Stuttgart, 29. Mai. In letzter Zeit wurden hier in verschiedenen Wirtschaften und anderen Lokalen mehrere Einbruchsdiebstähle verübt. Die Persönlichkeit des Diebes wurde zwar hier festgestellt, doch konnte derselben hier nicht habhaft gemacht werden, da er bei Verübung des letzten Diebstahls über 200 Geld erlangte, mit dem er das Weite gesucht hatte. Auf Veranlassung der hiesigen Polizei wurde derselbe in Frankfurt a. M. festgenommen und vor einigen Tagen durch einen Fahnder abgeholt.
Stuttgart, 29. Mai. Wegen fahrlässiger Tötung fand schon wieder eine Strafverhandlung statt. Der 49jähr. Gemeindewaldschütz I. K. Heller von Ehningen, OA. Böblingen, hatte am 27. Febr. d. I. in der Wirtschaft des Metzger Weiß daselbst sein Seitengewehr herausgezogen, nachdem ihm ein kleines Kind, die Tochter des Weiß, zugerufen hatte, ihr Vater habe ein größeres Messer als er. Dabei muß er mit dem Hirschfänger, der sehr scharf war, im Spaß auf das Kind zugestochen haben, so daß dasselbe sehr ängstlich wurde und sein Vater es in die Arme nehmen wollte, gleichsam um sie zu schützen. Hierbei kam aber Weiß dem Hirschfänger zu nahe, und stach sich selbst in den Arm, dicht über der Hand, in der Gegend des Pulses. Es fiel ihm nicht ein, dem andern einen Vorwurf zu machen, sondern er ließ sich einfach die Hand verbinden, was in anerkannt sehr schöner, geschickter Weise geschah. Trotzdem wurde die Wunde schlimmer, er hatte sich Blutvergiftung eingestellt, am sechsten Tage trat Blutzersetzung und damit der Tod des Weiß ein. Der Angeklagte, welcher sich in erster Linie schon dadurch verfehlt hatte, daß er den Hirschfänger, den er außer Dienst zu Hause lassen soll, bei sich im Wirtshause hehielt, wurde für seine Fahrlässigkeit mit 4 Wochen Gefängnis bestraft.
Bietigheim, 28. Mai. In dem benachbarten Großsachsenheim hat sich heute früh der dortige Stationsmeister M. beim Erscheinen des Bezirksvorstandes, der ohne Zweifel zur Kassenvisitation gekommen war, erschossen-. (Nach anderer Nachricht soll die Kugel auf der einen Seite hinein, zur andern wieder herausgedrungen und M. noch am Leben sein.)
Hausen, OA. Hall, 27. Mai. Gestern erhielt ein hiesiger Imker von einem Krainer Bienenstock ohne den Vorschwarm innerhalb 14 Tagen den fünften Schwarm. Um diese Jahreszeit und in solch kurzer Frist gewiß eine Seltenheit.
Süßen, 24. Mai. Der Zuchthausgefangene Konrad Müller von Thalheim, OA. Tuttlingen, ein sehr gefährliches Subjekt, ist gestern mittag, dein „Heub. B." zufolge, zwischen Süßen und Eislingen während des Transports aus dem Gefangenenwagen entsprungen.
Heilbronn, 28. Mai. Die ersten vollständig blühenden Trauben zeigen sich bereits. Bei dieser Gelegenheit dürfen wir mit Freude konstatieren, daß die günstige Witterung der letzten Wochen die Frostschäden in unseren Weinbergen durch kräftige Nachtriebe großenteils wieder ersetzt hat, nur in geringen, gänzlich erfrorenen Lagen und an alten Stöcken war nichts mehr zu erholen. (Neck.-Ztg.)
Rottenburg, 27. Mai. Vom Taubenzuchtverein Columbia in Straßburg kamen mit einem Begleiter 144 Brieftauben in 5 großen Körben heute morgen 7 Uhr mit der Eisenbahn hier an. Diese Tauben sollen den Weg nach Straßburg in 85 Minuten (in einer Minute 1 Kilometer) wieder zurückfinden. Um 7 Uhr 45 Minuten wurden alle Körbe zugleich geöffnet und sämmtliche Tauben flogen miteinander in die Höhe. Die nächsten Flugversuche sollen von Reutlingen, Ulm, Augsburg, München aus stattfinden.
Ulm, 28. Mai. Heute vormittag stellte sich dem Herrn H. Betzeler hier, welcher das Glücklos der diesjährigen Ulmer M ü n st e r l o t t e r i e verkaufte, ein junger Mann vor als „Lehrer aus dem Unterland" und ließ sich nach Abgabe des Loses auf der hiesigen Gewerbebank seinen Gewinn mit 75,000 auszahlen. Der Name und Wohnort des glücklichen Gewinners war aus demselben nicht herauszubringen. Zweifellos ist er in Eßlingen oder
gange sind nicht bekannt. Dieses Haus mag hundert und mehr Jahre alt sein und der Keller vielleicht seit fünfzig Jahre nicht benutzt sein, wenn er es überhaupt je gewesen. Jedenfalls ist dieser Eingang zu den Katakomben in Vergessenheit gekommen. Aber gehen wir!"
Schweigend folgten die beiden dem verwegenen Führer unter die Erde.
Es führten keine Stufen in die Katakomben hinab. Man mußte sich in die mannshohe Vertiefung Hinunterschwingen; dann sah man, nur wenig den Boden überragend, eine gewölbte Oeffnung. In diese schob man die Füße zuerst, rutschte dann auf schräger, erdiger Bahn abwärts und gelangte so auf den Boden des unterirdischen Leichenfeldes.
Riston leuchtete mit seiner Blendlaterne zur Decke empor und scheuchte damit die daran hängenden Fledermäuse auf, welche bald ein gespenstiges Leben entfalteten. Im Vorwärtsschreiten, wobei Riston wieder voranging, grüßten nun von rechts und links Knochenhände und grinsende Todtenköpfe — eine fülle, unheimliche Gesellschaft.
Durch ein Labyrinth von Gängen und Grabkammern gelangten die Drei zum entgegengesetzten Ende der Katakomben. Hier führten Stufen zu einer verrosteten, eisernen Thür mit zwei Flügeln empor. Riston öffnete sie mit seinem Nachschlüssel. Die Stufen setzten sich jenseits der Thür bis zur Erdhöhe fort, ein Beweis, daß hier hinab die Leichen der zu Beerdigenden getragen wurden.
„Und wo sind wir nun?" fragte Duprat beim Hinaustreten aus der Katakombenvertiefung.
„In meinem Hause," entgegnete Riston.
„In Ihrem —?" lachte Dryden. „Seit wann sind Sie denn Hausbesitzer?"
„In einer so großen Stadt kann man das werden," entgegnete Riston, „ohne je einen Rechtstitel in Händen gehabt zu haben. Ich bin ein Bettler, der von der Gnade des Barons hier lebt, und doch wohne ich in einem palastartigen Hause.
„Allerdings," sagte Duprat, sich umblickend. „So stolze Pfeiler und hohe Wölbungen im Keller lassen auf einen großartigen Oberbau schließen."
„Ich sage Ihnen ja, ein Palast, wenigstens nach meinen bescheidenen Begriffen vom Dasein, und viel zu gut für mich. Aber gehm wir erst hinauf. Ich werde Ihnen das Weitere oben erklären."
dessen Umgebung zu Hause, da gestern abend aus unserer Stadt ein pseudo nym unterzeichnetes Telegramm bei Hrn. Betzeler hier eintraf. Wie man' hört, wurde das Los am Sonntag den 24. ds. durch einen Soldaten hier gekauft und verschickt.
— Das Gerücht, der Reichskanzler werde während des ganzen Sommers von Berlin abwesend bleiben, ist unrichtig. Als Fürst Bismarck auf ärztlichen Rat kürzlich nach Friedrichsruh abreiste, lag es in seiner Absicht, in wenigen Tagen bereits nach Berlin zurückzukehren. Nachdem sich der Reichstag nun auf längere Zeit vertagt hatte, als ursprünglich angenommen wurde, fällt damit ein Grund für die baldige Rückkehr des Fürsten fort. Immerhin darf als sicher angenommen werden, daß er im Laufe des Sommers, voraussichtlich in der zweiten Hälfte des nächsten Monats, wieder in Berlin eintreffen wird.
Rom, 29. Mai. Gestern kamen in Venedig 36 Erkrankungen und 16 Todesfälle, in Bari 3 Erkrankungen und 2 Todesfälle an der Cholera vor.
Catania, 27. Mai. Der Lavastrom vom Aetna ist in Nico- losi eingedrungen. Von hier und von Messina sind Munizipalgarden und Pompiers mit Karren zur Hilfeleistung dorthin abgesandt worden. Unterstützungen und Wohnungen zur Aufnahme von Flüchtlinge werden vorbereitet.
Gemeinnütziges.
— Kaffeeschwindel. In allen Zeitungen liest man jetzt von Kaffee, den Hamburger Handlungshäuser in einem gewissen Quantum für einen, für die genannten Sorten sehr billigen Preis, verkauften. Die Limburger Handelskammer teilt nun Folgendes mit: „Das Geschästsgebahren verschiedener Hamburger und Bremer Colonialwarenhandlungen, wodurch sowohl die ansässigen Kaufleute als auch das Publikum geschädigt werden, veranlaßt uns, zur Kenntnis und Aufklärung des Publikums zu bringen, daß die Limburger Großhändler durch eine Mittelsperson Bestellungen bei einer Hamburger Finna, welche ihre Waren in verschiedenen öffentlichen Blättern angepriesen hatten, machen ließen und die erhaltenen Kaffeesorten einer sorgfälügen Prüfung unterzogen. Das Resultat war folgendes: Anstatt des extrafeinen Ceylon Perl L 1 15 H bezeichneten Kaffee's wurde ordinärer Riokaffee mit ausgeprägtem
schlechtem Riogeschmack und künstlich schwa^ gefärbten Bohnen, dessen Engroswert höchstens 70 H ist, geliefert. Für ächt bläulich Ceylon Plantation ä 1 ^ 10 H ist centralamerikanischer Kaffee gesandt worden, der einen Wert von nicht 90 H hat. Für fein Gold-Java ä 95 H ist Quatemala im Werte von 70 H geliefert worden. Die Gold-Javas L 1 und die braunen Java Menados L 1 20 H wurden als auf warmem Wege gebrühten und gelb, ruß-braun gefärbte geringe Kaffees, die einen Minderwert von 30 pro Pfund haben, ermittelt. Die Untersuchung liefert also das Ergebnis, daß in keinem Falle die bestellten und in der Preisliste genannten Kaffeesorten gesandt wurden."
Calw.
Ean^wietUcüastkiHee AezirAsoeeein.
Mit dem I.Juli beginnt ein neues Abonnement des landwirthschaftr lichen Wochenblatts, das bekanntlich den Vereinsmitgliedern frei ins Haus geliefert wird. Wer daher dieses Wochenblatt vom 1. Juli an beziehen möchte, hätte seinen Eintritt in den landw. Verein anzumelden und zwar vor dem 10. Juni , da spätere Anmeldungen von der Expedition in Stuttgart nicht mehr berücksichtigt werden. Die Anmeldungen sind, soweit es nicht bereits geschehen ist, an den mitunterzeichneten Vereinssekretär zu richten.
Calw, 30. Mai 1886. Der Vereinsvorstand.
Für denselben:
E. Horlacher, Sekretär.
Er führte sie nun über breite Stufen zu einer Thür, die er wie die anderen erschloß.
So gelangten sie in das Parterre eines einst sehr vornehm gewesenen Hauses, dessen Glanz jetzt aber unter einer vierteljährigen Staub- und Spinnenwebenschicht erblichen war, um keine Auferstehung mehr zu feiern. Man meinte noch immer in den Katakomben zu sein, so öde und totenstill war es hier, als wenn da nie eines Lebenden Fuß gewandelt hätte.
Riston führte seine Freunde nach einem Zimmer, dessen dicht verhangene Fenster auf den von hohen Mauern umhegten Hof gingen.
Auch hier war alles vergilbt, verblichen und mit Spinnenweben überzogen; aber es machte doch den Eindruck des Wohnlichen, Behaglichen. Antik geschnitzte Möbel standen in loser Ordnung umher; das Himmelbett war ein Prachtwerk in seiner Art; die Bilder an den Wänden hatten sämtlich den düsteren Ton des Alters. Stellenweise hing die Tapete in Streifen von den Wänden herab.
„Was sagen Sie nun zu meiner Wohnung?" fragte Riston. Er zündete eine Lampe und dann auch in dem offenen Kamin ein Feuer an.
Die Freunde sprachen mit ihrer Zufriedenheit auch ihre Verwunderung aus, daß er so ungeniert hier Hausen könne.
„O, sehr einfach," entgegnete Jener. „Ich hatte das stille Haus schon lange mit aufmerksamen Blicken betrachtet und immer die gleiche Beobachtung gemacht, daß Niemand darinnen sei. Ich erkundigte mich also und erhielt eine Erklärung, die zuerst den Wunsch, mich hier einzulogieren, in mir erweckte. Ich konnte nämlich nichts weiter erfahren, als daß man es allgemein das öde Haus nannte, daß es seit vielen Jahren unbewohnt und nach allgemeiner Annahme auf den Abbruch zu verkaufen sei. Das war nach meinem Geschmacke."
„So etwas kann natürlich nur in ganz großen Städten Vorkommen," sagte Duprat. „Aber es wundert mich, daß Sie hier noch keinen Besuch aus dem „Fuchsbau" empfangen haben."
„Bah! Wer vermutet solche Wohnlichkeit hinter diesen tristen Mauern und den immer geschlossenen grünen Fensterladen. Auch ich glaubte, das Haus sei ganz leer, und so wird es wohl Allen hier gehen." (Fortsetzung folgt.)