61. Jahrgang.
Mo. 58.
Amts- unä InteüigenMatt sür äenKezir^.
Erscheint Dienstag, Dannerstag L Samstag.
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Donnerstag, äen 20. Mai 1886.
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ganz Württemberg 2 70 H.
^okitische WacHricHterr.
Tratsches Reich.
— Der Bundesrat hat am Samstag die beiden Branntweinsteuerentwürfe angenommen, und zwar einstimmig; die süddeutschen Staaten aber enthielten sich der Stimmabgabe. Es wird zunächst nur der Prinzipal-Entwurfs an den Reichstag kommen, also derjenige, welcher die Verbrauchs-Abgabe von den Händlern erhebt, welche ein Verkaufsgeschäst betreiben, aus dem der Branntwein unmittelbar an die Verbraucher verkauft wird. Der zweite Entwurf, nach welchem die Steuer von Producenten oder Großhändlern erhoben werden soll, sobald der Branntwein die Brennerei, resp. das Lager verläßt, soll dem Reichstag wahrscheinlich erst dann zugehen, wenn der elftere Entwurf keine Mehrheit findet.
— Der Reichstag trat am vorigen Montag wieder zusammen. Ueber den mutmaßlichen Verlauf der Session schreibt die „Köln. Ztg.": „Die Hoffnung, daß der Reichstag bis zu Pfingsten seine Arbeiten beenden könne, dünkt uns sehr kühn. Bis zum Freitag vor Pfingsten bleiben nicht volle vier Wochen Beratungszeit, die ohnehin noch durch zwei Feiertage, am 19. Mai (preußischer Bußtag) und am 3. Juni (Himmelfahrt) unterbrochen wird. Angenommen, daß der Reichstag, außer der Branntwein- und Zuckersteuer, mit neuen wichtigen Vorlagen seitens der Regierung nicht befaßt wird und daß der Branntweinsteuerentwurf ihm gleich beim Wiederzusammentritt zugeht, würde doch sicherlich die nächste Woche vorübergehen, bevor die kommissarische Beratung des letzter« in Angriff genommen werden könnte: Die Dauer Dieser Beratung wird ganz davon abhangen, ob von vornherein eine der Regierungsvorlage geneigte Mehrheit vorhanden, also ob das Zentrum das Gesetz zustande bringen zu helfen entschlossen ist. Im Augenblick herrscht darüber noch vollständige Ungewißheit; auch im günstigsten Falle würde die Kommission mindestens zwei Wochen bedürfen. Ist eine Mehrheit nicht gesichert, entfällt auch die Möglichkeit des Sesfionsschlusses vor Pfingsten, es sei denn, daß sich die Regierungsvorlage gl .ch im Anfänge als aussichtslos erweise."
Berlin, 17. Mai. Der Reichstag war schwach besucht. Ec genehmigte nachträglich dem Kommissions-Antrag gemäß die Überschreitungen im Etat für 1884/85 und erledigte verschiedene Petitionen nach den Kommissionsanträgen.
— Wolffs Bureau meldet: Graf Herbert Bismarck istz^u Staatssekretär im auswärtigen Amt ernannt worden.
Spanien.
Madrid, 17. Mai. Die Königin wurde heute von einem Sohne entbunden. In der Kammer sprachen der Kammerpräsident und der Ministerpräsident Sagasta ihre hohe Freude über die Geburt des Königs aus, mit der Versicherung, daß alle Spanier in treuer Gesinnung um den neuen König als Vertreter des Friedens und der Ordnung sich zusammenschaaren werden. Das Haus nahm diese Erklärungen mit lebhaftem Beifall auf. Eine ähnliche Erklärung, im Senate gegeben, wurde auch dort mit Begeisterung ausgenommen. Der König wird den Namen Alfons erhalten.
Ilcrges-Weuigkeiten.
Stuttgart. (Aus den Anlagen.) In den Anlagen grünt und blüht alles in üppigster Frühlingspracht. Neben die Syringen und Traubenkirschenblüten ist seit wenigen Tagen auch der rotblühende Weißdorn getreten. — Gegenwärtig ist es auch eine Freude, das muntere Leben und Treiben der Schwäne und Enten mit anzusehen. Gestern Mittag sind in dem rechtsseitig (der Neckarstrabe zu), gelegenen unteren See in den oberen Anlagen junge Schwäne ausgeschlüpft, welche die schwarzen australischen Schwäne in ihrem Häuschen am untern Thor, gegenüber der Hylasgruppe, ausgebrütet haben. Die drei munteren Tierchen werden von den besorgten Eltern mit rührender Sorgfalt gehegt und gepflegt.
Stuttgart, 18. Mai. (Landgericht.) Wegen Beleidigung des Militärs stand gestern der 4tjährige Schreiner Ernst Gutekuu st, hier wohnhaft, vor der II. Strafkammer. Derselbe hat am 27. Februar d. I. in einer Wirtschaft ausgerufen: „Der Soldat ist nur ein Hund, und weniger als ein Hund", und andere Ausdrücke, die nicht wiederzugeben sind. Das wurde von dem frühern Soldaten Jhmle angezeigi und der kommandierende General des XIII. Armeekorps hat darauf Klage erhoben. In der gestrigen Verhandlung haben sowohl Gutekunst als einige Zeugen die Sache anders dargestellt, allein außer Jhmle ist noch ein zuverlässiger Zeuge vorhanden, der die beleidigenden Worte mit Bestimmtheit konstatiert. Die Staatsanwaltschaft nahm auf Grund dieser Zeugenaussagen als erwiesen an, daß der Beschuldigte die Aeußerungen gethan habe und erörterte den Begriff de: Kdllektivbeleidigung an der Hand reichsgerichtlicher Entscheidungen. Sir nahm an, daß der Beschuldigte mit der von ihm gewählten Kollektivbezeichnung die Absicht gehabt habe, jede unter den Kollektivbegriff fallende Person zu treffen ; der weite Umfang des Kollektivsbegriffs könne nach Lage de:
A e u 1 1 1 0 n. > Nachdruck °-ib°I-n.»
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
Seine eingesunkenen Augen leuchteten noch einmal auf, wie ein halb erloschenes Feuer, wenn ein plötzlicher Windstoß es trifft; in seine pergamentgelbe Wangen kam etwas Farbe, und seine übliche Wortkargheit war einer regen Gesprächlichkeit gewichen. Die Art und Weise, wie er aß und trank, verriet bessere Gewohnheiten, als er sie letzthin pflegte. Auch seine Ausdrucksweise war eine solche, daß man sofort den Eindruck eines gebildeten Menschen empfing. Sicher konnte nur eine unglückliche Verkettung von Umständen Niston zu Dem gemacht haben, was er war; kein innerer Drang zum Bösen und Gemeinen, wie er die meisten der hier verkehrenden Menschen beseelte.
Es war die günstigste Stimmung und Stunde, um den Münzfälscher zum Erzählen seiner eigenen Lebensgeschichte zu bringen und Duprat war entschlossen, sich diese einzige Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Er wollte keine Wiederbegegnung mit Niston und hier nicht mehr zurückkehren. Jener sollte ihn hiernach noch einmal ganz und gar vergessen, damit er später seine Hände nicht merkte, wenn es ihn zu vernichten galt.
„Ich bedaure unendlich," sagte Niston jetzt mit schwerer Zunge, „Ihnen von Ihrem unglücklichen verschollenen Bruder gar nichts mitteilen zu können. Ich habe den Namen Steiner niemals nennen hören, trotzdem ich in der Welt recht weit umhergekommen bin."
ich schon glauben," entgegnete Duprat mit einem eigentümlichen Buck auf den Baron: „Wohl möglich, daß mein Bruder drüben seinen Namen wechselte. Dennoch würde es mir gewissermaßen eine Erleichterung sein, wenn ich nur etwas Genaueres über das Land erfahren könnte, welches meinem unvergeßlichen Bruder Raum zum eigenen 'Herde oder zum Grabe gewährte."
„O, so rasch stirbt es sich nicht in einem Lande," sprach Rlston, „welches
nur in einzelnen wenigen Teilen ungesund, im Ganzen aber so voller Hilfsquellen ist, daß inan bei einiger Anstrengung und Befähigung darin nicht untergehen kann. Sie meinen, Ihr Bruder habe seinen Namen geändert. Nun ja, die Neigung dazu ist ja bei allen Auswanderern vorhanden; und besonders jüngere Leute neigen dazu, in dem Gedanken, einmal als reicher Mann zurückzukehren und unter dem angenommenen Namen Vergeltung üben zu können, für alles empfangene Gute und Böse. Natürlich bleibt das mein ens Illusion, und Jene bereichern nur um einen Namen mehr die Liste der Verschollenen."
„Das klingt wie Selbsterfahrenes," sagte Duprat lauernd. „Haben Sie vielleicht einen solchen Fall aus Ihrem Freundeskreise zu verzeichnen?'*
„Ja, von mir selbst," entgegnete Niston. „Auch mein Name ist ein angenommener, und ich folgte damit einem unstillbaren Rachetrieb. Sie suchen einen Bruder, um ihm zu helfen, ihn wieder aufzurichten, wenn er gefallen ist; und ich suche den gleichen nahen Verwandten, um ihn zu vernichten und aus seiner Höhe herabzustürzen, die er mit Hülfe eines Verbrechens erklommen hat. Leider ist er allem Anscheine nach meiner List zuvorgekommen und hat auch seinen Namen geändert. Ich suche nach ihm vergebens; seine Spur ist mir verloren gegangen. Und so werde ich wohl als — Vagabond enden, indessen er auf seidenen Kiffen sich zur Ruhe legt. Daß er verdammt sei!"
Man war jetzt beim Champagner angekommen, welcher — aus irgend einem Diebstahl herrührend — kein schlechter war. Niston stürzte sofort mehrere Gläser davon hinunter, und die Wirkung war die gewünschte. E: that seinen Gefühlen keinen Zwang mehr an und sagte, was er dachte.
„Sie müssen schwere Kränkungen von Jhrezn Bruder erfahren haben."
„Kränkungen?" begehrte der Berauschte auf. „Was mehr brauchte e: mir gethan zu haben, als daß er mich um mein reiches Erbe betrog und dann das Weile suchte, um mich im Elend umkommen zu lassen. Er ist schul) an meinem Nachleben, dessen düsterste Schattenseite noch lange nicht die ist, welche Sie hier scheu. Wäre es blos die Erbschleicherei, die könnte ich ihm noch verziehen haben, denn Segen kann an jenem Gelds doch nicht halten.