Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

1V5.

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Donnerstag den 9. September.

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A m Lliches.

Die Drtsvorsteher

Huben unter Bezugnahme auf den Erlas; vom 20. Juli 1886 (Gesellschafter Nr. 85) unfehlbar bis 20. d. M. in Betreff der Anlegung der Depositen-Vcr- zcichnisse nach dem neuen Formular Bollzugsbericht zu erstatten.

Nagold, den 6. September 1886.

Königl. Amtsgericht. O.-A.-R. Daser.

"" Tages-NettigkerLen.

Deutsches Reich.

** Nagold, 7. Scpt. Unser Bezirksmissions- -verein hielt letzten Sonntag nachmittags in hiesiger Stadtkirche sein 5 8. Jahresfest. Bei der herrli­chen Witterung hatte sich eine ungewöhnliche Zahl von Fcstbesuchern, namentlich von auswärts einge­sunden, um zu hören, teils von der Missionsthätig- keit unseres Bezirks, teils von den Erfolgen auf den Missionsgebiete» in den fernen Weltteilen. Nach dem eines der 33 Missionslieder von Calw angestimmt und gebetet worden war, erstattete Helfer Finckh, indem er das Evangelium des Sonntags (Marc. 12) zum Texte nahm, den Jahresbericht. Er sagte u. a.: Man zählt 1400 Mill. Menschen auf der Erde, unter denen sich nur 400 Mill., also nicht ganz ein Drittel, Christen befinden. Da gibts noch viel zu arbeiten. Die Mission treibt ihr Werk, indem sie Boten unter die Heiden schickt. An einem Missions­feste wollen sich die Christen wieder ermuntern und stärken für die Missionssache. Der Gotteskasten ist auch unter uns ausgestellt, und zwar nicht nur für einen Zweck, sondern für mancherlei Zwecke des Reiches Gottes. Im letzten Jahre wurde in den Gotteskasten des Bezirks, was die Mission betrifft, bis jetzt die Summe von 4663 gelegt, von denen auf die Missionskollekte 2811lL kommen. Es könnte scheinen, dies sei eine große Summe: aber von den 25000 Evangelischen des Bezirks kommen hievon doch nur 20 auf den Kopf, wenn die Summe rund 5000 cckL beträgt. Eine solche Gabe ist aber gewiß nicht zu hoch für einen solch großen Zweck, uemlich den Bau des Reiches Gottes unter den Hei­den. Die wichtigste Frage für uns ist übrigens nicht, ob viel oder wenig, sondern mit welcher Ge­sinnung gegeben wird. Wie man geben soll, lernen wir von der Witwe am Gotteskasten. Dr. Gundert von Calw ging von der Lösung der Brüdergemeinde auf den 5. Sept. aus: Ich will auch tragen bis ins Alter w. und versicherte, daß die verschiedenen Missions­gesellschaften diese Verheißung recht wohl brauchen können. Er erzählte sodann, daß im letzten Jahre 3 deutsche Missionsgesellschaften das Jubiläum ihres 50jährigen Bestehens gefeiert haben, nämlich die Leipziger (sächsische) Miss.-Gesellsch., durch welche bisher (die während der 50 Jahre Gestorbenen ab­gerechnet) 14 000 Hindus zum Christentum gekommen sind, die Berliner (Goßnersche) Miss.-Gesellsch., die eine Zahl von 45 000 Bekehrten in Indien (Kols) aufweisen kann, endlich die Bremer Miss.-Gesellsch. auf der Sklavenküste in Afrika, die bis jetzt nur 350 Heiden gewonnen hat, obgleich während der Zeit von 50 Jahren daselbst 36 Missionare mit 18 Fraueil und 30 Kindern gestorben sind. Die Bas­ler Mission, an der wir uns besonders beteiligen, zählt jetzt 71, die Mission der Brüdergemeinde über 150 Jahre. Auf der deutschen Kolonie Kamerun in Ostasrika sollen in Zukunft 6 Basler Missionare ihr Werk treiben, von denen drei schon länger in

Afrika sind und drei von Basel aus nachgesandt werden. Die Erlaubnis dazu hat die deutsche Re­gierung gegeben. Missionar Haller aus Surinam in Südamerika, 15 Jahre in der Mission der Brü­dergemeinde unter den Negern thütig, erzählte, an­knüpfend an unser Kinderfest am 2. Sept., das er mitgefeiert, von einem Kinderfest in Paramaribo, an dem 1000 christliche Ncgerkinder, alle in weißen Kleidern, teilgenommen haben, sowie von mehreren seligen Sterbebetten der Neger. Pfarrer Th. B l n m- hardt aus Boll beschloß das Fest mit Rede und Gebet. Seiner ergreifenden Ansprache legte er Jo­hannis 20,12 ff. zugrunde und führte aus, daß die Mission nicht nur eine Predigt des Evangeliums an die unter die Gewalt des Fürsten der Finsternis gegebenen Menschen, sondern auch ein Kampf mit diesem Fürsten selbst sei. In den an den Kirch- thüren aufgestellten Gotteskasten wurde für die Mission die Summe von 318 -M eingelegt.

** Nagold, 8. Sept. Wie aus demGe­sellschafter" Nr. 104 zu ersehen ist, steht unserer Stadt ein hoher musikalischer Genuß in Aussicht. Das 11. Kirchengesangfest soll am Mittwoch den 15. d. M. hier gehalten werden. Es wird dem Korrespondenten gestattet sein, einiges Geschichtlicke über die Gesangsfeste hier beizufügen. Es war am 21. Sept. 1875, als der damalige Helfer Dr.Köstlin in Sulz a. N. das erste Gesangfcst veranstaltete. Zu dem dortigen Verein, dessen Leiter st Schulleh­rer Breunle und dessen Vorstand Köstlin war, erbat er sich die Mitwirkung des Calwer und Nagolder Kirchengesangvereins. Mit Freuden zog damals die kleine Sänaerschaar in die schön geschmückte Feststadt Sulz und wurde daselbst mit Freuden ausgenommen. In den folgenden Jahren wurden die Gesangsfeste fortgesetzt; das ziveite fand hier, das dritte in Calw statt. Im Jahre 1878 zogen größere Scharen von Sängern und Sängerinnen ans Altensteig, Calw, Nagold, Sulz und Waiblingen nach Maulbronn, wohin Köstlin als Pfarrer versetzt worden war. Schon beim Calwer Feste wurde derEvangelische Kirchengesangverein für Württemberg" gegründet. Die Zahl der sich demselben anschließenden Vereine und passiven Mitglieder, die einen jährlichen Beitrag von 1 c-kL spenden, wurde immer größer. Bis heute haben sich dem Gesamtverein 130 Vereine mit 34000 Sängern aus allen Gauen Württembergs angeschlossen und die Zahl der Ehrenmitglieder ist auf 1000 gestiegen. Beim bevorstehenden Feste werden 300 Sänger erscheinen, die 8 Vereinen an­gehören, nämlich außer den 3 obengenannten Stamm­vereinen noch der hiesige Seminarchor sowie die Kirchengesangvereine von Altensteig, Rohrdorf, Neuenbürg und Wildberg. Auch der Seminaristen­chor, der Lehrergesangverein des Bezirks und ein hiesi­ger Kinderchor werden beim Feste Mitwirken. Der ver­ehrte Gründer des Vereins, Professor Dr. Köstlin aus Friedberg in Hessen, hat die Festpredigt zu überneh­men die Güte. Das Gesangsfest wird sich zu einem liturgischen Gottesdienst gestalten, in welchem Bibel­lektion, Gemeinde- und Chorgesang lieblich mit ein­ander abwechseln werden. Es wird also unserer Stadt ein seltener religiöser und musikalischer Genuß geboten werden. Da das Entree samt dem ausführ­lichen Programm nur 60 L beträgt, so wird wohl erwartet werden dürfen, daß sich auch eine große Zahl hiesiger Gesangsfreunde im Festgottesdienst ein­finden wird. Um den vielen Gästen, welche beim Feste von nah und fern, von hoch und nieder er­scheinen werden, zu zeigen , daß unsre Stadt Sinn

und Verständnis für solche Feste hat, darf man wohl erwarten, daß viele durch Dekoration und Beflaggung ihrer Häuser (wozu der Gemeinderat in freundlicher Weise das Material verwilligt hat) dazu beitragen werden, daß unsere Stadt wie bei ähnlichen Fest­lichkeiten auch am 15. Sept. sich im Festschmuck zeigt.

Alten steig, 6. Sept. Gestern feierte der Kriegerverein, der Turnverein und der Licderkranz in herkömmlicher Weise den Sedanstag. Nach dem Nachmittagsgottesdienst zogen die Bercine mit präch­tiger Marschmusik durch die Stadt auf den Festplatz. Hier angekommen sang der Liederkranz:Wir grüßen Dich, Du Land der Kraft und Treue," worauf Schult. Schittenhelm eine Rede hielt, in welcher er ausführte, daß der 2. Sept. nicht vergessen werden solle, könne und dürfe. Ein 3fach Hoch dem großen Vaterlande fand begeisterten Widerhall. Nun folgte das Lied:Brüder weihet Herz und Hand" rc. Trotz der sengenden Sonnenstrahlen hatte sich eine bedeutende Menschenmenge eingefunden, namentlich auch vom Lande. Das Schauturnen, welches auf den Gesang folgte, zeugte von tüchtigem und ernstem Streben der hiesigen Turnerschaft und hat sich dieselbe um die Erhöhung der Festfeier verdient gemacht. Auch die städtische Kapelle ließ ihre ge­wählten und mit Geschmack vorgetragenen Stimmen fleißig hören, so daß bald nach 6 Uhr unsere Se­dansfeier, begünstigt vom herrlichsten Wetter, ihren allgemein befriedigten Abschluß fand.

Calw, 6. Sept. Am Samstag abend er­eignete sich auf der Bahnlinie in der Nähe der Ei­senbahnbrücke am Oelenderle ein schweres Unglück. Der Knecht des Hrn. Müller z. kühlen Brunnen in Teinach, welcher des Guten zu viel gethan, fuhr in später Stunde auf dem mit Hafer und Kohlen be­ladenen Wagen nach Teinach zu, bemerkte aber nicht, daß das Pferd den von ihm ebenfalls schon oft be­gangenen Weg nach dem hiesigen Bahnhof, der Gü­terhalle entlang, einschlug. Als das Fuhrwerk bis an die Eisenbahnbrücke gekommen, brauste der Nacht­zug einher, ergriff die Deichsel des Wagens und schleuderte das Pferd mit solcher Wucht auf die Seite, daß der Tod desselben sofort eintrat. Der Wagen blieb unbeschädigt, der Knecht aber war noch so tief in Schlaf versunken, daß er vom Bahnpersonal ge­weckt und auf seine gefährliche Lage aufmerksam ge­macht werden mußte. Dem Besitzer des Fuhrwerks ist dgdrttch ein großer Schaden entstanden. (C. H.) ck-^^Liebelsberg, 5. Sept. Unter sehr großer Beteiligung von nah und fern wurde heute der auch in weiteren Kreisen wohlbekannte, 63 Jahre alte Schullehrer I. Alber beerdigt. Ein Schlaganfall machte seinem so bewegten, thatenreichen Leben uner­wartet ein Ende. 30 Jahre war er in hiesiger Ge­meinde angestellt und erwarb sich als Lehrer die Liebe und Achtung von Alt und Jung, wie auch seine Vorgesetzten stets nur lobend und anerkennend seiner Schulthätigkeit gedachten. Auf dem Gebiete der Landwirtschaft wirkte er aber wahrhaft bahnbre­chend und nicht nur Liebelsberg, sondern die ganze Gegend verdankt ihm die Hebung derselben aus vol­lem Herzen. Nicht trockene Theorien waren es, die er aufstellte, nein, sein Beispiel wirkte, denn er legte mit festem Willen, mit klarem Bewußtsein und eiser­ner Kraft selbst Hand an und erzeugte Ernten, von denen man früher keine Ahnung hatte. Die Aner­kennung wurde ihm auch hier zu teil: seit vielen Jahren war er Ausschußmitglied des landwirtschaft­lichen Bezirksvereins und die K. Zentralstelle für Landwirtschaft verlieh ihm im Namen Sr. Majestät