reichen Krieg, dessen glücklicher Ausgang in erster Linie sein Verdienst war, erworben zu haben schien, überaus schmerzlich sein, von demselben Volke sich in verräterischer Weise bei Seite geschoben zu sehen. Es kommt noch hinzu, daß der Fürst auch bei dem Heere, dessen Treue er jedenfalls sicher zu sein laubte, keine Hilfe gegen den geplanten Verrat fand, ei demselben Heere, das er erst vor kurzem von Sieg zu Sieg geführt und da§ ihm zahlreiche Beweise persönlicher Anhänglichkeit gegeben hatte. Es scheint sich hier dieselbe Erscheinung zu wiederholen, wie sie die russische und die Geschichte der Slaven überhaupt in zahlreichen Fällen aufweist, daß nämlich von einem unbedingten Vertrauen der Herrscher auf Truppen slavischer Nationalität keine Rede sein kann. Deshalb umgaben sich auch die polnischen und russischen Fürsten in früheren Zeiten so oft mit deutschen Söldnern, weil sie den eingeborenen Soldaten nicht trauten. Der Trcubruch des bulgarischen Heeres ist ein trauriges Zeichen moralischer Verkommenheit , und es bleibt zu bedauern, daß ein deutscher Prinz so viel Arbeitskraft und so vielen guten Willen nutzlos daraus verwandt hat, um ein bulgarisches Heer zu schaffen. Natürlich werden jetzt auch die ehemaligen deutschen Offiziere, welche sich in der Umgebung des Fürsten befanden, das Schicksal des letzteren teilen, obgleich nähere Nachrichten hierüber nicht vorliegen.
Berlin, 24. Aug. Der Kaiser verlieh dem französischen Botschafter Baron Courcel die Insignien des Schwarzen Adler-Ordens.
Berlin, 25. Aug. Die „Nordd. Allg. Ztg." erklärt die Art der Ablehnung der Ofener Einladung seitens Berlin und München als einen Mangel an politischem Takt. „Wir thun besser", erklärt das Blatt, „uns der Dinge zu erinnern, die uns mit Ungarn vereinen, als derer, die uns von ihm trennen.
Eine Jungfrau, Namens Maria, aus Syrien gc- bürlig, weilt, gegenwärtig in Berlin, um sich zunächst Professor Birchow vorzustellen und dann in Castans Panoptikum ausgestellt zu werden. Sie ist 60 Jahr alt, hat keine Zähne und nimmt aus diesem Grund auch nur wenig Nahrung zu sich, dcstomchr raucht sie aber. Die Hälfte der rechten Hand hat keine Knochen, an der andern ist ein Knochen bogcnäriig geformt. Ihre Größe beträgt Uz Archin (— 0? Elle); sic hat ein Gewicht von 30 Pfund. Arme und Beine kann sie beliebig nach allen Seiten hernmdrehen.
Marquis Tseng erhielt von der französischen Regierung eine sehr freundschaftliche Einladung, nach Paris zu kommen; Tseng lehnte ab, da er zu dieser Reise von seiner Regierung keinen Auftrag habe.
Metz, 25. Aug. Die Beisetzung der Leiche des Bischofs fand heute feierlichst unter großer Teilnahme der Bevölkerung in der Kathedrale statt. Dem Tranergottesdienste wohnten der Großherzog von Baden, der Statthalter Fürst Hohenlohe, der Staatsminister Hofmann und zehn auswärtige Erzbischöfe und Bischöfe bei.
Oesterreich Ungarn.
Franzcnsbad, 26. Aug. Fürst Bismarck ist heute nachmittag 2 Oe Uhr hier eingetroffen und wurde am Bahnhose von Minister v. Gicrs und dessen Familie begrüßt. Außer dem Botschafter Staat sind auch der Botschafter Mohrenheim, sowie die russischen Gesandten von Kopenhagen und Washington hier eingetroffen.
Wien, 25. Aug. In Ostrumelien wächst die Bewegung zu Gunsten des Fürsten Alexander. Ein Vormarsch der dortigen Streitkrüfte gegen Sofia wird demnächst erwartet. (?)
Wien, 25. Ang. Die „Neue Freie Presse" meldet aus Kalafat den definitiven Sturz der bnl- garisch-russischcu provisorischen Regierung, die Verhaftung der Mitglieder derselben, sowie die Wiedereinsetzung des Ministeriums Karawcloff, welcher aus der Gefangenschaft befreit wurde. Das Volk wie Militär sind höchst erbittert und weisen jede neue (russische!) Regierung zurück. Deputationen gehen nach Bukarest, Wien, Berlin und Darmstadt ab, um den Fürfien, wo sie ihn treffen, zur Rückkehr nach Sofia zu bewegen.
Wien, 25. Äug. Tie „di. Fr. Presse" meldet ans Bukarest: Fürst Alexander wurde gestern Nachmittag auf Anordnung des Rcvolntionskvmites in Reni an Rußland ansgeliefert. Meldungen ans Sofia besagen, die ganze bulgarische Armee sei gegen die Staatsnmwälzung. Beide Bataillone, welche Alexander gefangen nahmen, wurden zur Waffcn- irrecknng gezwungen. Alle Städte sind in offenem Aufruhr und gegen die provisorische Regierung.
Zwei unglückliche Feldherren Oesterreichs sind im > freiwilligen Exil gestorben; vor einigen Jahren Benedck, der Commandicrcnde von 1866, und dieser Tage in Gries bei Bozen Gyulai, der Kommandierende von 1859 im Kriege gegen Frankreich.
Schweiz.
Die Abschaffung des Jmpfgesetzcs in Zürich trägt bereits ihre Früchte. Der Kanton war 1881 bis 84 ganz frei von Blattern und Totesfällen. Im ersten Vierteljahr 1885 war die Blatternstcrblichkcit 6, im zweiten und dritten 14, im vierten 38 von 1000! Vergleicht man für 1885 21 deutsche Städte mit einer Bevölkerung von 4*/s Millionen mit 15 französischen Städten der gleichen Bevölkerung, so ergibt sich für die ersten 27, für die zweiten 866 Totesfälle an Blattern oder 32mal so viel! Nach den amtlichen italienischen Nachweisen über Totesur- sachcn kamen für die 4 Jahre 1881—84 durchschnittlich 19 Totesfälle an Blattern auf 10 000 Einwohner, in Deutschland 0,2, also das 96fache in Italien.
Frankreich.
Paris, 24. Aug. Das gestrige Hagelwetter hat auch in Reims und in der Umgegend furchtbar gewütet: die ganze Ernte gilt für verloren. In Reims stürzten 3 Häuser ein. In Paris ertranken 2 Maurer, die in einem Abzugskanal vom Wetter überrascht worden waren. Der Schaden wird allein in der Umgegend von Paris auf mehrere Millionen geschätzt.
England.
London, 24. Aug. Die englische öffentliche Meinung hat sich über die Folgen des bulgarischen Staatsstreichs mit großer Schnelligkeit beruhigt. Man schließt aus dem Umstande, daß gestern unter den Diplomaten, welche im auswärtigen Amte vorsprachen, der deutsche und der österreichische Botschafter fehlten, nicht ohne Vorwissen Bismarcks und Kalnokys erfolgt sei und prophezeit daraus eine verhältnismäßige Gefahrlosigkeit desselben. Der „Standard" meint ganz gottergeben: „Was Deutschland und Oesterreich in Bulgarien paßt, paßt auch uns. Wir haben die Russen in Mittelasien ohne die Hülfe Deutschlands und Oesterreichs zu bekämpfen, diese mögen Rußland in Europa dafür ohne uns bekämpfen." Der „Standard" scheint den Fürsten Bismarck schlecht zu kennen.
London, 24. Aug. Meldung des Rcuter- schen Bureaus aus Konstantinopel, 24. Aug. mittags. Eine zweite provisorische Regierung zu gunsten des Prinzen Alexander unter Vorsitz Stambonlow's ist in Tirnowa gebildet und errichtet worden.
Rußland.
Petersburg, 23. Aug. Zahlreiche Offiziere im Lager von Krasnoje-Selo feierten gestern abend die Absetzung des Fürsten von Bulgarien durch ein großes militärisches Fest mit Musik und Zapfenstreich.
Petersburg, 25. Aug. Der Fürst Alexander ist gestern in Reni angelangt und über Wolotschisk nach Oesterreich weitergercisr, keineswegs als Gefangener.
Serbien.
In Serbien soll eine mächtige Bewegung gegen den König Milan im Zuge sein.
Bulgarien.
Bukarcst, 26. Aug. Nachdem die ?)acht des Fürsten Alexander in Reni eingetroffen, telegraphierte der Befehlshaber derselben nach Sofia: „Bei Reni angekommen, erwarte weitere Weisungen." Die bulgarische Regierung in Sofia soll erwidert haben: „Führen Sie den Fürsten Alexander wieder hiehcr."
Eines hebt sich in Bulgarien aus dem Wirrwarr der weiteren Meldungen über die Krisis als bedeutungsvolles Faktum ab — der Versuch einer Gcgen-Revolution. Es wäre fast widernatürlich gewesen, wenn keiner von den Tausenden, die im letzten Kriege unter den Augen des Fürsten gekämpft haben, demselben eine gewisse Anhänglichkeit bewahrt hätte. Deshalb berührt namentlich die Treue vereinzelter Besatzungen wohlthuend. Politisch wird die Lage durch diese Wendung lediglich verwickelter. Und wie man aus den weiteren Depeschen ersieht, ist die Gefahr unmittelbar nahe gerückt, daß Rußland Truppen nach Bulgarien wirft. Damit wären alle Möglichkeiten großer kriegerischer und politischer Verwicklungen gegeben, Verwicklungen, die auch, wenn sic die Großmächte unberührt lassen würden, doch im Orient selbst einen so weiten Herd erfassen würden, daß sie ein großes Elend herbeiführcn müßten. Rußland hat das Jntriguenspicl infolge der znm Siege i gelangten Gegenrevolution nicht gewonnen: ob es nun I
I zum Kriege greift — das ist die Frage, vor der wir nunmehr stehen.
Die Ueberrumpelung des Fürsten schildert ein Telegramm der Allg. Zeitung aus Kalafat. 23. Aug., folgendermaßen: In der Nacht vom Freitag auf Samstag zog das Kostendiler Regiment lautlos in die Stadt, machte dort gemeinschaftliche Sache mit der Junkerschule und besetzte alle Zugänge zum Palais. Vier Offiziere drangen in das Schlafzimmer des Fürsten ein und forderten mit banditenmäßig auf die Brust gesetztem Revolver seine Abdankung. Indigniert über die Ehrlosigkeit dieser Offiziere, gab der Fürst dieselbe; sodann begab er sich unter Eskorte in das nahe Kriegsministcrium und blieb dort, bis er um 5 Uhr morgens mit seinem Bruder in den Wagen zur Abfahrt stieg. „Ihr seid Sklaven und werdet Sklaven bleiben" , sollen seine letzten Worte gewesen sein. Sein Aufenthalt wurde drei Tage geheim gehalten. Heute abend 6 Uhr stieg er in Ra- hova in seine Jacht und fuhr stromabwärts.
Der Orient ist das Land der Ueberraschun- gen — das beweist wieder einmal die soeben in Bulgarien stattgefundene Kathaslrophe. Sieben Jahre hindurch hat Fürst Alexander auf dem bulgarischen Thron gesessen und sich während dieser Zeit wiederholter großer Vertrauenskundgebungen seitens seines Volkes zu erfreuen gehabt und es ist ja noch in Aller Erinnerung, wie treu die Bulgaren in der schweren Krisis, welche die ostrumelische Bewegung über das junge Fürstentum gebracht hat, zu ihrem Herrscher hielten. Der jubelnde Empfang, der dem Sieger von Slivnica und Pirot überall, wo er sich nach dein Kriege mit Serbien in Bulgarien und Ost- rnmelien zeigte, zu Teil wurde, die stürmische Begeisterung, welche die Bulgaren bei jeder Gelegenheit für ihren mit dem Lorbeer des Sieges geschmückten Fürsten an den Tag legten, schien zu beweisen, daß ein unlösliches, festes Band Fürst Alexander und das Bulgarenvolk verbinde — und dennoch war dem nicht so! Nach den über die Gefangennahme des Fürsten in Lompalanka — nicht in Widdin, wie zuerst gemeldet wurde — nunmehr vorliegenden Nachrichten ist kaum zu bezweifeln, daß seine Thronentsetzung mit Zustimmung der großen Mehrheit der bulgarischen Nation erfolgt ist. In Sofia umringten am Morgen des 21. August Truppen und dichte Volksmasscn das fürstliche Palais und verlangten die Absetzung des Fürsten, welchem Verlangen auch von einer in aller Eile gebildeten provisorischen Regierung sofort entsprochen wurde. In Sofia und Nufischuk fanden außerdem große Volksversammlungen statt, welche ihr Einvernehmen mit dem Geschehenen kund- gaben. Dieser plötzliche Umschlag in der Stimmung des Bulgarenvolkes wirkt wahrhaft verblüffend und stellt dem bulgarischen Volkscharakter allerdings kein besonders günstiges Zeugnis aus. Natürlich hat auch die russiche Partei das ihrige gethan, den Boden gegen den Fürsten zu unterwühlen; cs geht dies schon aus einer von der provisorischen bulgarischen Regierung erlassenen Proklamation hervor, in welcher es u. a. heißt: „Fürst Alexander habe Bulgarien ans dem Schlachtfelde große Dienste geleistet, habe aber in der Politik zu wenig Rücksicht ans Bulgariens Stellung als slavischer sotaat und aus das gute Verhältnis zu Rußland genommen — deshalb sei seine Absetzung nötig geworden." Aha! Uebrigens haben sich in der provisorischen Regierung in Sofia bereits Veränderungen vollzogen, namentlich ist bemerkenswert, daß Karawcloff, der seitherige bulgarische Ministerpräsident, welcher auch an die Spitze der provisorischen Regierung getreten war, aus derselben wieder ausgeschieden ist.
Türkei.
Konstantinopel, 24. Aug. Die eingcgan- genen Konsularberichte konstatierten, daß die rumeli- schen Truppen und Garnisonen in Widdin und Schumla mit der Absetzung des Fürsten nicht einverstanden sind. Bor dem russischen Konsulat in Phi- lippopcl hat vorgestern eine von 2000 Personen besuchte Versammlung stattgefundcu, die für die Wiedereinsetzung des Fürste» Alexander sich ausgesprochen hat. In Sofia ständen sich zwei Parteien, eine dem Fürsten feindlich, eine ihm freundlich gesinnte in scharfem dauerndem Gegensatz gegenüber.
Handel L Verkehr.
Ltuttgarst, 24. Aug. (Tuchmesse.) Tic heurige Tuchmcsse ist von 103 Verkäufern befahren. Der Verkehr ist I kein besonders lebhafter und auch die Preise stehen den im I Vorjahre erstelten nach; doch ist nicht unbegründete Aussicht