Mo. 74

61. Jahrgang

Amts- unä Intelkigenz!)katt für äen AezrM.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag. s

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Dienstag, äen 29. Juni 1886.

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öie WeöakLion.

H^okitifchs Wachrnchten.

Deutsches Reich.

Berlin, 25. Juni. (Reichst« g.) Vor Eintritt in die Tages­ordnung widmete Präs. v. Wedell dem -f Könige Ludwig von Bayern einen Nachruf, worin der Redner hervorhob, das deutsche Volk werde nie vergessen, welche großen Dienste der verstorbene König in schwerer Zeit dem Vaterlande geleistet; es sei von wehmütigem Schmerz über das erschütternde Ende eines Fürsten erfüllt, dem es so vielen Dank schulde. Die gleichen Gefühle teile der Reichstag und werde alle Zeit dem Könige Ludwig ein schmerzliches, aber dankbares Andenken bewahren. Das Haus hörte den Nachruf stehend an.

Die Nachrichten von der Regelung der Schulden des Königs Ludwig sind mit Vorsicht aufzunehmen. Eines steht fest, daß alle Gläu­biger aus früheren Perioden und diejenigen, welche optima ü-is gehandelt, volle Befriedigung finden werden. Die Forderungen derer dagegen, welche trotz ausdrücklicher Warnung die Neigung des Königs zum Schuldenmachen unterstützt haben, werden haarscharf geprüft und wahrscheinlich nur teilweise bezahlt. N. Tgbl.

Italien.

Rom, 21. Juni. Dem Fremdenbl. wird geschrieben:Erst jetzt, nachdem der seit der Katastrophe in den Schwefelgruben herr­schende Brand größtenteils gedämpft werden konnte, entdeckt man nach und nach die schrecklichen Details, welche die am 10. d. M. in den sizilischen Schwefelgruben vorgefallene Katastrophe zu einer der entsetzlichsten der großen Bergwerkkatastrophen stempeln. Die bedeutendste und reichste der Gruben ist dieMintinella" genannte, welche der Hauptschauplotz der Katastrophe war. Dieselbe erfolgte am 10. d. M. um 11 Uhr vormittags. In der ganzen Umgegend verspürte man plötzlich ein heftiges unterirdisches Getöse,

und als die erschreckten Leute den Gruben zustürzten, gähnten ihnen zahlreiche, mitunter 50 Meter breite Erdrisse entgegen, aus denen kolossale erstickende Rauchmengen drangen, die, durch einen heftigen Wind fortgetragen, bis sechs Kilometer weit bemerkt wurden. Die Anzahl der zur Zeit der Katastrophe in der Grube befindlichen Arbeiter war bei 200. Von diesen wurden, trotz­dem die gesamte Arbeiterschaft und starke Pionierabteilungen mit Anstrengung aller Kräfte thätig waren, nur 14 lebend herausgeholt; alle übrigen sind zweifellos umgekommen, wenngleich bisher nur 76 Leichen aufgefunden werden konnten. Dieselben sind furchtbar verstümmelt und fast ganz unkenntlich; sie wurden unter improvisierte Holzbaracken gelegt, woselbst sich bei der Agnos- zierung seitens der Angehörigen herzzerreißende Scenen abspielten. Die Be­erdigung erfolgte in einem Massengrabe. Der infolge der Katastrophe er­wachsene Schaden wird auf einige Millionen Lire geschätzt. Die Verzweiflung und das Elend der ganzen Umgegend, namentlich der Ortschaften Naro, Palma, Camyobello und Licata, ist unbeschreiblich. Bei 2000 Arbeiter sind durch die notgedrungenen Arbeitseinstellungen brotlos. Die umgekommenen Arbeiter, durch deren Tod über 250 unmündige Kinder zu Waisen werden, waren zwar alle bei der Banca di Sicilia für je 1000 Lire assekuriert, aber die Gelder werden erst in einiger Zeit ausbezahlt werden können. Vorderhand beziehen die Familien von den Pächtern der Grube den Lohn ihrer umge­kommenen Ernährer fort."

Rom, 24. Juni. Von gestern bis heute mittag erkrankten, resp. starben an der Cholera in Brindisi 18, bezw. 8, in Latanio 18, bezw. 3, in Sanvito 6, bezw. 3,, in Francavilla 4, bezw. 2 Personen. _

Gages-Werrigkeiten.

§ Liebenzell, 28. Juni. Ein höhst bedauerlicher Fall ereignete sich gestern in Dennjächt. Frau Schultheiß R. hatte beim Feuer- anzünden in ihrer Küche in Folge eines plötzlichen Anfalls das Unglück sich

l Nachdruck verboten.)

Die Falschmünzer.

Kriminal-Roman von Gustav Lössel.

(Fortsetzung.)

Will der Teufel sich den Talar umhängen und mir Moral predigen? Du wärst der Rechte!"

Nein, aber Vernunft möchte ich Dir predigen. In Deinem ledernen Porte­feuille steckt eine Karte Eduards"

Dryden blickte einen Augenblick fragend und zweifelnd auf seinen Freund. Tann schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. ,^Ganz recht", sagte er, jetzt ent­sinne ich mich. Das war das Etwas, was außer den Banknoten noch in der Tasche steckte, und worauf ich mich absolut nicht mehr besinnen konnte."

Also die Höhe der Gedankenschwäche", lachte Duprat. Wie lange ist es denn her, daß Du in M. warst?"

Ach was M.!" entgegnete der Baron halb ärgerlich.Eduard's Karte steckt in meinem Portefeuille weißt Du wie lange?"

Nun?"

Seit unserer ersten freundschaftlichen Begegnung. Wir tauschten unsere Karten. Es war die erste und einzige, die ich von Eduard empfangen."

Glücksmensch! Diese Karte hat bewirkt, was Du noch gestern, als wir davon sprachen. Dich weigertest."

Was war Das?"

Du solltest Eduard zu einem Verbrechen verleiten."

Und Das wäre nun ?"

Das der Falschmünzerei, in deren Verdacht Eduard durch jene von Dir ver­gessene Karte gekommen."

Viktoria!"

Dryden machte einen Satz in die Luft.

Halt, lieber Freund," sagte Duprat sarkastisch.Tu erinnerst mich jetzt an ein Bild, das ich in meiner Knabenzeit in einem Bilderbuch gesehen und noch nicht vergessen habe. Zwei Freunde werden durch einen Wald von einem Bären verfolgt, der alle ersteigbaren Bäume ebenfalls erklettern konnte. Da taucht ein hoher, für Meister Petz unübersteiglicher Zaun vor ihnen auf.Juchhe!" ruft der Eine. Aber der Altere und Besonnenere versetzt ihm einen Nasenstüber und sagt:Rufe Tu nicht juchhe, bevor Du nicht über den Zaun bist! Verstehst Tu das Gleichnis?"

Derb und deutlich! Aber es gehört nicht hierher. Eduard sitzt in der Falle. Er kennt mein.Portefeuille nicht genügend, um es wieder zu erkennen und entsinnt sich gewiß noch weniger als ich der Zeit, wo er mir jene Karte gegeben."

Ganz recht. Aber nun kehrt sich der Spieß um. Er hat Deine Karte und zwar nicht nur von damals, sondern auch noch von Deinen letzten Aufenthalt in M."

Was verschlägt Das? Er wird noch mehr Karten Anderer haben."

Und jedem Einzelnen dieser Kartengeber, respektive jedem seiner zahlreichen Bekannten wird man nun nachforschen, um aus ihnen den Mann herauszufinden, dein er seine Karte gegeben, und der sie zu einem Packet falscher Banknoten in sein Porten feuille steckte. Man wird also auch nach dem Baron Dryden forschen und"

Ihn nicht finden."

Mit Hülse einer Personalbeschreibung vielleicht doch."

Ich reise vorher ab."

Wohin?"

Nach einem Nachbarstaat."

Ehe Du die Grenze erreichst, sind die Herren in M. Dein Name ist aber von allen gewiß derjenige, der am ehesten auffällt und zu Nachfragen Veranlassung giebt."

Verwünscht! Das sehe ich auch ein," brummte Dryden.Aber woher kommt Dir Dein Wissen? Ich nehme Alles auf Treu und Glauben an. Vielleicht ist eS bester, ein wenig mehr kritisch zu sein."

Ich will Dir nicht vorenthalten, was ich weiß", entgegnete Duprat. Und nun erzählte er dem Baron, was bei dem Kommerzienrat vorgegangen.