Frühjahr. Sehr getadelt wurde die von Bienenzüchtern, nicht des Waldes, vorgenommene Wasserfütterung noch im Winter und Oeffnen der Stöcke bei kalter Witterung. Diese total falsche Behandlungsweise nebst der stark anftretenden Ruhr sind als die Ursachen der großen Sterblichkeit unter den Bienen zu bezeichnen. Dieselbe soll bei einzelnen Beständen teilweise 50°/» und darüber betragen. Festgestellt wurde, daß sie auf dem Walde in viel geringerem Grade aufgetreten ist und daß auch die Sterblichkeit eine weit geringere war. Bezüglich des Honigver- kauss wurde beschlossen, denselben jedem Einzelnen zu überlassen. Es wurde aus dieser Veranlassung der Wunsch ausgesprochen, unsere Apotheker, Kondi- doren rc., denen wir ja auch unser schönes Geld zu lösen geben, möchten sich endlich, da die Preise doch nun im Verhältnis zur Qualität billige sind, bei ihren Einkäufen dem inländischen Produkt zuwenden und so unser Geld unserem Bater- lande erhalten. Auch unfern Hausfrauen gegenüber wurde der Wunsch ausgesprochen, dieselben möchten den Honig mehr als Hausarzneimittel, wozu er sich so vielfach und vorzüglich eignet, gebrauchen und bei den Kindern nicht blos Leckerbissen sondern als sehr gesundes Nahrungsmittel anwenden. Ferner wurde dem Antrag zugestimmt, daß jedem Mitglied des Landesvereins das Vereinsorgan „die Bienenpflege" von der Expedition aus unmittelbar zugesendet werde. Auch die Angelegenheit betreffend das Vereinsvermögen und Inventar des Schwarzwald- Bienenzüchtervereins kam zur Sprache. Der Verein zweifelt nicht an seiner vollen Berechtigung, doch will er um des lieben Friedens willen auf eine zwangsweise herbeizuführende Herausgabe Verzicht leisten. Veranlaßt durch einen Artikel in Nr. 47 des „Gesellschafters" wurde auch die Fuulbrut auf die Tagesordnung gesetzt und ihre Entstehung und Heilung besprochen. Nichi blos durch naßkalte Witterung und damit verbundene schlechte Waide, Erkältung des Stockes, sondern auch durch zu große Hitze kann dieselbe erzeugt werden. Sie ist deshalb jo gefährlich, weil ihre Uebertragsfähigkeit eine so leichte ist, weshalb der Bienenzüchter selbst große Vorsicht anwenden muß. Eingeschleppt kann dieselbe von der Waide aus werden durch Befliegen von Blüten, auf welchen vorher eine faulbrütige Biene geweidet hatte. Anläßlich des berührten Artikels wurde beschlossen, denselben mit Verachtung totzuschweigen. Wegen vorgerückter Tageszeit, oder vielmehr Abendzeit, mußten die Verhandlungen abgebrochen und weitere Gegenstände einer späteren Versammlung Vorbehalten bleiben. Zum Schluß wurde Altensteig als Ort für die nächste Hauptversammlung bestimmt, um auch den Imkern im Osten Gelegenheit zum Anschluß zu bieten. Frohen Mutes und ohne Sorgen wegen kranker Bienen zogen sie heim die Imker bei herrlichem Bienenwetter nach Osten u. Westen, Süden und Norden. Nirgends eine L>pur von Faulbrut weder bei den Imkern noch deren Pfleglingen!
Stuttgart, 28. April. Mit dem heute zu Ehren der hohen Neuvermählten abgehaltcnen Reiter festspicl, dem auch Prinz Wilhelm von Preußen anwohnte, liegt ein Fest hinter uns, das nach allgemeinem Urteil an imponierender Großartigkeit, stilvoller Vollendmtg und liebevoller Durchführung unerreicht dastcht. Es war ein glücklicher Gedanke, die junge Prinzessin gleich bei ihrem Einzug in ihre neue Heimat in einen der schönsten uitd poetischsten Abrisse der schwäbischen Sagenwelt einzuführen, indem man dem Feste nach Hauff's Lichtenstein die von Herzog Ulrich von Württemberg bei der Hochzeit Georgs von Sturmfeder mit Maria von Lichtenstein 151V in Stuttgart veranstalteten Ritterspielc zu Grunde gelegt. Der Schauplatz des Festspiels war das große königliche Reithaus. Nachdem die Fürstlichkeiten in der Hoflogc Platz genommen, erfolgte der Einzug des Herzogs Ulrich, der vom Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar dargestellt war. Noch verschiedene andere Mitglieder wirkten bei den Aufführungen mit. Herzog Wilhelm von Urach erschien als Georg von Sturmfeder, Herzog Albrecht von Württemberg und Prinz Ernst zu Sachsen-Weimar ritten in einzelnen Quadrillen. Der Auszug imponierte durch den wunderbaren Glanz der Kostüme, der entfaltet ward. Der edle Wetteifer der einzelnen Regimenter, welche die Quadrillen übernommen und mit rastlosem Fleiß cinstudiert haben, gestaltete diese Uebungcn zu einem unbeschreiblichen reichen Schauspiel, durchaus eigenartig durch die Schönheit der Pferde, die Pracht der mannigfaltigen Kostüme, die bunte Abwechslung und den besonderen Reiz der schönen Bewegungen, Verschlingungen und Lösungen, durch den ganzen Adel einer mit der liebevollsten Hingebung vorbereiteten und ganz von dem Gedanken an den hohen Gegenstand der Feier durchdrungenen Aufführung. Unter den zur Aufführung gebrachten Quadrillen verdient eine Schulguadrille besondere Erwähnung, in welcher die vier königlichen Stallmeister, unter ihnen der 81jährige Qberststallineistcr Graf Taubenheim, mitwirkten. Sehr originell war eine von den Offizieren des zweiten Württemberg. Feldartillerie-Regiments Nr. 20 mit vier altertümlichen Geschützen ausgeführte Fahrquadrillc, bei welcher zum Schluß
abgeprotzt und gegen die königliche Loge mit Blumen geschossen ward. Eine weitere Piscc, die durch den pittoresken Charakter, den sic trug, Aufsehen machte, war ein vom Intendanten Dr. v. Weither arrangierter Jagdzug. Den Schluß des Festes, das 10 Nummern umfaßte, bildete ein Touruier, aus dem Georg v. Sturmfcder als Sieger hervorging. Das Ganze schloß mit einer imposanten Ovation für das hohe Neuvermählte Paar, ein Moment, der durch das Zusammentreffen eines herrlichen Schauspiels mit der Weihe edelster Empfindung sich aller Erinnerung einprägen wird. — Die diesmalige Anwesenheit des Prinzen Wilhelm von Preußen in Stuttgart trägt einen ganz familiären Charakter. Es finden mir Familiendiners bei den Prinzen und Prinzessinnen des königl. Hauses statt. Voraussichtlich reist der Prinz schon übermorgen ab und heißt es, derselbe werde von hier aus der Burg Hohcnzolleru einen Besuch abstatten.
Stuttgart, 30. April. Gestern nachmittag fanden sich sämtliche mitwirkende Herren und Damen im Hofe des K. Marstalls ein, um von Herrn Photograph Brandseph im Kostüm und zu Pferd ausgenommen zu werden.
Stuttgart, 30. April. Auch die heutige Wiederholung des Reiterfestspiels hatte einen schönen, allgemein befriedigenden Verlauf. Sie war ja noch besser besucht, als die Hauptvorführung. Kein Platz war leer, auf den Galerien stand die Menge Kopf an Kopf. Im allgemeinen gingen die heutigen Vorführungen in einem ruhigeren Tempo vor sich als vorgestern.
Stuttgart, 30. April. Die Ankunft des Königspaares aus Nizza soll am 24. Mai erfolgen.
86L. Stuttgart, 2. Mai. Das heute nachmittag auf dem Cannstatter Wasen stattgehabte Festwettrennen anläßlich der Vermählungs-Feier unseres württb. Thronfolgerpaares ist durchweg glänzend verlaufen. Die kühle, aber freundliche Witterung war äußerst günstig. Die hohen Herrschaften erschienen um 3 Uhr sämtlich zu Wagen. Das hohe Prinzenpaar fuhr mit der kleinen Prinzeß Pauline in einem eleganten Zweispänner, gefolgt von ihrem Hofmarschall, Hr. v. Plate an. Ferner waren erschienen Prinz Albrecht v. Württemberg, Prinz Weimar mit seiner Familie, Herzog von Urach, Prinzessin Katharine, Großfürstin Werra und die verschiedenen Hofchargen; außerdem noch eine Menge Chaisen vom Stuttgarter Hautevollöe. Das Rennen war in 3 Abteilungen ausgesührt. Die Reiter zeigten in kühnster Weise ihre Kunst und Tüchtigkeit, namentlich die letzte Abteilung; das Jagdrennen erforderte große Gewandtheit, wobei die Renner, neben den verschiedenen Hindernissen, zweimal durch den Neckar setzen mußten. Der Andrang des Publikums war wieder sehr stark und nur den bahnenden Ulanen, welche den Vedetten- und Patrouillendienst zu versehen hatten, ist es zu verdanken, daß Niemand überritten wurde. An dem Rennen hatten sich ausschließlich Kavallerie- und Artillerieoffiziere der verschiedenen Regimenter beteiligt. Einer der Herren stürzte beim Rennen vom Pferde, ohne jedoch Schaden genommen zu haben. Die Preise für die Sieger (deren Namen wir nicht mehr genau feststellen konnten und deshalb heute noch weglassen), bestanden aus Reitsportemblc- men, Waffengarnituren, diversem Silberbestecke und einem prachtvollen silb. Tafelservis. Um */-6 Uhr war das Fest beendet. Die Cannstatter Straßen, durch welche der Prinz gefahren, waren reichlich beflaggt. Die Feuerwehrmannschaft rückte aus und bildete auf dem Rennplatz Spalier. Der Empfang seitens der Bevölkerung war überall stürmisch.
Einen fetten Osterbratcn schlachtete Gastwirt Seemann in Rottweil, ein 5 Wochen altes Kalb mit dem seltenen Gewicht von 214 Pfund.
Geislingen, 29. April. Heute wurden wir von mehreren Gewittern heimgesucht, sämtliche mit starkem Hagel; zwischen 2—3 Uhr nachmittags, wo abermals ein starkes Gewitter, von Süden kommend, über unsere Fluren zog, wurde ein mit Pflügen beschäftigter Müllerknecht im Eybacher Thal hart an der Bahn vom Blitze gelähmt und beide Pferde erschlagen.
Brandfälle: Jn Kirchheim u. T. am 26. April der Dachstuhl des Wohnhauses des Schuhmachers Mößner; in Dettingen u. T. (Kirch- heim) am 27. ds. ein Wohn- und Scheunengebäude in der unteren Gasse mitten im Ort; in Hildrizhausen (Herrenberg) am 26. Apr. ein Schuppen; in Neenstetten (Ulm) am 27. Apr. eine Scheuer; in Haslach (Leutkirch) am 28. Apr. ein Wohn- und Oekonvmiegebäude.
München, 30. April. Der König hat das Staatsministerium beauftragt, dem Landtage eine
Vorlage, betreffend die Regelung der Kabinetskasse, dahin einzubringen, daß eine beträchtliche Staatsanleihe ausgenommen werde, deren Zinsen und Tilgung durch jährliche Raten von der Zivilliste gedeckt werden sollen.
Berlin, 20. April. In der letzten Versammlung der christlich-sozialen Partei sprach Prof. Wagner über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aussichten. Am Horizont der auswärtigen Politik, so begann er, zeigten sich wieder gewisse schwarze Punkte. „Wenn nicht alles täuscht, gehen die französischen Zustände wieder einer Krisis entgegen. So sehr das Land aber im Innern zerklüftet ist, so stehen, wenn es gegen die Deutschen gilt, alle Franzosen zusammen und, vielleicht nicht mit Unrecht, rechnen die Franzosen bei einem Revanche-Krieg auf die Hilfe Rußlands. Um so notwendiger ist es für uns, vorbereitet zu sein auch gegen einen doppelten Krieg, und bedauernswert ist es, daß es noch heute Parteien gibt, die an unserem Heere rütteln wollen. Das deutsche Volk, das seit 1813 keinen Feind im Lande gehabt hat, weiß eben gar nicht mehr, was das zu sagen hat."
Berlin, 28. April. Wir haben gestern an dieser Stelle mitgeteilt, daß der preußische Gesandte am Vatikan, Herr v. Schlözer, dem Papste ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers Wilhelm überbrachte. Wie nun heute gemeldet wird, überreichte der Gesandte dem Papste auch ein Ostergeschenk des Kaisers Wilhelm, bestehend in einem kunstvoll gearbeiteten kostbaren Bischofskreuz. Mag der kaiserliche Brief auch im Wesentlichen nur ein Begleitschreiben für dieses Geschenk gewesen sein, so ist gleichwohl diese ganze Thalsache ein augenfälliges Symptom der überaus freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Spitzen der weltlichen und kirchlichen Macht und jedenfalls geeignet, den an höchster Stelle bestehenden Wunsch eines friedlichen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in unzweideutigster Weise zu dokumentieren.
Berlin, 29. April. Ein Telegramm an mehrere Blätter meldet: Die Branntweinsteuer-Borlagen, welche jetzt dem Bundesrate vorliegen, nehmen nur eine Neuordnung der Steuer im Gebiete der norddeutschen Branntweinsteuer-Gemeinschaft in Aussicht. Sowohl der Prinzipal-, als der Eventualantrag betrifft die Einführung einer Konsumsteuer. Ueber den Inhalt der Vorlagen soll bis zur Einbringung im Reichstag Verschwiegenheit beobachtet werden. Frankreich.
Paris, 30. April. In der griechischen Frage sucht das hiesige Kabinet mit aller Anstrengung wieder einzulenken und die selbst aufgegcbene Fühlung mit den anderen Mächten wieder zu gewinnen. Es berührt hier unangenehm, daß die griechische Negierung den von dem französ. Gesandten gemachten Schritt auf jede Weise zu Gunsten ihrer chauvinistischen Aspirationen auszubeuten sucht.
England.
London, 29. April. Infolge starken Ueber- handnehmens des Räuberunwesens in Birma hat Lord Dufferin befohlen, daß sofort vier indische Regimenter nach Rangun abgehen, von wo dieselben in das Innere des Landes Vorgehen sollen, um erforderlichen Falles die Insurrektion zu unterdrücken.
London, 30. April. Der deutsche Reichskanzler Fürst Bismarck hat den Mächten eine Blockade der griechischen Häsen vorgeschlagen für den Fall, daß Griechenland es ablehne, dem Ultimatum der Mächte Folge zu leisten.
London, 1. Mai. „Daily News" bezeichnen die griechische Antwort auf das Ultimatum als unbefriedigend, hoffen jedoch, daß ein gütlicher Ausgleich zu Stande kommt; im Interesse Griechenlands wäre ein baldiger Ministerwechsel angezeigt.
Aus London wird berichtet, daß das Oberhaus die Home-Rule-Borlage ohne Zweifel mit großer Majorität verwerfen werde; Gladstoue jedoch, der bestimmt im Unterhaus aus eine Mehrheit von 20 bis 30 Stimmen bei der zweiten Lesung der Bill rechne, werde erst nach einer zweiten Verwerfung derselben die Auflösung des Parlaments beschließen.
Griechenlanv.
Athen, 29. April. Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus soll gestern Delyannis in Beantwortung der Ansprache einer Deputation von Bürgern erklärt haben, er habe keinerlei Versprechen, daß Griechenland abrüsten werde, abgegeben, weder Frankreich noch einer andern Macht gegenüber, und die Mediation Frankreichs nur unter der Bedingung an-