Der Gesellschafter.

Amts- »md Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

W S3

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Samstag den 8. Mai.

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1886 .

Die galizifche Bauernbewegung.

lieber die in dem österreichischen Kronlande Galizien und speziell in dem westlichen Teile dessel­ben ausgebrochenc Bauernbcwegung lauten die Be­richte in den österreichischen Blättern noch immer sehr lükenhaft und unklar und scheint es fast, als ob man maßgebenden Orts in Wien Alles daran setze, um das Ausland über den eigentlichen Charak­ter dieser Erscheinung möglichst im Ungewissen zu lassen. Indessen hat sich allmählich doch die Wahr­heit über die Ursachen der seitens der galizischen Landbevölkerung begangenen Ausschreitungen, die sich hauptsächlich, und in erster Linie gegen die ade­ligen Gutsbesitzer richten, herausgestellt und da er- giebt sich denn, daß weniger abergläubische religiöse Vorstellungen und russisch-panslavistische Einflüsse hierbei ihre Rolle spielen, wie es zuerst hieß sondern daß die Erregung durch die Mißwirtschaft der polnischen Schlachta, wie man die Gesamtheit der österreichisch-polnischen Edelleute zu bezeichnen pflegt, hcrvorgerufcn worden ist und in Wien, wo man mit den Polen so sehr liebäugelt und ihnen in Allem freie Hand läßt, hat man da freilich seine gu­ten Gründe, die Wahrheit über die Bauernbewegung nicht aufkommen zu lassen. Es mag ja sein, daß Aberglauben und panslavistische Ideen den Ausbruch der Bewegung mit beschleunigt haben, aber ihren wahren Ursprung hat sie unzweifelhaft in dem Drucke, unter welchem der galizische Bauer in wirtschaftlicher wie politischer Beziehung unter der polnischen Adels- Herrschaft schmachtet und der unter der galizischen Landbevölkerung allgemach einen grimmigen Haß ge­gen die Edelleute erzeugt hat, welcher jetzt eben ein­mal zum Ausbruche kommt.

Der Bauer ist in Galizien, gleichviel ob er der polnischen oder der ruthenischen Nationalität an­gehört,, noch heute wie vor hundert Jahren Gegen­stand der Unterdrückung und verächtlichsten Behand­lung seitens der alteingesessenen adeligen Gutsherr- schasten und wenngleich ja die Leibeigenschaft auch für den polnisch - galizischen Bauer der Form nach längst aufgehört hat, so führt er doch thatsächlich das Dasein eines Sklaven, eines wirtschaftlich und politisch Unterdrückten. In gewisser Hinsicht ist es hiermit unter dem Taaffe'schen Regime sogar noch schlimmer geworden, als früher, das bäuerliche Ele­ment ist aus dem galizischen Landtage, Dank ver­schiedener Kniffe und Agitationsmittel der Machtha­ber in Krakau und Lemberg, fast gänzlich ausgeschie- dcn, seine Vertretung haben die Gutsherrn mit über­nommen, die mit den Wünschen und Bedürfnissen der Landbevölkerung oft nur wenig oder auch gar nicht vertraut sind und man kann hieraus ermessen, in welcher Weise die Interessen der polnischen Bauern in der gesetzgebenden Körperschaft durch ihre adeligen Vertreter gewahrt werden! Daß die polnischen Bauern trotz ihrer Beschränktheit wissen oder wenig­stens ahnen, daß sie ihre Mandate gerade nicht im­mer den passendsten Händen anvertraut haben, mag wohl auch mit zu der unter jenen herrschenden Un­zufriedenheit beigetragen haben, aber der Hauptgrund derselben liegt in der sozialen Frage, in dem tiefen Elend , zu welchem der galizische Bauer durch die Mißwirtschaft der Gutsherren, die von ihren sozialen Pflichten gegen die Landbevölkerung nur eine sehr dunkle Idee haben, verurteilt ist. Es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn der Bauer, den die Negierung gegen die Behandlung der einflußreichen Schlachta nur in sehr lauer Weise schützt, zur Selbst­hilfe greift und durch Plünderungszüge gegen die

Edelhöfe seinem Haffe Luft macht. Schon einmal, im Jahre 1846, erhoben sich die galizischen Bauern zu wilder Befehdung der polnischen Edelleute, die in Krakau einen Aufstand angezettelt hatten, nur daß es damals zu viel blutigeren Scenen auf den polni­schen Edelhöfen kam, und seitdem hat der Haß und der Groll gegen die Schlachzizen in der Landbevöl­kerung Galiziens fortgeschlummert. Es wird behaup­tet, daß damals der Wiener Hof die Erhebung der Bauern begünstigt habe, mm die rebellischen Edelleute wieder besser unterbekommen zu können und diese Behauptung klingt gerade nicht unwahrscheinlich. Nun, heutzutage liegen die Dinge ganz anders, heute pielt die polnische Schlachta die erste Geige in Oesterreich und kann in Galizien so ziemlich thun und lassen was sie will, und in Wien besteht längst kein Bedürfnis mehr, die Bauern gegen die Adels- vartei auszuspielen. Um so bezeichnender ist aber die galizische Bauernbewegung für die Gesamtlage in Oesterreich, sie wirft ein grelles Licht auf die da­selbst seit dem Grafen Taaffe zur Herrschaft gelang­ten föderalistisch-slavische Regierungsweise und viel­leicht wird die polnische Wirtschaft für Oesterreich noch unangenehmere Dinge im Gefolge haben, als es die heutigen Bancrnunruhen in Galizien sind.

Tages Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

* Nagold, 7. Mai. Wie verlautet, hatte die 'gestrige Amtsversammlung Hrn. Oberamtsbaumcister Heinr. Schuster zum Bczirksfeuerlöschinspektor ge­wählt. Diese Wahl hat hier insofern viel Staub aufgeworfen, als dem bisherigen Vertreter dieser Stelle, Hr. Werkmeister Ehr. Schuster, strengste Pflicht­treue und Eifer in diesem Amte nachgerühmt wird. Die hiesige freiwillige Feuerwehr, als deren Komman­dant Hr. Ehr. Schuster ebenfalls durch seine auf­opfernde Hingebung für das Feuerlöschwesen geach­tet und geschätzt ist, hielt nun in Folge dieser Wahl gestern abend bei Bierbrauer Sautter eine Versamm­lung, wobei die Auflösung der freiwilligen Feuerwehr beschlossen wurde, was aber von vielen bedauert wird.

^ Walddorf, 5. Mai. Die Mitglieder des Obstbauvereins Nagold versammelten sich am 1. Mai in ziemlicher Anzahl imGasthaus z. Rößle" in Emmingen. Die Obstbäume dieser Gemeinde .wa­ren kurz vorher durch den Oberamtsbaumwart ein­gehend inspiciert worden. Anknüpfend an die hiebei wahrgenommenen Mängel verbreitete sich nun der Sachverständige ausführlicher darüber, wie überhaupt solchen abzuhclfen wäre. Bor allem betonte er, daß der Hauptfehler schon beim Setzen der Bäume ge­macht werde. Statt gutbcwurzelte, von anerkannt tüchtigen Baumschulenbesitzern bezogene Hochstämme zu setzen, werden oft schlechte billige Stämme, ja so­gar Wildlinge aus dem Walde genommen. Zudem werden die Bäume meistens viel zu tief gesetzt. Sind solche Wildlinge nun veredelt, so wird öfters das so nötige Zurückschneiden versäumt und somit selten eine schöne Baumkrone erzielt. Bei älteren Bäumen ist nicht genug die Pflege der Rinde zu empfehlen, unl wenigstens einigermaßen die so schädlichen Insek­ten dadurch zu vertilgen. Besondere Sorgfalt er­fordert auch die Behandlung der Baumwunden; sind z. B. größere Neste abgesägt worden, so sind solche Wunden gut mit Baumwachs oder Theer zu ver­streichen. Auch die Blutlaus wurde erwähnt und die Versammlung dringend aufgefordcrt, gleich beim ersten Wahrnehmen derselben mit aller Energie die

zur Vertilgung derselben erprobten Mittel anzu­wenden.

Stuttgart, 17. Mai. (Telegr. des Gesellsch.) Athen. Wie verlautet, bedauert Delyannis in seiner Antwort, daß seine Er­klärungen ungenügend betrachtet werden und bezieht sich wiederholt auf die Note vom 29. April. Der General Jazundztat meldet die Concentration von Türkentrnppen an der Grenze und ist der Einmarsch derselben da­her wahrscheinlich, weshalb auch Griechenland Truppen zusammenzieht. Die Garnison Athens rückt schleunigst nach Thessalien ab. Ein türkisches Kriegsschiff traf bereits im Phaleronhafen ein.

Ludwigsburg, 4. Mai. Der Einzug Ihrer Königl. Hoheiten des Prinzen und der Frau Prin­zessin Wilhelm war ein glänzender Festtag für unsere Stadt. Sie strahlte im farbenprächtigsten und man­nigfaltigsten Festgewand. Die Kopf an Kopf sich drängende Menge ist recht herzlich gestimmt, freudig bewegt und begeistert. Eine imposante Ehrenpforte ist am Ende der Myliusstraße angebracht. Die Post­straße ist eine wahre via triurnpllalis. Mast reiht sich an Mast mit Flaggen in den verschiedensten Far­ben deutscher Länder und Städte, die Häuser überall reich dekoriert. Die Spaliere dehnten sich vom Bahn­hof bis zum Heilbronner Thor aus. Mit dem Zug 3 Uhr 35 Min. erschienen Ihre Königl. Hoheiten auf deni Perron, von den bürgerlichen Kollegien durch eine Ansprache des Stadtvorstandes begrüßt, dem der Prinz gnädig dankend erwiderte. Im Wart­saal erwarteten die Militär- und Zivilbehörden und die Geistlichkeit das hohe Paar. Eine Festdame überreichte der Frau Prinzessin mit poetischem Gruß ein Bouquet. Auf dem Wilhelmsplatz hinter der Ehrenpforte, wo eine Schülerin der höheren Töchter­schule mit einem sinnigen Gedicht die höchsten Herr­schaften begrüßte, wurde Halt gemacht. Von da zierten noch die frisch belaubten Linden und die blühenden Kastanien der Allee den Weg, dessen Ziel, Marienwahl, in festlichem Schmuck die neue Herrin empfing. Den glänzenden Beschluß des Tages bil­dete ein imposanter Fackelzug. Der Männergesang­verein fang hiebei vier schöne Weisen, sein Vorstand feierte in schwungvollen Worten das hohe Paar, und als Se. Königl. Hoh. selbst unter die Männer trat und mit weithin schallender Stimmeals Lud­wigsburger den Ludwigsburgern" Seinen Dank aus­sprach und die Stadt hvchleben ließ, da kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr.

Hcilbronn, 4. Mai. Heute abend stürzte ein Mau­rer von dem Gerüst des Kiliansturmes von oben bis auf das in halber Höhe angebrachte Anfzugsgerüst herab, wobei er Arme und Beine brach und schwer verletzt ins Spital ge­bracht werden mußte.

Heilbronn, 4. Mai. Wir glauben heute aus ziemlich sicherer Quelle berichten zu können, daß Oberbürgermeister Hegelmaier von seinem der­zeitigen Amt zurücktreten wird. Ueber die Gründe, die ihn zu diesem Schritt bestimmen, wird niemand, der die Heilbronner Vorgänge der letzten Zeit eini' germaßen verfolgt hat, im Zweifel sein können. Zu­dem soll unlängst der Gemeinderat eine den hiesigen Verhältnissen entsprechende Regelung der Pensions­und Gehaltsverhältnisse des derzeitigen Stadtvorstan­des abgelehnt haben.