Paris, 28. Nov. Die Regierung hat be­schlossen, Don Carlos verhaften zn lassen, sobald er den französischen Boden betreten werde.

Nach demFigaro" wäre der Plan des Don Carlos der : zusehen, wie die Republik errichtet wird, welche nach einigen Monaten sich unmöglich gemacht haben wird. Die Republikaner werden Spanien schnell an den Rand des Abgrundes ge­führt haben. Dann wird Don Carlos kommen und sich an die Spitze aller Konservativen stellen. Bis auf Weiteres bleibt er in Venedig. Warum man den König in das ungesunde, feuchte Jagdschloß El Pardo bei Madrid übersiedcln ließ, begreift man schwer. Dr. Camison riet stets zu einer Reise nach dem Süden, es scheint aber, daß das Ministe­rium aus politischen Gründen sich gegen eine weite Entfernung des Königs von der Hauptstadt aussprach, und König Alfons selbst wollte auch lieber in Mad­rid bleiben. Die Todesursache war nicht Diphteri- lis, auch nicht Dysenterie, sondern Schwindsucht, zu welcher sich wandernde Blutgeschwüre gesellt hat­ten, die schließlich in Blutvergiftung übergingen.

Die Carlisten, welche am Mittwoch in der Kirche der Avenue de Hoche in Paris einer Messe für die Thronbesteigung des Don Carlos beiwohn­ten , haben in Spanien schon seit Monaten eine fieberhafte Thätigkeit und unerhörte Kühnheit zur Erreichung ihres Zieles. Don Carlos auf den spa­nischen Thron zu setzen, an den Tag gelegt. Von dem Klerus und den Klöstern werden sie cifrigst unterstützt. Ob die Hoffnung der spanischen Libe­ralen, die Armee werde sie gegen die Carlisten un­terstützen, begründet sei, wird sich bald zeigen. Viel­leicht blüht aber noch besser als den Carlisten der Weizen den Republikanern.

Spanien.

Madrid, 26. Nov. Canovas begab sich ge­stern abend nach dem Pardo und überreichte der Königin die Demission des Ministeriums, welche an­genommen wurde.

Madrid, 27. Nov. Alle entlassenen, noch militärpflichtigen Soldaten sind wieder einberufen. Die Armee wird dadurch uni 60 000 Mann verstärkt.

Am 26. ds. ist eine merkwürdige Fügung des Schicksals der Hauptgegner der Berufung Alfonso's auf den Thron, Marschall Serrano, gestorben.

In allen Zeitungsartikeln über den Tod des Königs Alfonso XII. kehrt die Befürchtung wie­der, daß Spanien damit in eine neue Aera der Revo­lution eingetreten sei. Die Karlisten rüsten sich mit Eifer zu einem neuen Kriege. In Provinzen, in de­nen der Karlismus bisher nie Fuß fassen konnte, hat er Boden gewonnen. Don Karlos versicherte zwar, daß er bei Lebzeiten des Königs nichts gegen denselben unternehmen werde, aber nach den letzten Nachrichten über die fieberhafte Thätigkeit der Kar­listen schien der Prätendent schon längere Zeit den Tod des Königs als nahe bevorstehend anzusehen. Wie dem auch sei, zunächst tritt jedenfalls die Re­gentschaft der Königin Marie Christine ein. Nach Art. 68 der spanischen Verfassung fällt die Regent­schaft der Königin zu, so lange sie sich nicht wieder­verehelicht.

König Alphons, geboren am 28. Nov. 1857, einziger Sohn der im Jahre 1868 vertriebe­nen Königin Jsabella II. und des Jnfanten Franz von Assisi, wurde am 30. Dezember 1874 zum Kö­nige von Spanien proklamiert infolge des v. Mar- tinez Campos und Canovas del Castillo herbeige- führtcn Sturzes der Diktatur des Marschalls Ser­rano. Am 9. Januar 1875 stieg der 18jährige Kö­nig in Barcelona ans Land, hielt am 14. desselben Monats seinen feierlichen Einzug in Madrid und wurde bald darauf von den Großmächten bedingungs­los anerkannt. Annähernd 11 Jahre hat König Al­fons den spanischen Thron behauptet, und in dieser Zeit seinem Lande den Frieden, die Anerkennung und Achtung des Auslandes und wirtschaftliches Ge­deihen in einem Maße wiedergegeben, wie es das durch Parteikämpfe und Militäraufftände zerrissene, politisch und wirtschaftlich fast zu Grunde gerichtete Land seit langen Jahren nicht gekannt hatte. Nach­dem es dem jungen Könige, der Mut mit Energie und Besonnenheit vereinigte, gelungen war, den Car­listenaufstand niederzuschlagen, hat der ehedem per­manente Bürgerkrieg in Spanien ein Ende gefunden, einzelne Militär-Revolten wurden schnell und erfolg­reich niedergeschlagen. Legitime Thronerbin ist die

älteste Tochter des Königs und seiner zweiten Ge­mahlin (Tochter des verst. Erzherzogs Karl Ferdi­nand von Oesterreich), die am 11. September 1880 geborene Prinzessin von Asturien, Maria de la Mer­cedes. Es steht also eine langjährige Regentschaft bevor. Wie ein heutiges Telegramm meldet, soll Prinzessin Mercedes, unter der Regentschaft der Königin-Mutter, zur Königin proklamiert werden. Das war wohl vorauszusehen, nachdem Jsabella ihren Frieden mit Spanien längst gemacht. Aber cs ist doch sehr zweifelhaft, ob gerade diese Dame geeignet ist, den von Gefahren umgebenen Thron mit Erfolg zu schützen.

Serbisch-bulgarischer Kriegsschauplatz.

Sofia, 27. Nov. Die Bulgaren überschritten gestern die serbische Grenze und nahmen nach hart­näckigem Kampfe die serbischen Positionen bei Pirot.

Sofia, 28. Nov. früh. Nachrichten aus Pirot von gestern nachmittag 3 Uhr: Nach heftigem, seit heute früh 7 Uhr dauerndem Kampfe räumten die Serben ihre Positionen links von Pirot, rechts dauert der Kampf noch fort. Im Centrum findet starker Artilleriekampf statt.

Sofia, 28. Nov. Sicherem Vernehmen nach hat Fürst Alexander in Rücksicht auf die Collektiv- note der Mächte, sowie in Rücksicht auf die durch sein siegreiches Einrücken in Pirot gewahrte Ehre der Waffen die Einstellung der Feindseligkeiten angeordnet, um die Verhandlungen über die Bedingungen des Waffenstillstandes zu eröffnen.

Sofia, 28. Nov. Die Bulgaren besetzten gestern abend Pirot, der Fürst zieht heute in die Stadt ein.

Sofia, 29. Nov. In einem kritischen Mo­ment während des Kampfes bei Pirot sprang Fürst Alexander vom Pferde und wollte mit blankein De­gen an der Spitze der Colonne Vorgehen. Ein Of­fizier deckte ihn mit seinem Leib. Der Fürst drängte ihn zurück und erreichte seinen Zweck, daß die Ba­taillone vordrängten und den Rückzug der Serben erzwangen.

Bukarest, 26. Nov. Die vor Widdin stehen­den serbischen Truppen machten gestern noch einen abermaligen vergeblichen Angriff auf die Festung. Nachrichten aus Belgrad zu Folge ist der Befehl zur Einstellung des Angriffs auf Widdin abgegangen.

Es muß im serbischen Heere eine völlige Entmutigung, eine förmliche Auflösung aller Bande eingetreten sein; nur dadurch läßt sich das rapide Zurückweichen desselben vor den anrückenden Bulga­ren erklären. Die Truppen sehen sich bereits ge­nötigt, sich gegen Nischrückwärts zu konzentrieren." In dieser fatalen Lage sandte Milan einen höheren Offizier in das bulgarische Hauptquartier mit der Mitteilung, daß infolge der Intervention der Groß­mächte der Waffenstillstand angenommen sei. Der bulgarische Kommandant erwiderte, er habe dazu kei­nen Befehl vom Fürsten. Erst vor kurzem hat be­kanntlich der Fürst von Bulgarien auf das erste von der Pforte gestellte Verlangen, die Feindseligkeiten einzustellen, erwidert, daß er es feiner Armee schul­dig sei, nicht früher als auf serbischem Boden den Waffenstillstand zu bewilligen. Nun stehen die Bulgaren auf serbischem Boden. Sollte Fürst Alexander trotz aller Abmahnungen doch auf der Fortsetzung seiner Offensive bestehen, so müßte es in der Umgebung von Pirot zu einer Hauptschlacht kommen, über welche heute noch eine Meldung ein- treffen kann. (s. oben.)

Nach einer Depesche derK. Z." aus Sofia wünscht Fürst Alexander, daß die Mächte Ser­bien zur Zahlung einer Kriegsentschädigung von 30 Millionen Franks anhalten. Andernfalls würde Bulgarien nach der Meinung der maßgeben­den Persönlichkeiten gezwungen sein, sich selbst Recht und Sühne zu verschaffen.

Türkei.

Die Botschafter-Konferenz in Konstantinopel kann nach dem Verlauf der letzten Sitzung jetzt als gescheitert angenommen werden. England hat näm­lich Vorschläge, die dein Berliner Vertrag schnur­stracks zuwiderlaufen. Die Festlandmächte sind unter sich einig geblieben und werden Entschließungen un­abhängig von England treffen.

Griechenland.

Von den Griechen wird jetzt der Grund angegeben, warum sie noch nicht losgeschlagen ha­ben. Herr Moraitines hat ein neues Schießpulver erfunden, mit welchem die Armee versehen ist. Lei­

der hat sich neuerdings herausgestellt, daß besagtes Pulver gewöhnlich nicht explodiert. Was sollen nun die Griechen bei aller ihrer Tapferkeit mit den kal­ten Flinten machen, da dreißigtausend Türken in nächster Nähe lagern, welche schießen können?

Iie^Llebüngslimder. Nachdruck

Novelle von M. Gerb rau dt. verboten.

(Fortsetzung.)

Höre, diese Ermahnng klingt mir verdächtig! rief Alphons lachend.Sie bedeutet am Ende nur in deutlichen Worten: Laß mir auch ein Fleckchen, wo ich die Erstlinge meiner Galanterie einernten kann.

Nun, was Fräulein v. Salwitz anlangt, so weiß ich doch nicht, ob ich die Kleine nicht noch einen Jahrgang reifer werden lasse. Alexander wird doch hoffentlich einmal zurückkommen, und wenn ich mir auf irgend eine andere Art zu helfen weiß, wäre ich ein Narr, wenn ich mich voreilig ins Ehejoch spannte. Also Aurelie v. Salwitz wegen werde ich meiner Liebenswürdigkeit noch keine Schranken an- legen. Doch nun will ich mich empfehlen, ehe Du Deinen Mund aufthust und anhebst, eine Deiner bekannten Moralpredigten über meine Verschwendung zu reden."

Einige Zeit, nachdem Alphons das Zimmer verlassen, trat Frieda ein und legte auf Arthurs Schreibtisch einen Brief, der eben für ihn abgegeben worden war. Sie hatte sich sichtlich bemüht, eine ruhige Miene anzunehmen, aber als jetzt Arthur seine schönen ernsten Augen mit sanftem Vorwurf zu ihr erhob, schlug eine jähe Röte über ihr Gesicht, und sie versuchte sich hastig abzuwenden.

Arthur legte seine Hand auf die ihre, die noch auf dem Schreibtuch ruhte.

Liebes Fräulein. wollen Sie mir erlauben, als der Bruder Valeriens, für die Sie immer so viel Liebe und Zuneigung zeigten, Ihnen ein paar Worte zu sagen? Ich verkenne ja nicht, mein Fräulein, daß Ihre Stellung hier im Hause eine recht schwierige ist; aber nicht wahr. Sie lassen sich dadurch nicht verleiten, sich einem Jrrtume in Be­zug auf meinen Bruder hinzugebcn, den Sie früher oder später schmerzlich bereuen würden?"

Frieda sah ihn mit einem langen Blick an, der ihm ins Herz schnitt, und sagte nur kaum hör­bar:Auch das noch!" wandte sich und ging zur Thür. Hier aber überfiel sie ein heftiges Schluch­zen, daß sie, das Antlitz verhüllend, sich wankend an einen Sessel lehnen mußte.

Arthur stand verwirrt dabei, wußte nicht, was er davon halten sollte, und bereute schließlich bitter, was er angerichtct. Aber es dauerte lange, ehe er durch Bitten und Fragen Frieda zur Antwort be­wegen konnte.

Wenn ich nur einen Menschen gehabt hätte, den ich um Beistand hätte bitten können," klagte sie endlich von Thränen oft unterbrochen.Fräulein Valerie Frau Bergen kommt so selten her ich wollte mich schon an sie wenden, aber ich dachte

Sie haben ohnehin so viele Sorgen ^-und

ich schämte mich auch, Ihnen das zu sagen. Die gnädige Frau aber sah neulich zu, wie Herr Alphons mich wie er zudringlich gegen mich war, und sie ach Gott!" Frieda stützte lauter aufschluch­zend die Stirn an die Sessellehüesie lächelte dazu!"

Arthur sah starr und finster vor sich hin. Die Röte der Scham war brennend in seine Wange gestiegen. Und wie oft schon hatte er dies demü­tigende Gefühl gehabt, wenn Fremde von seinen Angehörigen sprachen!

Verzeihen Sie mir!" rief er endlich mit Herzlichkeit, indem er ihre Hand ergriff.Sie sol­len ihrer Leiden in diesem Hause bald überhoben sein. Erschrecken Sie nickt, es wird ohne Eclat, ohne Nachteil und ohne Unannehmlichkeit für Sie geschehen. Ich will mit meiner Schwester Valerie sprechen, und Valerie wird Mama bitten, Laß Sie in ihr Haus kommen. Ist Ihnen das recht?"

Friedas Augen strahlten plötzlich vor Freud», obgleich die Thränen noch an ihren Wimpern hingen.

Dann wäre der größte Wunsch meines Lebens erfüllt !" rief sie begeistert.Wie soll ich Ihnen danken, ich"

Sie senkte abbrechend plötzlich den Blick vor dem seinen, erwiderte kaum seinen Händedruck und eilte in lieblicher Verwirrung hinaus.