Der Gesellschafter

Amts- und Intelligenz-Blatt für de» Oberamts-Bezirk Nagold.

ZZ 130.

Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners-!! tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier' (ohne Trägerlohn) 80 4, in dem Bezirk 1 ^ 4, - außerhalb des Bezirks 1 20 4. Monats-

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Samstag den 6. November.

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1886 .

Amtliches.

Nagold.

Aufforderung zur Anmeldung des Anspruches auf Aufnahme in die Wählerliste für die im Jahre 1887 stattfindende Handels- und Gewerbekammer-Wahl.

Nach Art. 20 des Gesetzes, betr. die Errichtung Don Handels- und Gewerbekammern, vom 4. Juli 1874 (Regsbl. S. 193) tritt je nach 3 Jahren die Hülste der Mitglieder der Handels- und Gewerbc- kammern aus. Da die letzte Wahl nach jenem Gesetz im Januar 1884 stattgefunden hat, so ist im Januar 1887 eine Neuwahl vorzunehmen. Zur Teilnahme an der Wahl sind nach Art. 4 des Gesetzes diejeni­gen Handels- und Gewerbetreibenden und Handels­gesellschaften berechtigt, welche:

1) als Inhaber einer mit Gewerbesteuer beleg­ten Firma in das Handelsregister eingetragen sind, oder sofern dieses nicht der Fall ist,

2) zur Gewerbesteuer veranlagt sind, und ihre Aufnahme in die Wählerliste vor der Wahl recht­zeitig angemelvet haben und infolge dieser Anmel­dung in die Wählerliste ausgenommen worden sind.

Zum Zweck der Anlegung der Wählerliste für diese Wahl werden nun in Gemäßheiit des Art. 11 des Gesetzes diejenigen gewerbesteuerpflichtigen Han­del- und Gewerbetreibenden, welche nicht in das Handels-Register eingetragen ist, ihre Aufnahme in die Wählerliste aber beanspruchen, zur Anmeldung dieses Anspruches binnen 15 Tagen vom Erschei­nen des Ausrufs an gerechnet aufgefordert.

Die Anmeldung hat nach Z. 6 der Minist-Verf. vom 12. Dezember 1874 (Negsbl. S. 235) schrift­lich oder mündlich bei dem Ortsvorsteher zu erfolgen und ist von letzterem dem Oberamt mit einer Beur­kundung darüber vorzulegen, ob der angemeldete Wähler die erforderlichen Eigenschaften (Gesetz Art. 4 Ziff. 2 und Art. 9) besitzt und im Genuß der bürgerlichen Ehrenrechte steht.

Den 5. November 1886.

_ _ K. Oberamt. ntn er.

Von den dem Landjägerkorps wegen vorzüglicher Dienst- leistungcn zucrkannten Auszeichnungen heben wir ans: Geld­prämien haben erhalten: Stationskommandant Weyhers- müllcr in Herrenberg und Stationskommandant B i r k in Nagold. _

Unter den Lehrern, welche sich durch Fleiß und ihre

Leistungen in Winterabendschulcn ausgezeichnet haben, wurde u. a. mit einer Geldprämie bedacht: Schullehrer Reiff iu Breitenholz (Herrenberg). _

Die erledigte Stelle eines Vorstandes des Medizinal-

kollcgiums wurde dem Regierungsdirektor von Rüdinger bei dem Ministerium des Innern gnädigst übertragen. _

Tages-Nerrigkeiten.

Deutsches Reich.

Nagold, 4. Nov. Der in diesem Blatte angekündigte Vortrag über Deutschlands Lage nach innen und außen fand in dem O. Sautter'schen Gasthof letzten Dienstag abend statt. Seminaroberlehrer Schwarzmayer hatte denselben gütigst übernommen. Der erste Bürgerabend dieses Winters sollte mit dem oben genannten, gewiß ganz zeitgemäßen und hochwichtigen Thema ausgefüllt wer­den. Die Teilnahme war sehr zahlreich. Rektor Brügel schlug Fabrikant Sannwald zum Vorsitzenden vor, welcher sodann die Verhandlungen leitete. Der Redner fesselte durch seinen sehr eingehenden, höchst interessanten Vortrag die Aufmerksamkeit der Anwe­senden in hohem Grade. Er schilderte zuerst Deutsch­lands Lage nach außen, wobei er vor allem auf des­sen Verhältnis zu Frankreich, welches zu immer größeren Besorgnissen Anlaß gebe, zu sprechen kam.

Rußland gehe zwar in seiner äußeren Politik mit Deutschland noch zusammen, aber in einflußreichen Kreisen bestehe doch ein unauslöschlicher Haß gegen unser Vaterland, was sich neuerdings besonders durch die Unterdrückung des Deutschtums in den Ost- secprovinzen deutlich zu erkennen gebe. Auf Oeste r- reich, den Bundesgenossen Deutschlands, dürfe man nicht allzugroße Hoffnungen setzen, da dessen innere und äußere Politik gar nicht im Einklang mit ein­ander stehe und das so mannigfaltig zusammengesetzte Reich immer viel Kampf mit sich selber habe. Eng­land erwecke manche Hoffnungen, da der neue Mi­nister Salisbury gewiß freundschaftlichere Beziehun­gen zu Deutschland unterhalten werde als sein Vor­gänger. Wegen der Fortschritte Deutschlands auf dem Gebiet der Industrie, des Handels, sowie des Kolonialwesens könne dieser nordische Nachbar den­noch eine gewisse Eifersucht nicht verbergen. Italien könne sich nicht entschließen, dem mitteleuropäischen Mächtebund beizutretcn, stelle sich aber im allgemei­nen freundlich zu Deutschland. Die Türkei sei der Zankapfel, um den sich die europäischen Groß­mächte streiten. Der deutsche Reichskanzler Bismarck sei bestrebt, stets zu vermitteln, damit das europäische Gleichgewicht nicht gestört werde, da durch einen etwa ausbrechendcn Weltkrieg auch Deutschland um seine Existenz ringen müßte. Im Blick auf das Gesagte kam Redner auf das Resultat, daß die gegenwärtige Lage Deutschlands keine rosige sondern eine sehr ernste sei. Im Blick auf die keineswegs rosige Lage, in der sich Deutschland gegenwärtig den andern euro­päischen Mächten gegenüber befindet, wäre die Ein­mütigkeit und Hingebung aller Volksgenossen höchst wünschenswert, ja durchaus notwendig, leider aber ist das Gegenteil der Fall. Deutschland ist von star­ken feindlichen Parteien durchwühlt, die sich bekämpfen und des Vaterlandes Macht, Ehre und Ansehen aufs Spiel setzen. Redner schilderte nun die einzelnen Par­teien, die sich nach und nach im deutschen Reiche gebildet haben, genauer, nämlich a) den radikalen Libe­ralismus, der im Deutschfreisinn und in der Demo­kratie (der sog. Volkspartei) verkörpert ist, b) den Sozialismus, der auf den Umsturz der bestehen­den Gesellschaftsordnung hinarbeitet und in seinem letzten Denken und Empfinden international ist, auch kein Herz für Familie, Heimat und Vaterland hat, o) den Ultramontanismus (nicht zu verwechseln mit Katholizismus), jene einseitige, fanatische Richtung im Katholizismus, die sich auch im bürgerlichen und politischen Leben ganz in den Dienst der römischen Hierarchie stellt und den vaterländischen Interessen nur insoweit dient, als die geistlichen Führer es er­lauben. Diese Parteirichtungen bilden leider auch die Mehrzahl im deutschen Reichstag, und es ist nicht zu verwundern, daß derselbe in seiner jetzigen Zusammen­setzung so wenig befriedigt. Schließlich erörtert der verehrte Redner noch die Frage: Wie kämpft man gegen diese Feinde? Im Blick auf letztere ist es ein Glück, daß die deutschen Fürsten und Regierungen alle vollkommen einig sind, in dem Bestreben, die Wohlfahrt der Nation mit allen ihnen zu Gebot stehenden Mitteln zu fördern. Hand in Hand mit den genannten Hauptfaktoren muß aber auch das deutsche Volk seine Schuldigkeit thun und nicht nur in nationaler Einmütigkeit und Treue fest zu Kaiser und Reich stehen, sondern auch im Kampfe gegen die antichristlichen Bestrebungen im Reiche die christlichen Grundsätze kräftig vertreten. Auch die innere poli­tische Lage Deutschlands in der Gegenwart ist eine sehr ernste, und das Volk darf auf der Hut sein,

um nicht die edelsten Güter des Lebens an die oben geschilderten, gefährlichen Feinde zu verlieren. An den Bortrag knüpfte sich eine lebhafte Debatte haupt­sächlich über die Frage, ob und warum es notwen­dig sei, bei gegenwärtiger Sachlage in der politischen Thätigkeit auch religiöse Gesichtspunkte ins Feld zu führen. Mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser als die sichtbare Einheit des Reiches und auf den deutschen Kronprinzen, der auch für die Zukunft Ga­rantien biete, schloß der gelungene Abend.

s Nagold, 5. Nov. Heute wurde Einsen­der dieses ein Strauß schöner reifer Erdbeeren über­reicht; wohl ein Zeichen, daß der Schwarzwald nicht die rauhe Gegend ist, von der so manche eine irrige Meinung haben. Auch zum zweiten mal blühende Bäume sind da und dort zu schauen.

Horb, 2. Nov. Endlich ist der hies. evan­gelischen Gemeinde ihr sehnlichster Wunsch, ein eige­nes Schulhaus zu erhalten, zur Wahrheit geworden. Bisher war die evangelische Schule in einem Pri­vathause in Miete. Letzten Donnerstag nun wurde dasselbe feierlich eingeweiht.

Stuttgart, 1. Nov. Gegen einen der be­deutendsten Weinhändler des Landes soll eine Unter­suchung anhängig sein wegen Verfehlung gegen das Gesetz über Nahrungsmittelverfälschung. Die Keller seien versiegelt und die bis jetzt erlangten Anhalts­punkte seien sehr gravierender Natur. Bereits spricht sich die öffentliche Meinung dahin aus, daß bei sol­chen Fällen auch die Abnehmer des Weinhändlers öffentlich bekannt gemacht werden sollen. Wenn diese auch in gutem Glauben gehandelt und nur Naturprodukte gekauft zu haben glauben, so sei es im Interesse des konsumierenden Publikums geboten, es vor gesundheitsschädlichen Getränken zu warnen.

Stuttgart, 1. Nov. Der Ausschuß des ärztlichen Landesvereins hat soeben an sämtliche Aerzte des Landes die Bitte erlassen, mit Krankenkassen vorläufig keine bindende Abmachung zu treffen, na­mentlich sofern solche sich auf Anstellungen als Kas­senärzte mit Aversalentschädigung beziehen. Diese Aufforderung stützt sich auf eine Eingabe des oben­genannten Ausschusses an das Kgl. Ministerium des Innern, welche nächster Tage an ihren Bestimmungs­ort abgehen wird und welche die Stellung der Aerzte zu dem bekannten Ministerialerlaß (betreffend die Verhältnisse der Krankenkassen zu den Aerzten) in eingehendster Weise darlegt. Abmachungen mit Kran­kenkassen sollen genannter Aufforderung entsprechend bis zur Bekanntgabe des Bescheids des Ministeriums unterlassen werden.

Stuttgart, 3. Nov. In feierlicher Weise ging heute die Eröffnung der neuen Bahnstrecke Freudenstadt-Wolfach, durch welche eine neue Schie­nenverbindung zwischen Württemberg und Baden, die achtzehnte, hergestellt wird, und welche einen der schönsten Teile des badischen und württembergischen Schwarzwaldes durchschneidet, vor sich. Bon Stutt­gart ging morgens ein Extrazug nach Freudenstadt, in welchem sich Ministerpräsident v. Mittnacht, Prä­sident v. Hofacker, der Oberingenieur der Bahn Bau­direktor a. D. v. Morlok, Mitglieder der Kammer, hohe Eisenbahnbeamte und die geladenen Vertreter der Presse befanden. Freudenstadt war festlich ge­schmückt und auf dem Bahnhof war eine Ehrenpforte errichtet. Die Lokomotive war mit Guirlanden und dem bad.-württ. Allianzwappen geschmückt. Auf sämt­lichen Stationen der Strecke wurde angehalten. Ue- berall auf den Bahnhöfen waren die Kriegervereine, die Feuerwehren und die Schuljugend aufgestellt.