Der Gesellschafter.

Amts- «nd Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag den 15. Mürz

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1887 .

Zur Abänderung der Gewerbeordnung.

Der Reichstag wird sich, wie bekannt, auch mit der Abänderung der Gewerbeordnung zu beschäftigen haben. Einesteils wird der Volksvertretung von der Reichsregierung ein Gesetzentwurf unterbreitet werden, welcher den Innungen größere Rechte verleihen soll, anderenteils sollen die schon dreimal eingebrachten Anträge auf Einführung des Befähigungsnachweises jetzt abermals gestellt werden. Die Antragsteller verhehlen sich freilich nicht, daß sie diesmal weniger noch erreichen werden, als vor einigen Jahren. Da­mals beschloß die Gewerbekommission die Einführung des Befähigungsnachweises für eine Anzahl von Ge­werben und Handwerken. Bei diesem Kommissions­beschluß ist es aber geblieben, im Plenum ist derselbe nicht verhandelt worden. Bei der jetzigen Zusammen­setzung des Reichstages erscheint in der Kommission schon eine Annahme des Befähigungsnachweises aus­geschlossen. Für denselben sind Zentrum und Deutsch­konservative, gegen denselben Nationalliberale, Frei­konservative, Freisinnige und die kleinen Reichstags- Parteien. Bon diesem Punkt wird also für jetzt bei einer Revision der Gewerbeordnung abzusehen sein, zumal auch im Bundesrat die Stimmung demselben nicht günstig ist. Im Wesentlichen wird es also auf ^ die zu erwartende Regierungsvorlage zur Gewerbe­ordnung ankommen, die, wie gesagt wird, derart, gehalten werden soll, daß ihr eine Mehrheit im Hause sicher ist. Ob das richtig ist, muß bis zum Bekannt­werden des Inhaltes dahingestellt bleiben.

Den Innungen sollen weitere Rechte verliehen werden. Das vorzüglichste Recht, welches die In­nungen jetzt besitzen, ist das Lehrlingsprivilegium, von dem viel erwartet worden ist. Ein neues, kräf­tiges und frisches Jnnungsleben hat es aber bisher noch nicht herbcigeführt, und es ist auch verhältnis­mäßig nur in einer kleinen Anzahl von Füllen aus­geübt worden. Namentlich in Süd- und Westdeutsch­land steht das Handwerk dem Jnnnngswesen noch äußerst frostig gegenüber und die Zahl der dort exi­stierenden Innungen ist nur gering. Schon dies sollte darauf Hinweisen , worauf bei allen künftigen Abänderungen der Gewerbeordnung das Hauptge­wicht zu legen ist: Es müssen Beschlüsse gefaßt wer­den, die in praktischer Weise dem ganzen Handwerks­und Gewcrbewesen zum Vorteil gereichen. Wenn­gleich eine feste Verbindung von Gewerbskollegen und Handwerksmeistern zur Aufbesserung der geschäftlichen Verhältnisse und zur Beseitigung von unreeller Kon­kurrenz und Schwindelpreisen immer die Grundbe­dingung für eine Hebung des Handwerks sein wird, so müssen doch auch andere Umstände noch in Be­tracht gezogen werden. Und ein wunder Punkt, der überall gleichmäßig empfunden wird, ist das Lehr­lingswesen. Hier ist eine Neuregelung unbedingt nötig, hier müssen die Zügel straffer angezogen wer­den. Schlechte Lehrzeit bringt im Leben keinen ver­nünftigen Menschen und tüchtigen Arbeiter zu Wege.

Wir wollen die Dinge kurz klar stellen: Biele Eltern sind der festen Ueberzeugung, für einen Hand­werkslehrling feien alle Schulkenntniffe gut genug. Sie erheben oft übergroßen Anspruch auf Lohn für den Lehrling, denken aber gar nicht an die Plage, die ein Lehrling seinem Lehrmeister macht, wenn die­ser die Ausbildung des ihm anvertrauten jungen Mannes als eine Gewiffenspflicht betrachtet. Es liegt uns fern, eine Ueberanstrengung von Lehrlingen verteidigen und die Anwendung von körperlichen Züchtigungen bei ihnen befürworten zu wollen, fort damit; aber ein Lehrling ist kein nobler junger Herr,

der das Leben genießen soll, sondern ein Handwerks- , jünger, der rechtschaffen lernen muß. Der Lehrmei- - ster soll seinen Zögling richtig ausbilden, folglich > muß er auch entsprechende Rechte haben, die natürlich ^ nicht gemißbraucht werden dürfen. Aber die Fälle, die jetzt so häufig Vorkommen, daß Vater oder Mut­ter des Lehrlings beim Lehrmeister Klage überun­gerechte Behandlung" ihres Sohnes erheben, oder den letzteren gar zu allerlei Nichtsnutzigkeiten an­stacheln , die müssen ein Ende nehmen. Lehrjahre sind nun einmal keine Herreujahre. Dem Meister kann aber sein volles Recht durch eine einzige Maß­regel nur gewahrt werden, und diese heißt Einfüh­rung der Gesellenprüfung. Ein Lehrvertrag mag noch so genau abgefaßt werden, er schützt niemals in allen Fällen. Der Lehrling weiß ganz genau, daß er nach Ablauf der Lehrzeit, wenn er nicht früher loszukommen vermag, sein eigener Herr iit, mag es der Meister nun wollen oder nicht. So werden die Lehrjahre oft in Trägheit und Unaufmerk­samkeit verbracht und alle guten und schlimmen Worte des Meisters helfen nicht das Geringste. Jeder deutsche Meister und das deutsche Handwerk ist berühmt in allen Weltteilen, wird rechtschaffen das Seinige thun, seinen Lehrling zu einem tüchtigen Arbeiter und braven Mann zu machen, aber dazu muß er eben Rechte haben. Aus dem Lehrlingswesen ruht das ganze Handwerk, darum ist die schlichte, maßvolle Gesellenprüfung wohl am Platze. Sie macht alle sonstigen Maßnahmen überflüssig.

Tages Neuigkeiten.

! Deutsches Reich.

^ Nagold, 14. März. Im Laufe dieser Woche

l und zwar am Dienstag und Donnerstag findet im hiesigen Schullehrerseminar wieder die Aspiranten­prüfung statt. Zu derselben werden sich im ganzen 60 Schüler aus dem Generalat Tübingen einfinden. Hier wurden 14, in Tübingen 9 Zöglinge für diesen Zweck vorbereitet. Freilich werden nicht alle Exami- j nandcn ihren Zweck erreichen, indem dem Vernehmen nach nur etwa die Hälfte der Angemeldeten die Er­mächtigung erhalten wird, sich für den Lehrerberuf vorbereiten zu dürfen.

j Oberndorf, 11. März. Heute nachmittag ! sind 7 türkische Offiziere in Begleitung des Herrn Mauser, welcher dieselben in Stuttgart begrüßt hat, hier eingetroffen, um bei der Gewehrlieferung als Vertreter des türkischen Ministeriums thätig zu sein.

Stuttgart, 10. März. Der Gcmeinderat hat heute beschlossen, am Vorabend des kaiserlichen GeburtsfcsteS in ähnlicher Weise, wie das in verschiedenen anderen Gemeinden des Landes beabsichtigt ist, ein Freudenfeuer auf einer be­nachbarten Höhe anzuzünden.

Am 12. d. feiert der ehrwürdige Armenvater, Gustav Werner in Reutlingen seinen 79. Ge­burtstag. Möge er seinen Schöpfungen noch recht lange zum Segen erhalten bleiben.

Aus Heidenheim wird von gestern (11.) aufs Neue kolossaler Schneefall gemeldet.

Nachdem von 1882/83 die 5 Forstämter Kapfenburg, Lorch, Crailsheim, Söflingen und Zwie­falten aufgelöst worden sind, wird jetzt seitens der Regierung die Aufhebung von 5 weiteren Forstäm­tern beantragt, womit sich die Zahl der Forstmeister von 26 auf 16 reduziert.

Staatsanwalt Gröber in Ravensburg, der sich als ultramontanen Kandidaten hatte auf­stellen lassen und in den Reichstag gewählt wurde, ist, demD. Volksbl." zufolge, als Landrichter nach Heilbronn versetzt. Nach demselben Blatte soll ein

zweiter neuer Reichstagsabgeordneter, der dem Zent­rum angehört, Stadtpfarrer Göser von Saulgau seiner Stellung als Militärpfarrer, die er schon in den Feldzügen von 1866 und 1870/71 bekleidet hat, enthoben werden.

Ein Mann ein Wort! (Aus dem 17. Wahlkreis). Ich erkläre kurz und bündig, daß ich gegen das Septennat stimmen werde" sagte der hochwürdige Herr Stadtpfarrer Göser bei seinen Wahlversammlungen, da enthielt er sich am 9. März der Abstimmung.

Dr. Sigl teilt schadenfroh mit, daß die Sammlungen für den Peterspfennig nichts ergeben; das sei die Antwort des Volkes auf die neueste päpstliche Politik, und Bismarck werde Leo XIII. trotz des Christusordens in Brillanten den Ausfall auch kaum decken.

In Hamburg hat eine Anzahl sozialdemokratischer Wähler sich in verschiedene Wählerlisten cintragen lassen und auf Grund dieser Eintragungen mehrmals gewählt. Die Un­tersuchung über das strafbare Verfahren ist eingeleiter.

^ Zur Rechtsfrage der Retourbillets.

! Vom Landgerichte in Düsseldorf wurde in einem Urteile der Grundsatz ausgesprochen: Die Uebertra- ' gung eines Eisenbahnrctourbillets an einen dritten sei als Beihilfe zum Betrüge strafbar, wenn die ^ Fahrkarte den ausdrücklichen Vermerk des Verbots j ihrer Uebertragung enthalte, j Berlin. 9. März. Die Friedensaus- ! sichten bekräftigen sich. Man hat hier ganz all- ! gemein in ernsten politischen Kreisen das Gefühl, daß sich die Gesamtlage der Dinge wesentlich ge- ^ bessert hat.

Berlin, 9. März. Der Reichstag er­ledigte heute die M i l i t är v o rlage in 2. Lesung. Alles ging sachlich und ruhig ab, nur der Abg. Richter verfiel einmal in den alten ungezogenen Ton der Ueberhebung, als er den neuen Reichstag als einAngstprodukt der Wähler" bezeichnete. Er mußte aber bemerken, daß er sich einer völlig ver­änderten Lage gegenüber befand; der Beifall, der sonst bei solchen Aeußerungen vom Zentrum und von links erscholl, blieb aus, während ein dröhnen­des Hohngelächter der Mehrheit erscholl. Richter hütete sich, in der angeschlagenen Tonart fortzufah­ren , und zog es vor, möglichst rasch abzubrechen. Daß das Zentrum sich der Abstimmung enthielt, während 7 Mitglieder sich von der Masse trennten und für die Vorlage stimmten, war für das ganze Haus eine Ueberraschung. Man glaubt vielfach, daß Windthorst mit dieser Wendung der Dinge in­nerlich unzufrieden ist, und daß auf eine erneute Mahnung aus Rom der Stimmenthaltungs-Beschluß von der Fraktion gefaßt worden ist. Sicheres weiß ! man jedoch hierüber nicht, j Berlin, 9. März. Die Konserv. Korresp. macht Andeutungen, welche auf die Absicht einer Verschärfung des Sozialistengesetzes schließen lassen. Sie findet nämlich die bisherigen Ausweisungen nicht rationell, weil durch die Ausgewiesenen die so­zialdemokratische Propaganda in neue Kreise getragen wird. Sie schlägt als wirksameres Mittel Auswei­sungen aus dem deutschen Reiche vor und hofft, daß eine solche Befugnis für die Regierungen von dem gegenwärtigen Reichstage geschaffen wird.

Berlin, 10. März. Die Arbeiten zur Aus­führung des Nord-Ostsee-Kanals werden im Früh­jahr beginnen. Die Regierung ordnete die Errich­tung von Baracken zur Unterbringung der Arbeiter und sonstige Maßnahmen an, um die Arbeiten mög­lichst zu fördern.

Berlin, 10. März. Ferdinand v. Lesseps ist im französischen Botschaftspalais am Pariser