Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für de» Oberamts-Bezirk Nagold

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I Erscheint wöchentlich 3 mal: Diciisiaq, Donnerstag ! nnd Samstag, und koüet vierteljährlich hier (ohne ^ ! Trägerlohn) 30 ^, in dem Bezirk 1 ^ 4, ! außerhalb des Bezirks 1 4L ttO Monats- ! aboimement nach Verhältnis.

Donnerstag den 17. September.

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1885 .

Zustände in Spanien.

Die empörende Art und Weise, wie man in Spanien beliebt hat, den Streitfall nm die Karoli- nen-Jnscln mit Deutschland zn behandeln nnd die Thatsache, daß diese Affaire leider noch immer nicht geschlichtet ist, veranlaßt uns, auf einige ebenso wider­spruchsvolle als bedauernswerte Zustande in Spanien aufmerksam zu machen,

Neber ein Paar kleine, unbedeutende Jnsclcbcn, die bisher herrenlos im Stillen Ozean lagen, haben sich die Spanier einer ungeheuren Erregung hingege­ben, weil Deutschland die Inseln in Besitz nehmen will. Der spanische Ehrgeiz suhlt sich tief verletzt, weil diese Jnselchcn angeblich in Spaniens Macht- sphärc liegen, cs ist aber erwiesen, daß die Bewoh­ner der Karolincn-Jnseln selbst nicht wissen, zu wel­cher Obrigkeit sie gehören und wird dies selbst von englischen Berichten bestätigt. Die stolzen Spanier haben sich also nicht nur wegen einer unbedeutenden Sache, sondern auch mit Unrecht aufgeregt. Dagegen möchten wir den stolzen Bewohnern des Kastamen- landes doch raten, ihren Stolz nnd Ehrgeiz aus viel wichtigere Dinge zu richten. Spanien besitzt dix, schöne, große, fruchtbare Insel Cuba, die tausendmal mehr wert ist als die Karolinen-Jnsclchen, aber der spanische Ehrgeiz hat auf Euba noch immer keine richtige Ordnung und Ruhe, geschweige Wohlstand und imponierende Kultur geschaffen. Spanien hat ferner, obwohl cs kein armes Land ist, seit einem Menschenalter in seinen Finanzen keine Ordnung nnd betrügt geradezu seine Gläubiger, unter denen sich auch Ausländer befinden. Ferner gestattet das stolze Spanien, daß seine Hauptstadt Madrid durch einen Schwindel mit Schuldlosen die Inhaber von Madri­der Stadtobligationcn benachteiligt. Warum regt sich denn das Ehrgefühl der Spanier über ein solches schmachvolles Thun nnd Treiben nicht ans? Ist die spanische Ehre in dem Streite um die Karolincn- Jnseln so empfindlich, so kann man wohl erwarten, daß die Spanier auch eine Ehre darein setzten, ihre Gläubiger zu befriedigen. Im vorigen Jahre haben in Spanien Uebcrschwcmmungen und Erdbeben große Verheerungen ungerichtet und in diesem Jahre dezi­miert die Cholera die spanische Nation. Was für ein riesiges Elend existiert nicht seit zwei Jahren im Lande Spanien, aber was thaten die Spanier groß, um dem Elende zu steuern? Aber der Streit um die Karolincn-Jnseln, um die sie sich niemals kümmerten, bringt die spanische Nation in Extase. Ach, es gibt eben nicht nur kranke Menschen, es gibt auch kranke Völker, die in den Gliedern matt und schwach, im Charakter verlottert und im Haupte von einer Art Wahnsinn besessen sind! Sollten wir in den Spaniern vielleicht gar ein solches krankes Volk vor uns haben? Liest man die spanischen Zeitungen, so denkt man gar, ganz Spanien sei setzt ein Tollhaus und der einzige Vernünftige, der König Alfvnso, der eine prüftingsvollc Jugend durchgemacht nnd im Auslande erzogen wurde, wo er sich ein besseres Urteil über die Welt bildete als es auf dem heißen, unterminier­ten Boden Spaniens möglich gewesen wäre. Möchte es der Festigkeit König Alfonso's gelingen, die Spanier zur Vernunft zu bringen und das unglück­liche Spanien vor neuen Revolutionen und Bürger­kriegen zu bewahren.

Tages-Neuigkeiteir.

^ ^ Deutsches Reich.

/X Nagold, 12. Sept. Die nächstes Früh­jahr aus dem hiesigen Seminar in den Volksschul­

dienst übertretenden 36 Zöglinge des I. Kursus hat­ten am 5. d. einen Teil dec Lchrgehilfen-Prüfung in Beantwortung von Fragen aus der Geschichte, Naturgeschichte und Geographie zu erstehen. Den schriftlichen Arbeiten wurden die Fragen ge­stellt: 1) Durch welche Kriege erwarben die Römer- Italien? 2) Die wichtigsten Entdeckungen am Ende des Mittelalters. 3) Schwedens Emporkommcn und Fall. 4) Inwiefern charakterisiert der Zahn­ban die Säugetiere? 5) Die Elemcntarorgane der Pflanzen: Wesen, Bestanvteile, Form, organische Veränderung. 6) Zähle die Mineralien von der Gruppe des kohlensauren Kalkes auf, unterscheide sie und weise ihre manigfache Verwendung nach. 7) Reise von Stuttgart nach Crailsheim. Welche Bahnverbindungen bestehen, welche Flüsse und Tha- ler werden überschritten und benützt? 8) Rheinpro- vinz: Flüsse, Gebirge, Städte! 9) Die Ostalpen. 10) Nil und Kongo. 11) Woher rührt die schein­bare jährliche Bewegung der Sonne?

* Nagold, 15. Sept. Erst heute früh ver­ließ uns die letzte Mannschaft der Einquartierung, 'um zn den vorausgegangencn Truppen zu stoßen, die gestern das Terrain zwischen Ober- nnd Untcr- jettingen, Knppiugcn, Oberjesingen und Herrenberg zu Manöverierübungen bezogen. Hatte sich schon gestern dem Abzug der Truppen eine große Zahl Schaulustiger als Schlachtenbummler zu Fuß und zu Wagen angeschlossen, so glichen des Nachmittags und noch mehr gegen Abend alle Straßen Oberjettingen zn wahren Wallfahrtswegen: wer gesunde Beine hatte, alt und jung, Männer und Frauen machte sich auf, um das Bivvuaclcbcn zu schauen, das durch die herrliche Witterung besonders angenehm und schön zu werden versprach. Und wirklich war der Anblick der Unzahl von Feuern zum Abkochen w. auf der gro­ßen hohen Ebene ein imposanter, das Treiben der Sol­daten durch Singen, Tanzen, Lagern um die Wachtfeuer nnd zwischen den Zelten, die einem Dorfe glichen, ein so buntes, heiteres und ungezwungenes, daß sol­ches auch ohue die Zuthat vou gebratenem Fleisch, warmen und kalten Getränken, die in reichem Maße geboten wurden, auf jedermann einen äußerst ange­nehmen Eindruck machen und hinterlassen mußte. Um 9 Uhr gab ein Kanonenschuß und der Zapfenstreich aller Mnsikchöre der verschiedenen Truppenteile das Zeichen zur Ruhe der Mannschaften und zur Ent­fernung der zahllosen Zuschauer. Es war dies ein Bild l des Kriegslebens von der angenehmeren Seite. Wie kein Manöver ohne Unglück und Krankheits­fälle abläust, so leider auch diesmal. Ein hier ein­quartierter Soldat fiel in seinem Quartier die Stiege herab und brach ein Bein; er wurde wie ein anderer schwer Erkrankter in das hiesige Spital verbracht. In Sulz (Dorf) fiel ein Alaun in die Scheune hin­ab und war augenblicklich eine Leiche.

/V Altensteig, 13. Sept. Der heute nach­mittag beerdigte Christian David Bolz, Postbedien-, steter hier, erreichte ein Alter von nicht ganz 43 Jahren. Im Jahr 1862 zum Militär ansgehoben und der Artillerie zugeteilt, nahm er an den Feld­zügen 66 und 70 teil. Im Jahr 1868 verheiratete sich Bolz mit der nun trauernden Witwe, welcher er drei unmündige Söhne hinterläßt. Vom Jahre 1872 bis 77 bekleidete der hochgewachsene kräftige Mann die Stelle eines Polizeisoldaten in Tübingen; von da ab leistete er als Postbriefträger hier treue Dienste. Der am 7. ds. an Muskellähmung Erkrankte und schon am 11. Verstorbene hatte durch eine gute Volks­schulbildung im Verein mit seinem ruhigen, freund­

lichen und höflichen Charakter allseitig die Sympa­thien der Vorgesetzten und Stadtbewohner sich er­worben. Der Witwe und dem 80jährigen Vater des Verstorbenen folgte eine zahlreiche Menge, darunter die städt. Beamten, die Kriegervereine von hier, Berneck, Ebhausen, Egenhausen und Spielberg im Trauerzuge. Auf dein Kirchhofe angelangt, hielt Hr. Stadtpf. Mezger die tiefergreifende Grabrede, worauf der Sarg versenkt und die üblichen drei Salven und militärischen Ehrenbezeugungen abgegeben worden sind. Hr. Schüller wies in kurzem Nach­rufe mit nachdrücklicher Wärme auf die aufopferungs- und mühevolle Thätigkeit im Berufe und auf die stets treue Kameradschaft des zu frühe Vollendeten hin und schloß mit den Worten Uhlands: Bleib du im ew'gen Leben, mein guter Kamerad! Hierauf legte Redner einen Kranz auf das Grab nieder.

/V Aus dem Bezirke, 12. Sept. Einem uns zur Verfügung gestellten Privatbrief aus St. Georgen i. Brcisgau vom 8. d. M. bezüglich der Herbstaussichten entnehmen wir:Gottes Segen hat bis jetzt unsere Arbeit zu unserer größten Zu­friedenheit belohnt. Wir haben in Quantität und Qualität einen recht guten Herbst zu erwarten; wenn die Witterung uns jetzt günstig bleibt, wird der dies­jährige den 74er an Güte noch bedeutend übertref­fen. Der Herbst wird voraussichtlich anfangs Ok­tober beginnen." Sind wohl diese guten Aussichten seit dem 8. d. nicht etwas getrübt worden!

Der Abbruch der bisherigen Parochialkirche in Simmersseld ist ohne jeglichen Unglückssall vor sich gegangen. Urkunden, Münzen oder ähnliches fanden sich beim Bloßlegen des Grundsteins nicht vor. Da das neue Gotteshaus erst 1887 vollendet werden wird, so hat die Staatsfinanzverwaltung eine Jnterimskirche in der Psarrscheuer erstellen und neben­an einen von Holz erbauten Glockeuturm aufrichtcu lassen.

Ans der Strecke Bondorf Nebringcn wurde am 13. d. Ms. ein Soldat des 6. Infanterie-Regi­ments von dem die Station Bvndorf um 6 Uhr 42 Min. vormittags verlassenden Zug 220 überfahren und getötet.

An der neuen Turnhalle in Herrenberg wird eifrig gearbeitet, dieselbe soll am 21. Sept. d. I. die mit dem landwirtschaftlichen Gausest verbundene Ausstellung landw. Erzeugnisse in sich aufnehmcn. Im Aeußern ist sie bereits fertiggestellt, sie erhebt sich in gefälligen Formen an der Calwerstraße und bildet mit dem angebauten Steigerturm eine Zierde für die Stadt.

Stuttgart, 14. Sept. «e. Maj. der deut­sche Kaiser wird am Samstag nach der Parade ei­ner Einladung des Prinzen Wilhelm von Württ. folgen und auf Villa Marienwahl ein Frühstück cin- nehmen. Die Kriegervereine haben nun genauen Befehl über ihre Aufstellung bei der Parade erhal­ten. Es werden nahezu 400 Vereine mit fast 300 Fahnen und 10 000 Mann erscheinen, die in 8 Glie­dern bei 1200 Meter Länge aufgestellt werden. Zu dem Fackelzuge haben sich bis jetzt 5000 Teil­nehmer gemeldet. Wie derSchw. M." zuver­lässig hört, ist die Ankunf Sr. Maj. des Kaisers für Freitag Nachmittag 1 Uhr angesagt.

Stuttgart, 15. Sept. Au der Kaiser­parade am Samstag wird sich als Ehrenmitglied des Freudenstadtcr Veteranen- und Militärvereins der pensionierte Büchsenmacher Bacher, ein Veteran aus den Freiheitskriegen, beteiligten. Dieser Greis, der in wenigen Wochen sein 91. Lebensjahr vollendet,