Der Gesellschafter
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Donnerstag den 29. April.
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-L
1886 .
Nagold.
Schafräude betr.
Unter der auf der Svmmerweidc in Obcr- schwandors laufenden Schafherde des Chr. Bernhard von Baisingcn und des Metzgers Gänßle von Walddorf herrscht die Räude, weshalb die Herde abgesperrt und die weiter vorgeschriebenen Schutzmaßregeln angeordnct wurden.
Den 24. April 1886.
K. Oberamt.
Die Güterbuchs-eamten
werden erinnert, den Tag des Abschlusses des Aeude- rungSgeschüfts 1885',86 rechtzeitig hieher anzuzeigen.
Nagold, 21. April l886.
_ O.-A.-R. Dase r.
Die Prüfung im Wasserbanfach hat u. a. mit Erfolg bestanden: Hermann Reichert von Altensteig. _
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
Nagold. (Eine Stimme aus dem Berschönerungsverein.) Rechtes Frühlings- Wetter lockt Alt und Jung, Gesunde und Kranke hinaus ins Freie. Wohl ist und bleibt der lohnendste Ausflug in der Umgebung unsrer Stadt der Schloßbergwald mit seiner herrlichen Anlage. Aber heute wollen wir darüber Bericht erstatten, inwieweit die in der letzten Plenarversammlung unsres Berschö- nerungsvereins zum Beschluß erhobenen Projekte bereits verwirklicht sind. Nun! Wir brauchen in der That nicht weit zu wandern, um Neues wahrzunehmen, was unsre Gegend verschönern, und den Nagolder Einwohnern sowie unfern Sommergästen den Naturgenuß in unsrer Nähe erleichtern und vermehren dürfte. Wer zunächst Heuer erstmals wieder die alte Stenge nach Oberjettingcn hinausgeht, den überrascht vor Allem eine gegenüber vom Bahnhof in diesem Frühjahr neu hergestcllte Anlage — unser „Bis- marcksplntz", mit der im letzten Jahre darauf gepflanzten Bismarcklinde, allerlei Zicrgestränch, neuem Rasen, Fichtenhag, Schutzzaun gegen die Straße und 2 Bänken, von welchen wir unsre Blicke so gerne auf die wahrhaft reizende Lage von Nagold richten. Haben wir diese Umschau genossen, oder wird uns, so lange uns die Linde noch keinen Schatten bietet, die Sonne hier zu lästig, so erklimmen wir die unterste Strecke der freilich eine Menschen- und Thierquälerei zu nennenden alten Steige nach Oberjcttin- gen, ziehen uns aber schon auf dem untern Waldeck zu rechter Hand auf den Trausweg, der uns an einer von Herrn Revierförster Hsizel gepflanzten jungen Allee vorbei zunächst zu dem bekannten Pavillon führt, der als erste größere Schöpfung unsres Berschönerungsvereins von Herrn Werkmeister Schuster erbaut wurde und in der That einen beherrschenden Ausblick auf Nagold, den Schloßberg und in mehrere Thäler gewährt. Wer nun gesunde Lunge und Füße hat. und sich von hier aus in die Mitte des Waldes — „Galgenberg" genannt — begeben will, gelangt dorthin auf dem bekannten wohl uralten sehr steilen Fußsteig, auf dessen Höhe ihm ein neuer schattiger Sitz zum Rasten winkt. Wer aber Lunge oder Füße schonen will oder muß, der wandert vom Pavillon aus gerade fort nach hinten ins „Kreuzerthal" auf dem Waldtrauswcg oberhalb der Bürgcrländer, weicht aber nach einigen hundert Schritten links ab auf einen Fußpfad innerhalb des Waldes, wo er so viele Bänke findet, daß er immer wieder rasten und sich beliebig lange dort anfhalten kann. Jin hintern Drittel dieses Fußpfads entdeckt
er links oben eine neu angebrachte Waldnische zwischen 2 alten Forchen, wo er meist vollen Waldfrie-, den genießen kann. Nach einigen hundert Schritten erblicken wir, bevor wir ins Thal hinabsteigen, gerade nach vorne im geschlossenen Walde einen neuen schattigen Ruhesitz. Steigen wir dann vollends ins Thal hinab, so laden uns 2 neue Sitze unter alten Tannen neben frischem Quellwasser ein, in ihrem Schatten auszuruhen und dort dem Rauschen der Baumkronen und dem Murmeln des Bächleins zu lauschen. Dieß dürfte Wohl auch der passendste Platz für unser heuriges Wald fest sein. Wer aber nicht bloß Waldluft und Waldschattcn, sondern auch Waldeinsamkeit und Vögelgesang (letzteren jedoch nur morgens und abends, da die Vögel über mittag auch eine längere Siesta zu halten w. pflegen) genießen will, der wandere von dort über die nahe vorbeiziehende Herrenberger Poststraße hinüber auf die alte Straße nach Mötzingen, auf dieser aber schon beim untersten Bierkeller auf den rechts in der Richtung nach Nagold am untern Trauf des dortigen i jungen Waldes — „Wolfsberg" genannt — sich hinziehenden Weg, wo er bald 3 neue Ruhebänke ent- > decken wird. Auf dem untersten Sitze kann er noch andere Leute auf der Straße und im Felde sehen, und wird von solchen gesehen. Will man sich aber eine Zeit lang ganz im Walde verbergen, so findet man 10 bis 20 Schritte weiter oben links und rechts 2 weitere Bänke im Dickicht des jungen Waldes. Auf dem Rückweg in die Stadt kommt man von dort zunächst an der alten Fohlenwaide, jetzt Waldkultur, vorbei und kann sich am vorder» Waldtraufe rechts auf einem letzten auch neucrrichteten Sitze vom Walde verabschieden. — Aber auch eine andere, Heuer wieder verbesserte Anlage des Verschönerungsvereins, nemlich Fußpfade zu und von dem leider bis jetzt noch kahlen Berggipfel — „Teufels Hirnschale" genannt —, bietet Gelegenheit, Lungengymnastik zu treiben, und daneben auch von dem dortigen Pavillon aus eine lohnende Fernsicht in 5 Thäler mit bewaldeten Verghängen. Weitere Ruhebänke wurden an der äußersten nördlichen Ecke des Schloßbergwaldes oberhalb der alten Straße nach Rohrdvrf mit weiter Fernsicht ins Nagoldthal und auf die jenseitigen Berghöhen, ferner auf der Höhe des sogenannten „Katzensteigs", sowie am ersten Bahnwarthüuschen zwischen Nagold und Emmingen angebracht. Dem mehrfach geäußerten Wunsch rcsp. Vorschlag, die 2 Anlagen Bismarckplatz und Hermannsplatz (letzterer zu Ehren des s Kaufmanns Hermann Reichert so genannt) durch Inschriften dauernd kenntlich zu machen, da selbst viele Nagolder diese Plätze heute noch nicht kennen, dürfte wohl demnächst entsprochen werden. Auch soll, soweit noch einige Bänke unbequem sind, in Bälde Abhilfe getroffen werden. Ein weiteres Projekt der Plenarversammlung, Gelegenheit zu Nachenfahrten auf der Nagold, hat gleichfalls Aussicht auf Verwirklichung. An dem klebrigen „Klebfußweg"-Projekt dagegen dürfte der Ausschuß für Heuer wohl hängen bleiben. Wenn nun die geehrten Einwohner und Sommergäste von Nagold mit den Bemühungen des Ausschusses zufrieden sein sollten, so können sic ihrer günstigen Kritik durch reichliche Beisteuer in die Bereinskasfe den für den Ausschuß überzeugendsten Ausdruck verleihen. Schließlich erlaubt man sich noch alle ehrbaren Leute, besonders aber alle Mitglieder des Verschönerungs- Vereins zu itrenger Üeberwachung aller Anlagen und zu schonungsloser Anzeige etwaiger an denselben ' verübter Bubenstreiche aufznfordern. —
-ff-Nagold, 27. April. Nachdem Dank der Bereitwilligkeit der städtischen Behörden die längst gewünschte Erweiterung unserer Orgelempore unter der kundigen Leitung des Baumeisters und Seminaroberlehrers Gräsle in wirklich schöner und stilgemäßer Weise ins Werk gesetzt und dadurch ein Raumzuwachs von ca. 20 qm gewonnen worden ist, fand gestern wieder ein Kirchenkonzert, nemlich die Aufführung von Händels „Samson" mit Orchesterbegleitung statt. Der Gang des Werks ist kurz folgender: Wir werden in die Philisterstadt Gaza versetzt und treffen dort die Priester des Gottes Dagon bei den Vorbereitungen zu einem Götzenfeste, bei welchem der geblendete Simson zur Augenweide der Philister öffentlich auftreten soll. In seiner Gesellschaft sind Manoah, Michah und andere Israeliten, die mit ihm sein herbes Schicksal beklagen, aber auch ihn ahnungsvolle Worte über ein zu erwartendes großes Ereignis aussprechen hören. Den Lockungen der falschen Delila, die ihn betrogen und seinen Fein- ! den ausgeliefert hat, widersteht Simson, und nun kehrt ihm seine alte Kraft zurück. Ein furchtbares Getöse unterbricht den Festjubel der übermütigen Philister : Simson hat den Tempel gestürzt und dadurch den gehaßten Feinden, freilich zugleich auch sich selbst ein schnelles Grab bereitet. Die Israeliten beklagen ihn, bewundern und preisen ihn aber auch, der im Tode Sieger blieb, und schließen mit einem Lobgesang Gottes, der seine Macht und Herrlichkeit gezeigt hat. Das Oratorium zeigt uns die Meisterschaft Händel's in der Tonmalerei, den Festjubel in der Ouvertüre, den Schmerz z. B. im Trauermarsch, in dem wunderschönen Chor: Sie treten deinen Knecht in Staub und in Manoah's Rezitativ: „Nur Trauertöne sinn ich nun", den bachantischen Uebermut in dem Chor: „Gott Dagon hat den Feind besiegt". Das Rollen deS Donners im „Donnerchor", die religiöse Erhebung in den schönen Chören: Zum glanzerfüllten „Sternenzelt", und „Laut schalle unsrer Stimmen voller Chor"; sogar das Getöse der zusammenstürzenden Balken und das Angstgeschrei und allmählich ersterbende Aechzen der erschalgenen Philister ist gut wiedergegeben. Es war wirklich ein kühnes Unternehmen, mit den zu Gebot stehenden numerisch so schwachen Kräften dieses schwierige Werk mit Orchesterbegleitung aufzusühren, namentlich da durch die unfreiwillige Seminarvakanz und andere Hindernisse eine mehrwöchentliche Unterbrechung in den Hebungen eintrat. Aber die mit Ausnahme von einigen wenigen Störungen glatt verlaufene Aufführung hat gezeigt, daß geleistet worden ist, was überhaupt unter den gegebenen Umständen geleistet werden konnte. Denn „Samson" ist ein schweres Stück Arbeit, schwer sind die Jnstrumentalpartieen, schwer die Soli, schwer die getragenen Mollchöre, schwer vor allem auch die Aufgabe des Organisten, der diese Mollchöre supponiert zu spielen hat. Die Rolle des Samson hatte Hr. Staiger übernommen, dessen Stimme immer mehr an Kraft und Rundung, und dessen Vortrag immer mehr an schöner Natürlichkeit gewinnt. Hr. Finckh von Altensteig stellte seinen Ticf- bariton für die Baßrolle des Manoah zur Verfügung und führte dieselbe mit bekannter Sicherheit durch. Die Rolle des Michah war Frl. Hcttler zngedacht, welche aber leider verhindert war, sie zu übernehmen, so daß Männerstimmen in die Lücke treten mußten, Hr. Eisenmann und ein Seminarist, welche beide sich ihrer Aufgabe init Geschick entledigten. Einmal trat auch Delila ans, deren Sopranrolle Frl. Blum nach Ucbcrwinduug anfänglicher Aengstlichkeit mit klarer