61 . Jahrgang.
Mo. 60 .
Amts- unä IntelligenMatt für äen Kezir^.
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Dienstag, äen 25. Mai 1886
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H'oLitifctze Wcrcbvrchten.
Deutsches Reich.
Berlin, 21. Mai. Der Reichstag genehmigte debattenlos die Denkschrift über die Ausführung der seit 1879 erlassenen Anleihegesetze, sowie in dritter Beratung die Vorlage, betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechlsstreitigkeiten. Die Zuckersteuervorlage wurde ebenfalls in dritter Lesung unverändert definitiv genehmigt. Es folgte die Interpellation Hasenclever, betreffend das Verhalten der preußischen Behörden bei Arbeitseinstellungen. Hasenclever begründet seine Interpellation. Die Regierung wolle im Lohnkampfe die reichen Arbeitgeber gegen die Arbeiter unterstützen; das sei ihre Sozialreform. Die Erbitterung der Arbeiter wachse angesichts solcher Maßregeln außerordentlich. Er erklärt schließlich das jetzige Polizeiregiment für eine Schande und Schmach. (Der Präsident ruft den Redner zur Ordnung.) Staatssekretär v. Bötticher erklärt, daß die betreffende Verfügung dem Bundesrat nicht zugegangen sei, daß derselbe auch keine Veranlassung gehabt habe, sich mit demselben zu beschäftigen. Als preußischer Bevollmächtigter müsse er aber sagen, daß in der Verfügung keine Verletzung des Neichsgesetzes zu erkennen, daß auch keine Bevorzugung der Arbeitgeber darin enthalten sei. Der Erlaß hebe ausdrücklich hervor, daß die Polizeigewalt sich jeder Parteinahme für die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer enthalten solle. Die Regierung wolle lieber den Vorwurf, der in der Interpellation liege, entgegennehmen, als daß ihr friedliche Bürger Vorwürfen, sie hätte die Ruhe und Ordnung gefährdenden Uebergriffe nicht mit allen Mitteln bekämpft. Die Auslegungen und Bestrebungen Hasenclever's und seiner Freunde seien nicht politisch, nicht patriotisch, nicht deutsch. (Lebhafter Beifall.) Auf den Antrag des Abgeordneten Meister (Sozialist), der mit Mühe die nötige Unterstützung findet, wird die Interpellation besprochen. B-amberger würde in dem Erlaß keine Gesetzwidrigkeit erblicken, wenn er die Versicherung bekäme, daß er nicht die Koalitionsfreiheit der Arbeiter einschränke. Darum provoziere er eine Interpellation des Ministers nicht nur im Interesse der Arbeiter, sondern mehr noch in demjenigen der Arbeitgeber, die nicht die Meinung aufkommen lassen dürfen, daß ihnen die Regierung in ihren Auseinandersetzungen mit den Arbeitern helfe. Minister v. Puttkamer erklärt, der Erlaß sei anderen Bundesstaaten nicht mitgeteilt worden, enthalte auch keine Direktive zu Einschränkungen der Koalitionsfreiheit, sondern sei diktiert von dem Gefühl der Verantwortlichkeit der Regierung für die Ruhe und Sicherheit, die durch jede größere Lohnbewegung in Frage gestellt werde. Das Socialistengesetz werde, wenn nötig, bis zu
seinen äußersten Konsequenzen angewandt, bis aufs äußerste ausgenützt werden. Die Leiter der Streik-Bewegung seien zweifelhafte Elemente, die er ausweisen lassen werde, keine Arbeiter. Windthorst: Der Erlaß sei formell berechtigt, sachlich aber bedenklich, wenn er nicht loyal ausgeführt werde. Die Koalitionsfreiheit würden er und seine Freunde schützen. Es sprachen nochmals Minister v. Puttkamer und Bam berge r. Damit ist die Sache erledigt. Montag: Branntweinsteuer.
— Preußen hat beim Bundesrat einen Antrag gestellt, wonach über Sprembergauf Grund des Sozialistengesetzes der kleine Belagerungszustand zu verhängen sei.
Berlin, 22. Mai. Die Mitteilung, daß die Offiziere der deutschen Armee keinen Sommerurlaub in diesem Jahre erhalten, ist unzutreffend. Thatsache ist nur, daß die Offiziere keinen Urlaub nach Frankreich bekommen, aus Gründen, die angesichts der Dehnbarkeit des Französischen Spionengesetzes nahe genug liegen.
Karlsruhe, 20. Mai. Der Erbgroßherzog bedarf nun keines ärztlichen Beistandes mehr; auch die Krankenschwestern sind entlassen worden, nachdenk der Prinz dieselben reich beschenkt hatte. Die Uebersiede- lung nach Baden soll in Bälde erfolgen; der Freiburger Haushalt ist aufgelöst worden.
Frankreich.
— Die Regierung der französischen Republik hat auf den 30. l. M. eine Volkszählung ungeordnet und sich, um auch die im Auslande wohnenden Staatsangehörigen mitzählen zu können, an die sämmtlichen Negierungen der deutschen Staaten mit dem Ersuchen gewandt, die Zahl, das Geschlecht, die Lebensstellung rc. derjenigen französischen Unterthanen feststellen zu lassen, selche sich am 30. d. M. in einem deutschen Orte aufhalten. Demzufolge sind die Lokalpolizeibehörden bei uns angewiesen worden, hierüber die betreffenden Angaben zu sammeln und höheren Orts einzureichen.
Paris, 22. Mai. Es hat ein gewisses Aufsehen erregt, daß sich der „Temps" mit großer Entschiedenheit gegen die Ausweisung der Prinzen ausspricht. Wie es heißt, sind die Minister bezüglich dieser Angelegenheit uneinig; Frcycinet soll sich schwankend zeigen. Der Präsident der Republik habe bis jetzt mit seiner Meinung zurückgehalten. — Wie in diplomatischen Kreisen erzählt wird, hat der Großfürst Wladimir am Dienstag Abend bei dem Diner der Prinzessin Sagan dem deutschen Botschafter und anderen Diplomaten gegenüber seinen Unmut geäußert,
Atllklltzfütl 1 Nachdruck v-rboten.»
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
Duprat nahm hierauf sein Notizbuch hervor, schrieb etwas hinein, riß daß betreffende Blatt heraus und schob es dem Baron über den Tisch zu.
Dieser las zu seiner großen Beunruhigung das Folgende: „Zwei gewiegte Criminalbeamten. Wie kommen wir ungesehen hinaus?"
Dryden griff in seine Westentasche, um ein Bleistiftstückchen daraus hervor zu nehmen und unauffällig eine Antwort zu schreiben.
Unglücklicherweise fegte er dabei mit dem Ellenbogen das ihm zur Seite liegende Blatt vom Tisch, und da Duprat sich eben wieder zu Riston gewendet hatte und heimlich nach den Beamten hinüber schielte, bemerkte keiner der Drei das Verschwinden des Blattes, bis ein hinter dem Baron sitzender Kerl es diesem mit einem verschmitzten Lächeln wieder überreichte.
ein Blatt verloren," sagte er. Und sich noch weiter über den Tisch hlnnergend, raunte er dem erschreckten Duprat zu: „Haben nichts zu furchten. Nur sitzen bleiben. Die gehen noch ohne Licht hinaus."
Dann zog sich der Andere, ein Mensch mit abstoßend häßlichen Zügen, Eder hinter seinen Tisch zurück. Als Duprat dann nach einem entsetzten Blick auf seinen Freund noch einmal zu ihm hinüber blickte, nickte jener ihm gememvertraulich zu, als wenn sie nun Verbündete wären.
Dem Prokuristen war die Gegenwart dieses Menschen momentan fast unheimlicher als die Anwesenheit der Kriminalbeamten. Jene kannte er nur vom Sehen, und wenn es ihm und Dryden gelang, unbemerkt zu entkommen, hatte er von ihnen auch nichts weiter zu befürchten. Dagegen konnte dieser Verbrecher unter Umständen sehr lästig und gefährlich werden, zumal wenn man genöthigt war, sich noch weiter mit ihm einzulaffen. Das erwog Duprat
bei sich, als er ihn noch weiter heimlich beobachtete. Er bekam förmlich Angst vor diesem Menschen.
Seine Augen suchten den Baron; der aber zuckte die Achseln und machte selbst eine sehr verlegene Miene. Er setzte sich halb mit dem Rücken nach dem Beamten herum und stützte den Kopf in die Hand, so daß nun auch Duprat selten mehr einen Blick von ihm erhaschte.
Soltmann und Neubert hatten den Kahnführer indessen im Kümmelblättchen engagiert und ihre Tischgenossen durch des letzteren Glück in Spannung und Aufregung erhalten, als der Mann mit dem häßlichen Gesicht das Bündel sich angelte, um zunächst nach Art neugieriger Leute ein Bischen darin zu kramen.
„Plunder!" murmelte er und blickte grinsend auf Duprat.
Aber wie entsetzte er sich, als er dessen leichenblasses Antlitz sah, aus welchem ein paar weil aufgerissene Augen gläsern hervorstierten.
Duprat hatte ihn das Bündel entfalten sehen und war durch den Anblick der darin enthaltenen Dinge in solchen heftigen Schrecken versetzt worden.
Aber so rasch wie dieser ihn übermannt hatte, so rasch erholte er sich wieder davon, nur nicht so schnell, als daß der Andere sein Erschrecken nicht bemerkt hätte. Riston und der Baron, welche miteinander sprachen, wurden davon nichts gewahr.
Inzwischen hatte Neubert ärgerlich die Karten hingeworfen und der Schiffer, der nur auf diesen Augenblick gewartet hatte, sie gierig aufgegriffen, um damit seinen Begleiter allein zu rupfen.
Er ließ Soltmann ein paar Mal zum Schein gewinnen; dann aber begann der Rückfluß in seine eigene Tasche, und die freudige Aufregung darüber ließ ihn seinen Wasserfund vollständig ignorieren.
Der Plan der Beamten schien seinem Gelingen nahe.
Neubert hatte schon mehrfach nach dem Bündel geschielt und mit Besorgnis die gefährliche Nähe des häßlichen Menschen wahrgenommen.
Dieser wußte aber, was nun folgen würde. Er hatte das Spiel der Beamten durchschaut; und als Neubert jetzt wieder hinblickte, lag er 'chlafenk