Den Gedanken, das; der König schwimmend habe entfliehen wollen, ist undenkbar. Der König kann kaum einen Versuch, zu schwimmen, unternommen haben, sondern hat den Tod gesucht. Er ist ein ausgezeichneter Schwimmer und wäre mindestens in der Richtung soweit abgekommen, daß ihn die zum Ufer zurückkehrenden Wellen des Sees nicht dicht bis an den Körper Gudden's gespült, sondern an anderer Stelle dem Ufer zugetrieben hätten.
Der Todeskampf des 41jährigen herkulisch gebauten, des Schwimmens kundigen Königs muß ein viel heftigerer gewesen sein, als der des über 62 Jahre alten Dr. v. Gudden, der kein Schwimmer war, und schon in Folge Wasserschluckens, (vielleicht auch druck, einen Herzschlag in Folge der übermenschlichen Anstrengungen) das Bewußtsein verloren haben mag. Tie Leiche v. Guddens wurde in halb sitzender, halb stehender Stellung ini Wasser gefunden, die Füße ziemlich ausgestreckt in der durch die Tritte der Ringenden verursachten Bertiesting in Lettenboden stehend, der Rücken stark eingebogen und etwas außer dem Wasser sichtbar, der Kopf vornüber hängend ganz im Wasser, die Arme gerade nach unten ausgestreckt: die Leiche des Königs nur wenige Schritte weiter außen im See, der Rücken etwas außer Wasser der Kopf vornüber im Wasser, die Füße am Boden.
politische Wachrichten.
Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat an den Reichsoerweser Prinzen Luitpold folgendes Telegramm abgesandt: „Noch ehe ich Ew. Königlichen Hoheit Mitteilung beantwortet habe, mit der Sie Nachricht geben von der Katastrophe, die Sie zur Regentschaft Bayerns berufen hat, erhalte ich soeben durch Ihr Telegramm Mitteilung einer größeren Katastrophe, die der vorigen ein entsetzliches Ende nur gemacht hat, um Ew. K. Hoheit die Regentschaft über ein anderes Mitglied Ihres K. Hauses hinweg und Ihrer hohen Berufung eine neue Verpflichtung auszusrlegen. Für Ew. K. Hoheit Mitteilung Meinen treuesten Dank darbringend, spreche Ich Ihnen meine tiefste Teilnahme bei diesem in so vielen Hinsichten erschütternden Ereignisse aus, von deren Aufrichtigkeit Sie bei unserer so langen Freundschaft gewiß überzeugt sind. WiIhel m."
München, 15.Juni. Der Witwe des Professors v. Gudden ist folgendes Beileidsschreiben vom Prinz-Regenten zugegangen:
„Meine.liebe Frau Obermedizinalrat v. Gudden! Bei dem erschütternden Schicksalsschlage, der Sie betroffen hat, drängt es Mich, Ihnen Mein herzliches Beileid zum Ausdruck zu bringen; wenn es in solcher Lage Trost gibt, so ist es das Bewußtsein, daß der Verstorbene den Tod in rechter Erfüllung schwerer Pflichten gefunden hat. Indem Ich an Ihrer berechtigten Trauer vollen Anteil nehme, bin ich nut Wertschätzung Ihr geneigter Luitpold."
Die Bestattung der Leiche v. Gudden's wird auf Staats- kosten erfolgen. — Die Münchener Gemeindebevollmächtigten wurden auf heute vormittag vom Prinz-Regenten zur Audienz beschießen.
— Die Königin-Mutter ist bereits am Montag von dem schrecklichen Tod ihres Sohnes benachrichtigt worden. Die hohe Frau hat das Unglück mit tiefem Schmerz, aber in stummer Ergebung ausgenommen.
München, 16. Juni. Seit 8 Uhr morgens ist die schwarzbehangene Hofkapelle, in welcher die Leiche des Königs auf hoher Estrade unter schwarz- sammtenem Baldachin aufgebahrt steht, dem Publikum geöffnet. Die Estrade ist mit Palmen und Blumen geschmückt, sie umgibt reichster Lichterkranz. Der König trägt die Uniforni des Großmeisters des Hubertusordens, spanisches Kostüm. Zu seinen Füßen der Hermelinmantel und die Königswürde. Auf feiner Brust das von der Kaiserin von Oesterreich gesandte Bouquet. Die Ehrenwache halten je zwei Generaladjutanten und zwei Hartschiere. Der Andrang ist enorm.
München, 16. Juni. Die Sektion der Leiche des Königs hat die von den Aerzten gestellte Diagnose in vollem Maße bestätigt, insofern dieselbe nachwies, daß sowohl abnorme Entwickelungsvorgänge als auch Produkte chronischer Entzündungen älteren und neueren Datums am Schädel und Gehirn in mannigfaltiger Form vorhanden waren.
Ml!8 äem 8taätgarten.
* Ein gewisses Publikum ist stets dafür besorgt, daß die Klagen über Beschädigung, wenn sie auch, wie der Stadtgärtner schon zum Oeftern gerühmt hat, nicht sehr häufig vorkommmen, doch auch nie ganz verstummen. Ließ- mal ist es die Alpenrose, das vor einigen Jahren aus Tyrol eingeschickte Geschenk eines Stadtgartenfreundes, die einer unberechtigten und strafbaren Liebhaberei zum Opfer fallen mußte. Wenige Tage vor Pfingsten hatte sie ihre reizende Blüthe erschlossen und am Pfingstfest Abend war dieselbe verschwunden. Es ist nicht wohl anzunehmen, daß sich eine hiesige Hand nach dieser Seltenheit, an der gewiß alle unsere Stadtgartenbesucher ihre Freude hatten, ausgestreckt habe; denn hier weiß nachgerade jedes Kind, daß im Stadtgarten keine Blüte und kein Zweig abgebrochen werden darf. Wohl aber wird der Verdacht nicht unbegründet sein, daß einer oder eine der an diesem Tage zahlreich vorübergehenden Fremden das Wohlgefallen an dieser schönen Alpenblume in so bedauerlicher Weise zum Ausdruck brachte. Es wäre höchst dankenswerth, wenn die Blätter der Städte, aus denen wir so manchen gerne gesehenen Besuch bekommen, eine warnende Notiz aufnehmen wollten. Die strafende Hand der Gerechtigkeit kennt in solchen Fällen keine Milde, wie denn z. B. im vorigen Jahre das Abbrechen von ein paar Dahlien in der vom Forstschutzwächter Rü Ving er mit so viel Sorgfalt und Geschmack gepflegten kleinen Anlage in der Saatschule mit 5 Strafe geahndet wurde. Schaden wird es übrigens nichts, wenn die Eltern, Lehrer und Lehrherren den zu erwartenden allgemeinen Blütheschmuck des Stadgartens unter Hinweisung auf die Strafbarkeit einer Beschädigung oder Entwendung zu ganz besonderer Schonung empfehlen, wie überhaupt alle Besucher des Stadtgartens gebeten sind, die am Eingänge stehende Tafel, namentlich auch in Beziehung auf das Mitführen von Hunden, nicht unbeachtet zu lassen.
Calw.
Aan^wiet^ckmM<Aer Aezir^oerem.
Die Rücksicht auf meine dienstlichen Geschäfte hat mich genöthigt, die Leitung des landwirthschastlichen Bezirksvereins an den stellvertretenden Vorstand, Herrn E. Horlacher hier zu übergeben und bitte ich hiemit die Vereinsmitglieder, in Angelegenheiten des Vereins sich fernerhin an Herrn Horlacher zu wenden.
Den 18. Juni 1886. Oberamtmann Flaxland.
Calw.
LandwirthschaftUcher Bezirksverein.
Am Donnerstag, den 24. Juni (Johannisfeiertag), hält der landw. Bezirksverein im Löwen in Oberhaugstett eine Wander - Versammlung, zu deren zahlreichem Besuch die Vereinsmitglieder und sonstige Freunde der Landivirthschaft hiemit fceundlichst eingeladen werden/ Die Verhandlungen beginnen um 2 Uhr. Auf der Tagesordnung steht:
1) Ein Vortrag über Feldweganlagen mit besonderer Beziehung auf das neue Gesetz von Hrn. Landwirthschaftsinspektor Clausnitzer.
2) Ueber künstlichen Futterbau von Hrn. Alber.
3) Ueber Baumzucht von Sekr. Horlacher.
Den 18. Juni 1886. Für den Vorstand:
E. Horlacher, Sekretär.
Kgl. Standesamt Kairo.
Vom 14. bis 1b. Juni 1888.
Getraute:
14. Juni. Christian Friedrich Schechinger, Maschinenstricker hier, mit Karoline Philippine Gauß von Nonnennntz, OA. Neuenbürg.
14. „ Gustav Adolf Storr, Maschinenstricker hier, mit Christiane Karoline Buck
von hier.
Gestorbene:
1b. , Katharine Gohl, T. d. Michael Gohl, Schlossermeisters hier, 7 Jahre alt.
1b. „ Johann Mais ack, Zugmcister hier, 58 Jahre alt.
Er blickte nach dem Fenster, in dessen Rahmen sich ein wolkenschwerer Himmel und die Welt in Nebel malte.
„Erzählen Sie doch", begann Etwold wieder. „Sie wissen ja, ich interessire mich für alles, was Sie angeht; und es könnte vielleicht bald der Tag kommen, wo ich Ihr ganzes Vertrauen werde fordern müssen."
„Wenn noch etwas Sie bedrückt, Herr Kommerzienrat", wagte Duprat schüchtern zu bemerken, „so zögern Sie nicht, es mir mitzuteilen. Kein treueres Herz schlägt Ihnen wärmer zu. Ich empfinde für für Sie wie — der Sohn für seinen Vater. Und wenn es auch wie eine Anmaßung klingt, das auszusprechen, so ist es doch der Ausdruck meiner wahren Gesinnungen."
„Ich kann mich lebhaft hineindenken in Ihren Lebensgang", entgegnete Etwold, „und dämm auch das Gefühl verstehen, welches Sie in aufrichtiger Zuneigung an mich fesselt. Tie Eltem früh verloren, und unter der Aufficht Fremder ohne Rücksicht auf irgend welches zartere Gefühl zu einem Bemfe ausgebildet, welcher kalte, kluge Berechnung in allen Dingen voraussetzt, berührte Sie ein liebevolles Entgegenkommen wie das meine zuerst fremdartig und dann so anmutend, daß Sie glaubten, es nie mehr entbehren zu können. Damm Ihre ganze volle Hingabe an Ihren Beruf und an meine Person, welche Ihnen, wie Sie selber sagen, diesen verkörpert."
„Und zwar dessen edelste Verkörperung fiel Duprat ein.
Etwold war nicht über die Schmeichelei erhaben. Welcher Mensch ist es! Er lächelte selbstgefällig.
„Sie sehen, daß ich Ihren Jdeengang verstehe", sagte er. „Es ist das ja auch so natürlich. Nur möchte ich gem noch Etwas mehr wissen. Das sind nur Umrisse und die weitesten Grenzen Ihres Lebensganges. Kennen Sie denn nicht so viel Vertrauen fassen, mir etwas mehr von diesem zu sagen?"
„Alles, was mich angeht, möchte ich Ihnen sagen, wenn ich nicht fürchten müßte. Sie zu langweilen und Ihre kostbare Zeit nutzlos zu schmälern", erwiderte Duprat.
„Denn meine Geschichte ist eine ganz gewöhnliche, mit keinem Reiz des Abenteuerlichen oder Interessanten. Ich wurde Kaufmann, weil ich früh ein Talent zum Rechnen verriet, und blieb es, weil ich es nun einmal war. Hier- und dorthin vom Winde des Zufalls geschleudert, landete mein Lebensschifflein endlich nach den mancherlei Drangsalen, die keinem nach einer Existenz ringenden Menschen erspart bleiben, in dem hier sich mir öffnenden Hafen. Was ich seitdem gewesen und geleistet, wissen Sie selbst am besten, und ich wüßte auch nicht, was ich Dem noch hinzufügen sollte."
„Ja, ja", sagte der Kommerzienrat wie Jemand, der zustimmt und doch nicht voll zuftieden ist, „Das ist ja auch Etwas von Ihrem Leben, von Ihrem späteren Leben, das für mich aber weniger Interesse hat. Ihre ersten Eindrücke, die ja immer die bleibendsten sind, möchte ich kennen lernen; denn die sind bestimmend für Charakter und Zukunft. Sie sagten mir wohl schon, daß Ihre Mutter im Wahnsinn geendet. Das ist ja aber etwas Schreckliches und gewiß der Ausfluß von ungewöhnlichen Verhältnissen und Vorgängen, deren Sie sich vielleicht auch noch entsinnen."
„Und wenn ich es auch nicht thäte", erwiderte Duprat mit vibrirender Stimme, „oder alles Das nicht recht begriffen hätte zu einer Zeit, wo ich selbst noch jung war, um mir ein Urteil zu bilden, so kann ich es Ihnen doch sagen, wie meine Mutter es mir gesagt, mir anvertraut hat, als sie mich aufforderte, sie an dem Elenden zu rächen, der meinen Vater in den Tod und sie ins Irrenhaus getrieben —".
Hier wurde leise an die Thür gepocht.
Duprat hielt erregt inne; der Kommerzienrat aber zeigte dem Eintretenden ein bleiches verstörtes Gesicht. Dieser war kein Anderer als Jonas, welcher eine Karte an den Chef überbrachte.
Etwold las erstaunt: „Racheis, Polizeikommissar." Er und Duprat tauschten einen raschen Blick.
(Fortsetzung folgt.)