Gesetzentwürfeeinen glänzenden Sieg des Zentrums und eine Niederlage der preußischen Polink, wie sie schärfer nicht gedacht werden kann". DerKrzztg." dagegen gehen die Zugeständnisse des Staates noch nicht weit genug. Es wäre voreilig, aus den Ur­teilen der Parteiblätter einen Schluß auf die Hal­tung der parlamentarischen Fraktionen ziehen zu woÜen. Gleichwohl ist eine Ablehnung oder wesent­liche Aenderung der Vorlage kaum zu erwarten. Denn mit Ausnahme des Zentrums hat keine Partei Anlaß zu grundsätzlichem Widerspruch, die Linke bis in den äußersten radikalen Flügel erst recht nicht. Für sie ist der Schritt der preußischen Regierung nur ein willkommener Anlaß, die Bismarck'sche Kir­chenpolitik einer möglichstvernichtenden" Kritik zu unterziehen, und sie nutzt diesen Anlaß nach Kräf­ten aus.

In Berlin und Spandau herrscht große Auf­regung über das Verschwinden eines der neuen Repetiergewehre, mit denen das Elisabeth-Regiment probeweise ausgerüstet worden ist. Das Gewehr ist, wie in den Berliner Blättern übereinstimmend mit­geteilt wird, entwendet und an Frankreich ausgelie­fert worden. Der Vorgang, der nicht ohne politische Bedeutung ist, soll sich folgendermaßen abgespielt ha­ben: Am Abend des 28. Januar, d. I., des Tages, an welchem im Berliner Schloß die auch von vielen Offizieren der Garnison von Spandau besuchte Kur der Königin stattfand, erschien in der dortigen Schloß­kaserne um die neunte Stunde, also zu einer Zeit, wo selten ein Offizier außer dem dujoürhabenden in der Kaserne anzutreffen ist, eine Persönlichkeit in der Uniform eines sächsischen Offiziers, in einen auffallend langen Mantel gehüllt, und erkundigte sich bei den ihm begegnenden Soldaten nach dem zunächst belege- nen Kompagnierevier. In den Flur getreten, machte sich derOffizier" an einer der Stützen zu schaffen und nahm ein Gewehr heraus. DerOffizier" herrschte den Soldaten an und hieß ihn weitergehen. Als dieser sich entfernt hatte, verließ er, das Gewehr unter seinem Mantel versteckt, die Kaserne. Der Posten erwies ihm pflichtschuldig die Honneurs. Etwa acht Tage nachher, am 5. Februar, kam aus Paris plötzlich an das Ministerium und demnächst an das Regimcntskommando die Nachricht, daß sich in französischen Händen eines der neuen Gewehre befinde, das den Stempel der 11. Kompagnie des 3. Garde-Regiments Königin Elisabeth trage. Der Regiments-Kommandeur, dem bis dahin eine Mel­dung von dem Verschwinden des Gewehrs nicht er­stattet worden sein soll, stellte sofort Nachforschungen an. Jedenfalls zeigt der Vorgang wieder, wie aus­gebildet und umfangreich der gegenseitige Spionier­dienst bei den Militärstaaten ist. Wir erinnern an die Enthüllungen, die der Prozeß Sarauw ge­bracht hat.

Aus Westpreußen läßt sich dieGermania" schreiben: Bei uns wütet der Hungertyphus in erschreckender Weise. Im Bereuter Kreise sind manche Dörfer bisher auf drei Viertel ihrer Einwohnerzahl zusammengeschmolzen. Bon einer kirchlichen Beerdi­gung der Verstorbenen ist keine Rede; die Leichen werden gleich auf der Feldmark der betreffenden Dörfer begraben. In den infizierten Orten sind die Schulen geschlossen einzelne schon seit Mitte des Monats Dezember vorigen Jahres.

In Gräfentonna heiratete im vorigen Jahr ein 84jühriger Mann zum zweitenmal und schaukelt jetzt ein Wickelkind aus seinen Knieen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 16. Febr. Die heutige Sitzung des Abgeordnetenhauses war stürmisch bewegt. Zum An­trag Caronini auf Schaffung eines Wahlgerichtsho­fes sprach Pickert vom deutschen Klub. Indem er denselben befürwortete, wandte sich Redner gegen Kronawetter und sagte, das unqualifizierbare Vor­gehen der Wiener Demokraten, welche mit den slavi- schen Reaktionären liebäugelten und gegen die Libe­ralen aufträten, habe das Ansehen Wiens in den Augen der deutschen Bevölkerung arg diskreditiert. Gegen Hausner konstatiert Redner, daß die mann­haften Worte des großen deutschen Kanzler in den Herzen der deutschen Bevölkerung lauten Wiederhall gefunden. Bismarck hatte recht, daß jene Polen die erbittertsten Gegner des Deutschtums sind, welche von Deutschen abnammen. Redner findet es auf­fällig, daß die Regierung geschwiegen, als der erste Minister des uns verbündeten deutschen Reiches in gehässiger Weise angegriffen wurde. Er zitiert Ar­

tikel imDziennik Polski", wo Bismarck als Säu­fer, der sich in Porter und Cognac besäuft und sich wie ein Raubtier geberdet, dargestellt wird. (Stür­mische Rufe: Pfui! Gemeinheit!)

Italien.

Aus Rom wird demReuter'schen Bureau" gemeldet, daß die Mehrheit der Ratgeber des Pap­stes die Zugeständnisse, die Fürst Bismarck in dem von ihm Sr. Heiligkeit unterbreitest» Kirchenplane gemacht hat, als unzureichend erachte.

England.

London, 16. Febr. Einer im Parlament eingebrachten Vorlage zufolge sollen in Zukunft die Wirtshäuser an Sonntagen in London um 10 (statt 11) und in den größeren Städten außerhalb Londons um 9 (statt 10 Uhr abends) geschlossen werden, auf dem Lande aber nur für Reisende offen sein, die sich als solche zu erkennen geben.

London, 17. Febr.Daily News" erfährt: Nach Ankunft der zur Verstärkung der britischen Flotte in der Suda-Bai beorderten zwei Kriegsschiffe werden sofort die Operationen beginnen, um die grie­chische Flotte kampfunfähig zu machen.

Eine der englischen Missionsgesellschaft zuge­gangenen Depesche aus Zanzibar vom 12. d. M. bestätigt die Nachricht von der Hinrichtung des Bischofs Hannington und seiner aus 50 Personen bestehenden Begleitung; die Hinrichtung erfolgte auf Befehl des Königs von Uganda.

Montenegro.

Fürst Nikolaus von Montenegro hat Petersburg am Montag .nach gerade achttägigem Aufenthalte wieder verlassen. Graf Orlow-Dcnissow gab dem Fürsten bis zur preußischen Grenze das Geleite; in Petersburg selbst begleiteten ihn die Groß­fürsten Nicolai Nicolajewitsch, Alexei, Paul u. Sergei bis zum Bahnhof. Der montenegrinische Herrscher ist in Petersburg der Gegenstand großer Auszeich­nungen gewesen, ein Beweis, welchen Wert man an der Newa doch auf die Freundschaft mit Montenegro legt.

Griechenland.

Athen, 17. Febr. Es geht das Gerücht, Eng­land habe von neuem Schritte gethan, um Griechen­land zur Abrüstung aufzufordcrn. Eine ähnliche Mitteilung sei von Deutschland ausgegangen. Man glaubt hier, Rußland werde die hellenischen Interes­sen verteidigen und Griechenland werde unter den Waffen bleiben, bis seinen Beschwerden Gehör ge­schenkt werde. Die Rüstungen werden übrigens eif­rig fortgesetzt.

Handel K Ucrkehr.

H Altcnsteig, 18. Febr. Sellen ist ein Viehmarkt so stark befahren worden, wie der gestrige. Wahrscheinlich übte der herrliche Sonnenschein solch anziehende Kraft aus. Es wurde ziemlich gehandelt, namentlich in Zugtieren. Fettvieh ging m>. -gcr. Israelitische Händler waren weniger auf dem Platze, d> regen eine Anzahl ganz fremder, die scheints das erstemal Ur Markt aussuchtcn. Wir hoffen, daß eine Bahn die Frequenz der Märkte noch bedeutend steigern würde.

Esslingen, 16. Febr. Bei dem am vergangenen Samstag stattgehabten zweiten Aufstrich der G. Stahi'schen Kunstmühlc dahier wurde dieselbe von der hiesigen Gewerbe­bank um 145 000 erstanden. Das Anwesen wurde von dem Kunstmüller Stahl im Jahr 1880 für 180000 ^ an­getanst.

(Konkurseröffnungen.) Josef Sehsang, Weber und Krämer in Hochdors (Kirchheim), entwichen. Severin Lin­der, Stadtwirt in Dietenhcim (Lauphcim). Friedrich Zünglein snicht Länglein), Bäcker und Wert in Waldenburg (Ochringen). Adolf Rümelin, lcd. Rotgcrbcr von Reutlingen, z. Z. in Arad (Ungarn). Nachlaß des f Joseph Eßinger, gew. Kaufmanns in Buchau (Riedlingcn). Gustav Friedrich Schübel, Restaura­teur in Schorndorf.

Eine blaue Schleife.

Historische Novelle v. Emma Händen.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Sie wagen es, unfern Befehlen Trotz zu bieten, Mylady, wenn wir Sie nicht sehen wollen?" donnerte mich der König wutbebend an. So war mein Empfang, aber ich ließ mich nicht zurückschre­cken, und nachdem ich meine Lage ihm geschildert, ihm gesagt, daß ich mein Schicksal vertrauensvoll in die Hand des Herrschers lege, zu dem ein ganzes Volk voll Liebe und Vertrauen aufblicke, sprach er unendlich freundlich zu mir:Empfangen Sie aus unserer Hand das Eigentum Ihres Gatten zurück, Mylady, wo Sie einst Herrin waren, sollen Sie es wieder sein. Lord Latimer," wandte er sich an die­sen,Sie verlassen auf der Stelle dies Schloß, das Ihnen nicht mehr gehört, und belästigen Ihre Frau

Schwägerin keine Sekunde länger. Sie aber, geehrte Frau Wirtinsprach er weiter zu mir, nachdem Eduard das Zimmer verlassen chatte,üben wohl Gastfreundschaft gegen Ihren König, der seine An­wesenheit hier bis morgen früh festgesetzt hatte." Wie ein Traum bäuchte mir däs Erlebte. Mit ei- " nem Machtsprüch beraubte Englands König einen seiner Unterthanen seines rechtmäßigen Eigentums zu Gunsten einer Frau, die Ihre persönliche Be­kanntschaft mit ihm durch einen Ungehorsam erzwun­gen hatte. Ach! der Witwenschleier deckte freilich den Frauenblick, der sonst scharf ist, wo es gilt. Männergefühle zu erraten, die Motive seines Han­delns. Mit welchen Entschlüssen er am andern Morgen Latimerhouse verließ, und wie bald er zu­rückkehren würde, ich ahnte es damals noch nicht; ich lebte abgeschieden von der Welt weiter in mei­nem Schloß, nur dem Andenken an meinen verstor­benen Gatten.

Doch kaum war das Trauerjahr vorüber, kaum hatte meines William Todestag sich erneut, da ka­men König Heinrichs Boten und trugen mir seine Hand und Englands Königsthron an. Schon wollte ich rin kurzes, entschiedenesNein" sprechen, denn noch blutete frisch die Wünde um den Tod des geliebten Gatten, und ich Permeinte nicht die Kraft zn haben, mit einem Andern zum Altar zu treten. Doch wieder sah ich den Blick, den Hein­rich mir zugeschleudert hatte, als ich gegen seinen Willen sein Zimmer betrat, und ich zitterte, dies Nein" auszusprechen, denn der König, der mich zur Herrin von Latimerhouse gemacht hatte, besaß die Macht, mich seine Rache fühlen zu lassen, schlug ich die Ehre aus. die er mir bot. Zum Tode betrübt, ging ich zu Williams Grab, und da kam cs über mich wie eine heilige Offenbarung von oben; ich be­dachte, daß Alles im Leben Fügung einer höheren Hand ist, daß ja auch dieser königliche Antrag Got­tes Fügung war, daß sein Wille mich auf Englands Königsthron rief, auf dem ich wirklich Gutes wir­ken könne an der Seite eines Heinrich VIII. Ich bezwang mich selbst und meinen heißen Schmerz um mein im Grabe ruhendes Lebensglück, opferfreudig wollte ich für Englands Volk diese Ehe eingehen und sandte dein Könige mein Jawort. Es ward mir namenlos schwer, denn ich sah Anna Boleyns und Katharina Howards blutige Schatten als un­versöhnte Geister vor mir stehen. Ein grollendes Schweigen empfing mich in den Straßen von Lon­don, als ich als Heinrichs junge Gattin hier einzog. denn man beschuldigte mich ehrgeiziger, hochmütiger Absichten, als ich ungewarnt durch das Schicksal von fünf Vorgängerinnen, die sechste Gemahlin eines Königs ward, an dessen Hand Gattinnenblut klebt. Aber ich beklage mich nicht, ich habe nicht vergebens meinem Vaterlande das Opfer einer zweiten Heirat gebracht," setzte sie gepreßt hinzu,ich bin glücklich. Mich schreckten nicht mehr Anna Boleyns und Ka­tharina Howards blutige Schatten, ich stehe in Kö­nig Heinrichs Liebe, denn uns vereint der heilige feste Bund der Geister, der die Grundlage jedes Eheglückes ist."

Königin Katharina schwieg und Lucy wagte nicht mehr, ihr Sinnen zu stören. Nur so viel durfte die Gattin Heinrichs sagen, sie wußte aber selbst nur zu gut, daß sie um kein Haarbreit fester stand, als ihre Vorgängerinnen, daß sie nur sicher sei, so lange sie um den König war und er ihre Stimme hörte. Gelang es Jemand, hinter ihrem Rücken ihn gegen sie einzunehmen, so daß er sie verdammen wollte, ohne sie gesehen und gehört zu haben, dann mußte auch sie fallen, wie Anna Bo- lcyn und Katharina Howard gefallen waren.

Das war es, was sie Lucy Albemarle nicht sagen durfte, was die jugendliche Frau, die England ein so großes Opfer gebracht, allein tragen mußte. Sie hatte keine Ahnung, daß, als sie jene Worte sprach, das Netz des Verderbens um sie gesponnen wurde, daß zwei einflußreiche Männer sich die Hand reichten zu ihrem Sturz.

(Fortsetzung folgt).

Oesterreichische 1864er Loose. Die nächste Ziehung findet am 1. März statt. Gegen den Kursverlust von ca.

S Mk. bei der Ausloosung übernimmt das Bankhaus Carl Reuburger, Berlin, Französische Straße IS, die

Versicherung für eine Prämie von 10 Pf. pro Stück.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Verlag der <N. W. Z a i s e r'schen Buchhandlung in Nagold.