Der Gesellst,alter.

Amts- und Intelligenz -Blatt siir den Oberamts-Bezirk Nagold.

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1885 .

Die erledigte Amtsgerichtsschrcibersstelle in Herren- Lerg wurde dem Hilfsgerichtsschreiber Sigmund in Horb übertragen. _ __

Deutschland s Seemacht.

Gor mancherlei Gründe veranlassen die deutsche Nation, sich in hohem Maße für die Marine zu interessieren. Die Kriegsmarine beansprucht unge­heuere Geldausgaben und legt auch, wie die Verluste des PanzerschiffesGroßer Kurfürst" und der Kor­vetteAugusta" bezeugen, dem Vaterlande zuweilen ganz außergewöhnliche Opfer auf. Da fragt sich Mancher, zumal Solche, welche Deutschland noch aus der Zeit her kennen, wo es noch gar keine Kriegs­flotte besaß, ob die Pläne mit der deutschen Marine nicht vielleicht gar zu hoch fliegende sind.

Dergleichen verzagte und engherzige Patrioten oder gar scheelsüchtige Geister mögen sich beruhigen, denn die deutsche Seemacht hat erstens unbedingt eine fühlbare Lücke in der Großmachtstellung des Reiches ausgefüllt und zweitens dürfen wir, trotz aller Opfer für die Marine, aus deren Erfolge stolz sein. Welche Macht der Erde hat in so kurzer Zeit wie Deutsch­land eine Kriegsmarine ersten Ranges gebildet und welche könnte es ihr gleichthun?

Wer die deutschen Kriegsschiffe gesehen hat, wer einmal in Kiel oder Wilhelmshafen war, wer die Torpedoflottillen manöverieren sah, der wird freilich schon einen Begriff davon haben, was zur Verteidi­gung der deutschen Meere, zum Schutze des deutschen Handels auf fremden Gewässern und zur Entfaltung deutscher Macht in fremden Erdteilen durch die Er­richtung der Kriegsmarine in fünfzehn Jahren ge­leistet wurde. Nach dem Augenschein können sich aber die deutschen Reichsangehörigen nur in der Min­derzahl von der Bedeutung und Tüchtigkeit der Marine überzeugen, von hohem Werte ist daher für alle diese das gewiß unparteiische Urteil, welches die englische Heeres- und Alarme- Zeitung (^ruv anä Mvz-Oa^stto) neuerdings über die deutsche Flotte gefällt hat. Dieses Blatt, welches ein großes An­sehen in englischen Marinekreisen genießt, schreibt, daß Deutschland jetzt in der Lage sei, einen erfolgreichen Seekrieg zu sichren, und fügt hinzu, daß, wenn Deutschland noch einige Jahre wie bisher in Ent­wickelung seiner Marine fortfahre, auch diejenigen Nationen, welche bislang ausschließlich um die Palme der Seeherrschaft zu ringen gewohnt waren, sich leicht von ihrem weitschauenden deutschen Nachbar überflügelt finden möchten. Den deutschen Kriegs­schiffen spendet die englische Fachzeitung das Lob, daß sie durchweg neuester Konstruktion, gutbewaffnet, gut ausgerüstet, schnellfahrend und mit westlich aus­gebildeten Mannschaften besetzt seien. Die deutschen Seeoffiziere bezeichnet sie voll von großem Selbst­vertrauen, was vielleicht manchmal etwas übertrieben erscheine, aber immerhin seine Berechtigung habe, denn die englische Leitung ist überzeugt, daß die deutschen Marine-Offiziere sich auch im Ernstfälle be­währen werden, wie sie denn schon manches Beispiel von Kühnheit und Energie an den Tag gelegt Hütten, welches ihre innere Tüchtigkeit rechtfertige. Die Uebungs- und Schulgeschwader der deutschen Marine feien, was Stärke und Aussehen anbetrifft, so be­schaffen, daß sie zuweilen die englischen Geschwader in Schatten stellen könnten. _

Tages-Neuigkeiten.

^ Deutsches Mich.

* Nagold, 26. Okt. Die gestrige Gesangs­unterhaltung unseres Liederkranzes im Sautter'fchen Saale bot ein sehr reichhaltiges Programm (15 Num­

mern) mit wirklich trefflicher Abwechslung von Kla­viervorträgen, Chören, Solos, Quartetts, Solos für Klavier, Violine und Cello dar, die durchweg sehr- gut und mit solcher Präzision gesungen und gespielt wurden, daß der jeder Nummer gezollte öfters stür­mische Beifall auch wirklich ein berechtigter war. Die Ehrenmitglieder hatten sich hiebei mit ihren Fa­milien auch sehr zahlreich eingefunden und auf allen Gesichtern konnte man den Eindruck höchster Befrie­digung für den gebotenen Genuß wahrnehmen. Trotz nicht sehr günstiger Witterung fand gestern nachmittag die Schlußprobe der hiesigen freiwilligen Feuerwehr statt. Der Kommandant sprach hiebei seine volle Befriedigung aus für die seitherige Opfer­willigkeit und dankte besonders den Mitgliedern, die durch das Alter zum Austritt berechtigt, für ihren bisherigen Eifer und Treue für das Institut und wünscht, daß die Neueintretenden in gleicher Weise sich bewähren möchten.

Stuttgart, 21. Okt. Eine nicht uninteressante Fund­diebstahlsgeschichte ist von hier zu melde». Der Baurat Bok bemerkte gestern Nachmittag, als er in der Hofapotheke einen Einkauf machen wollte, daß ihm sein Portemonnaie fehle, in welchem außer einigem Gold- und Papiergeld ca. 2000 in amerikanischen und österreichischen Coupons und zwei Depo­sitenscheine über bei zwei hiesigen Banken niedcrgclegte 50000 enthalten waren. Bok, dessen Schrecken man be­greifen wird, war kurz vorher im Cafe Marquardt gewesen und konnte cs nur dort oder auf dem Wege nach der Apotheke verloren haben. Rasch eilte er zurück, aber weder unterwegs, noch im Cafs fand sich das Verlorene wieder. Jetzt Mimte Bok auf die Polizei, die Recherchen an Ort und Stelle blieben aber resultatlos, so daß man sich damit begnügen mußte, den kiesigen Bankiers die Nummern der abhanden gekommenen Coupons rc. mitzuteilen, für den Fall, daß versucht werden sollte, sie umzusetzen. Abends fand Gcnerallicutenant v. P. auf der Treppe, die in den adligen Club führt, der sich in der ersten Etage im Cafs Marquardt befindet, ein Portemonaie das noch einen österreichischen Coupons über 35 fl. enthielt, und es stellte sich heraus, daß es das von Bok verlorene war. Der Finder muß das Portcmonai wohl in der Eile entleert und dorthin geworfen haben. Heute Morgen erhielt Herr Bok, dessen Name aus den Depositenscheinen zu entnehmen war, in einem Kouvert ins Casä Marquardt zugeschickt, denn der Finder mochte wohl wissen, daß er mit den gesperrten Coupons doch nichts werde anfaugen können, das baare Geld und die Depositenscheine hatte er zurückbchaltcn, obwohl die letzteren natürlich auch für ihn wertlos sind, da die nötigen Schritte in dieser Richtung gethan sind. Der Verdacht, der unredliche Finder gewesen zu sein, ruht auf einem unbekannten Gast, der im Cafö neben Bok gesessen.

Stuttgart, 23. Okt. Was den Zusammen­tritt des Landtags anbelangt, so bestätigt derStaats­anzeiger", daß die Einberufung der Stände noch für Dezember erfolgen dürfte.

Stu 1 tgsrt, 24. Okt. (Jnternationale-Schicdsgerichts- Assoziation.) Gestern abend waren eine Anzahl Männer im ober» Museum versammelt, die den verschiedensten politischen Parteirichtungen angehörten, zum Zweck der Kostituierung einer Fricdensliga in Stuttgart. Nachdem der Einberufer Mr. Hodgson Pratt die Anwesenden begrüßt hatte, wurde Ba­ron v. Hellwald zum Vorsitzenden gewählt. Pratt bespricht sodann die Mittel, welche zu wählen sind, um Konflikte zwi­schen 2 Nationen zu schlichten, sobald solche diek'ntsnts oor- äials" zu stören drohen. Es müßten die in verschiedenen Städten gebildeten Friedensligen durch die Presse die öffent­liche Meinung beruhigen und sei zunächst ein Komitee zu be­stellen, welches darin für Stuttgart vorzugehen habe. Redner schlägt hiezu vor den Landtags-Präs. Dr. v. Hohl, Reichstags- Abg. Carl Mayer, Stadträte Stähle, Ehni, Ober-Regierungs­rat v. Diefenbach, Ed. Elben, Geh.-Rat Dr. v. Jobst, Dir. Probst; alle Parteien sind in diesen Namen vertreten, außer den Sozialdemokraten, da Bruno Geiser im Interesse der Sache ablehnte. Stähle, der die gemeinnützigen Bestrebungen aner­kennt, bedauert mit seinen Gesinnungsgenossen dem Komitee nicht beitreten zu können, weil die Sache eine durchaus un­fruchtbare sei. Bankier Hausmeister weist auf Frankreich hin, da? den, Frankfurter Frieden nur als Provisorium ansehe, und ein stets drohender Nachbar bleibe. somit werde die Bildung einer Friedensliga keinen Zweck haben. Von Frankreich müsse daher die Anregung auSgehen, dieses müsse den Anfang machen. Auch Probst erklärte, nicht ins Komitee eintreten zu können,

da er die Europäische Welt nicht dafür angethan halte, da^

Wollen der Friedensliga zu respektieren, und daß Konflikte, wie die gegenwärtigen auf der Balkanhalbinsel eben doch nur mit dem Schwerte zu beenden seien. Geiser behauptet, daß das Volk anders denke, eine Friedensliga wünsche, und auf dieses komme es doch schließlich an, und seine Partei würde eine solche gründen, wenn sie hier nicht zu Stande komme. Dr. Lipp bat die Sache nicht scheitern zu lassen, die demokr. Partei verzichte lieber aus ihre Vertretung im Konnte, als daß gar nichts daraus würde, man möge dem Beispiele Frank­furts folgen, wo der O.-B.-Mstr. den Vorsitz übernahm. Ebenso befürwortet Ed. Elben die Gründung, aber unter Mit­wirkung aller Parteien, worauf die Abstimmung für Gründung ausfiel. Das Komite besteht nun aus v. Hellwald Vorsitzen­der, Ed. Elben Stellvertreter, K. Mayer, Reg.-Rat Diesenbach, Dr. Geiser, G. Stälin, Direktor Probst, Gcmeinderat Ehni, dasselbe darf cooptiercn. In 3 Wochen soll eine allgemeine Versammlung stattfindcn. Zum Schluß erhoben sich die An­wesenden zum Dank für Mr. Pratt von den Plätzen.

Ravensburg, 19. Okt. In gemeinschaftli­cher Sitzung haben die bürgerlichen Kollegien heute den Gehalt des neu zu wählenden Ortsvorstandes auf jährlich ^ 5000. erhöht in dem Bestreben, dadurch einen tüchtigen und erfahrenen, womöglich akademisch gebildeten Beamten zu gewinnen, welcher den Anforderungen unserer Stadt in jeder Beziehung gewachsen ist. Die Stelle, welche mit den ge­setzlichen Nebeneinnahmen ca. ^ 5700. tragen wird, wird demnächst imSchwäbischen Merkur" und imStaatsanzeiger" ausgeschrieben werden. In Anbetracht, daß Ravensburg sehr schön gelegen, Sitz des K. Landgerichtes und eines Gymnasiums ist, ist zu hoffen, daß sich tüchtige, unserer Stadt wohl anstehende Bewerber melden werden.

In der Nähe Lampertheims (Baden) war auf dem Felde eine Schafherde eingepfercht, welche plötzlich ausbrach. Vermutlich liefen die Tiere dem Lichte nach und kamen so auf das Geleise der Ried­bahn, wo dieselben überfahren und 40 Hämmel teil­weise getötet und verletzt wurden.

Bor dem Schwurgericht in Augsburg wurde ein Dienstknecht zum Tod verurteilt, der einen Bauer mit 72 Hieben und Stichen umgebracht und ihn be­raubt hatte; desgleichen ein Sohn, der seine 60jäh- rige Mutter hatte verhungern lassen.

Unbeschreiblich ist der Wiederhall, so schreibt man derKöln. Ztg.", den die Reden der deutsch­böhmischen Abgeordneten in der Adreßberatung des österreichischen Reichsrats auf dem gan­zen großen Gebiete des Deutschtums in Böhmen fin­den. Die Zeitungen können der Nachfrage nach Zeitungsnummern, in denen diese Kundgebungen ent­halten sind, kaum genügen; in den Gasthäusern wer­den die Reden laut verlesen und in den verschieden­sten deutschen Gegenden Böhmens plant man festliche Zusammenkünfte, um die Zustimmung aufs nachdrück­lichste zu bekunden. Man muß den Druck kennen, der seit Jahren auf der deutsch-böhmischen Presse la­stet, um das Gefühl der Erlösung zu verstehen, das alle deutschen Kreise überkommt, da endlich die Wahr­heit über die unerträglichen Zustände in die Oeffent- lichkeit dringt und der gerechte Unwille sich Lust macht. Auf der Prager Kleinseite hat man nicht ohne Grund vor den Enthüllungen dieser Adreßbera­tung gezittert.

In Köln hat ein Geistlicher und Beichtvater einer Familie die Summe von 20 000 eingehän­digt, die ihr vor einer Reihe von Jahren von einer Kirche entwendet worden war.

Berlin, 20. Okt. In Wilhelmshaven kam bei den Werftarbeitern eine sensationelle Massenver­giftung durch Genuß von gekochten blauen Miesmu­scheln (Uzttilus eckulis) vor. Siebzehn Mann sind lebensgefährlich erkrankt, vier liegen hoffnungslos