Karbolsäurclö- sung unwirksam zu machen.

Nicht allzu stark gähnen! Zu einem Berliner Arzt kam dieser Tage eine Fra», welche den Mund weit aufgesperrt hatte und denselben trotz aller Anstrengungen nicht wieder zu schließen vermochte. Der Arzt ermittelte eine Verrenkung der Kinnlade, welche die Frau sich beim starken Gähnen zugezogen hatte. Erst mit Hilfe eines anderen Arz­tes gelang es, die Kinnlade ciuzurenken, was der Frau große Schmerzen verursachte.

Mit 23 in Silbermünzen im Leibe und einem Tha- lerstück in der Speiseröhre wurde in Berlin ein Künstler, der 18 Jahre alte Arbeiter Gast, in die Sanitätswache eingelic- fert. Gast, der in einem Restauratiouskcller eine Wette cin- gegangen war, jedes Geldstück zu verschlucken, hatte bereits 23 in Drei-, Zwei- und Ein-Markstücken in seinem Magen verschwinden lassen. Ein Dreimarkstück, das er alsdann noch hinunterschlnckcn wollte, blieb ihm in der Speiseröhre stecken, es rückte und rührte sich nicht, obgleich er ein Seidel nach­goß. In der Sanitätswache nahm er selbst einen langen Zollstab und steckte sich denselben wiederholt tief in den Schlund, ohne aber den gewünschten Erfolg zu erzielen. Da mau auch seitens der Sanitätswachen-Angestellten das Thalerstück nicht zu entfernen vermochte, so veranlaßte man die Ueberführung des leichtsinnigen jungen Mannes nach dem Krankenhause. Gast soll als Stock- und Degenschlucker sich bereits unter sei­nen Kollegen eines gutenRufes" erfreuen; im Geldschlucken war dies sein erster Versuch.

Den Stadtvätern in Berlin wird es jedesmal angst und bang, wenn viel Schnee fällt; denn der Schnee kostet ihnen viel Geld. Im Jahr 1886 hat die Abfuhr desselben 213000 und im vorhergehenden Jahr sogar 292000 gekostet, während im Etat nur auf die Hälfte Schnee gerech­net ist.

Vertilgung der Reblaus. Im Interesse der durch die Phyloxera bedrohten Gaue unseres deutschen Va­terlandes sagt derUlk", erbitten wir nachträglich die Erlaub­nis zur Veröffentlichung eines ebenso einfachen als drastischen Mittels zur Beseitigung jenes weinzerstörenden Ungeziefers. Man nimmt also einen Kosaken ( - was ja bei den neuer­dings wieder zu Tage tretenden besseren Beziehungen zu Nuß­land wenig Schwierigkeiten macht ), und läßt rhu eine kurze Zeit in den Reblaus-verdächtigen Wein-Anpflanzungen lagern. Sofort verbindet sich auf wohlverwandtschaftllchem Wege die Laus mit dem Kosaken und die Rebe wird leer.

Von 27 Füllen, welche in voriger Woche in einem Güterwagen zusammengepfercht von Gumbinnen nach In­sterburg verschickt wurden, sind 15 erstickt, die am Leben gebliebenen in einem sehr erschöpften Zustand angekommen.