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auch vom Einsender, heute initgeteilt wird, trifft diese unter dem ersten Eindruck niedergeschriebene Befürchtung glücklicherweise nicht zu, indem der Verunglückte seinen Fuß behalten wird. — (Die Herren Schult. Hahn in Oberkollwangen und Kern in Breitenberg sind nicht die Einsender jener Notiz. D. Red.)
Stuttgart, 28. Juli. Von Urach trifft heute die Nachricht ein, daß Se. Exz. der Herr Staatsminister a. D. Dr. v. Geßler dort unerwartet rasch einem Unterleibsleiden erlegen ist. Der Verstorbene war seit Jahren leidend, er hatte in diesem Jahre, entgegen früheren Gewohnheiten, das nahegelegeneUrach zu seinem Sommeraufenthalt gewählt; doch warsein Gesundheitszustand keineswegs ein solcher, daß ein baldiges Ende vorherzusehen gewesen wäre. Sein Tod ist darum für seine Angehörigen, seine Freunde und Verehrer eine überaus schmerzliche Ueberraschung. — Staatsminister Dr. v. Geßler ist geboren den 16. August 1824, er besuchte das Gymnasium zu Ellwangen und widmete sich dann dem Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen,^ 1847 wurde er Gerichtsaktuar beim O.A.Gericht Ellwangen. Im Jahr 1850 wurde er Assessor beim Zivilsenat des Gerichtshofes in Ellwangen und Staatsanwalt, 1851 Stadtrichter in Stuttgart, 1853 erhielt er den Titel Oberjustizrat. 1856 wurde er mit einem Lehrauftrag für kriminalistische Fächer an die Landesuniversüät berufen. 1857 ward er ordentlicher Professor für Strafrecht und Strafprozeß. Im Jahr 1862 begann seine parlamentarische Thätigkeit, der Oberamtsbeziik Crailsheim wählte ihn zu seinem Vertreter in die Kammer der Abgeordneten, in welche er im Jahre 1864 in neuer Funktion als Privilegierter eintrat, nachdem er von Sr. Majestät zum Kanzler der Universität Tübingen ernannt wokden war. Im Jahr 1868 wählte ihn die Kammer zu ihrem Präsidenten. Doch behielt v. Geßler diese Würde nicht lange; denn im Mai 1870 wurde er von Sr. Majestät dem Könige zum Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens ernannt. In dieser hohen Stellung verblieb er 15 Jahre, und sein erfolgreiches Wirken steht noch heute in aller Andenken. In den letzten Jahren stellte sich bei dem Verstorbenen ein mit häufigem Kopfschmerz verbundenes Leiden ein, das ihm die Ausübung seines viel umfassenden Amtes sehr beschwerlich machte, so daß er zuletzt sich entschließen mußte, Se. Majestät um die Versetzung in den Ruhestand zu bitten, welche dem Verstorbenen im Februar 1885 unter Anerkennung seiner treuen und ausgezeichneten Dienste auch gewährt wurde. — Im Jahre 1864 wurde der Verstorbene erstmals von Seiner Majestät durch Verleihung des Ritterkreuzes des Kronordens, ausgezeichnet; im Jahr 1867 erhielt er das Kommenthurkreuz II. Kl. des Friedrichsordens, 1869 das Kommenthurkreuz des Kronordens, 1870 das Großkreuz des Friedrichsordens und 1875 das Großkreuz des Kronordens. Im Jahre 1877 beim Universitäts-Jubiläum wurde er von der philosophischen Fakultät in Tübingen ftonoris causa zum vr. pkiil. kreiert. — Der Verstorbene durfte sein otium cum äiAnilste nicht lange genießen, schon nach l'/z Jahren hat ihn der Tod im Alter von 62 Jahren weggerafft. Er hinterläßt eine Gattin, Tochter des ff Gerichtshofdirektors v. Gaupp in Ellwangen und 3 Kinder. Von den beiden Söhnen ist der eine Justizreferendär, der andere stuci. mell. Die Tochter ist mit Archivrat Dr. Stälin vermählt, eine zweite Tochter wurde den Eltern in frühem Alter während ihres Tübinger Aufenthalts entrissen. — Die Beerdigung findet, wie wir hören, am Donnerstag abend 5 Uhr von der Kapelle des Pragfriedhofes aus statt.
Stuttgart, 28. Juli. Von einem schweren Schlag ist die Familie des Organisten und Professors am Konservatorium für Musik, Herrn R. Seyerlen, betroffen worden. Während der letztere auf einer Gebirgs- tour begriffen war, ist seine Gattin, eine geborene Nill, am vergangenen Montag unerwartet rasch verschieden. Da der gegenwärtige Aufenthaltsort Professor Seyerlens nicht genau bekannt war, so wurde nach verschiedenen Seiten hin telegraphiert, und heute früh ist nun von Franzensfeste telegraphische Nachricht von ihm eingetroffen. Die Trauerkunde r irrste ihn jedoch erst in Innsbruck, wohin er sich begiebt, erreichen. Die Teilnahme an dem schmerz
lichen Geschick, das ihn betroffen, ist bei dem weiten Kreis von Schülern und Freunden eine aufrichtige und allgemeine.
Rastatt, 27. Juli. Ueber die Flucht des Lieutenants a. D. Hellwig, der vor einem halben Jahre im Duell den Premierlieutenant Sachs in Konstanz erschoß, erfährt die Fr. Ztg. folgendes Nähere. Hellwig, der dem Amtsgericht unterstand wie alle hier internierte Festungsgefangene — aus diesem Grunde kann von einem Abgeben des Ehrenworts nicht die Rede sein —, hatte vor einigen Wochen an das Justizministerium ein Urlaubsgesuch eingereicht. Da der Entscheid über dasselbe dem Hellwig zu lange ausblieb, zog er es vor, sich heimlich zu entfernen und zwar auf eine ziemlich raffinierte Weise. Er ließ sich am Abend noch die Petroleumlampe frisch füllen, schlich sich aber, nachdem dies geschehen, auf den Korridor, der nach dem letzten Besuch des Gefangenaussehers geschlossen wird, und versteckte sich außerhalb desselben. Dort blieb er so lange versteckt, bis die Familie des im ersten Stock wohnenden Gefängnisaufsehers schlief, ging dann in die Küche, holte sich dort den Thorschlüssel, den die Frau des Gefängniswärters in Gebrauch hat, und verließ das Schloß. Von da aus ist Hellwig höchstwahrscheinlich nach Oos gegangen, um den Frühschnellzug in die Schweiz zu benutzen. In einem Brief an den Oberamtsrichter, seinen hiesigen Vorgesetzten, bemerkt Hellwig, daß er sich den Urlaub selbst genommen und in circa sechs Wochen wiederkommen werde. Als gewiß anzunehmen ist, daß Hellwig zu der Frau Sachs gefahren ist, wegen der bekanntlich das unglückselige Duell stattfand und mit der Hellwig auf der Festung im regsten Briefwechsel stand. Das Komischste bei dieser ganzen Fluchtgeschichte ist, daß zwei Tage nach der Flucht die Urlaubsgenehmigung vom Ministerium eintraf.
Kcrnöet L Werkes.
* Weilderstadt, 26. Juli. Dem heutigen Viehmarkt waren zugeführt: 220 Stück Ochsen, 485 Stück Melk- und Schmalvieh, 1409 Stück Milchschweine und 73 Stück Läufer- und fette Schweine, Der Ochsenmarkt, welchem vorherrschend Zugvieh zugeführt war, war ziemlich belebt, besonders ging der Handel im Fettvieh lebhaft und wurde per Paar bis 950 bezahlt. Die Preise pr. Ztr. lebend Gewicht beim Fettvieh bewegten sich von 32—35 ^ Der Rindviehmarkt war sowohl mit Fettvieh, als Melk- und Schmalvieh stark befahren. In Melkvieh und Fettvieh ging der Handel lebhaft, weniger in Schmalvieh. An Preisen sind zu verzeichnen: Melkvieh 150—400 vts, Schmalvieh 100—200 Fettoieh per Ztr. lebend Gewicht 28—30 ^ Für eins von der Hospitalverwaltung verkaufte fette Kuh im Gewicht von 1564 Pfd. bezahlte em hiesiger Metzger 500 ^ Aus dem Schweinemarkt war der Handel in Milchschweinen sehr belebt, wogegen wenig fette Schweine zugeführt waren. Bezahlt wurde für fette Schweine pc. Ztr. lebend Gewicht 37—39 für Läuferschweine per Paar 35—80 <M, für Milchschweine per Paar 20—30
Stuttgart, 29. Juli. Trotzdem nun wieder gutes Wetter bei uns eingezogen ist, hat sich auf dem heutigen Wochen markte doch nicht das gehoffte Leben entfaltet. An Zufuhr hat es in keinem Zweige gefehlt, ja in manchen war Uebeifluß gegenüber der Nachfrage da. Am zahlreichsten waren wieder Bohnen vertreten, die jetzt nur noch 2 H das Pfund gelten. In Zeit von 10 Tagen sind sie also von 20 auf 2 H gefallen. Kartoffeln waren heute weniger als sonst da, nur etwa 50 Körbe zu 4 H das Pfund. Die Kirschen sind weg, Beeren außer Stachel- und Heidelbeeren nicht besonders stark vertreten. Der Obstmarkt gewinnt allmählich an Ausdehnung. Pflaumen waren heute in großen Massen da, sind aber trotzdem noch immer um den teuren Preis das Pfund 15 bis 16 verkauft worden. In so großer Menge wie voriges Jahr, wo sie zuletzt nur noch 1 bis 2 H pr. Pfd. galten, scheinen sie übrigens diesmal nicht auftreten zu wollen. Reineclauden kosten immer
„Ein Wahnsinniger!"
„Ha! Was! Wieso?"
„Sie entsinnen sich wohl noch, daß ich Ihnen sagte —"
„Daß Ihre unglückliche Mutter im Irrenhaus geendet — ja, ich entsinne mich Dessen."
„Nun also. Und dort war es, wo ich diesen Menschen zum ersten Mal und bei meinen späteren Besuchen wiederholt gesehen. Er hatte so eine Art Neigung zu mir gefaßt, die mir natürlich nur Grauen einflößte, denn er wurde mir als ein Mensch geschildert, der Einen lachenden Gesichts ermorden könnte."
„Der Kommerzienrat blickte entsetzt auf den Sprecher.
„Jahre sind seitdem vergangen", fuhr Duprat fort, „so lange habe ich den Menschen nicht gesehen; und auf einmal tritt er hier vor mich hin. Nun Sie haben ja gesehen, wie und mit welcher Absicht,"
„Mit welcher Absicht? Nein, von dieser weiß ich Nichts."
„Niein Gott, er will Geld von mir haben. Er ist entsprungen und hat seine Anstaltskleider mit diesen vertauscht. Nun soll ich ihm zur Fortführung seiner Flucht behilflich sein."
„Sie haben ihn verhaften lassen?"
„I bewahre. Ehe hätte er mich ermordet, als sich gefangen gegeben. Ich bestellte ihn also zu heute Abend um acht Uhr in meine Wohnung, angeblich, um ihm vas gewünschte Geld zu geben, in Wahrheit aber, um ihn dort in eine Falle zu locken."
„Schrecklich!" sagte der Kommerzienrat. „Wenn er nur nicht wiederkommt."
„Der? Der kommt nicht wieder. Ich sagte ihm, daß Sie Befremdung nur heuchelten, daß Sie ihn kennten, da Sie mich früher einmal begleitet haben, und daß Sie ihn bei seiner etwaigen Rückkehr sofort einstecken lassen würden."
„Das hätten Sie nicht thun sollen", erwiderte der Kommerzienrat mit einem Anflug von Angst. „Aber versäumen Sie sich nur heute Abend nicht. Ich habe nun keine Ruhe mehr, bis der Mensch wieder sitzt."
„Ich auch nicht", dachte Duprat, aber er meinte es anders mit dem Sitzen.
Der Kommerzienrat ging und kam heute wenig mehr ins Büreau. Der bedrohende Ueberfall des Wahnsinnigen war Entschuldigung genug. In Wahrheit suchte er noch weiter nach den verlorenen Schlüsseln.
Er war schon gestern Nacht zum Keller hinabgestiegen und hatte denselben verschlossen gefunden. Das war wohl der Grund zur Beunruhigung für ihn. Hatte er selbst die Schlüffe! nur verlegt? Hatte Jemand sie entwendet — und wer? Wohin? Hatte er sein Geheimnis ergründet?
Das fragte sich Etwold, während er noch nach dem Schlüssel suchte. Er war seit acht Tagen nicht im Keller gewesen, und inzwischen war er in M. Die Ereignisse drängten sich. Er hatte keine ganz klare Vorstellung mehr, was er mit den Schlüsseln vor seiner Abreise gemacht. Daher seine verzweifelte Hoffnung, daß er selbst der Urheber seines gegenwärtigen Unglücks sei.
Er suchte und suchte vergebens; und mit jeder verfliegenden Stunde wuchs- seine Angst und Aufregung.
Bald kam Duprat in dieselbe Lage, etwas sicher Gewähntes suchen zu muffen, nur waren dies keine eisernen Schlüssel, sondern Atollen Goldes und Wertpapiere von enorm hohem Wert.
In seinem für unverletzbar gehaltenen eisernen Geldschrank hatte er sie geborgen gehabt, und nun waren sie fort, ohne jede Spur einer angewandten Gewalt. Nur das Raffinement leuchtete daraus hervor, daß man die Vorderlagen, um den Blick zu täuschen, hatte bestehen lassen, während man die Masse, der sie nur als
Deckblatt dienten, stahl. .
,Bestohlen — ruinirt — ein armer Mann!" jammerte Duprat, wahrend er suchte und suchte, ohne Etwas zu finden. Plötzlich schlug er sich mit der Hand vor den Kopf. Er hatte des Räthsels Lösung gefunden. Er entsann sich jetzt, daß er damals, als er Dryden das Geld gegeben, in der Eile den Schrank zu schließen vergessen, und auch des Eifers, mit welchem Jener nach ihm noch die Karte studirte- Sein Freund war der Dieb, das unterlag keinem Zweifel. Dann aber hatte er auch auf keinen Pfennig des Geldes mehr zu rechnen.
(Fortsetzung folgt.)
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