Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Samstag den 13. November.
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Von der K. Regierung für den Schwarzwaldkrcis wurde : unterm 9. November d. I. Gemeindcpflcger Gemcinderat ! Gottlieb Müller in Mötzingcn zum Schultheißen dieser Ge- ! meindc ernannt.
Tages-Neuigkeiten.
Tcutschos Reich.
* Nagold, 10. Noo. Kaum hat das Tan- nenzapfeiiörccheii wieder begonnen, ist solches schon auch mit einem Unglück begleitet. Peter Proß, ein armer Weber v o n Sulz bei Wildberg, unterzog sich ebenfalls diesem halsbrecherischen Geschäfte, und gestern stürzte er, wahrscheinlich weil der Stamm durch den Regen sehr rutschig war. so unglücklich ^ herunter, daß er, kaum nach Hause gebracht, den Geist aufgab. Eine Witwe mit noch 5 unversorgten Kindern, wovon allerdings 2 die Schule verlassen, beweinen dadurch ihren redlichen Ernährer.
Cannstatt, 6. Nov. In der letzten Zeit hat i ein auf dem Neckar fahrendes, von etwa 8 Personen ! besetztes Boot, das sich, wie von unsichtbarer Macht! getrieben, mit großer Geschwindigkeit stromauf- und j abwärts den Weg durch die Fluten bahnt, bei den; Vorübergehenden nicht geringes Aufsehen erregt. ^ Das Schiffchen mit eigenartigem Triebwerk ist von Ingenieur Daimler hier gebaut; die erste Probefahrt wurde anfangs August gemacht. Seitdem haben mehrere hervorragende Techniker solche Fahrten mitgemacht. Seitens des Ruderers bedarf es nur eines Druckes der Hand, um das Boot nach jeder gewünschten Richtung in schnellerem oder langsamerem Laufe in Bewegung zu setzen. Den Probefahrten haben bis jetzt angewohnt die Herren O.-Reg.-Rat! Diefenbach, die Banräte Groß und Güntter und Di- ! rektor Keßler. !
Reutlinger Alb, 10. Nov. Der Winter hat seinen ! Einzug gehalten. Gestern morgen lag eine Schneedecke, und anhaltend schneit cs noch fort. Es ist Schneedruck zu befürchten, weil der nasse Schnee als schwere Last ans die noch stark belaubten Bäume fällt.
Brandfälle: In Klein-Eislingen (Göppingen) am 8. d. M. das Wohn- und Oekonomiegc- bäude der Witwe des Bauers Joh. Schuster; in Un- tcrböh ringen (Geislingen) das Wohn- und Oeko- nomiegebäude des Webers David Schneider.
Frankfurt, 10. Nov. Mit der heute vormittag, wie der Telegraph meldet, erfolgten Wahl des Prinzen Waldemar von Dänemark zum Fürsten von Bulgarien ist die bulgarische Angelegenheit an einem ernsten Wendepunkte angelangt. Man darf es der bulgarischen Sobranje zur Ehre anrechnen, daß sie sich trotz der unerhörten Provokationen Rußlands nicht auf den Weg einer prinzipiellen Opposition drängen ließ, daß sie im Gegenteil, dem Gebote der Besonnenheit gehorchend, durch die That den Wunsch zu erkennen gab, mit Rußland zu einer Verständigung zu gelangen. Das ist ja nach Lage der Sache nicht mehr zu hoffen, daß mit der heute vollzogenen Fürstenwahl die bulgarische Frage zu einem Abschlüsse gelangen möchte; die Ablehnung der Wahl seitens des Prinzen Waldemar wie die Nichtanerkennung der Legalität des Wahlaktes seitens Rußlands ist, trotz aller Bemühungen der Mächte, so gut wie sicher. Man darf erwarten, daß die Sobranje die Konsequenzen der jetzt bethätigten Nachgiebigkeit im Rücktritt der Regierung und einer Auflösung der Nationalversammlung zieht. Nur auf diese Weise scheint ein unheilvoller Bruch vermieden werden zu könnnen.
Mainz, 9. Nov. Auf dem Güterbahnhof der hessischen Ludwigsbahn wurden vor einigen Tagen einige Ballen Tuch entwendet. Eine Haussu
chung , die bei verschiedenen Bahnbediensteten hier! und in benachbarten Stationen abgehalten wurden, hatte zur Folge, daß zwei Bremser verhaftet wurden, in deren Wohnung man Gegenstände vorfand, die aus vielfachen in früherer Zeit verübten Diebstählen ^ herrühren. Nachträglich wurden noch 2 Bremser ver-! baftet. Man glaubt, wie man der Fr. Ztg. schreibt, die Bande entdeckt zu haben, die schon seit vielen Jahren die Bahndiebstähle gewerbsmäßig betrieb.
Aachen, 8. Nov. Das Gewerbegericht verurteilte 53 sinkende Setzer wegen plötzlichen Nieder- legens der Arbeit zum Schadenersatz und zur Tragung der Kosten.
Leipzig, 5. Nov. Gestern nacht brach in einer der nahe am Gottesacker belegenen Scheunen eine Feuersbrunst auS, welche sich den übrigen Scheunen so schnell mitteilte, daß bis zum Morgen über 50 derselben in Asche lagen. Brandstiftung ist ^ ziemlich erwiesen. !
Berlin, 8. Nov. Hier vermachte ein katholischer Schneidermeister Hcider der katholischen Kirche i 300000
Berlin, 9. Nov. Der Stadtverordnete Krebs hat! sich entleibt. Die Ursache des Selbstmordes ist die denkbar traurigste: Krebs hatte Mündelgelder in Höhe von 30000*«! unterschlagen. Auf dem Briefe, in welchem Krebs von seiner ! Absicht seinem Sohne Mitteilung machte, lagen 45 Pfennig ^ als Fahrgeld für den Boten.
Berlin, 9. Nov. Aus Anlaß der Anwesenheit des Kronprinzen in Merseburg a. d. S. haben sich dort viele Sozialisten aufrührerisch betragen. Sie wollten die Ehrenpforten und den Festschmuck ver-! nichten. Deshalb sind viele Sozialisten verhaftet worden. Es sollen bisher 45—50 Arbeiter wegen hochverräterischer Umtriebe dingfest gemacht worden! sein. Arbeiter in Halle und Magdeburg sind eben-! falls kompromittiert.
Berlin, 10. Nov. Fürst Bismarck ist mit der Fürstin heute abend 6 Uhr 5 Minuten hierher zurückgckehrt.
Aberglaube. Aus Eisenberg wird mitgeteilt: Was der Aberglaube in unserer so aufgeklärten Zeit für wunderliche Blüten treibt! So hat sich in voriger Woche! hier eine erschütternde Familientragödie abgespielt, welche,! wie berichtet wird, in erster Linie auf abergläubische Furcht! zurückzuführen ist. Eine junge Braut hatte ihren Verlobungs- ^ ring verloren und konnte trotz aller Bemühungen denselben! nicht wiederfinden. Dies nahm sich das junge Mädchen so ' zu Herzen, daß es an einem heftigen Nervenfieber erkrankte und bald darauf starb. Die Nachricht von dem Tode seiner Braut erschütterte wiederum den unglücklichen Bräutigam, einen hiesigen Lehrer, dermaßen, daß er sich in einem Ansalle von Verzweiflung aus dem Fenster seiner Wohnung herabstürzte und schwere Verletzungen davontrug, die sein Aufkommen zweifelhaft erscheinen lassen.
Oesterreich-Ungarn.
In Wien verlautet, der Voss. Ztg. zufolge. Graf Kalnoky habe dem englische» Gesandten Paget die Versicherung gegeben, Oesterreich würde die russische Okkupation Bulgariens als Kriegsfall betrachten.
Lemberg, 10. Nov. Reisende berichten über große Truppenansammlungen längs der östereichischen Grenze.
Italien.
Mailand, 7. Nov. Unter den Arbeitern des Stahlwerkes in Tcrni sind anarchistische Aufrufe > verbreitet worden, in denen „die französischen Anarchisten ihre italienischen Brüder" auffordern, ihrer ! Sklaverei mit Dynamit ein Ende zu machen. „Der i Tag ist gekommen, wo wir vereint das Joch ab- i schütteln können, die Brüder in Belgien, Oesterreich ^ und England warten auf das Zeichen!"
Frankreich.
Paris, 9. Nov. Während seines gewöhnlichen Spazierrittes im Boulogner Holze stürzte heute der deutsche Botschafter über den Kopf seines Pferdes, das mit dem Borderfuß in ein Loch geraten war; er hatte aber Kaltblütigkeit genug, sofort wieder die Zügel zu ergreifen und sich in den Sattel zu schwingen, obgleich er eine starke Quetschung an der rechten Schulter erhalten hatte. Nach einer Meldung der „K. Z." ist der Zustand des Grasen Münster nicht bedenklich, doch zwingt eine ziemlich starke Quetschung den Grafen das Zimmer zu hüten und niemanden zu empfangen.
Paris, 9. Nov. Der Marineminister ermäßigte seine Geldforderung für den Flottenbau von 200 auf 172 Mill. Franken. — Die Ueberschwem- muugen im Süden nehmen ab.
Paris, 11. Nov. Ein Telegramm aus Cannes signalisiert die Geneigtheit des Prinzen Waldemar, bedingungsweise die Wahl zum Fürsten von Bulgarien anzunehmen.
Die armen Einjährigen in Frankreich! General Boulanger beabsichtigt, das Jnstruktionspro- gramm der Einjährig-Freiwilligen vollständig umzuändern. In Zukunft werden diese jungen Leute allen den gewöhnlichen Soldaten auferlegten Verpflichtungen unterworfen und erst 6 Monate nach ihrem Eintritt in eine besondere Klasse vereint werden. Sie werden 3 Prüfungen durchzumachcn haben, und zwar in der ersten Hälfte der Monate Mai, August und November. Bei den Prüfungen im November müssen sie eine Mittelnote: 8 erhalten, sonst aber noch ein zweites Jahr dienen. Endlich werden die Freiwilligen, welche zu Unterlieutenants der Reserve ernannt werden wollen, noch ein zweites Jahr zu dienen haben, in welchem sie den Dienst der Unteroffiziere versehen, und nach dessen Ablauf sie eine Befähigungsprüfung zu bestehen haben werden.
Belgien.
Etwa 1000 Charleroier Arbeiterstauen langten gestern morgen behufs Ueberreichung des Amnestiegesuches an die Kammer in Brüssel ein. Dieselben begeben sich gegen mittag in einem Zuge zu der Kammer, welche sie jedoch militärisch besetzt finden werden. Wie verlautet, wollen die Frauen die Vorbeifahrt der Königin, welche der feierlichen Kammereröffnung beiwohnt, abwarten, um derselben die Peütion auf offener Straße zu übergeben.
England.
London, 8. Nov. In Newmarket erschoß sich in einem Anfalle von Fieberdelirium der Jockey F. Archer. Archer war der erfolgreichste Reiter von Beruf, den die Geschichte der Rennen in England zu verzeichnen hat. Sein jährliches Einkommen bezifferte sich auf mehr als 200000 -^6, eine Summe, mit welcher er in den Steuerrollen veranlagt war.
London, 9. Nov. In den Arbeiterquartieren wird ein Aufruf verbreitet, in welchem die Stellenlosen aufgefordert werden, sich von den Sozialisten fernzuhalten; das Heilmittel für ihre Not liege nicht in Straßenunruhen, sondern in der Abänderung des jetzigen wirtschaftlichen Systems. Dieser Aufruf richtet sich aber zugleich gegen die ausländischen Arbeiter, indem er sagt: 50 000 Fremde raubten dem britischen Arbeiter den ihm gebührenden Lohn. „Ihr habt gesehen, wie alle Arten fremder Arbeiter in London und fast jeder englischen Stadt wimmeln, euch in eurer Beschäftigung unterbieten und in Geschäften und Industriezweigen eure Stelle einnehmen. Darin liegt die Ursache, welche den kläglichen Beschäftigungs-