Berlin feiert in diesem Frühjahr sein 400- jähriges Jubiläum als Residenz. Denn Kurfürst Johann Cicero, welcher am 11. März 1486 seinem Vater Albrecht Achill in der Kurwürde folgte, war der erste Landesherr, welcher seinen ständigen Aufenthalt in der Burg zu Kölln a. d. Spree nahm.
Berlin. Professor Schweninger soll nunmehr seine Kunst auch in Petersburg bethätigen. Kaiser Alexander von Rußland hat den Leibarzt unseres Reichskanzlers zu sich berufen, um durch seine Kunst etwas von der imposanten Leibesfülle zu verlieren, die er in den letzten Jahren gewonnen.
Wie der Bert. Polizeibericht mitteilt, sind bedeutende Unterschlagungen seit einer Reihe von Jahren gegen die hiesige Ortskrankenkasse der Tischler durch die Kasscnführcr verübt und jetzt entdeckt worden. Einer der Schuldigen ist verhaftet, ein zweiter hat sich erhängt, und der dritte, der sich gleichfalls aufgehängt hatte, aber wieder losgeschnitten wurde, ist flüchtig.
Was hat der Schnee in Berlin gekostet? Die während des letzten Winters geleisteten Schneefuhren in Berlin betrugen im Ganzen 155,397, davon allein im März 68,933 Fuhren. Die Gesamtkosten, welche während des Winters 1885i1886 durch Schneeabfuhr und durch Hilfsarbeiter entstanden sind, betrugen zusammen 389,885 und zwar für Hilfsarbeiter 97,798.50 ^ und für Abfuhr 292,086.50 M; der Monat März allein erforderte für Hilfsarbeiter die Summe von 51,096 und für Abfuhr 129,118.50 zusammen also 180,264.50 ^
Brand eines Waisenhauses. Mau erinnert sich noch des in der Nacht vom 12. zum 13. März stattgehabten Brandes des Waisenhauses zu Lohcrnocken bei Vörd e, welcher bekanntlich sechs Personen das Leben kostete. Dieses schreckliche Unglück fand am 21. ds. in Hagen ein Nachspiel vor der Strafkammer. Der fahrlässigen Brandstiftung angeklagt erschien der 24jährige Erziehungsgehilse Friedrich H. vor den Schranken. H. hatte sich an dem betreffenden Abeno, um Hefte zu korrigieren, in ein Nachbarhaus begeben und, weil nach der Hausordnung um 9 Uhr abends alle Lampen in der Anstalt gelöscht sein mußten, seine brennende Lampe in einen Schrank eingeschlossen. Letzterer geriet in Brand und von dort verbreitete sich das Feuer mit einer Schnelligkeit, welche zu jener traurigen Katastrophe führte. Die Strafkammer verurteilte den unbesonnenen jungen Mann, dem Übrigens seine Vorgesetzten das beste Zeugnis ausstellten, zu einer Gefängnisstrafe von ly? Jahren und ordnete die sofortige Verhaftung an. Der Staatsanwalt hatte 2 Jahre Gefängnis beantragt.
(Deutsche Säbel für das englische Heer.) Wie die „Köln. Ztg." erfährt, besichtigten in vergangener Woche der Direktor der englischen Waffenfabrik in Enfield und ein Oberaufseher die Fabriken von Weyersberg, Kirschbaum u. Co. in Solingen, welche mit der Lieferung von den vielbesprochenen 20000 Reitersäbeln vom englischen Kriegsministerium beauftragt worden waren. Die Besichtiget äußerten sich sehr anerkennend über die Einrichtungen der Fabrik und über die Waffen-An- fertigung.
Oesterreich-Ungarn.
Seit einigen Tagen kommen aus Galizien beunruhigende Nachrichten über die daselbst grassierende Bauernbewegung. Dieselbe richtet sich gegen den polnischen Adel, da unter den galizischen Bauern das Gerücht ausgestreut worden ist, die „Herrenleute" hätten die Absicht, die Bauern zu überfallen; außerdem wird unter der galizischen Landbevölkerung, welche bekanntlich noch auf einer ziemlich tiefen geistigen Stufe steht, noch sonst allerhand tolles Zeug verbreitet, unter dem namentlich der für dieses Jahr angekündigte Weltuntergang eine hervorragende Rolle spielt. Die Gährung ist in einzelnen Gegenden, z. B. in Bochnia und Gorlice, eine so bedenkliche, daß Militär' zur Aufrechterhaltung der Ruhe und zum Schutze der von den Bauern bedrohten Grundbesitzer nach den Dörfern entsendet werden mußte. Die Meldungen über eine vom Auslande genährte Agitation werden indessen wieder dementiert; mehrere Agitatoren wurden verhaftet.
Stry, 27. April. In der Sitzung des Hilfskomitss wurde cndgiltig die Zahl der durch den Brand zerstörten Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf 885, deren Minimalwcrt nach dem Elaborate des Steuerinspektors Czaplinski auf 1782 910 und der Wert der darin verbrannten Waren, Mobilien und Getreidcvorräte auf 2 Millionen Gulden beziffert.
Von Stry wird berichtet: Mehr als 2000 orthodoxe Juden, die durch den Brand von Stry obdachlos geworden waren, kampierten trotz des frisch gefallenen Schnees im Freien, da sie nach ihren Religionssatzungen während der Feiertage nicht reisen dürfen. Sie litten auch Hunger, denn sie sollen während der jüdischen Ostern nur ungesäuertes Brot essen, und solches war nicht zu haben; das von den Christen angebotene Brot wiesen sie zurück.
Schweiz.
Zürich, 22. April. Der Züricher „Sozialdemokrat" macht anläßlich der Reichstagsverhand- luilgcu über das Sozialistengesetz folgende Bemerkung: „Für uns ist die Lage durch die Boten des 31. März und des 2. April d. Js. in keiner Weise
geändert. Wir wandeln unsere Bahn und pfeifen auf das Gesetz. Gefeit gegen Tücken und Gewalt- thätigkeiten spotten wir der Verfolgungen, die jetzt wieder mit erneuter Heftigkeit beginnen werden und rufen lachend den Feinden zu: Wir pfeifen und ihr werdet tanzen!" Wenn irgend etwas die Verlängerung des Ausnahmsgesetzes zu rechtfertigen vermag, so ist es diese rohe und hohnvolle Sprache.
Italien.
Die innere politische Krisis in Italien ist jetzt zum Durchbruch gekommen. Ein königliches Dekret ordnet die Auflösung der Deputiertenkammer und die Vornahme von Neuwahlen an; letztere finden am 23. Mai statt. Der Ausgang der Wahlen entscheidet über den Weiterbestand des Cabinets Depretis.
Die italienischen Colonialunternehmungen am Roten Meere sind von einem schweren Schlage betroffen worden. Nach einem Telegramme des „Reu- ter'schen Bureaus aus Aden sind sämtliche Mitglieder der unter Führung des Grafen Perros Ende März von Zeilah abgegangenen italienischen wissenschaftlichen Expedition auf Befehl des Emirs von Harrar — des zwischen Abessinien und dem Golf von Aden liegenden Gebietes — ermordet worden. Weitere telegraphische Mitteilungen besagen, daß der Emir auch die sämtlichen in Harrar befindlichen Europäer habe ermorden lassen und daß er sich der Stadt Gildezza, in dessen Nähe die italienische Expedition niedergemetzelt wurde, bemächtigte, deren 100 Mann starke englisch-egyptische Garnison er gefangen nahm. Jedenfalls wird die italienische Regierung von dem grausamen Herrscher volle Genugthuung fordern und auch England wird nicht umhin können, den Emir von Harrar wegen der Besetzung Gildezza's zu züchtigen. — Depeschen des italienischen Consuls in Aden bestätigen offiziell diese Nachrichten. Die Ermordung der Mitglieder der Expedition erfolgte, dem Berichte eines der Metzelei entronnenen Soldaten zufolge zwischen Zeilah und Gildezza, die sämtlichen Teilnehmer der Expedition wurden mit Ausnahme der aus Eingeborenen bestehenden Escorbe, welch' letztere einfach gefangen genommen wurden, niedergehauen. Dagegen sollen die in Harrar zurückgebliebenen Europäer nicht ermordet, wie ursprünglich gemeldet, sondern nur gefangen genommen worden sein. Unter ihnen soll sich nur ein Italiener befinden.
Frankreich.
Paris. 27. April. Bis jetzt hat nur die Schweiz die Beschickung der Ausstellung von 1889 zugesagt. Den Volksvertretungen von Nordamerika und Belgien ist die Frage noch nicht vorgelegt worden. Alle anderen Mächte haben ihre Antwort vertagt, um abzuwarteu, welchen Charakter die Anstellung eigentlich haben wird.
Paris, 27. April. Die gesamte hiesige Presse gibt ihrer höchsten Befriedigung Ausdruck und stimmt Jubelhymnen an über den von Frankreich erzielten „diplomatischen Sieg" in der griechischen Frage. Umsomehr jedoch verstimmt es hier, daß die Großmächte trotzdem ihr Ultimatum in Athen haben überreichen lassen. Die Pariser Blätter erklären diesen Schritt nicht nur für vollkommen unnötig, sondern ogar auch für höchst gefährlich und sie suchen eine Erklärung dafür vielfach darin, daß die übrigen Großmächte sich über den von Frankreich errungenen Erfolg ärgerten und demselben seinen Triumph nicht gönnten.
Marseille, 27. April. Bei dem gestrigen Stiergefecht in Saint-Cesaire bei Nimes ist nach einem Telegramm der Fr. Ztg. das Bühnengerüst zu- ammengestürzt. Man zählt 25 Verwundete.
Ein Prozeß gegen die Ex-Kaiserin Eugenie. Der „Gil Blas" teilt mit, daß in den bonapartistischen Krei- en augenblicklich viel von einem Prozeß die Rede ist, welcher gegen die Ex-Kaiscrin Eugenie von einem jungen Mädchen eingelcitet wurde, welches ihre Tochter zu sein behauptet. Der Anwalt Laire ist mit der Angelegenheit betraut. Das junge Mädchen wohnt bis zum Ausgange des Prozesses in einem Kloster. Es ist sehr hübsch und Alle, welche es zu Gesicht bekommen, erklären, daß es der Ex-Kaiscrin sehr ähnlich sehe. Der Prozeß wurde von ihrem Adoptivvater, einem Korsen, in ihrem Namen angestrengt. Bis jetzt ist es unbekannt, ob das junge Mädchen andere Beweise in Händen hat, als ihre Achnlichkeit mit der Er-Kaiseriu.
England.
Die Englände r haben ihre Politik in Bezug auf die Wiedereroberung des Sudan endgiltig auf- gegeben. Auf den Entwurf Mukhtar Paschas zur Reorganisation der ägyptischen Armee hat die eng
lische Regierung eine ablehnende Antwort erteilt. Sie will nur mit Hilfe ägyptischer Truppen die Grenze bei Wadyhalfa behaupten und wünscht, daß auch ferner die englischen Offiziere im ägyptischen Heer verbleiben.
In England mehren sich die Kundgebungen zu Gunsten der irischen Reformbill Gladstone's. Ein vorgestern in der Saint James Hall unter dem Vorsitz Labouchores stattgehabtes Meeting, welches sehr zahlreich besucht war, nahm eine Resolution an, welche sich mit der irischen Politik Gladstone's einverstanden erklärt. An der Diskussion beteiligten sich Labouchere, Bradlaugh, Hoel, Leicester und mehrere radikale Deputierte.
Schweden und Norwegen.
In Norwegen hat sich der Kirchenausschuß des Storthings für die Einsührung der obligatorischen Zivilehe entschieden.
Rußland.
In Warschau sind ein General, Chef der Artilleriemagazine in Polen, und ein Oberst wegen Veruntreuung und Unterschlagung zu lebenslänglicher Verbannung nach Sibirien verurteilt worden. Weit über 200000 Rubel sind unterschlagen. Daß man solche Kleinigkeiten in Rußland noch immer so hart bestraft. Sie kommen doch alle Tage vor!
Krakau, 20. April. Eine letzthin erlassene Verordnung verbietet jedem katholischen Geistlichen in Russisch-Polen, ohne Erlaubnis der Ortsbehörde eine Reise außerhalb seines Pfarrsprengels zu unternehmen und verpflichtet ihn, jedesmal den Zweck seiner Reise der Behörde anzugeben.
Griechenland.
Athen, 22. April. In der letzten Nacht fand an der Grenze ein eine halbe Stunde dauerndes Gewehrfeuer zwischen griechischen und türkischen Vorposten statt. Verletzungen haben nicht stattgefunden. Es herrscht gegenwärtig vollständige Ruhe. Die beiderseitigen Vorposten haben die alten Stellungen wieder angenommen.
Athen, 27. April. Die Vertreter der Mächte haben ungeachtet der Notifizierung der von Delyan- nis dem Grafen Mouy erteilten Antwort gestern abend ein Ultimatum überreicht, in welchem Griechenland zur Abrüstung binnen acht Tagen aufgefordert und gleichzeitig im Falle einer Weigerung für die Folgen verantwortlich gemacht wird.
Athen, 27. April. Die französische Regierung hat sich in der Frage der hellenisch-türkischen Differenzen zwar von dem europäischen Konzert nicht getrennt, insofern sie ebenso wie die anderen Mächte Griechenland zur Abrüstung zu veranlassen und sozusagen auf bessere Zeiten zu vertrösten sucht. Aber in der Beziehung wenigstens hat die Regierung eine getrennte Marschroute eingeschlagen, als sie innerhalb des europäischen Konzerts als diejenige Macht auftritt, welche die beste Freundin Griechenlands sei und auf deren Ratschläge die Regierung am ehesten hören werde.
Athen, 28. April. In einer gestern abend abgehaltenen Versammlung des Klubs der Nationalliga wurde eine Resolution angenommen, worin die Regierung anfgefordert wird, nicht abzurüsten, so lange Griechenland unter dem Drucke des Ultimatums stehe. Dieser Beschluß sollte heute Delyannis mitgeteilt werden. — Der Kriegsminister ist aus Thessalien zurückgekehrt.
Athen, 28. April. (Havasmeldung). Ein Rundschreiben des Ministerpräsidenten Delyannis an die ausländischen Vertreter Griechenlands sagt, das Ultimatum der Mächte habe die Aktionssreiheit Griechenlands aufgehoben, die Regierung lehne deshalb etzt die Abrüstung ab, werde aber alle, Frankreich gegenüber freiwillig übernommenen Verpflichtungen erfüllen, wenn ihm die Mächte die Aktionsfreiheit beließen. _
Harrdrk K Uerlrehr.
Konkurseröffnungen. Karl Weikert, Spielwarenhandlung in Stuttgart. Nachlaß des ch Jakob Ranschenber- ger in Egelsthal, Gemeinde Mühlen. _
Vollen lies evvIZen Illreislanks «1er diatur
bsKSAnet rann im l?rübjabr bäntlASn XlaKsn über Loxk- sebmerLSn, lllndiAlcsit in den Olisdsrn, Blutandrang naeb Lopk und Brust etc. Sinn nsbms die überall riibmlicbst bekannten ^.potbsker L, Brandts Lebrvei^sryillsn und obiAe Lrsobsinuugsn werden alsbald vsrsebrvindsn. blr- baltl icb in den ^gotkeken. __
Auflistung der Charade in Piro. 49.
Stegreif. _
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. — Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung in Nagold.
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