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Erscheint Aieustag, Donnerstag L Samstag.
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8amstag, äen 22. Mai 1886.
, Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
s die Post bezogen im Bezirk 2 „tL 30 H, sonst in s ganz Württemberg 2 70 H.
"DokiLische WcrchrrcHLen.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. Mai. Der Reichstag nahm heute das Zuckerst e u e r g e s e tz in zweiter Lesung durchweg in der Fassung der Regierungsvorlage an, wonach der Steuersatz M. 1,70 pro Doppelcentner Rüben und Exportvergütung brs zum 30. Sep'cmber 1887 18 M., später M. 17,25 pro Doppelzentner Zucker beträgt. Der Bericht der Wahlprüfungscommission, welche auf Ungültigkeitserklärung der Wahl des Abgeordneten Zeitz (Sachsen-Meiningen) lautete, wurde nach längerer Debatte, an welcher Träger, Spahn, Bock, v. Reinbaben, Marquardsen und Windthorst sich beteiligten, dem Anträge Köller gemäß an die Kommission zurückverwiesen.
Berlin, 20. Mai. Fürst Bismarck ist heute Nachmittag um 5 Uhr nach Friedrichsruh abgereist; Graf Rantzau begleitete denselben.
— Ein Vorfall, der jüngst in Spremberg, einem etwa 12,000 Einwohner zählenden Städtchen im Kreise Frankfurt a. d. O. sich ereignete, wird neuerdings, u. a. auch in Verbindung mit der neuesten preuß. Ausführungsverfügung zum Sozialistengesetz, in den Blättern lebhaft besprochen. Es kam dort gelegentlich ves Aushebungsgeschäftes von.Gestellungspflichtigen zu groben Ausschreitungen. Eine größere Anzahl ausgehobener junger Leute zog unter dem Absingen der Arbeiter-Marseillaise und unter Entfaltung eines an einer Stange befestigten roten Tuches durch die Straßen und setzte den gegen diese Ausschreitungen eingreifenden Polizeibeamten thätlichen Widerstand entgegen, bis es endlich den vereinten Kräften der Gendarmerie, der städtischen Polizei und einer Anzahl Bürger gelang, die Haupträdelsführer zu verhaften und die Menge zu zerstreuen. Abends wiederholten sich die Ruhestörungen auf dem Marktplatz unter Lärmen, Singen und Toben, so daß die Aufforderungen, auseinanderzugehen, mit Hohngelächter beantwortet wurden und die Polizeibeamten mit blanker Waffe den Platz säubern mußten. Sämtliche Verhaftete wurden am nächsten Morgen in das Amtsgerichtsgefängnis überführt und sehen einer strengen Bestrafung entgegen. Die Untersuchung wegen Aufruhrs ist gegen 4 4 Personen, die sich zu Teil auf freiem Fuße befinden, eingeleitet.
Frankrei ch.
Paris, 19. Mai. Fast alle republikanischen Blätter prophezeien durch die Geburt eines Königs in Spanien keine bessere Lage. Der „Temps" sagt, dieses glückliche Ereignis würde größere Bedeutung gehabt haben, wenn es noch zu Lebzeiten Alfons Xll. eingetreten wäre. Da jedoch die Carlisten und Republikaner ihre Hoffnung nicht so leicht aufgeben,
so wird ihnen günstige Gelegenheit innerhalb 18 Jahren bis zur Regierung Alfons XIU. noch öfters geboten erscheinen, einen Umschwung Spaniens zu erzwingen. Die „Lanterne" bemerkt zur Geburt des Königs: „Noch einer, der nicht zur Regierung gelangen wird!"
Italien.
Rom, 19. Mai. Gestern fanden, wie man der F. Z. meldet, in Linguaglossa, Giarre und Biancavilla am Aetna Erdbeben statt. Der Aetna speit Asche und Dampf in großen Mengen aus. Die Bevölkerung ist in großer Unruhe; man befürchtet Ausbrüche von Lava. Es ist eine neue Kraterbildung in der halben Höhe des Aetna aufgetreten.
— An der Westküste Italiens hat dieser Tage ein furchtbarer Zyklon geherrscht. Im Hafen von Spezzia haben sämtliche Schiffe Schaden gelitten. 2 engl. Dampfer, deren Ketten gerissen, wurden vom Hafenpiloten nur mit größter Anstrengung gerettet. 8 Personen sind ertrunken. In Civitavecchia schlugen der deutsche Dampfer Olga und der ital. Segler Giuseppe Padrone gegeneinander, letzterer ging mit einer Schwefelladung und einer Geldsumme von 500,000 Lire unter. Die Bemannung wurde bis auf 3 Matrosen gerettet. Die Kohlenmagazine von Savona sind vollkommen abgetragen und ein großer Teil der Kohlen ging verloren. Das Meer treibt fortwährend Bruchstücke von Schiffen ans Land. Man befürchtet den Untergang zahlreicher kleinerer Schiffe, deren eine große Anzahl vermißt wird.
Spanien.
Madrid, 17. Mai. (Die Geburt eines Königs.) Um als König — nicht blos als Kronprinz — geboren zu werden, muß man schon ein Posthumus sein, wie es der heute geborene Alfons XIII. ist. In der Hauptstadt herrscht große Freude; allenthalben hört man rufen: „Viva ol Heute morgen um 8 Uhr wurden die Minister und die offiziellen Personen, welche nach der Vorschrift der spanischen Etikette sich zur Entbindung einzufinden haben, benachrichtigt, daß sich das Ereignis ankündige. Um 12 Uhr 30 Minuten öffnete sich die Thüre des königlichen Schlafzimmers, und die Oberkämmerin, Herzogin von Medina de las Torres, erschien mit den Aerzten, in einem vergoldeten, seidegefütterten Korbe den Neugeborenen tragend, >den sie sofort dem Ministerpräsident Sagasta präsentierte. Dieser ries: „Meine Herren, es ist ein König!" „Viva ^1 Ue^!" riefen Alle mit Begeisterung. Der Justizminister Alonso Martine; redigierte das Protokoll, und während das königliche Kind den Granden, Senatoren, Diplomaten u. s. w. präsentiert wurde, zeigte eine Salve von 21 Kanonenschüssen dem Volke die frohe Nachricht an. ' Sobald der 17. Schuß erfolgte, erhob sich ein immenses Jubelgeschrei auf den Plätzen de Oriente und de l'Armeria. Die politische Be-
l Nachdruck verboten.)
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
„Sollen fie auch ", entgegnete Neubeit, „sollen sie auch. Es handelt sich da um eine veritable Kümmelblättchengesellschaft, bei welcher ich — angeblich ein früherer und wegen Kirchenraubs entlassener Küster — als Schlepper fungire. Den „Pfaffen" nennen Sie mich mit einer versteckten Anspielung darauf daß auch deren Treiben eitel Heuchelei sei. Sie sind ein Fremder hier und mein Opfer. Sie werden gerupft."
Der Assessor schüttelte unwillig den Kopf.
„Nein, Neubert", sagte er, so lautet unsere Abmachung nicht. Sie wissen, daß Sie in allen besonderen Fällen auf mich rechnen können; aber wegen einer Bande von Kümmelblättchenspielern lasse ich mich nicht ausrauben und nicht um meinen Schlaf bringen. Ich glaubte anfangs, daß es sich um den Mord in der Schwedengaffe handle, sonst wäre ich gar nicht mitgegangen."
„Und glauben Sie denn", eiferte Neubert, „daß ich Sie sonst belästigt haben würde? Natürlich handelt es sich darum."
„Wie, Sie glauben eine Spur gefunden zu haben?"
„Wenigstens einen Anhalt, dessen Folgen noch nicht abzusehen sind."
„Und dieser ist?"
„Teile einer Maskengarderobe, wie man sie in der Mordnacht im Hause des Kommerzienrats gesehen haben könnte."
„Woher das?"
„Aus dem Fluß."
„Ein Maskenkostüm aus dem Fluß?"
„Zusammengerollt und umschnürt, als wenn es beschwert gewesen und sich losgerissen habe.
Ein Kahnführer brachte es nach dem „Fuchsbau". Ich witterte gleich einen Zusammenhang nnd steckte meine Nase dazwischen. Leider hinderte der trunkene Kerl mich und jeden Andern, es genauer zu durchsuchen.
Ich sagte, er möge es mir überlaffen; ich wolle es ihm abkaufen. Er schlug es mir ab, und ich durfte ihn nicht darum bedrängen. „Man betrachtet mich schon mit mißtrauischen Blicken, seitdem mehrfach Verbrechen, bei denen ich mitwirkte, zur Kenntnis der.Polizei gekommen, und ich von Strafe immer frei blieb," meinte er.
„Können Sie mir keinen bestimmten Gegenstand aus der Maskengarderobe bezeichnen?"
„Nun, das Ganze ist in einen schwarzen Domino eingehüllt. Ich sah in dem nassen Wirrwarr und bei der schlechten Beleuchtung aber so Etwas wie eine weiße Pelzgarnilur, schwarze Lackstiefekchen und eine rote Maske hervorschimmern."
Soltmann blieb plötzlich stehen und brachte damit auch seinen Freund, zum Stillstand.
„Vielleicht ein Polinnenanzug?" rief er.
„Das kann es wohl gewesen sein, obwohl ich keine Bürgschaft dafür übernehme."
„Eine rotseidene Maske? Woran erinnert mich denn Das — hm — eine roiseidene — ha! Ich hab's."
„Was?"
Aber seine Frage blieb unbeantwortet. Soltmann suchte hastig und mit einem Scheine von Angst in seinen verschiedenen Taschen. Plötzlich zuckte es blitzartig auf in seinem umdüsterten Antlitz.
„Nun ?" drängte Neubert
„Da — da — da! Was ist das?" fragte Soltmann erregt.
„Ein Stückchen roter Seide", sagte sein Kolege etwas enttäuscht.
„Roter Seide? Ha! Wenn es nur das wäre! Aber ein Stück von jener Maske ist cs, welche Sie gesehen — das heißt, kann es sein; und wenn Das stimmt, haben wir einen bedeutenden Schritt vorwärts gelhan."