Mo. 80
61. Jahrgang
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Amts- lMll Intelligenzblutt für äen Aezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 T,.
'MotitiscHe Wachvichten.
Deutsches Reich.
— Der Kaiser wird am Sonntag, nachdem seine Badekur beendet ist, Ems verlassen und sich von dort aus zunächst auf mehrere Tage zum Besuch der Kaiserin nach Koblenz begeben. Wann von dort aus die Abreise des Kaisers nach Gastein erfolgt, ist noch nicht genau bestimmt. In den letzten Tagen hat der Kaiser in Ems auch den kommandierenden General des Xl. Armeekorps, v. Schlotheim, empfangen und ihn zur Tafel geladen.
Ems, 11. Juli. Der Kaiser ist um 4 Uhr mittelst Extrazuges nach Koblenz abgereist und wurde auf Wege zum Bahnhofe von einer großen Volksmenge enthustüstisch begrüßt. Auf dem Banhofe fand die Verabschiedung von den Spitzen der Behörden und verschiedenen distinguierten Badegästen statt. Der Kaiser sah vortrefflich aus.
Straßburg, 9. Juli. Bei den G e m e i n d e r a t s w a h l e n steht sich das elsässtsche und altdeutsche Element schroff gegenüber; auf den Wahlzettel der Elsässer ist kein altdeutscher Name gesetzt worden. Infolgedessen hat das deutsche Komite einen Wahlruf erlassen, in welchem es heißt:
„Wenn wir uns der mannigfachen Beziehungen des friedlichen Einvernehmens erinnerten, welches zwischen Alt-Straßvurgern und Eingewanderten seither bestand, so konnten wir hoffen, daß beide Teile sich bei den Gemeinderatswahlen, welche der PsMik-ßern stehen, zu einträchtigem Handeln vereinen würden. Leider war dies nicht so. Ein Teil von Emhennischen hat cs für gut erachtet, die Parole auszuaeben: Keine Deutschen auf die Liste" und der Macht der Umstände mußten auch diejenigen sich fügen, deren bisherigem Verhalten diese Parole nicht entspricht. Mit dem gemäßigten Teil unserer elsässischen Landsleute hoffen wir auch fürderhin in Frieden zu verkehren. Wir wünschen und hoffen, ja wir haben Gründe für die Annahme, daß auch Alt-Straßburger für unsere Kandidaten stimmen und das ausschließende Vorgehen der Unversöhnlichen von sich weisen werden. Jenen Unversöhnlichen aber, die nichts lernen und nichts vergessen, jenen geistig Blinden, die nicht merken wollen, welch' eine Macht die deutsche Bürgerschaft in Straßburg geworden ist, jenen rufen wir zu: Ihr steht . nicht mehr in Fühlung mit der wahrhaften innern Gesinnung Eurer Landsleute."
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Aages-Werrigkeiten.
— (Amtliches.) Laut Bekanntmachung des evangelischen Konsistoriums, betreffend die zweite t h e o l o g i s ch e D i e n st p r ü s u n g, hat u. and. Kandidaten des evangelischen Predigtamtes dieselbe mit Erfolg bestanden: Staib, Theodor, Kandidat in Liebenzell.
Calw. 12. Juli. Zur 25jährigen Jubiläumsfeier der sreiwill. Feuerwehr in Weilderstad l fuhren am gestrigen Tage nahezu 100 hies. Mitglieder mit Musik und 3 Tambours auf 8 Leiterwagen dorthin ab, außerdem benützten noch ca. 10 die Bahn. Das Fest, das von schönem Wetter begünstigt war, verlief ohne jeglichen Unfall ganz nach Programm: Früh 5 Uhr: Tagwache, von 7 Uhr an Empfang der Gäste, Sammlung der Feuerwehren aus dem Bahnhof und Zug auf den Marktplatz um 10 Uhr, woselbst die Geräte aufgestellt waren. 11 Uhr: Begrüßung und Festrede von Hrn. Stadtschultheiß Beyerle, Verteilung der Dienstehrenzeichen. Uebung der Feuerwehr Weilderstadt. 12>/r Uhr: Festessen in der Post. Nachmittags 2 Uhr: Sammlung und Zug auf den Festplatz. Gesellige und musikalische Unterhaltung. Präcis 4 Uhr: .Feuerwehrtag. (Tagesordnung: „Besprechung über die Feuerlöschverbände in Berücksichtigung der neuen Gesetzgebung.") Abends Bankett auf dem Festplatze. — Um >/r 10 Uhr abends marschierten die hiesigen Festteilnehmer frohgestimmt wieder hier ein.
Stuttgart, 8. Juli. Heute vormittag 7 ^ Uhr sprang die ledige 37 Jahre alte schlecht prädizierte Wilhelmine Schlagenhaus, wohnhaft im städtischen Armenhause hier, am unteren Feuerseeplatz in den See. Schutzmann Krautter, welcher auf dem Feuerseemarkt Dienst leistete, sprang sofort in den See und brächte die Schlagenhauf mit Gefahr seines eigenen Lebens lebend heraus. Dieselbe wurde ins Kath. Hosp. verbracht, sie verweigert jede Auskunft über das Motiv der That.
Wildbad, 8. Juli. Mit Eintritt der herrlichen Sommerwitterung hat der Zuzug von Badegästen sich namhaft gesteigert. Von früh bis spät bildet die Stadt ein belebtes Bild dar; insbesondere die schönen Anlagen und die prächtigen und mannigfaltigen Waldwege. Für Eiholung und Unterhaltung der Badegäste, für leibliche und geistige Belebung ist reichlich gesorgt. Auch die Bedürfnisse der Armen und Geringen sind nicht außer Acht gelassen. Das K. Kath ar inen stift, so recht ein Landesspital Württembergs, hat die ganze Saison hindurch vollbesetzte Räume. Die wohlhabenderen Badegäste tragen auch dieses Jahr gern dazu bei, daß den ärmeren außerhalb des Katharinenstifts wohnenden ein Beitrag zu ihren
Dienstag, äen 13. Juki 1886.
Feuilleton.
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel,
«Fortsetzung.)
Lehr zu statten kam jetzt Eduard die schwere Krankheit seiner Schwester, welche das große Haus verödete und mit einer wahren Totenstille erfüllte. Selten zeigte sich ein Diener, und erhellt waren nur die meist benutzten Gänge und Zimmer.
^ Ehe Eduard den Wintergarten verließ, legte er seine Stiefel ab und ging auf Socken weiter, jene in der Hand tragend.
So gelangte er jenseits des großen Salons und nach Durchschreitung mehrerer verödeten Prachtzimmer und dunklen Korridore nach dem Privattäbinet seines Vaters. Unweit desselben befand sich das Herrn Duprat eingeräumte Zimmer, dessen Thttre zur Zeit halb offen stand.
Eduard hörte Jemanden darin hin und her gehen; er glaubte den leichten, behenden Lchritt des Prokuristen zu erkennen.
Er -trat in ein ebenfalls offen stehendes, aber dunkles Zimmer ein und spähte durch die Portiere nach Duprats Thür. Er hatte das unbestimmte Gefühl, als wenn Eener dieselbe jeden Augenblick durchschreiten werde.
Und seine Ahnung betrog ihn nicht.
Er hatte' nicht zu lange zu matten, bis Duprat kam.
Dieser zeigte ein recht vergnügtes Aussehen, als wenn ihm etivas sehr Angenehmes begegnet wäre, trotzdem er seine rechte Hand in einem Verbände trug. Sein Aitzug war wie immer tadellos; er war frisitt und verbreitete eilt stark driftendes Parfüm um sich her, in jedem Zoll ein eitler Mensch.
An der Thür des Privatkabinets des Kommerzienrats legte er seilt Gesicht in ernstere Falten. Er pochte.
„Herein!" ertönte die Stimme des Ehefs von drinnen. Eduard erbebte bei diesem einzigen Laut. Duprat drückte die Klinke nieder und trat ein.
„Ach, lassen Sie ein wenig offen, lieber Duprat," sprach der alte Herr. „Es ist so warm hier."
Duprat ließ die Thür halb offen.
„Ist doch Niemand draußen?" fragte Etivold weiter.
Duprat blickte den Gang hinauf und hinab. „Niemand," sagte er dann. Er verschwand wieder hinter der Portiere.
Jetzt sprachen die Beiden drin, aber die doppelten Pottieren, welche Eduard von Jenen trennten, ließen ihn nicht verstehen, ivas gesprochen wurde.
Natürlich hatte dies das allergrößte Interesse für ihn, denn in den, Zimmer, in welchem sie sich befanden, ruhten die Schlüssel zum Keller. Er schlich also näher heran, jetzt die Stiefel in dem dunklen Zimmer zurücklassend.
„Es freut mich wirklich, daß Sie schon heute Abend gekommen sind, mein Bester," sagte der Kommerzienrat eben. „Sie hätten mir keinen größeren Gefallen erweisen können. Niein Herz ist von Kummer beschwert um meinen Sohn. Ich habe mir die Sache hin und her überlegt und finde nun die Aussichten bedeutend ungünstiger als zu Anfang. Man wird Eduard, wenn auch nicht der Falschmünzerei, so doch immerhin der Mitschuld an derselben für verdächtig halten und ihn unter Anklage stellen. Die Karte im Pottefeuille inkriminiert ihn, er kann sich nicht reinigen."
Eduard lauschte wie ein Träumender. Es war nach Hedwigs Angaben Jemand nach Ai. gereist, um ihn wegen Mordes zu verhaften und nun sprach sein Pater von Falschmünzerei, an der er ebenfalls beteiligt sein sollte. Er griff nach seiner Stirn, er blickte sich wirr um; es war erschütternd und beschämend zugleich, was er da hörte. Sollte er den Motten seines Vaters Glaueen schenken? Konnte er annehmen, daß Jener irre rede ? Fast fühlte er sich versucht, hineinzutreten und zu sagen, daß er sich keiner Schuld bewußt sei. Aber der Mut versagte ihm zuletzt doch wieder, und dann empfand er das Beschämende zu tief, daß er sich hier wie ein Dieb eingeschlichen hatte.
Inzwischen hatten die drinnen das Gespräch fortgesetzt, und hieraus erfuhr nun Eduard, daß sein Vater in der Frühe des nächsten Morgens mit eine», Kriminalbeamten nach M. reisen wollte, um ihn wegen seiner angeblichen Teilhaberschaft an einer Münzfälschung selbst zu vernehmen.