Wandung ausgcstattcte Gcstllschaft ihren Rnndritt durch die Arena, worauf das eigentliche Gefecht seinen Anfang nahm. Das furchtbare Schauspiel erreichte feinen Höhepunkt, als die Damen" ihre Arbeit begannen. Der Stier, welcher der ersten von ihnen, einem Fräulein Benita dcl Amo, entgegcn- gestellt wurde, ein mächtiges schwarzes Tier, verstand aber keinen Spaß und warf das zarte Geschöpf zu Boden. Mit Mühe gelang es den Herren Stierkämpfern, ihre Kollegin von ihrem Angreifer zu befreien. Auch die beiden anderen Damen hatten niit ihren Gegnern kein sonderliches Glück und einer von ihnen wäre beinahe von einem wütenden Stier der Leib anfgcschlitzt worden. Das abscheuliche Schauspiel fand seitens des Publikums die ranschendste Anerkennung.

Italien.

Catania, 20. Mai. Auf dem Aetna haben sich 11 Krater geöffnet, darunter drei von erschrecken­der Größe. Die Lava ergießt sich 200 Meter breit. Der Zentralkrater speit blos Dämpfe rmd Asche aus. An einigen Punkten dauern die Erdbeben fort. Bis jetzt ist kein Verlust an Menschenleben zu beklagen.

Grirchemano.

Athen, 20. Mai. Der von der Partei Tri- kupis aufgestellte Bewerber Stephnnopulos ist mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden der Kammer ge­wählt worden. Das Ergebnis wurde mit großem Beifall ausgenommen. Die Wahl bedeutet eine end­gültige Niederlage für Delyannis.

Athen, 23. Mai. DieAgence Havas" mel­det: Wie verlautet, hätten die Türken auf der Linie Melnna-Raveni und Mavreli das Feuer eröffnet. Die Griechen hätten die Türken zurückgeworfen und -einige türkische Stellungen besetzt.

Athen, 23. Mai. General Sapundzaki mel­det heute von der Grenze, daß das Feuer der Vor­posten auf beiden Seiten eingestellt sei.

Türkei.

Nach Privatmittcilnngcn, welche derTimes" aus K on stau tin o p el ans verläßlicher Quelle zu- gchen, ist es nicht unwahrscheinlich, daß die bulga­rische Nationalversammlung, deren Sitzungen dem­nächst beginnen, daS Land zum Königreiche prokla­mieren wird. Russischer Einfluß ist noch immer thätig, aber es möchte scheinen, als ob er etwas an Boden verloren hat, während die Popularität ches Fürsten, wie sich bei seiner kürzlichcu Rundreise durch die Provinzen zeigte, unverändert ist. Russische Agen­ten und Parteigänger mit und ohne Amt erklären dessenungeachtet offen, daß die Zeit sehr nahe ist, wo die Russen wieder in dem Lande erscheinen werden. Das Datum für den Besuch des Fürsten in Kon­stantinopel ist noch nicht festgesetzt und Viele zwei­feln , ob er überhaupt kommen wird. Sollte die Proklamierung Bulgariens zum Königreiche nach dem Vorgänge Serbiens erfolgen, so steht eine schwere Krisis für Bulgarien zu erwarten, und wird die ganze Frage wohl wieder eröffnet werden.

Rußland.

St. Petersburg, 20. Mai. Der hiesige Re­gierungsanzeiger veröffentlicht nachstehenden kaiserli­chen Befehl an die Flotte des Schwarzen Meers: lieber 30 Jahre sind vergangen, daß die Flotte Heldenthaten verrichtet und sich für das Wohl Ruß­lands geopfert hat. Jetzt ist diese Flotte wieder er­standen zur Freude des so lange um sie trauernden Vaterlandes. Mein Wille und meine Gedanken sind auf eine friedliche Entwickelung des Volkswohls ge­richtet, allein gewisse Umstände können die Erfüllung Meiner Wünsche erschweren und Mich zur bewaff­neten Verteidigung der Würde des Reichs zwingen. Ihr werdet für dieselbe mit Mir eintreten mit Erge­benheit und jener die Zeitgenossen in Erstaunen se­tzenden Standhaftigkeit, welche Eure Vorfahren ans den Aufruf Meines Großvaters bewiesen. Auf dem Wasser, dem Zeugen ihrer Heldenthaten, vertraue ich Euch die Verteidigung, Ehre und Sicherheit Rußlands an.

In Rußland wird wieder flott verhaftet. Allein 20 Studenten der juristischen Fakultät sollen in den letzten Tagen in St. Petersburg ergriffen worden sein. Die Ver­hafteten werden beschuldigt, an den jüngst entdeckten Ver­schwörungen gegen den Kaiser in Charkow und Nowo Tschcr- kask sich beteiligt zu haben.

Amerika.

Die Verhältnisse in Amerika stellen sich in Folge der Bewegung für achtstündige Arbeitszeit für die Fabrikanten immer ungünstiger. Viele derselben haben dem Drängen ihrer Arbeiter nachgegeben, zah­len die bisherigen Löhne und lassen nur 8 Stunden arbeiten. In einzelnen Staaten hat auch die Gesetz­gebung dem Verlangen der Arbeiter sich gefügt. Eine große Anzahl von Arbeitern, denen von den Arbeitgebern diese Forderung nicht zugestanden wurde, haben die Arbeit eingestellt, während andererseits wie­

der viele Fabrikanten, nicht willens, auf die Windige! Arbeitszeit cinzugchen, ihre Geschäfte geschlossen ha­ben. Unter diesen Umständen konnte es nicht fehlen, daß in vielen Großstädten und Fabrikortcn das dies­jährige Frühjahrsgeschäst vollständig zu Grunde ge­richtet ist. Täglich liest man in den Zeitungen, daß dieser oder jener Betrieb eingestellt worden ist. Das Kapital zieht sich von größeren Unternehmungen zu­rück. Wer bauen wollte, zögert, denn kein Unterneh­mer vermag zu sagen, zu welchem Preis er die Ar­beit wird Herstellen können. Der Fabrikanten hat sich eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigt und sie sehen mit Sorge und Furcht in die Zukunft. Bis­her war die amerikanische Industrie durch die hohen Eingangszölle vortrefflich gegen die Konkurrenz des Auslandes geschützt. Dies trifft aber nicht mehr zu, wenn sich die Fabrikationskosten und damit die Preise der Fabrikate um 2025°/» erhöhen.

Handel K Verkehr.

Konkurseröffnungen. Karl Stütze!, Bäckers und Rosenwirrs Nachlaß und Bertha geb. Dettinger, dessen Witwe in Untcrtürkheim. Karl Käst, Lauxcnmüller in Geislingen. Johann Christian Kubach, Maurer und Wirt in Steinbach (Künzelsau). Franz Großhans, Sägmühlebesitzer in iEnz- wcihingcn (Vaihingen).

Rechtsprechung. Geldrollen, welche mit der Bezeichnung ihres Inhalts und mit einem zu dieser Bezeichnung in Beziehung gebrachten Namen veisehen sind, gelten nach einem Erkenntnisse des Reichsgerichts vom 26. Okt. 1885 für beweiserhcb- liche Privaturkunden unv cs kann mithin das Be­schreiben einer solchen Geldrollc mit einer wissentlich falschen Inhaltsangabe alsUrkundenfälschung" an­gesehen werden.

Zwei Mächte.

Novelle von F. Stöckert.

(Fortsetzung.)

,,Wie schön, wie wunderschön!" ruft sie be­geistert aus.Wir armen Großstädter müssen doch viel entbehren, was Natnrgenüssc betrifft."

Dafür habt ihr mehr Kunstgenüsse," erwiderte Agnes.Was geben wir wohl darum, um uur dann und wann einmal in den langen Wiiuertagcn ein gutes Konzert oder eine Oper zu hören."

Ja, im Winter möchte ich allerdings nicht hier leben," gestand Gisela offenherzig.

Und doch läßt sich auch im Winter das Le­ben ganz gut ertragen," sagte Frau von Solms. Man muß nur Anteil am Allgemeinen nehmen, sein Denken nicht auf die engen Kreise, in denen wir uns bewegen, beschränken. Dank den vielen Zeitschriften, die uns über Alles und Jedes belehren, kann man ja stets Fühlung mit der großen Welt behalten. Für musikalische Genüsse sorgt dann Martin."

Die Dir wohl genügen, Mamachen," erwi­derte dieser,aber schwerlich den verwöhnten Ohren einer Residenzbewohnerin. Vorläufig ist ja aber noch Sommer, und dieses ist hier schön, wie nirgends. Sie sollen unsere schöne Natur hier recht genau kennen lernen, gnädiges Fräulein. In den nächsten Tagen wollen wir eine Bootfahrt nach dem Edda­see machen, einem der berühmtesten Punkte unserer Insel, an welchen sich manche schöne Sage knüpft; dann haben wir in nächster Nähe prachtvolle Wald­partien, ich denke, es wird Ihnen schon gefallen hier­bei uns."

Gewiß glaube ich das; es scheint mir eine andere, bessere Lebenslust hier zu wehen, wie in den Städten, mir ist, als müßte man große gute Gedanken hier bekommen," erwiderte Gisela.

Ueberrascht sah Martin sie an. Mit dem fei­nen Instinkt koketter Frauen hatte Gisela sehr schnell den rechten Ton ihm gegenüber gefunden. Diese Gewandtheit, sich jeder Natur anzupassen, verdankte sie den verschiedenen Kreisen, in welche ihr Vater die junge Schöne schon in früher Jugend geführt. Sie hatte da in mancherlei Verhältnisse und Lebens­lagen geblickt, und sich dadurch viel Welt- und Men­schenkenntnisse angeeignet. Auch an diesem Abend schauten ihre Augen prüfend um sich, und nur, wenn sie den Augen Martins begegnete, war es ihr, als müsse sie schützend die seidenen Wimpern über die dunklen Sterne breiten, damit die klaren blauen Augen nicht bis in die Tiefen ihrer Seele dringen, und dort die Lüge entdecken möchten, die sie unter der lieblichen mädchenhaften Miene schlau verbarg. Martin aber lagen derartige Entdeckungen sehr fern. Wie sollte er auch unter diesen Umständen eine Ah­

nung davon haben, daß Gisela eine junge Frau und kein Mädchen mehr sei?

Der Mond ging über dem Meere auf, die Wellen sangen tranmhast süße Weisen; dazu das blasse schöne Gesicht Gisela's ihm gegenüber. Al­les das ließ Martin den Abend wie eine wunder­same Dichtung erscheinen. Noch war es ihm nicht klar, daß es das hohe Lied der Liebe war, was da in seinem Innern die ersten poesievollen Töne an­schlug.

Auch durch Gisela's Seele zogen ähnliche Klänge, allerdings nur leise und verworren, aber doch klar genug, um an ihr besseres Ich zu appellie­ren und ihr mahnend zuzurnfen, zu fliehen, ehe es zu spät war, oder die Wahrheit über ihre persönli­chen Verhälnisse zu bekennen. Ihr Leichtsinn jedoch verwarf sehr bald diese Mahnung. Sie halte die Reise gemacht, sich zu zerstreuen, zu amüsieren, und was war wohl amüsanter, als so ein kleines pikan­tes Liebesabenteuer. Unter solchen Gedanken begab sie sich an diesem Abend znr Ruhe, während draußen das Meer seine urewigen Weisen sang. Derselbe Gesang der Wellen mochte durch die Träume ihres Gatten rauschen und klingen, den ein Schiff jetzt auf dem weiten Occan trug. Aber sie dachte nicht an ihn, Martin v. SolmS blaue Augen leuchteten durch ihre Träume.

Am andern Morgen saß man wieder auf der Terrasse. Gisela hatte mit großer Sorgfalt ihre Morgentoilette gemacht; das cGmefarbcnc Morgen­gewand mit dem reichen Spitzenbesatz war fast zu elegant für einen Landaufenthalt, aber cs stand so gut zu ihrem dunklen Haar, auf welchem ein kokettes Spitzenhüubchen ruhte. Auf den zarten Wangen schimmerte ein feines Rot, und in den dunklen Au­gen da leuchtete es von Jugendlust und licbermut. Neben dieser sirenenhaftcn Schönheit saß Martin in einer sehr unscheinbaren grauen Joppe. Er wollte nach dem Felde Hinausreiten, wo der Roggen ge­mäht wurde, aber der Entschluß, sich zu erheben, dem behaglichen Früstückstisch den Rücken zuzuwen­den und sich nach den Feldern hinanszubegeben, wurde ihm heute unendlich schwer. Noch nie war ihm sein Beruf als Landmann so prosaisch, so ent­setzlich nüchtern vorgekommen, wie in diesem Augen­blick. Warum war er kein Künstler, nnd durfte die holden Züge Gisela's aus die Leinwand festbannen, oder ein Dichter, diese Reize zu besingen, und sich auf den Schwingen der Phantasie hoch empor zu heben über das Alltägliche.

Mit einem schweren Seufzer erhob er sich end­lich.Es ist die höchste Zeit mich zu empfehlen," sagte er und griff nach seiner Mütze; zum Abend stelle ich mich wieder zur Disposition, ich denke, wir machen eine Fahrt nach dem Eddasee.

Du wirst aber müde sein, Martin, wenn Du den ganzen Tag auf dem Felde gewesen bist," wandte Frau v. Solms besorgt ein.

Müde, Mama!" er lächelte und seine hohe kräftige Gestalt reckte sich elastisch in die Höhe.

Gönne mir doch nach des Tages Last und Hitze diese Erholung, sie thut mir wahrlich not."

Ein warmer Abschiedsblick streifte Gisela bei diesen Worten, und diese sah ihm sinnend nach, wie er nun ging, und sich unten auf dem Hof auf sein Pferd schwang. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie etwas wie Bewunderung für einen Mann. Als sie ihn so dahin reiten sah in der brennenden Sonnenglut, treu seine Pflichten erfüllend, trotz al­ler seiner idealen Lebensanschauungen, die ihn auf andere Bahnen drängen nnd treiben wollten. _ (Fortsetzung folgt.) _

Allerlei.

- (Schwieriger Posten). Wcinhändlcr (zu seinem Reisenden):Herr Mehlmann, was ist Ihnen denn plötzlich eingefallen, daß Sic mich nm Ihre sofortige Entlassung er­suchen? Ich habe Sie doch immer anständig behandelt." Reisender:Das schon aber ich bin aus Gesundheitsrück­sichten gezwungen, Ihr Hans zu verlassen; denn wo ich hin­komme mit meinen Mustern, verlangen die Leute, daß ich davon mittrinke - - das halte ich für die Tauer nicht aus !"

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Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Bcrlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung in Nagold.