schließen seien. Der kaufmännische' Verein 6irou1o merkantil hielt vorgestern und gestern stürmische Dis- kutierabende über die Frage des Protektorates Deutsch­lands über die Karolinen; die Redner machten für die Idee Propaganda, sämtliche Handelsbeziehungen mit Deutschland abzubrechen. Die Zeitungen, ein­schließlich die ministKriellen, droh«! mit Kündigung des Handelsvertrages und- die liberale^ Blätter raten ein Offensiv- und Defensivbündnis mit Frankreich an. Die Vertreter der öffentlichen Meinung haben sich bei dieser Gelegenheit ein trauriges Zeugnis ihrer Urteilslosigkeit gestellt. Sämtliche andere Fragen sind in den Hintergrund getreten, sogar die Cholera.

Berlin, 25. Aug. DieNordd. Allg. Ztg." meldet; Der Beschluß der Telegraphenkonferenz vom 22. Aug. setzt eine Einheitstaxe für den Terminal­verkehr fest; dieselbe wird von allen Ländern, die europäische Regierungen haben, angenommen. Die Terminaltaxe wird auf zehn, die Transittaxe auf acht pro Wort festgesetzt. Für die kleinen Staaten wer­den diese Sätze auf 6*/, bezw. 4 Cent, reduziert, Rußland und die Türkei können in Ansehung der Schwierigkeiten, die ihnen die Unterhaltung ihrer langen Linien in ausgedehnten, zum Teil unkultivier­ten Gegenden verursacht, einen Zuschlag erheben. Wo mehrere Wege vorhanden sind, soll stets die Taxe des billigsten Weges erhoben werden, ohne Rücksicht darauf, welchen Weg das Telegramm bei seiner Beförderung wirklich nimmt.

Berlin, 25. Aug. Der nächsten Reichstags­session werden wieder einige Handelsverträge und sonstige internationale Vereinbarungen zugehen; ob auch der Handelsvertrag mit der Türkei bereits da­zu gehören wird, ist allerdings noch nicht abzusehen, wie sehr dies auch in den diesseitigen Wünschen lie­gen mag. Die noch rückständigen Entwürfe bezüglich des Unfallversicherungsgesetzes, welche dem Reichstage bereits Vorlagen, aber wegen des Schlusses der Session nicht erledigt wurden, also die Ausdehnung des Unfallversicherungsgesetzes auf landwirtschaftliche und Forstbetriebe und auf Beamte dürften dem Reichs­tage abermals zugehen, da im Bundesrat keine Meinungsverschiedenheit darüber vorhanden war. Erst wenn alle diese Dinge erledigt sind, will man an das Arbeiter-Alterversorgungsgesetz herantreten.

Berlin', 26. Aug. Das Reichsversicherungs­amt beabsichtigt, das Unfall gesetz am 1. Oktober in Kraft treten zu lassen, und hat bei den Vorstän­den der Berufsgenossenschasten angefragt, ob ihre Organisation vollendet sei.

Der deutsche Kronprinz hat böse Erfah­rungen in diesem Sommer zu machen gehabt. Bei der Abreise von Audermatt in der Schweiz, wo er seiner Familie einige Wochen geweilt hatte, erhielt er Rechnungen, die sein Hofmarschall alleabänderte", denn, sagte derselbe,solche Preise bezahlt man nirgends." Für die Fahrt im Wagen von Gösche- nen nach Andermatt, etwa eine Stunde, müßten 200 Francs bezahlt werden, während sonst ein Wagen 15 Francs kostet! Ueberall Unverschämtheiten, bei jeder Gelegenheit Prellereien. Vielleicht bleibt der Kronprinz im nächsten Sommer in Deutschland, es gibt ja auch in unserem Vaterland hohe Berge und frische Luft und wenn auch nicht alle deutschen Wirte Engel sind, so kann mmr in Deutschand doch immer noch eher mit ihnen fertig werden als in Belgien, in Frankreich oder in der Schweiz.

Am 23. August ist dem Erfinder des Tele­phons, dem Physiker Philipp Reis, in seiner Vater­stadt Gelnhausen eine wohlgelungene Bronce-Büstc auf Granitsockel errichtet worden.

Während die Ausweisungen von Polen aus Preußen fortdauern, nimmt nun auch die Aus­weisung preußischer Staatsangehöriger aus Rußland größeren Umfang an. Am 19, Aug. langten 140 Personen, darunter 30 Frauenspersonen, von denen mehrere Gouvernantenstellen bekleidet hatten, aus Warschau nach 12tägigem Fußtransporte in der preußischen Grenzstation Alexandrowo an. Die Män­ner waren auf dem Marsche aneinandergefeffelt.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 24. Aug. DieWiener Abendpost" schreibt: Die Völker Oesterreich-Ungarns begrüßen die Eutrcvue in Kremsier mit aufrichtiger Freude und ungeteilter Genugthung, und erblicken darin ein neues Unterpfand des Friedens und einen weite­ren Beweis für die herzlichen und freundschaftlichen Beziehungen, welche die Souveräne beider Völker miteinander verbinden.

Kremsier, 25. Aug. Bei der Hoftafel (178 Gedecke) nahmen beide Kaiserinnen die Ehrenplätze ein. Zur Rechten der Kaiserin von Rußland saß der Kaiser von Oesterreich; zur Linken der Kaiserin von Oesterreich saß der Kaiser von Rußland. Toaste wurden nicht ausgebracht. Um 8 Uhr abends begann die Theatervorstellung, woran sich der Thee und dann das Souper schloß. Mittwoch soll um V,11 Uhr ein äagdausflug mit Dejeuner im Jägerhause und abends Diner im Schlosse stattfinden. Die Abreise des russischen Kaiserpaares erfolgt abends 10 Uhr. Der Kaiser von Oesterreich verlieh dem Großfürsten­thronfolger ein Ulanenregiment.

Kremsier, 26. Aug. (Zur Kaiser-Entrevue.) Einem befreundeten Würdenträger gegenüber soll Giers geäußert haben, der Hauptgrund der letzten Entrevuen sei die Konsolidierung der bestehenden europäischen Verhältnisse und die gemeinschaftliche friedliche Verhütung einzelner Störungen. Es darf als zweifellos gelten, "daß die Kaisermächte in erster Linie partielle Engagierungen der Türkei verhindern werden, in welcher Richtung bereits vor Wochen be­stimmt Schritte bei der hohen Pforte geschehen sind, über deren Art strengstes Stillschweigen bewahrt wird. Giers und Kalnoky zeigen sich von der hiesi­gen Begegnung außerordentlich befriedigt. Auch der Zar sprach wiederholt seine Freude aus.

Kremsier, 27. Aug. Um 10 Uhr abends traten die russischen Gäste die Rückreise an. Dieselben verabschiedeten sich am Bahnhofe von den österreichischen Würdenträgern, wie auch der Kaiser von Oesterreich, der Kronprinz und der Erzherzog Karl Ludwig von dem russischen Gefolge Abschied nahmen. Beide Kai­ser umarmten u. küßten sich einander dreimal herzlichst. In gleicher Weise verabschiedeten sich die übrigen fürstlichen Persönlichkeiten.

Ein neues Zahlengenie ist der 7Vzjähr. Sohn eines Getreidehändlers Hübner in Oswiecim. Derselbe sagt eine 21 stellige Ziffer, die er sich einmal angesehen hat, mit Sicherheit auf, ebenso die einzel­nen Zahlen darauf in beliebiger Ordnung, rechnet eine schwierige Regeldetriaufgabe im Kopfe und zieht im Kopfe die Kubikwurzel aus einer 6stelligen Zahl. Derselbe wird demnächst nach Berlin gehen, um Vor­stellungen zu geben.

Schweiz.

Zürich, 25. Aug. Die Enthüllung des Zwingli-Monuments fand bei prächtigem Wetter und unter Teilnahme der ganzen Bevölkerung statt. Das Monument übt eine schöne Wirkung aus. Es findet ein ungeheurer Zudrang zu dem Bankett uud den Jlluminationskarten statt.

Italien.

Zu den schönen Nebcneinnahmen des Pap st e s gehören die Dispense. Zu der Heirat des Prinzen Waldemar (Protestant) mit der Tochter des Grafen von Chartres (katholisch) hat der Papst seine Ein­willigung nur unter folgenden Bedingungen gegeben: Prinz und Prinzessin behalten ihre Religion bei, die männlichen Kinder werden evangelisch, die weiblichen katholisch erzogen. Für diesen Dispens mußte der Graf von Chartres 120000 Franks zahlen.

Grauenvoller Vorfall. In Triest ent­fernte sich eine arme Arbeitersfrau, Anna Comer, die mit ihrem Gatten und 5 Kindern ein elendes Käm­merchen in der Via Sporcavilla bewohnte, aus dem­selben, um das kärgliche Abendbrot für die Familie zu holen, und mußte ihr jüngstes, 24 Tage altes Töchterchen ohne Aufficht zurücklassen. Als sie nach zehn Minuten zurückkam, hörte sie das Kind jäm­merlich schreien und sah eine große Ratte ans dem Bett desselben springen, während eine andere das Gesichtchen des wehrlosen Säuglings benagte; das ekelhafte Tier wollte seine Beute nicht fahren lassen und mußte von der unglücklichen Mutter mit Gewalt entfernt werden. Man brachte das blutüberströmte Kind in die nächste Apotheke, wo die Wunden in Anbetracht des zarten Alters des Kindes als sehr schwere bezeichnet wurden. Die Wangen waren an vielen Stellen benagt, ein Stück der Oberlippe fehlte, während die Nase ganz losgelöst war. Das Kind wurde ins Spital gebracht, wo es nach wenigen Stunden starb.

Frankreich.

Paris, 26. Aug. Die Leichenfeuer für Courbct hat heute früh in engerem Kreise in Hyeres am Bord desBayard" stattgcfunden, Der Sarg wurde sodann ausgeschifft, nach dem Bahnhofe gebracht und wird nach Paris übergcführt.

In Frankreich sieht es traurig aus, die Cholera ist jetzt auch in Toulon ausgebrochen und ausTonkin kommen geradezu entsetzliche Nach­richten über den Gesundheitszustand der dortigen Truppen. Nach Mitteilung eines Offiziers lagen am 2. Juli ca. 2640 Mann im Hospital, nachdem schon 1600 Mann nach Frankreich geschafft worden waren. 'Im Mai allein hatte man 600 Todesfälle zu ver­zeichnen. Auch Kolonialpolitik!

Spanien.

Madrid, 23. Aug. Auf dem Prado fand heute nachmittag eine Kundgebung von 150000 Per­sonen statt, welche mit etwa 60 Fahnen aufgezogen waren. Verschiedene Redner haranguierten die Menge. Die Demonstranten zogen vor dem Ministerratshotel und dem Ministerium des Innern vorbei unter den Rufen:Es lebe die Integrität Spaniens! Es lebe die Armee!" Das deutsche Gesandtschaftspalais wurde in keiner Weise belästigt. Die Regierung hatte die nötigen Maßregeln, um Ausschreitungen zu verhin­dern, getroffen. Ein Gerücht will wissen, daß Deutschland eine japanesischc Insel besetzt habe.

Madrid, 25. Aug. Ein im gestrigen Mini­sterrate, in welchem der König den Vorsitz führte, verlesenes Berliner Telegramm erklärt, die deutsche Regierung lege dem Zwischenfall, betreffend die Be­setzung der Karolineninseln, der die guten Beziehungen Deutschlands zu Spanien nicht ändern könne, keine Wichtigkeit bei. Sie betrachte die Karolineninseln bis zum Beweise des Gegenteils als Niemand angehörig. Spanien habe dort keine Behörde eingesetzt. Eingehen­dere Erklärungen würden durch einen Kurier erfolgen.

Figaro" will wissen, der spanische Minister des Auswärtigen habe dem deutschen Gesandten, Grafen Solms, vorgeschlagen, Italien zum Schieds­richter über die Karolineninseln zu ernennen, und dieser habe in der Sache nach Berlin berichtet.

England.

London, 26. Aug. DieTimes" bespricht den Streit zwischen Deutschland und Spanien über die Karolinen-Inseln und meint, Deutschlands An­spruch mag nichts anderes sein als ein Vorspiel zu einem anderen Ansprüche, welcher durch das Aufge­ben des ersten annehmlicher gemacht werden solle. (Merkwürdigerweise hatte die konservativeSt. James' Gazette" schon gestern darauf angespielt,daß Fürst Bismarck auf eine viel größere Kolonie als die Karo- linen-Jnseln seine Augen geworfen hat.")

Die Engländer protestieren in Telegrammen an das auswärtige Amt in Paris gegen den ihnen gemachten Borwurf, sie hätten den in Egypten er­folgten Tod des Berichterstatters Olivier Pa in auf dem Gewissen. Der Sekretär Egerton und Major Kitschener erklären beide, daß sie durchaus keine Schuld an Pains Tod trügen und daß die ihnen von Roche- fort gemachten Borwürfe ungerechtfertigt seien. Ob sich Rochefort nun zufrieden geben wird? Schwerlich!

Wer löst sie ein? Gordon hatte in Chartum, da ihm M. Gladstone trotz seiner Bitten kein Geld schickte, Papiergeld anfertigen lassen. Nun wollen die Besitzer dieser Gordon'schen Scheine sie von der egyptischen oder englischen Regierung eingelöst haben. Dazu ist auf beiden Seiten wenig Lust vorhanden. Aber die Sache hat auch noch einen anderen Haken. Es sind inzwischen nämlich von Fälschern noch viele solche Gordon'sche Scheine angefertigt worden und niemand vermag dieselben von den echten zu unter­scheiden. Ja, ja, der Tod Gordons rächt sich bitter. Rußland.

AusRußland. (Nihilistische Enthüllungen.) Die Nihilisten sind in der letzten Zeit ziemlich ruhig gewesen, die von ihnen herausgegebenen periodischen Zeitschriften sind bis auf zwei eingegangen und die früher so zahlreich erscheinenden Broschüren haben nahezu ganz nachgelassen. Es scheint somit eine Müdigkeit über die Nihilisten gekommen zu sein, welche auch von der nihilistischen MonatsschriftAll­gemeine Sache" anerkannt wird. Das Blatt bezeich­net das Ende des großen Kampfes gegen die bestehen­den Dinge als einen großen Triumph der Selbstherr­schaft.Die Verschwörungen haben nahezu aufge­hört, die liberale Partei hat die Waffen gestreckt, indem sie alle Zweige der Verwaltung den Reaktionä­ren überließ, und wenn man in Rußland hier und da noch einige Spuren von Kritik gegenüber der Regierung bemerkt, so sind dieselben so schwach, daß die Negierung ohne viele Mühe dieses Gespenst des Liberalismus unterdrücken kann, sobald sie nur ernstlich will; es wird nur geduldet, weil es ganz unschuldig