.Postrat, Rechnungsrat, Regierungsrat, Rechtsrat, Sanitätsrat, Staatsrat, Steuerrat, Studienrat, Stadt­polizeirat, Tribunalrat, Weltlicher Konsistorialrat, Wirklicher Staatsrat, Wirklicher Geheimerat u. s. f. in inlillitnm. Daß unter solchen Umständen im ge­mütlichen Schwabenlande ein anständiger Mensch ohne Titel" zu den Seltenheiten gehört, ist wohl erklärlich. Wenn aber das kleine Land bei solcher Unzahl vonRäten" nicht gutberaten" sein sollte, so wäre ihm wahrlich weder zuraten" noch zu Helsen.

Stuttgart, 14. März. Der am Freitage mit einer Thronrede des Prinzen Wilhelm erössncte neue Landtag wird nur von kurzer Dauer sein, da sein Schluß bereits für Donners­tag in Aussicht genommen ist. Einstweilen sind die Präsiden­ten bestellt worden. Zum Präsidenten der ersten Kammer hat S. M. der König wieder den Fürsten von Waldburg-Zeil- Trauchburg ernannt und zu ihrem Vizepräsidenten wählten die Standesherrcn den Fürsten v. Hohenlohe-Langeuburg. Die Präsidentenwahl in der zweiten Kammer bot das Bild seltener parlamentarischer Einmütigkeit dar. Landgcrichtsdirektor v. Hohl ward nämlich mit allen gegen eine, seine eigene Stimme, zuin Präsidenten wieder gewählt. Er präsidiert jetzt schon der dritten Landtagsperiode. Was den Vicepräsidenten an­belangt, so erwartet man die Wiederwahl des ersten Staats­anwalts Dr. v. Lenz. Nach seiner Vertagung am Donnerstag wird der Landtag erst wieder zum Herbst zusammenlrcten.

In der Gewerbehalle zu Stuttgart kamen am Samstag (6. ds.) aus Anlaß des Geburtstages Sr. Maj. des Königs die von Sr. Mas. genehmigten Dienstchrenzeichen der Feuerwehr für 25- jährige ununterbrochene Dienstzeit an 82 Mitglieder der Feuerwehr zur Verteilung. Hiervon sind 75 heute noch aktiv, während 7 zu den Passiven über- gctretcn sind. Das Ehrenzeichen selbst, einfach und sauber gehalten, ist vergoldet und befindet sich an einem Band in den Landessarben, das unten in gol­denen Litzen endigt; den Entwurf dazu hat Bau-In­spektor Dolmetsch gefertigt. Der Avers zeigt die württembergische Krone niit dem Namenszug des Königs, der Revers zeigt, stilvoll arrangiert, Feuer­wehr-Embleme. Die Verteilung erfolgte durch Stadt­direktor Oberregierungsrat v. Hofer und schloß mit einem von Oberbaurat v. Tritschler ausgebrachten Hoch aus Se. Majestät, in das die Mitglieder leb­haft einstimmten.

Aulendvrf, 12. März. DerOberschw. Anz." schreibt: Durch die Ruchlosigkeit eines Men­schen (eines Tienstknechtes bei einem Gutspächter, der die Barierestangen über die Schienen legte) und die Gleichgiltigkeit eines Bediensteten war am letzten Dienstag abend der Schnellzug 38 Friedrichshafen- Ulm auf der Strecke DurlesbachAulendorf in gro­ßer Gefahr und ist es einzig einem glücklichen Zu­falle zu danken, daß der Eisenbahnzug nicht ent­gleiste und weiteres Unglück verhütet wurde.

Aulendorf, 15. März. Heute abend wurde die 35 Jahre alte Ehefrau des Bahnhof-Nachtwäch­ters Frick hier in ihrer Stube erstochen und starb nach einer Viertelstunde, ohne das Bewußtsein er­langt zu haben. Ihr Ehemann, welcher einen Selbst­mord behauptet, wurde verhaftet.

Wie von verschiedenen Stellen der Alb schon beobachtet wurde, haben die Mäuse an den durch die dichte Schneedecke geschützten Samen arge Ver­wüstungen angcrichtet. Die Landwirte fürchten für ihre Saatbestände.

Nach dem jetzt vorliegenden Gesamtergebnisse der Volkszählung ergibt sich für Bayern eine Ge­samteinwohnerzahl von 5416180 Seelen gegen 5284 778 des Jahres 1880. Die Mehrung beträgt 59 088 beim männlichen und 72 314 Seelen beim weiblichen Geschlechte. München hat 260005, Nürn­berg 114 632, Augsburg 65 476 und Würzburg 55109 Einwohner.

Wiesbaden, 15. März. Vergangene Nacht um 12 Uhr 28 Min. fand hier ein heftiger Erdstoß statt. Aus Mainz wird demFr. I." noch ge­meldet: Heute Nacht um halb 1 Uhr wurde hier allenthalben ein ziemlich heftiger, wellenförmiger Erd­stoß verspürt ; der Stoß war so arg, daß viele Leute in den Betten erwachten: selbst die Tiere verspürten die Erschütterung, besonders die Zimmervögel, denn vielfach wurde uns mitgcteilt. daß die schlafenden Vögel zur Zeit der Erschütterung von ihren Stangen herabslürzteu und ängstlich in den Käfigen herum­flatterten. Auch in unseren Nachbarorten Mombach, Gonsenheim, Hechtsheim, Marienborn, Heidesheim, in letzterer Gemeinde sehr heftig - wurde die Erschütterung verspürt und eilten die Leute erschreckt auf die Straße.

Kiel, 15. März. Heute wurde die gesamte

Garnison alarmiert, um die Schlagfertigkeit der Marinetruppen zu konstatieren.

Ich Merseburg wurde ein Husar beim Be­treten des Stalles von seinem Pferd mit den Zäh­nen gepackt, niedergeworfen und aus Brust und Kops getreten, Knie und Schienbein wurden vollständig zerschmettert, ehe Kameraden ihn von dem wütenden Tier befreien konnten. Das Tier war von ihm durch einen gewissenlosen Streich kurz vorher in diese Wut versetzt worden.

InNordhausen herrschte großer Jubel beim Eintreffen der Nachricht von der Ablehnung des Branntwein-Monopols in der Kommission. Vielfach hatten die Häuser geflaggt.

Berlin, 13. März. Mit der gestrigen Kom­missionssitzung ist das Scheitern der Branntwein­monopol-Vorlage selbstverständlich völlig be­siegelt; die weitere Prozedur, die mit dem Gesetzent­wurf vorgenommen wird, hat nur noch formale Be­deutung. -Bei der entscheidenden Abstimmung hat sogar der eine der beiden Vertreter der Reichspartei, Herr v. Kardorff, gegen die Vorlage gestimmt, noto­risch ist, daß auch in der konservativen Partei ab­lehnende Stimmen vorhanden sind. Bei einem voll­besetzten Hause würden danach nur etwa 60 bis 70 Stimmen für das Monopol abgegeben werden. Diese Entscheidung stand nun freilich auch schon vor der gestrigen Kowmissionssitzung fest, das Ergebnis an sich konnte nicht überraschen, man hatte daselbe nur so rasch nicht erwartet. Die Verhandlung in der Kommission ist aber auch hinsichtlich einer andcrwei- ten höheren Besteuerung des Branntweins völlig un­fruchtbar verlaufen, und diesen Ausgang wird man in erster Linie auf die wenig entgegenkommende Hal­tung des Finanzministers zurückführen müssen. Daß das Reich erhöhter Einnahmen bedarf, um seinen Aufgaben gerecht zu werden unö die an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommenen Einzelstaaten zu entlasten, kann auch von oppositioneller Seite ernstlich nicht bestritten werden. Und die fortschritt­lichen Politiker selbst haben unzähligemale versichert, daß sie den Branntwein als eine höchst geeignete Quelle für reiche neue Einnahmen ansehen; sie haben Jahre lang unausgesetzt selbst aus dies wenig nus­genutzte Steuerobjekt hingewiesen. Wird über das Monopol nicht nur, sondern über jede andere Reform der Branntweinbesteuerung die Verständigung abge­lehnt, so liegt die Besorgnis nahe, daß das Forschen nach neuen Steuerobjekten, das nun einmal in der Lage unserer Reichs-, Staats- und Kommunalfinan­zen begründet ist, in kürzester Zeit sich wieder eines anderen Wirtschaftszweiges bemächtigt, der schwerlich so geeignet zur Gewinnung neuer Einnahmen ist, wie der Branntwein. Daraus folgt, daß diejenigen an der fortgesetzten Beunruhigung und Schädigung großer wirtschaftlicher Interessen schuld sind, welche jede Mitwirkung ablehnen, um endlich einmal die Grundlagen zu einer dauernden befriedigenden Steuer­reform zu gewinnen."

Berlin, 13. März. DasArmee-Verord­nungsblatt" veröffentlicht einen kaiserlichen Erlaß vom 25. Febr., welcher bestimmt, daß das 15. Armee­korps (im Elsaß) große Herbstübungen, Parade und Korpsmanöver gegen einen markierten Feind, sowie dreitägige Feldmanöver der Divisionen gegen einander unter Zuziehung zweier Kavallerie-Divisionen vor dem Kaiser abhalten soll.

Berlin, 14. März. Bischof Kopp geht nicht nach Rom: er ist nach Fulda abgereist, von wo er schriftlich mit dem Papst unterhandeln wird. Gleich­zeitig wird von hier aus mit der Kurie unterhandelt, um deren Zustimmung für die Beschlüsse des Herren­hauses zu erwirken.

Berlin, 14. März. Die Arbeiterschutzkom­mission des Reichstags erörterte am Freitag die Frage derArbeit der Wöchnerinnen". Das Resul­tat der Abstimmung war, daß es bei der jetzt gelten­den Vorschrift des Z. 135 der Gewerbeordnung ver­bleibt, wornach Wöchnerinnen während drei Wochen nach ihrer Niederkunft in Fabriken nicht beschäftigt werden dürfen.

Berlin, 15. März. In der Monopolkom­mission des Reichstags berechnete Regierungsassesfor Köhler die Zahl der Schankwirte im Deutschen Reich auf 250 600 und meinte, selbst 100000 würden schon zu viel sein. Im Erquickungs- und Beherbergungsge- werbc, an Wcinhüusern, Gasthösen seien 230000 bis 240 000 Betriebe vorhanden.

Berlin , 15. März. Man erzählt sich , 'daß

der Kaiser auf die Bemerkung des Abg. Windt- horst:Er und seine Partei würden ausnahm- weise für die Verlängerung des Sozialisten-Gesctzcs stimmen, aber nur in Bezug auf die Person des Kaisers", den Minister v. Puttkamer beauftragt habe, Herrn Dr. Windthorst für seine freundliche Rücksicht­nahme auf seine (des Kaisers) Person zu danken, hinzufügend, daß diese in einem Alter von 89 Jahren und nach drei Kriegen, in denen die Hand Gottes ihn beschützt habe, bei diesem Gesetze weniger in Be­tracht kommen könne, als das Leben und das Gut seiner Unterthanen, deren Schutz durch das Gesetz bezweckt werden soll.

Sowohl über das Befinden des Kaisers, wie über das des Erbgroßherzogs von Baden lauten die letzten Nachrichten günstig. Gerade der Umstand, daß aus Karlsruhe von seinem Enkelsohn in letzter Zeit günstige Meldungen eintrafen, hat wesentlich zur Besserung im Befinden des Kaisers beigetragen; seine Arbeiten hat der Kaiser bereits in vollen! Um­fang wieder aufgenommen.

Die ultramontancGermania" berichtet: In der Beratung des Militär-Pensionsgesetzes am Mittwoch im Reichstag drückte der Abg. Dr. Windthorst die Hoffnung ans, daß es gelingen werde, das Gesetz zu Stande zu bringen, und zwar nicht nur der Offiziere wegen, sondern um dem Antrag­steller, dem Feldmarschatl Grafen Moltke, eine Freude zu machen, wozu er, Windthorst, jeder Zeit bereit sei. Daraufhin ging Graf Moltke, als Windthorst geendet hatte, auf ihn zu und schüttelte ihm dankbar die Hand.

Die kirchenpolitische Kommission des preußischen Herrenhauses ist mit der Beratung der Vorlage fer­tig. Bischof Kopp wird nun in Rom zu unterhandeln haben. Wird dort die Vorlage in der jetzigen Fas­sung gutgeheißen, dann wird dieselbe auch vom preu­ßischen Landtag angenommen werden. Im anderen Fall ist es mit dem Frieden wiederum nichts. Das Antwortschreiben der preußischen Bischöfe auf das Schreiben des Papstes ist nunmehr bekannt gewor­den. Die Bischöfe betonen die Notwendigkeit ihrer Freiheit in der Verwaltung ihrer Diözesen und bei der Priester-Erziehung.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 6. März. Ein merkwürdiger Kriminal­fall, der durch beinahe 4 Jahre in ganz Oesterreich- Ungarn mit großer Spannung verfolgt wurde, hat nun durch eine Vefügung des Kassationshofes einen unerwarteten Abschluß gefunden. Das jüdische Ehe­paar Ritter aus Galizien nämlich, welches des rituellen Mordes, begangen an einem Bauernmädchen, ange­klagt und vom Schwurgerichtshofe nicht weniger wie dreimal in stets erneuten Prozessen schuldig gespro­chen und deshalb eben so oft zum Tode verurteilt worden war, wurde jetzt, nachdem der Kassätionshof das Urteil zum dritte» Male aufgehoben, in Freiheit gesetzt. Die Gefangenen erwarteten jeden Tag die Ankündigung der Hinrichtung, als nunmehr die Frei­lassung eintrat. Der auf sein Geständnis hin wegen thätiger Mithilfe an dem angenommenen Morde gleichfalls zum Tode verurteilte galizische Taglöhner Stochlinski, welcher der Hauptzeuge in den vielbe­sprochenen Prozessen gewesen war, wurde kurze Zeit nach seiner dritten Verurteilung durch einen plötzlichen Tod der Teilnahme an der glücklichen Wendung im Schicksale seiner Mitangeklagten und früheren Arbeit­geber beraubt.

Ueber Wien erführt dieKöln. Ztg." , daß die Mächte die Abberufung ihrer Gesandten in Athen erwägen.

Frankreich.

Paris, 13. März. Was man sich in Paris erzählt. Vor mehreren Jahrhunderten lebte in Dijon ein Doktor Benignus Godran, der mit Erlaubnis der Behörde die Leichen der Hingerichteten Verbrecher, die meistens Deutsche waren", zu sezieren pflegte. Dabei liebte er es, an Gehenkten Wiederbelebungs­versuche anzustcllen. Bei zweien gelang ihm das; der eine warGulliam Werdner aus Köln", der andereKlickmann aus Koblenz". Das letzte Ver­brechen des Werdner war derRaub einer Pendulc" in Semur; Klickmann war ein Straßenränder. Die Wiederbclebten durften sich natürlich nicht sehen las­sen; der Doktor hielt sie in seinem Laboratorium versteckt. Dort tranken sic den Spiritus aus den Flaschen, in welchen der gelehrte Mann seine Präpa­rate aufbewahrtc. Gulliam, dessenPreußenmag'n" (derPreuße" aus Köln vor mehreren Jahrhunder-