wies nun an der Hand der Geschichte die fortwäh­rende deutsche Zwietracht, schilderte ihre Folgen und gab treffliche Fingerzeige, wie derselben zu begegnen sei. Mit den Cimbern und Teutonen beginnend, durchflog er die ganze Geschichte der Deutschen bis in die neueste Zeit und gab dem Thema gemäß einen trefflichen Ueberblick, wobei er zu dem Resul­tat kam: Durch einen in rechter Weise erteilten Ge­schichtsunterricht könne die innere Zwietracht in Deutschland am besten bekämpft werden. Wir müs­sen uns leider des Raumes wegen versagen, des Näheren auf den sehr interessanten Vortrag einzu­gehen, möchten aber noch das Wesentliche vom Schluß desselben beifügen. Redner kommt zuletzt auf die neueste Zwietracht, die im deutschen Reichstag bei der Abstimmung über die Militärvorlage hervorge­treten sei. zu sprechen. Dieselbe sei aber gewiß nicht das beweisen auch die mit zahlreichen Unterschrif­ten besonders aus Württemberg eingelaufenen Peti­tionen der Ausdruck der Mehrheit des deutschen Volkes, weshalb die Reichsregierung mit dem Kai­ser an der Spitze zu dem Mittel der Auflösung des Reichstages habe schreiten müssen in der Hoffnung, durch Neuwahlen eine reichsfreundliche Mehrheit zu bekommen. Im Blick aus unfern Wahlkreis sei die! Ausgabe eines jeden Patrioten vor der Wahl dafür zu sorgen (jeder in seinem Teil), daß es zu einer glänzenden Mehrheit komme, so daß, obgleich ein Gegenkandidat fehle, die Wähler vollzählig an der Wahlurne erscheinen. Wenn wir, namentlich was die Wahlen betreffe, noch thätiger seien, als bisher, so dürfen wir ohne Befürchtungen in die Zukunft blicken. Die Existenz des deutschen Reiches hänge davon ab, daß sich das Volk trotz der feindlichen Parteien nicht abhalten läßt, dem Hohenzollernge- schlecht, welchem der gegenwärtige Heldenkaiser ent­stammt, treu zu bleiben. Diesen Gedanken faßt Red­ner schließlich noch in dem Trinkspruch zusammen: Es lebe die unverbrüchliche Treue zu dem Hohen- zollerkaiser und seinen weisen und kräftigen Ratge­bern!" in welchen die zahlreiche Versammlung begei­stert einstimmte. Nachdem Oberlehrer Schwarz­meyer in zündender Rede sich über die bevorstehende Reichstagswahl und deren überaus wichtige Bedeu­tung ausgesprochen hatte (vergl. Nr. 15 d. Bl.) brachte derselbe schließlich ein Hoch aufs Vaterland aus, dem er eine lange glückliche Zukunft wünschte.

* Nagold, 3. Febr. Der Krankenunterstü­tzungsverein, der am vergangenen Sonntag seine halb­jährliche Hauptversammlung hatte, verfolgt in ruhi­gem Tempo seine wohlthätigen Zwecke, indem nach dem vorgetragenen Rechenschaftsbericht in jener Ver­sammlung 190 vom 1. Juli bis letzten Dez. v. I. an Unterstützungen für 22 erkrankte Mitglieder in Beträgen zwischen ZL 1.20 und ZL 36.40 sowie in einem Sterbefalle 32 vA 64 L verausgabt wurden. Der Unterstützungsbeitrag beträgt nämlich 40 pr. Tag. Die Gesammtcinnahmen des vergangenen Halbjahres betrugen vkk 389.02. die Ausgaben »kL 284.90. Der Kassenbestand im Ganzen beziffert sich auf ^ 2441.65, gegenüber dem ferndigen also um ein Mehr von 179,43. Den Verein präsen­tieren 299 Mitglieder, unter denen eine nicht geringe Zahl Ehrenmitglieder, denen in der Versammlung besonderer Dank für ihre edle Mitwirkung am Be­stehen des Vereins ausgesprochen wurde. Der Verein gedenkt nächstes Jahr sein 20jähriges Bestehen in bescheidener Weise zu feiern.

Damm in Bayern. In diesem Jahr ist der Rest von 1000 Gulden für unsere alte Kriegs­schuld aus dem Anfang des Jahrhunderts bezahlt worden und damit hat Damm endlich Ruhe. Es sind allein von Damm 72000 Gulden für einen ver­lorenen Krieg gezahlt worden.

Am Dienstag erteilte der Kaiser dem Präsidium des preußischen Abgeordnetenhauses Audienz, welches seine Glückwünsche zur Geburt des jüngsten Prinzen überbrachte. Im Verlaufe der Audienz, welche nur wenige Minuten dauerte, erwähnte der Kaiser auch die Auflösung des Reichstags und die Ursache derselben, die ihm sehr schmerzlich sei. Schon einmal vor langen Jahren habe er Aehnliches durch­machen müssen. und damals habe erst ein auswär­tiger Krieg den Streit beendet.

In Wiersbeu in Ostpreußen ist ein großer Bauern­hof vollständig niedcrgcbrannt. Das Feuer brach an 3 Stel­len zugleich ans. Verbrannt sind alle Vorräte lind 14 Pferde, 38 fette, 30 magere Schweine und 80 Schafe.

Im Landesausschuß von Elsaß-Loth­

ringen hat sich der Staatssekretär v. Hofmann über die Frageob Krieg, ob Frieden" im Hinblick auf die Reichstagswahlen ausgesprochen. Er sagt u. A.: Es ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Friede jetzt krank, er ist wie ein kranker Mann; es stehen Aerzte um sein Bett, das ganze Publikum folgt mit Teilnahme jeder Wendung der Krankheit, jedermann wünscht Besserung, jedermann verspricht, alles beizu­tragen, um die Krankheit zu lindern. Es ist mög­lich wir Alle hoffen es daß eine augenblick­liche Lebensgefahr nicht vorliegt. Das Uebel, au dem der Friede leidet, sitzt aber so tief, daß, wenn auch die jetzige Gefahr vorübergeht, eine vollständige Hebung des Leidens, eine volle Genesung nicht ein- tritt, sondern es wird ein Zustand der Schwäche Zu­rückbleiben, der in jedem Augenblick zu einem Rück­fall und zu einer neuen Krisis führen kann. Das ist die Situation.

In Straßburg und Metz hatte in den letzten Tagen bereits eine förmliche Kriegspanik um sich gegriffen. Es hieß, die Erhaltung des Friedens hänge nur an einem Faden. In Straßburg war die Panik unter Eingewanderten und Einheimischen so groß, daß mehrere Familien anfingen, für den Fall der Not Proviant einzukaufen.

Frankreich.

Paris, 3. Febr. DerRepublique France" ist eine Depesche aus Suez zugegangen mit näheren Nachrichten über die Niederlage der Italiener bei Massauah. Von 480 Ansiedlern sind nur 50 am Leben geblieben. Alle Kanonen wurden genommen. Die Italiener räumten sämtliche äußeren Positionen. Die Abessynier griffen Massauah selbst am 27. Jan. an und erstürmten die ersten Verschanzungen. Belgien-

Brüssel, 3. Feb. Der Kassationshof ver­urteilte heute die Stadt Brüssel zur Zahlung von 1*/r Millionen Franks Entschädung an die 1400 Personen, welche anläßlich der Straßenunruhen am 7. September 1884 Verletzungen erhielten. Das Urteil erregt großes Aufsehen.

Üarrdel Berkelir.

Stuttgart, 31. Januar. (Hopfen). Das Geschäft wurde zu Ende der Woche etwas lebhafter; während ein Exporteur große Posten aus dem Markte nahm, fanden gute Qualitäten in Brauern Käufer. Heutige Zufuhr und Um­satz stärker; Preise von 1855 per Ztr. Solange Zufuhr, dauert der Markt fort._.

Der Kerr Sekretär und sein Sägeöock. LL

Da erinnere ich mich ans meiner Jugendzeit ! eines Nachbars, der ein gar sonderbarer alter Kauz war, und weil .mir der gute Mann so manchen Apfel über den Lattenzaun seines kleinen Gärtchens gereicht, mir manchen Peitschenstecken geschnitzt, ja l einmal sogar den Rahmen meiner Schiefertafel grün angcstrichen bat, so will ich heute sein Angedenken auf der Tafel meiner Erinnerung aufsrischen und aus dem großen Manuskriptenschranke meines Gedächt­nisses das einzige Abenteuer seines Lebens hervor­holen, um es fein gesäubert auf den Nachweltsmarkt zn bringen.

Ja, alter Mäusler, das hättest Du Dir ge­wiß nicht träumen lassen, daß der kleine, krausköpfige Bengel des Nachbars Schneider Dich einst so ohne Weiteres beim Kragen kriegen und unter den Preß- bengel bringen würde. Ja, ja, aus Kinder werden Leute, und wenn Du heute von da oben auf mich und mein Leben herniedersiehst, so wirst Du gewiß begreifen, warum ich manchesmal mit feuchtem Auge ^ Hinüberblicke nach dem kleinen Nasenplatze Deines Gartens, dem fröhlichen Tummelplätze meiner Knaben­spiele, und schmerzlich-süße Geschichten träume aus meines Lebens schönster Zeit.

Da haben wir's. Eine heitere Geschichte will ich erzählen, und schon bei den ersten Worten sitzt der Schalk Hypochonder mir wieder im Nacken. Fort, alter griesgrämiger Hallunke, mit dem verküm-

, inerten Gesicht und den hohlen Augen! Fort!-

, Also Mäusler hieß der Mann, Gottlieb Mäus­ler, derHerr Sekretär" genannt, obwohl er eigent- i lieh nur einfacher Tagschreiber auf einem Regierungs- i bureau war. Er hatte in seinem Leben viel när­rische Streiche gemacht, und war dadurch im Städt- ^ chen sprüchwörtlich geworden, so daß, wenn einer etwas Komisches trieb, es gleich hieß :Er treibt es, wie der alte Mäusler."

So hatte der Herr Sekretär unter Anderem

i die sonderbare Leidenschaft, Alles, was er sah. nach- ' ahmen, Alles selbst arbeiten zu wollen. Er kramte j daher Jahr aus, Jahr ein im Hause herum, pfuschte j dem Maurer und Zimmermann, dem Schreiner und Schlosser, dem Schuster und Schneider ins Hand- j werk, und zwar nur, um, wie er sagte, Geld damit zu ersparen. Das wäre nun nicht so übel gewesen,

! die Ersparnis hätte er recht gut brauchen können, i da sein Gehalt ganz knapp so eingerichtet war, daß ^ er, ohne seiner Sckretärwürde etwas zu vergeben, j anständig davon leben konnte. Allein wenn der Hr.

! Sekretär eine solche Arbeit im Hause oder in dem kleinen Gärtchen vornahm, kostete es sonderbarer Weise immer mehr, als wenn er sic durch den be- i treffenden Handwerker hätte machen lassen, und dann ! und dies war wohl das Hauptübel wurde , sie zwar angefangen, aber niemals vollendet. Das j kam nämlich so: Wenn der Herr Sekretär irgend ein i Geschäft, welches außer seinem Wirkungskreise lag,

! begann, so war er Feuer und Flamme dafür. bis ! er zufällig etwas Anderes sah. Flugs ließ er das Aeltere liegen und machte sich mit demselben Eifer an das Neue. Und so ging es fort. Was Wun­der, daß nie etwas vollendet wurde, und daß schließ­lich doch der Handwerksmann gerufen werden mußte, wenn dies geschehen sollte. Doch ja, in Einem war ! der Alte unermüdlich: im Anstrcichen. Der Tüncher verdiente das ganze Jahr keinen Kreuzer bei ihm, j obwohl das ganze Hausgeräte bis auf die Nägel in der Wand selber, ja noch mehr, die Bäume im Gärtchen sogar, mit Oelfarbe angestrichen waren. Im Gartenhäuschen, seinemLaboratorium", wie er es nannte, standen immer 1520 Töpfe mit Far- j den, unter welchen der Herr Sekretär herumhantierte, und wenn er auf das Bureau kam, rümpften seine Kollegen, der Herr Sekretär Kiekebusch und der Hr. Diätist Schlucker, jedesmal die Nase uud brummten: Der Mäusler riecht wieder niederträchtig nach Farbe". Die Frau Sekretärin aber lies ihren Mann thun uud treiben, was er wollte, denn sie war eine gute, stille Frau und hatte ihre Freude daran, wenn ! er sich so recht in seiner Weise amüsierte. Sie . lächelte nur still in sich hinein, wenn er ihr von ei­ner neuen Arbeit erzählte, welche er vor hatte, und ließ zuweilen ein gedehntesso, so" oderja, ja" hören, welches eigentlich hieß:Nur immer zu, Alter- i chen, es wird doch nichts", oderich kenne Dich, Spiegelberg", u. s. w.

Doch zur Sache!

Der Winter war vor der Thüce, und der s Herr Sekretär hatte sich, wie alljährlich, eine Klaf- i ter Buchenholz vors Haus fahren lassen. Bei die- ! ser Gelegenheit hatte er bisher immer den alten Nachtwächter Söffler und dessen Buben, den roten ! Stoffel, in Nahrung gesetzt, und diese hatten ihm gegen die tarifmäßige Entschädigung von einem Kro- nenthaler, nebst Käsebrot und Frühtrunk das Holz ' klein gearbeitet, so daß die Frau Sekretärin nur die Stücke in den Ofen zu schieben brauchte, um eine warme Stube zu erhalten.

In diesem Jahre aber sollte es anders kommen.

Im vergangenen Herbste nämlich hatte der Herr Sekretär, als die Holzhackcr gerade unten be­schäftigt waren, so recht gemütlich zum Fenster hin­ausgeschaut und dabei folgende Betrachtungen an­gestellt.

Jetzt seh' nur ein Mensch, wie leicht dieses Holzsägen ist. Die Kerle schneiden die dicksten Ben­gel entzwei, als ob's ein Butterbrod wäre. Hm, j hm! Und wie gesund sie aussehen. das muß das j Geschäft im Freien und die viele Bewegung machen. !- Hm, hm! Ich möchte eigentlich wissen, warum j ich das Holz nicht selber säge? Es wäre ja der of­fenbarste Profit. Erstens spare ich das schöne Geld,

! und das kommt mir in der Haushaltung zu gut, und zweitens gewinne ich an meiner Gesundheit, was auch nicht zu verachten ist. Ah was, abgemacht, ich säge mir mein Holz künftig selbst."

So dachte der Herr Sekretär Mäusler, und als er dem Söffler dieses Mal den Kronenthaler in die Hand drückte, that er es mit dem heimtücki­schen Hintergedanken:So Alterchen, das ist das letzte Mal, daß du mir meinen Beutel schröpfst!"

(Fortsetzung folgt.)

(Hiezu eine Beilage und das Unterhaltungs- blatt ^ 10.)

«eramworriicher vtedairour «koinwanoei in Nagold. Druü und

Lerla, der <s. W. Zaise r'lchen Buchhandlung in Nagold.