Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donnerstag nnd Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 8t) -I, in dem Bezirk 1 4,

außerhalb des Bezirks 1 »6 20 4. Monats­abonnement nach Verhältnis.

Samstag dm 28. November.

JnsertionSgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge­wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 «I, bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgcgeben sein.

1885 .

Amtliches

Nagold.

Un die Artsvorsteher.

Genreinderats-Wahlen betreffend.

Die Gemeindebehörden werden hiemit erinnert, für die Vornahme der Ergänzungs-Wahlen der Ge­meinderäte im nächsten Monat Dezember an den bleibend festgesetzten Tagen rechtzeitig die erforderliche Einleitung zu treffen, nach Ablauf der gesetzlichen Frist von 8 Tagen für die Anbringung etwaiger Beschwerden gegen die Gültigkeit der Wahl und wenn sonst ein Anstand nicht obwaltet, die Beeidigung der Neugewählten vorschriftmäßig zu vollziehen und so­fort über das Wahl-Ergebnis den vorgeschriebenen Bericht hieher zu erstatten, wobei insbesondere dar­auf aufmerksam gemacht wird, daß der Bericht den vollständigen Namen, Stand oder Gewerbe und etwaiges Nebenamt, Tag und Jahr der Geburt, so­wie die Zeit der Verpflichtung des Gewählten auch dessen etwaige gerichtliche Vorstrafen zu enthalten hat.

Den 26. November 1885.

_ K. Oberamt. G üntner. _

Tages-Neiriaketten.

Deutsches Reich.

Aus einem gehaltenen Vortrag des Stadt­schultheißen Haffncr in Calw über das abge­änderte Gemeindeangehörigkeitsgesetz heben wir einige Punkte hervor, die sich auch für unsere Leser interessieren und sie in der Sache etwas beleh­ren wird. Große Aenderungen erfuhren die bisheri­gen Bestimmungen betreffend die Erlangung des Bürgerrechts. Mit dem 1. Januar 1886 erhält z. B. ein hier schon im 3. oder 4. Jahre lebender und Wohnsteuer bezahlende Einwohner das Bürgerrecht in der Gemeinde gegen eine zu entrichtende Gebühr von 3 ^6; ferner ein im 1. oder 2. Jahre hier An- säßiger 5 während ein neu Zuziehender sofort oas Bürgerrecht erlangt gegen die Entrichtung von 15 -4L; bei allen vorausgesetzt, daß sie Württember- ger sind oder sich das württ. Staatsbürgerrecht er­worben haben. Das Gesuch zur Erlangung des Gemeindebürgerrechts ist beim Gemeinderat anzu­bringen und entscheidet dieser über Aufnahme oder Abweisung. Den Aufgenommenen stehen Wahl- und Wählbarkeitsrechte sofort zu, insofern sie sich in die­ser Zeit im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte be­finden, nicht im Konkurs sind oder im vorangegange­nen Jahre keine Beiträge zu ihrer oder ihrer Familie Unterstützung aus öffentlichen Kassen empfangen ha­ben. Solche Fälle sind auch mitbestimmend bei der Aufnahme seitens des Gemeinderats. Nichtgemeinde­mitglieder, die in ihrer Heimatgemeinde bisher Rekognitionsgeld (weil ortsabwesend die Hälfte der Bürgersteuer) zu entrichten hatten, werden daselbst nach dem neuen Gesetz fernerhin das ganze, also den doppelten Betrag zu bezahlen haben. Die Folge davon ist leicht vorauszusehen. Wer nicht vorzieht,, in beiden oder mehreren Gemeinden Bürgerrecht zu besitzen, wird sich jedenfalls in seiner Heimatgemeinde ab- und nur da anmelden, wo er gegenwärtig an­sässig ist.

In der großen bisher ungenügend mit Wasser versorgten Gemeinde Baiersbronn (Freudenstadt) ist jetzt eine Wasserleitung mit Hochreservoir von 200 Eimern hergestellt, welche 8 öffentliche, 1 Pri­vatbrunnen und 9 Hydranten speist.

Die Schwurgerichtssitzungen des I>. Quartals am Landgerichte Tübingen beginnen am Freitag den 11. Dezember vorm. 9 Uhr. Für

die Dauer derselben ist Herr Landgerichtsdirektor von Häcker zum Vorsitzenden ernannt worden.

Ein 17jähriger Schriftsctzerlchrling, Sohn eines Stuttgarter Schneidermeisters, hatte sich in der Stille ei» Sümmchen von 173L ans der Kommodeschublade seines Vaterszusammengespart" und wollte damit nach Bulgarien, um demFürsten Alexander zu Hilfe zu eilen", wie er in einem hinlerlasscnen Briefe seinen Eltern mitteilte. Glück­licherweise gelang cs aber dem Vater, seinen heldenmütigen Filius am Bahnhose in dem Augenblicke zu erreichen, als er ein Billet nach Wien lösen wollte. Der junge Held steht be­reits wieder am Setzkasten und handhabt Winkelhacken und Buchstaben, anstatt das Schwert zu schwingen.

Auf einer von Sr. Hoh. Prinz Hermann von Sachsen-Weimar aus der Korn Westheim er Mar­kung abgehaltenen großen Treibjagd wurden 120 Hasen erlegt.

Die hauptsächlichen einmaligen Ausgaben des Militäretats für Württemberg sind folgende: Zu den Kosten für eine 1886 zu haltende Kavallerieübung 25,188 -4L Zur Beschaffung von Konservenvorräten, voller Bedarf 170,000-/1L Zum Bau eines Land­wehrdienstgebäudes in Stuttgart (letzte Rate) 165,000 Mark. Neubau eines Jntendanturdienstgebäudes für das 13. Armeekorps in Stuttgart 236,000 (letzte Rate), Gesammtkosten 336,000 Mark. Neubau von Stallungen in Ludwigsburg 131,000 Mark, in Ulm 138,000 Mark. Zur Beschaffung derjenigen Ver­bandsmittel und Geräte, welche erforderlich sind, um die antiseptische Wundbehandlung im Felde und in armirten Festungen, der jetzigen Methode vollkom­men entsprechend zur Durchführung zu bringen (1. Rate) 50,000 Mark, Gesammtbedarf 84,000 Mark. Zur Vervollständigung des Waffenmaterials 483,000 Mark.

Brandfälle: In Eglingen (Neresheim) am 24. ds. das Haus des Metzgers Zett; der Ab­gebrannte ist nicht versichert.

Würzburg, 22. Nov. Prof. Semper, der bekanntlich in der Karolinen-Affaire schon eine Rolle gespielt hat, hielt dieser Tage laut Frkf. Ztg." hier einen Vortrag im Kolonialverein über die Karolinen- Jnseln, auf denen er 10 Monate gelebt hat. Er führte aus, daß er die Erwerbung dieser, sowie der Palao-Jnseln, seitens Deutschlands für keinen großen Gewinn erklären könne, dagegen den Anspruch der Spanier auf dieselben als durch nichts berechtigt be­zeichnen müsse. Die Handelsbeziehungen mit einer einzigen spanischen Stadt, mit Barcelona, erachtet er für wertvoller als das erwähnte gesamte Jnselgebiet. Prof. Semper berechnet den Wert der aus letzterem zu exportierenden Produkte auf höchstens 200 000 »kL; das der Kultur zugängliche Gebiet schätzt er im gan­zen auf 36 Quadratmeilen.

Verdienste der Kellnerinnen in Mün­chen. Eine Kellnerin in einer dortigen frequenten Brauerei, welche 2 Jahre ununterbrochen dortselbst im Dienste war, verdiente während dieser Zeit 2100 Mark und zwar nach ihrer eigenen Aussage nur durch die dort eingeführten Trinkgelder, während sie ihren Mouatslohn für eine Aushelferin zum Krüge­putzen verwenden mußte. Dieselbe hat nun das Dienen satt, heiratet und nimmt eine eigene Wirt­schaft in Pacht. (Schade, daß nicht alle Kellnerinnen so gut daran sind,)

(Grausamer Selbstmord.) In Stein, wo sich die großen Faber'fchen Bleistiftfabriken befinden, hat vor wenigen Tagen ein Bleistiftarbeiter Namens Strohm sich auf eine grausame Weise das Leben genommen. Er tränkte seine Kleider mit Spiritus, zündete solche an. legte sich dann ins Bett, das als­bald brannte. Der Mann erlag seinen Verletzungen.

Darm st adt, 28. Nov. Prinz Alexander er­hielt folgende Depesche aus Zaribrod vom 26. ds.: Heute überschritten wir die Grenze und gehen nach Pirot. Bis auf Widdin ist Bulgarien von Serben frei. Wir beide sind wohl. Alexander."

Der böse Fiscus ist mit seiner Diätenklage auch gegen den Reichstagsabgeordneten Kräcker in Breslau in's Hintertreffen geraten. Art. 32 der Verfassung, so heißt es in der abweisenden Begrün­dung, enthalte kein Verbot der Diätenannahme aus Privatmitteln. Trotzdem wird der Fiscus auch in diesem Fall die Sache weiter treiben.

Berlin, 15. Nov. Eine derNordd. Allg. Ztg." aus Belgrad von heute morgen zugegangene Mitteilung bestätigt, daß die drei Kaisermächte, denen sich England, Frankreich und Italien angeschlosfen haben, in Belgrad das Verlangen der Einstellung der Feindseligkeiten gegen Bulgarien gestellt hätten und daß auf Befehl des Königs Milan diesem Ver­langen sofort Folge gegeben worden sei.

Berlin, 21. Nov. (Reichstag.) Etatberatung. Staats­sekretär Burchard weist auf die günstigen Wirkungen der bei­den letzten Steuernovellcn hin und betont die Notwendigkeit der Mehrausgaben für das Rcichshcer. Die demnächst vor- zulegende Zuckcrsteuerreform, sowie die Erhöhung der Brannt­weinsteuer würden die Finanzlage weiter bessern. Hucne will den Mehrausgaben für das Heer zustimmen, indem er darauf vertrant, daß nur der zwingendsten Notwendigkeit gehorcht werde. Richter bezeichnet die Finanzlage als höchst unerfreu­lich und bekämpft die Mehrausgaben für das Heer und die Marine; er bezweifelt die Erfolge der Kolonialpolitik, v. Maltzahn-Gültz betont die Notwendigkeit der Mehrausgaben für die Armee und stimmt einer vorsichtigen Branntwcinsteuer- reform und Zuckersteuerreform zu. v. Benda beklagt die vor- gekommcnen Etaisüberschreitungcn, verteidigt jedoch die Kolo­nialpolitik der Regierung. Liebknecht erklärt ein beständiges Wcitcrbcwilligen für unmöglich und will den ganzen Etat ab- lehncn.

Berlin, 24. Nov. DieNat.-Ztg." weiß von Aeußerungen, welche Fürst Bismarck iin Privatge­spräch über die Branntweinsteuer gemacht habe. Das Blatt schreibt: Die Persönlichkeit, mit welcher der Kanzler das Gespräch führte, hatte sich zu Gunsten einer erheblichen Erhöhung der Branntweinsteuer, namentlich auch behufs Einschränkung der Trunksucht geäußert; Fürst Bismarck bestritt, daß diese so ver­breitet sei, wie vielfach behauptet werde, und berief sich dabei auf seine persönlichen Erfahrungen unter der ländlichen Bevölkerung. Mit einer Steuer-Er­höhung, welche die Belastung des Branntweins un­gefähr verdoppeln würde, schien Fürst Bismarck in­des einverstanden zu sein, wobei er annahm, daß der Schankwirt, der jetzt unbillig viel verdiene, die Er­höhung teilweise tragen würde; er sprach deshalb auch sein Bedauern darüber aus, daß s. Z. das Schanksteuergesetz nicht zu Stande gekommen sei.

Berlin, 25. Nov. Der Reichstag beendete in seiner heutigen Plenarsitzung die Gencralsdiskussion des Etats und überwies mehrere Titel dem Antrag von Benda gemäß an die Budget-Kommission . Im Laufe der Debatte erklärte Staats­sekretär Dr. v. Stephan gegenüber dem Abgeordneten der Reichs- Partei, Geh. Reg.-Rat Gamp, es sei unmöglich, am Postetat Ersparungen zu machen; die ganz unerwartet günstigen Post- erträge könnten noch größer sein, wen» nicht so viel porto­freie Sendungen befördert werden müßten. Alle Ausgaben für die Post seien produktiv. Alle Welt ahme die deutschen Posteinrichtungen nach. ReichstagSabg. Rechtsanwalt Payer- Stuttgart (Volkspartei) hatte die stetig steigenden Militärla­sten, sowie die Koloniolpolitik und die Zollpolitik bekämpft. Der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung de- Biehseuchen- Gesetzcs, wurde an eine Kommission von 21 Mitgliedern über­wiesen.

Große Sensation erregt die Verhaftung einer Anzahl von Zahlmeistern des VI. und V. preußischen Armeekorps (bei letzterem allein 11). Dieselbe hängt mit der Untersuchung zusammmen,