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Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners-j H/' laß und Samstag, und kostet vierteljährlich hier "

/»- L UH. (ohne Trägerlohn) 80 ^!, in den: Bezirk 1 i

außerhalb des Bezirks 1 ^c. 20 NionatS-j abonnement nach Verhältnis.

Samstag den 5. Februar.

. Jnscrtionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge-i II wohnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 bei mehrmaliger je 6 Die Inserate müssen! spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor den Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegebeni sein. !

1887 .

TL mt! iche s.

Obcramt Nagold.

Bezirkspolizeiliche Vorschriften,

betreffend

das Dörren von Samen-Zapfen der Nadelwald­bäume (Wcißtaiincn, Nottanncn oder Fichten, For­chen und Lärchen) an geheizten Stuben-Oefcn.

Unter Bezugnahme auf H. 368 Ziff. 8 des Strafgesetzbuches, vergl. mit Art. 51 und 52 des Landesgejetzes von, 27. Dezember 1871, betreffend Aendcrung des Polizcistrafrechts, wird mit Zustim­mung des Amtsvcrsammlungs-Ausschusses und mit > Genehmigung kvuigl. Kreisregierung vom 25. Januar 1887 folgendes angeordnet:

8- r.

Vor dem Beginn des Dvrrens von Sameu- zapfcn der Nadel-Waldbaume am geheizten Ttuben- Osen ist der Ortspolizcibehörde Anzeige zu erstatten j uud darf mit dem Dörren nicht bälder begonnen werden, als bis von der Ortspolizeibehvrde, nachdem sich letztere zuvor auf Grund Gutachtens der Orts- feuerschau bezüglich der vorhandenen Feuernngs-Ein- richtungen und der Beschaffenheit des betreffenden Lokals von ver Gefahrlosigkeit Ueberzeuguug ver­schafft hat, schriftlicher Erlaubnisschein unter Anschluß 1 Exemplar der bestehenden vezickspokizeilichen Vor­schriften zugesrellt worden ist. Ohne einen schrift­lichen Erlaubnisschein ist Niemand berechtigt, mit dem Dörren anzufangen.

8- 2-

Die Umfasfungswäude der Räume, in welchen Sameuzapfen der Nadelwaldbäumc gedorrt werden wollen, müssen wenigstens aus ausgemaucrtem Fach­werk bestehen und ebenso wie die Decken vcrgypst sein.

8- 3.

Die Ocfeu, um welche die Dörrgestelle ange­bracht werden, dürfen nicht innerhalb des Gelasses, in dem sie aufgestellt sind, geheizt werden. müssen also von der Küche, einem vorschriftsmäßigen Heiz­winkel oder feuersicher» Borplatze aus heizbar sein, in allen Teilen dicht, ohne Nisse, Sprünge, offene Fugen u. dergl. und so beschaffen sein, daß die Bo­den- und Kranzplatte mittelst vier eisernen Stangen mit Schrauben gut verbunden sind, um bei starker Hitze das Auseinandertreiben des Ofens zu verhin­dern. Dagegen ist das Dörren der Zapfen auch an solchen Ocfen, welche zwar von außen geheizt werden, aber in dem geheizten Lokal selbst Oeffnungen zum Einsetzen von Kochgeschirren u> dergl. haben, verboten.

8 - 4 .

Die Gestelle, auf welchen die Hürden aufgelegt werden, als auch die Hürden selbst müssen von dem äußersten Teile des Ofens wenigstens 60 om ent­fernt sein. Unmittelbar auf dem Ofen dürfen keine Zapfen aufgelegt werden, auch dürfen die Hürden nicht über dem Ofen, sondern nur seitlich von dem­selben auf die Gestelle gelegt werden, um das Aus­fallen des Samens und der Flügel auf den Ofen unmöglich zu machen. Das Verhängen der Gestelle und der Hürden mit Tüchern behufs besserer Kon­zentrierung der Hitze ist durchaus verboten.

8 - 5 .

Das Dörren der Zapfen in den Wohnhäusern darf nur während der Zeit von morgens 6 Uhr bis abends 8 Uhr stattfinden und müssen außerhalb die­ser Zeit die Hürden vom Ofen entfernt werden.

Während des Dörreirs muß in dem Raume, in welchem der Ofen aufgestellt ist, mindestens eine erwachsene, zuverlässige Person anwesend sein, auch

' sind in unmittelbarer Nähe mindestens 2 Kübel Was- ^ - fer jederzeit parat zu halten. >

. 8-6- ^ j Die Uebertretung vorstehender Vorschriften un- j ^ terliegt der Strafbestimmung des 8- 368 Ziff. 8 des ^ ' Strafgesetzbuchs für das deutsche Reich. j

Den 2. Februar 1887.

K. Obcramt. Güntucr. ^

Nagold. i

An die Ortsvorsteher.

Da in letzterer Zeit in mehreren Orten des! Oberamtsbezirks infolge Dörrens von Samen-Zapfen i der Nadclwaldbaume am geheizten Stuben-Ofen. Braudfälle vorgekommen sind, hinsichtlich der bei diesem Geschäft zu beobachtenden feuerpolizeilichen Vorsichtsmaßregeln aber gesetzliche Vorschriften bis jetzt nicht bestehen, so werden mit Zustimmung des Amtsversammlniigs - Ausschusses und Genehmigung , kgl. KreiLrcgierung vom 25. Januar 1887 obige be­zirkspolizeiliche Vorschriften erlassen und werden die Ortsvorsteher angewiesen, sich mit diesen Vorschriften! genau bekannt zu machen und den Mitgliedern der ^ Orts-Feuerschau je 1 Exemplar der gedruckten be-. zirkspolizcilichcu Vorschriften zu genauer Nachachtung ' gegen Empfangsbescheinigung cinzuhändigen. Der vom Ortsvorsteher auf Grund Gutachtens der Orts- Fcuerschau K. 1 der Vorschrift auszustellende Erlaub- - ' nis-Schein darf nur für eine Dörr-Periode ciusgc-. stellt werden. !

Die Ortsvorsteher haben die Mitglieder der - Orts-Feuerschau auf gewissenhafte Prüfung der Vor- j aussetzungen der Zulässigkeit des Samenzapfen-Dör- rens an geheizten Stuben-Oefen aufmerksam zu ma-! chcn, auch während einer Dörr-Periode Kontrolle ^ über die Beobachtung und Einhaltung der gegebenen Vorschriften unvermutet vornehmen zu lassen und! etwaige Uebertretungen sofort zur Anzeige hieher zu j bringen.

Die erforderliche Anzahl der durch Druck ver- j vielsältigten bezirkspolizeilichen Vorschriften wird dem Ortsvorsteher zukommen. ^

j Schließlich wird bemerkt, daß das Oberamt bei z geeigneten Anlässen, namentlich der Abhaltung der !Ruggerichte, die den Gemeinde-Organen zugewiesene ! Thätigkeit bei dem Vollzug der fraglichen Vorschrif- ! ten kontrollieren wird.

> Den 2. Februar 1887.

! K. Oberamt. Güntn e r.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für Gewerbe ! und Handel, betreffend dev Beginn von Unterrichts­kursen in den Webschulen zu Reutlingen ! und Heidenheim.

' Anfang April d. I. degiimen in den unter i Oberaufsicht der K. Centralstelle stehenden Web- ! ! schulen zu Reutlingen und Heidenheim wieder neue l ! Lehrkurse. !

§ Dieselben haben den Zweck, tüchtige Fabrikan- i ! ten, Webmeister, Dessinateure rc. heranzubilden sowie:

! jungen Kaufleuten , welche sich mit dem Ein- und !

> Verkauf von Erzeugnissen der Textilindustrie zu be­fassen haben, Gelegenheit zur Erwerbung der hiefür

! erforderlichen technischen Kenntnisse zu geben.

Der Unterricht erstreckt sich auf Theorie und Praxis aller Zweige der Schaft- und Jacquardwe­berei init Hand- und Dampfbetrieb sowie auf Frei- hand-, Muster- und Maschinen-Zeichnen.

An der Webschule in Reutlingen besteht ferner eine eigene Abteilung für den Unterricht in der Wir- i kerei aus Kellenstühlen, Culirstühlen, Rundstühlen rc.

Aus der Webschulstistung daselbst können un­bemittelten . besonders befähigten Zöglingen der Webschule Unterstützungen zu ihrer weiteren Ausbil­dung verwilligt werden.

Beide Anstalten sind mit Webstühlen und Hilfs­maschinen aller Systeme, sowie mit Zeichenwerken, Fachzeitschriften und dgl. aufs 'Beste ausgcstattet.

Anmeldungen sind zu richten:

für Reutlingen an Weberei-Inspektor Winkler daielbst, für Heidenlwim an den technischen Vorstand der Anstalt, Zeichenlehrer Leopold, oder an den Vor­sitzenden des Webschulvercins, Herrn Fabrikanten Louis Nennhösfer in Heidcnhcim.

Ebendieselben sind zur Erteilung weiterer Aus­kunft bereit.

Stuttgart, den 27. Januar 1887.

K. Centralstelle für Gewerbe und Handel. _G a u p p. _

Die erledigte evangelische Pfarrei Plieningen, AnUs- dckanats Stuttgart, wurde dem Stadtpfarrcr Mczgcr in Altensleig gnädig übertragen.

Durch mutvolle und aufopfernde Thätigkeit bei Brand­fällen hat sich n. a. ausgezeichnet und wird vom Ministe­rium des Innern öffentlich belobt: am 6. Dezember v. I. in Nagold die Feuerwehr von Nagold.

Tages-Neuigkeiten.

^ Deutsches Reick.

** Nagold, 2. Febr. Bürgerabend,

der gestern abend im GasthWWmHirsch" hier statchatte, war reichlich ausgefüllr mit einem Vortrag überdie deutsche^wietracht in alter und neuer Zeit," den^tadtsörster Weinland zu halten die Güte hatte und mit der eingehenden Be­sprechung über die bevorstehende Reichstagswahl. Der Hauptredner des abends hatte sich ursprünglich vorgeuommeu, seinein Vortrag dieGeschichte der deutschen Einheitsbestrebungen" zugrund zu legen, wurde aber, namentlich durch die neuliche Abstim­mung der Reichstagsmehrheit, bewogen, dieses Thema fallen zu lassen und jenes eingehend zu behandeln. Mit gewohnter Lebendigkeit und tüchtiger Sachkennt­nis wurde in der über eine Stunde dauernden Rede ausgesührt, daß unser Volk jetzt noch kranke an deut­scher Zwietracht. Nicht anders als auf dem Wege der Selbsterkenntnis und Selbstprüfung sowohl beim Einzelnen als bei ganzen Völkern sei das deutsche Volk durch seine eigene Geschichte aufzuklä­ren über das, was ihm notthue, indem es dadurch nicht nur seine Tugenden sondern auch seine Fehler und Schwächen, sowie deren Heilung kennen lerne. Die Geschichte sei auch die beste Quelle für die Va­terlandsliebe. Bei der Betrachtung der deutschen Geschichte, namentlich der Geschichte der Neuzeit, müsse man ausrufen: Welch' wunderbare Fügung, daß das deutsche Volk die großen Jahre 1870 und 1871 erleben durfte! Redner kommt auf die kolossa­len Gefahren, welche Deutschland umstürmt haben und noch umstürmen, zu sprechen. Die größte sei freilich die eigene, innere und äußere, schon im Na­tionalcharakter der Deutschen liegende Zwietracht. Dieselbe habe besonders 3 Ursachen: Das politische Absonderungsgelüste des deutschen Mannes und Stammes, die religiöse, politische und weltbürgerliche Schwärmerei, sowie die Nachäffung fremder politi­scher Gedanken und Einrichtungen. Wenn diese 3 Faktoren Zusammenwirken, so sei eine innere Zwie­tracht unabweisbar. Zu der äußeren Zwietracht trage insbesondere die Glaubensspaltung bei, die in­folge der Reformation eintrat. Der gewandte Red­ner, der seines Stoffes vollkommen mächtig war, be-