kann. Das Geschwätz über ausländische „Paupers" ist grasser Unsinn".
Berlin, 6. Aug. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz betr. die Gewährung von 50000 000 -4L für den Bau des Nordostseekanals.
Berlin. Laut Entscheidung des Ministers des Innern in Preußen sind Buch druck ereien nicht als Fabriken in dem Sinne anzusehen, daß die Sonntagsheiligung betreffende Anordnungen auf sie angewandt werden dürsten. Gleich den Buchhandlungen hätten Buchdruckereien von jeher eine besondere Stellung in den Gewerbebetrieben eingenommen.
In dem Dorfe Girdcnten bei Königsberg erkannte «ine Bauernfrau in einem bettelnden jungen Zigeuner ihren Sohn, der vor 1.7 Jahren nach Abzug einer Zigcnnerbandc spurlos vcrschwmidcn war. Der junge Mann trug am Kopf noch die Narben, die er sich als Kind durch einen Fall zuge- zogcn hatte. Der Zigeuncrhanptmann und seine beiden Weiber sind verhaftet worden; sie beteuerten, der Geraubte fei ein geborener Slavonier.
Die Untersuchung gegen den ehemaligen Ingenieur v. Hartung, der, nebenbei bemerkt, niemals Lieutenant gewesen ist, und seine Ehefrau wegen Landesverrats scheint umfangreicher werden zu sollen, als man bis jetzt geglaubt hat. So gewinnt es den Anschein, daß Hartung auch dem Gewehr-Diebstahl in Spandau, der seiner Zeit viel Aufsehen erregte, nicht fern gestanden hat.
Metz, 5. Aug. Gestern fand die erste Sitzung und Einführung des neuen Gcmeindcrates von Metz statt. Aus der Sitzung ist hcrvorznheben, daß festgesetzt wurde, daß, da die meisten Mitglieder des neuen Gemcinderatcs die deutsche Sprache als Muttersprache sprechen, von jetzt ab die Protokolle in deutscher Sprache abgefaßt werden sollen, jedoch französische Uebersetzungen hinzuznfügen sind. Am Schlüsse der Sitzung teilte der Bürgermeisterei-Verwalter mit, daß im kommenden Monat die Stadt Metz die Ehre haben werde, Seine Majestät den Kaiser in ihrer Mitte verweilen zu sehen. Es würde eine Ehrenpflicht für die städtische Vertretung sein, auch an ihrem Teil dafür Sorge zu tragen daß Seine Majestät in würdiger Weise hier empfangen und begrüßt werde. Zur Beratung hierüber wurde eine Kommission von >8 Mitgliedern unter dem Vorsitz des Bürgermeisterei-Verwalters gewühlt, welche demnächst, und zwar möglichst bald, ihre Vorschläge dem Gemcinderat unterbreiten wird.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 5. Aug. In Mlanow (BezirkNisko, Galizien) sind gestern im Zeitraum von 10 Minuten (?) 200 Gebäude abgebrannt. 400 Familien sind dadurch obdach- und brotlos geworden.
3000 falsche Zähne sind dem Wiener Zahnarzt Hcrzl nach und nach von einem ungetreuen Diener gestohlen worden. Die Polizei sucht von Mund zu Mund.
Es steht nunmehr fest, daß Graf Kalnoky den Kaiser von Oesterreich nach Gastein begleiten und wie Fürst Bismarck der Begegnung der beiden befreundeten Herrscher beiwohnen wird. Nach dem regen Gedankenaustausch während des Kissinger Aufenthaltes des österreichischen Ministers werden sich die leitenden Staatsmänner der beiden verbündeten Kaiserreiche kaum mehr etwas Neues in Gastem zu sagen haben. Ihre Anwesenheit bekräftigt nur, daß in Kissingcn ein vollständiges Einverständnis bezüglich ihrer Ansichten über die gegenwärtige Lage Europas erzielt worden ist und daß ihre Auffassung von den verbündeten Monarchen geteilt wird.
Die Wucht der Thateu und der Persönlichkeit Bismarcks schlägt überall durch, wo er sich auch zeigt. Als er am Dienstag morgen Gast ein allein im schwarzen Anzug ins Badcschloß zur Audienz beim Kaiser Wilhelm schritt, bildete das Publikum aus aller Welt auf dem ganzen Weg Spalier und begrüßte ihn ehrfurchtsvoll. Bismarck nahm seinen Chlinderhut ab und ging entblößten Hauptes, nach allen Seiten grüßend, zum Schloß.
In Feh ring bei Graz stieß ein Wcbcrgejelle aus Böhmen dem Pfarrer Kaufmann, der eben das Meßopfer feierte, ein Messer in die Schulter und verwundete ihn schwer. Bevor er den zweiten Stich fuhren konnte, hatten ihn die Leute schon gepackt. „I thna nix mehr, holt's d'Schandarm", rief er: Wcg'n Pfarrer wcrd' i nit ansg'hcnkt. Wenn i a»ßi komm, thna i's wieder. Der muaß nnta meine Hand' sterb'n." Es scheint Rache gewesen zu sein.
Italien.
Zwischen dem Vatikan und der französischen Negierung droht anläßlich der Errichtung einer Pekinger Nuntiatur wirklich ein crnsies Zerwürfnis. Der Vatikan erhielt nämlich vom päpstlichen Nuntius in Paris die Nachricht, daß die französische Regierung
ihm mitgeteilt habe, daß sie alle bisherigen Rechte Frankreichs bezüglich des Protektorats über die französischen Missionare in China aufrecht erhalte und den päpstlichen Stuhl für die Folgen der Ernennung eines apostolischen Delegaten in Peking verantwortlich mache. Der Papst hat sich bereit erklärt, die Verantwortung für diesen Schritt ans sich z» nehmen. Der erste Schritt der französischen Regierung soll die Abberufung des Gesandten der Republik am Vatikan sein. Frankreich.
Paris, 6. Aug. Die Nachricht der Katkow'- schen „Moskauer Zeitung" über die angeblichen Verhandlungen zwischen Frankreich und Rußland wegen Abschlusses eines Bündnisses gegen England in der Orientangclegenheit wird amtlich für unrichtig erklärt; Frankreich wolle bei der neutralen Haltung, welche die Negierung seit Jahren beobachte, auch ferner beharren. Rußland habe überdies in Paris keine Schritte wegen des Abschlusses irgend eines Bündnisses gethau.
Frankreich will oder muß mit seinen Botschaftern und Gesandten an den großen Höfen wechseln und hat fast komisches Unglück damit. Nach diplomatischem Gebrauch fragte es vorher vertraulich an, ob ihnen der und der „angenehm" sei; der C,.ar lehnte aber den Wechsel für den orleanistischen General Appert ab, ebenso lehnte der Sultan und Italien den vorgeschlagenen Herrn Cambon und Oesterreich den Grafen Lanues von Montebello ab. Der Sultan erbat sich extra die Abberufung des Marquis de Noailles. So kann Frankreich förmlich einen Handel mit Körben anfangen.
Für den 15. August sind alle Prinzen des Hauses Bonaparte und die hervorragendsten Vertreter der bonapartistischcu Sache zu einer Versammlung auf Schloß Pr aug iu s , dem schweizerischen Landsitz des Prinzen Napoleon, zusammenberufen worden, um eine Wiedervereinigung aller Bruchteile der bonapartistischen Partei zustande zu bringen. Der Plan darf jedoch von vornherein als gescheitert betrachtet werden, da Prinz Viktor, der älteste Sohn des Prinzen Napoleon, die Einladung abgelchnt hat mit dem Bemerken, er sei der einzige rechtmäßige Thronfolger und er verlange als solcher bedingungslose Unterwerfung.
Spanien.
Brüssel, 3. Aug. Die hiesigen Sozialisten sind in voller Arbeit begriffen; sic wenden alle ihnen zn Gebote stehenden Mittel an, nm die Arbciterbevölkerung in die für den 15. Aug. gewünschte „Stimmung" zn versetzen. Die sozialistischen Sendboten holen sich hier die Parole und tragen dieselbe dann hinaus in das ganze Land, die Arbeiter anf- fordcrnd, am „Tage der Vergeltung" sich in Brüssel zn sammeln. Wie wenig friedlich die Gesinnung der Führer der Sozialisten ist, geht ans dem Aufrufe hervor, der in einer der letzten.Nächte an den Mauern angeschlagen wurde. Der Text desselben lautet: „Volk! Seien wir am 15. August alle zur Stelle! Tie Bourgeoisie lebt in Luxus und Ausschweifung, während wir, die Arbeiter, vor Elend umkommcn, uns abplagend vom Morgen bis zum Abend. Das muß anf- hören, und wenn wir die schlimmsten Mittel anwcnden müßten, wir werden nicht zögern, cs zn thnn. Es lebe die Revolution !"
England.
Gestern ist das englische Unterhaus zum ersten Mal zusammeugetretcu, um die notwendigen Geschäfte einschließlich der Geldbewilligungen zu erledigen. Gladstone will Ruhe entweder in England oder im Ausland suchen.
Rußland.
Petersbu r g, 5. Aug. Die „Nvwoje Wremja" bringt einen scharfen Artikel über die Anwesenheit einiger preußischen Gencralstabsosfiziere, die sich bei Moskau aufhalten, um russisch zu lernen. Sic verlangt die Ausweisung derselben.
Anscheinend herrschen zwischen Rußland und der Türkei ganz angenehme Beziehungen. Der Sultan erhielt neuerdings einen kostbaren Zobclpelz vom Zaren zum Geschenk und hat seinerjcits dem Admiral Kasnakow in der Abschieds-Audienz desselben erklärt, er sei bereit, seine Sympathien für die russische Flotte, wenn es erforderlich, durch die That zu beweisen. Ob diese „Thaten" sich nur auf die ^ Durchtastung russischer Torpedoboote durch die Dardanellen beziehen, oder eine andere Bedeutung haben, bleibt zweifelhaft.
Türkei.
Der „N. Fr. Pr." wird über ein Attentat auf den Großvczicr aus Koustantinopel gemeldet: Der Attentäter, ein Türke, gab im Verhör an, durch Ungerechtigkeit sein ganzes Vermögen verloren zu haben. Da die Versuche, beim Jusiizministcr Abhilfe
zu erlangen, erfolglos geblieben wären, so hätte er auf den Großvezier geschossen, um des Sultans Aufmerksamkeit wachzurufen. Sein Weib liege auf dem Totenbette und er sei ein 66jährigcr Bettler, daher sei es sein Wunsch, sich für das allgemeine Wohl zu opfern. Die Geheimpolizei berichtete an den Sultan, welcher sich gestern den Attentäter vorführen ließ. Bei Hof und in Beamtcnkreisen herrscht Aufregung und Gerüchte von Ministerwechsel.
China.
Die Rolle, welche das himmlische Reich der Mitte in der Geschichte der Zukunft zu spielen berufen ist, tritt in ihrer Bedeutung von Jahr zu Jahr mehr hervor. Der Wettkampf der europäischen Nationen, in China zu dauerndem Einfluß zu gelangen , ihren Industrien dort einen neuen Absatzmarkt zu sichern, beschäftigt die Geister der ganzen civilisierten Welt. Welchen Wert die deutsche Reichsregierung auf die Erhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Reichen legt, das dürfen wir bei unfern Lesern als bekannt voraus- sctzen. Selten aber ist noch von höchster Seite dieses Bestreben so offenkundig zur Geltung gebracht, wie bei dem Empfang, welchen soeben der deutsche Kronprinz dem bisherigen chinesischen Gesandten in London und Paris, dem Marquis Tseng, bereitet hat, der nach mehr als siebenjähriger Wirksamkeit Europa zu verlassen im Begriff ist, um voraussichtlich in hervorragender Stellung in seinem Vaterland thätig zu sein. Auch in diplomatischen Kreisen ist dieses Ereignis vielfach besprochen worden und man hält dasselbe allgemein für außerordentlich bedeutungsvoll.
Handel Lc Perkehv.
Vom Neckar. Die Getreideernte ist trotz der wechselnden Witterung in stetigem Gange. Quantität sowie Qualität befriedigen größtenteils. Die Hopfen sind in voller Blüte, allein die Doldcn-Ansätze sind größtenteils spärlich, auch gibt cs viele schwarze Stöcke; die kalten Nächte wirken jedenfalls auf die rasche Doldenbildnng sehr nachteilig ein. Zn wünschen wäre, daß der Ausfall der Quantität durch günstige Preise einen Gegencrsatz finden würde. Obst gibt cs außerordentlich wenig.
(Konkurseröffnungen.) Nachlaß des s- Konrad Steiger, gcwcs. Taglöhners in Altheim (Ulm). Joh. Georg Jchle, Wirt und Bäcker in Wangen, und seine Ehefrau Josefa gcb. Sturm.
Allerlei. ""
— Eine empfindsame Pflanze. Nicht jeder Leser weiß, daß es eine Pflanzenart gibt, welche sich, selbst schon bei der leisesten Berührnng empfindsam zeigt. Es ist dies vic schamhafte Sinnpflanze (Minosa puckioa), auch Rühr-mich-nicht-au genannt. Berührt man deren hübsche und zierliche Blättchen nur leise mit dem Finger oder einem anderen Gegenstände , so ziehen sich die sofort zusammen; bei' etwas stärkerer Berührung aber läßt die Pflanze alle ihre Blätterzwcigc zur Erde sinken, doch um selbige nach einiger Zeit wieder empor zu richten und Blätter und Zweige wieder in ihre vorherige Stellung zu bringen, diese höchst interessante Pflanze, welche zeigt, daß auch die Pflanzen zn empfinden vermögen und welche sich leicht im Zimmerfenster ziehen läßt, ist bei dem Handclsgärtncr Friedr. Huck in Erfurt das Stück zu 50 zu bekommen.
— Aus dem Fremdenbuch. Auf dem Mahlbcrgs- kopf, einem Ausflngspnnkt, der jedem Emser Badegast bekannt ist, liegt ein Fremdenbuch ans, in welchem sich die Besucher zu verewigen pflegen. Ein Ehemann, der in der Ehelotteric einen guten Treffer gemacht haben muß, läßt sich über Geldheiraten folgendermaßen vernehmen:
Mit güt'gem Weib ist lebenslang gequält.
Wer sich ein Weib der Mitgift wegen wählt.
Tenn Gift bleibt Gift, von welcher Art cs sei,
_ Und solche Heirat ist - Giftmische rei.
Ocrn i«laut' ein ölittvl einpkolilsn rvsrden, dag
tä<r>ic>! nur eins chnsAabs von tunk Ütoiiiii^sii verurteilt, chlbsrts bei IVursaeli. Ob-.1mt I-sntbireb, leb bitts, seliielesn 8is mir cloeb sokort uoeli siniAS von disssu chgio- tbsbsr II, Lranckt's Loiievsi^sriiillsn, äsiin 68 i,8t mir iin- möAlieli, oiins dis8slbsn mi lsbsn, Xur ilnrob dis Sebcvei- ssrMIsn bin iob rvisdor soweit bsi'KS8tslIt, da88 iek 8«it sine,n balbsn dalirs cvisdvr stcva8 vsräienvn bann. öl. Lrtlr. Drsebülsr. öl an aelits beim .Inbank in den chqio- tbsbsn ank da8 cveisae Xreu/. in rotem Held und den Xa- MSN 82 NA U, Lrandt'8,
Ocsterreichrsche 100 fl. Credit-Lose von 1 » 5 ».
Tie nächste Ziehung findet am 1. September statt. Gegen den Knrsvcrlust von ca, 10 Mk. pro Stück bei der Auslosung übernimmt das Bankhaus Earl Neuburger, Berlin, Französische Straße 13, die Versicherung für eine Prämie von 30 Pf» pro Stück.
(Hiezu eine Beilage.)
Verantwortlicher Redakteur L t e i n w a n d e l in Nagold. — Druck und Verlag der <A. W. Zaiser'schen Lnchhandlung in Nagold.