Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
.N 91.
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Donnerstag den 6. August.
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>1885.
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Der Nationalitätenkamps in Böhmen.
Das Nationalitätenprinzip hat sich in unserem Jahrhundert mächtig entwickelt und namentlich unter den Slaven Propaganda gemacht, und hier wiederum sind es die slavischen Bölkerstämme des vielsprachigen Habsburgischen Kaiserreichs, welche sich eifrigst bemühen, eine nationale Selbstständigkeit zu erringen, soweit dieselbe eben innerhalb des gemeinsamen Rahmens der österreichisch-ungarischen Monarchie möglich ist, ohne den Bestand des Gesamtstaates Oesterreich selbst auf's Ernstlichste zu gefährden. Polen und Czechen, Croaten und Slovenen, alle bemühen i sie sich, gewissermaßen einen „Staat im Staate" zu j bilden und meistens ist es das Deutschtum, welches
j die Kosten dieser Bestrebungen zu tragen hat. Es
ist daher kein Wunder, daß man auch aus deutscher Seite dem Andringen der slavischen Hochflut einen zähen Widerstand entgegengesetzt, gilt es doch, deutsche ' Sprache, deutsche Sitte und Gesinnung gegen die immer üppiger aufwuchernden nationalen Bestrebungen der österreichischen Slaven zu schützen, und daß da die nationalen Gegensätze und Leidenschaften , öfters hart auf einander stoßen, ist unter den ob- I waltenden Umständen begreiflich. In besonders hervorragender Weise ist dies aber in Böhmen der Fall, wo sich Deutsche und Czechen schroff gegenüberstehen, und wo der Antagonismus zwischen beiden Nationalitäten sich fast auf jedem Gebiete des öffentlichen Lebens bemerkbar macht — eine bittere Ironie auf die „Versöhnungspolitik" des Ministeriums Taaffe! Es mag sein, daß hierbei auch auf deutscher Seite verschiedentlich gesündigt wird, wollten aber die Deutschböhmen all die czechischen Anmaßungen und Ueber- hebungen, wie sie gerade die letzten zwei Jahrzehnte j zu Tage gefördert haben, resigniert ertragen — sie würden gar bald mehr oder weniger im Czechenvolke ! aufgehen, während sie so zäh und energisch jeden Fuß breit ihres Territoriums gegen die czechischen Angriffe verteidigen.
Indessen, der Kampf zwischen den Deutschen und den Czechen in Böhmen datiert nicht erst aus neuerer Zeit, er ist schon Jahrhunderte alt, wie dies uns ein historicher Rückblick zeigt. Als die Wogen der Völkerwanderung sich von Osten her über Europa ergossen und hier eine totale Umgestaltung der Böl- kerkarte bewirkten, da wurden auch die in dem Karpathenland an der oberen Weichsel wohnenden Czechen von dieser Bewegung ergriffen, und drangen im Verein mit anderen verwandten slavischen Stämmen in Böhmen ein, hier die Markomanen verdrängend, die später in der Geschichte ganz verschwinden. In Böhmen erlangten die Czechen bald ein solches Ueberge- wicht, daß ihr Name schon im neunten Jahrhundert die allgemeine Bezeichnung für sämtliche im Lande wohnenden Slaven ward und Böhmen selbst, das seinen Namen von dem vor der Völkerwanderung hier ansässig gewesenen keltischen Volksstamm der Bojer erhalten, mit der Bezeichnung Czechy belegt wurde. Ihren Namen sollen die Czechen angeblich von ihrem ersten Anführer Czech erhalten haben,
welcher der Sage nach auf seinem Zuge den Georgsberg bestieg, das Land überblickte und nachdem er die Ueppigkeit desselben wahrgenommen, voll Freuden ausgerufen haben soll: „Hier, Brüder laßt uns unfern Wohnsitz aufschlagen und das Land des Segens mit aller Leibeskraft bebauen. Hier wählen wir unsere Heimat."
Nun, die Czechen wurden unter der Leitung des Czechs tüchtige Ackerbauer und führten ein friedliches Leben; als aber Czech verschieden war, entspannen sich bald langwierige Kämpfe zwischen seinem Volke und den benachbarten Deutschen; mehrere Male wurden die Böhmen den Deutschen tributpflichtig, bis endlich die Fürsten Böhmens sich entschlossen, ein festes Freundschaftsbündnis nnt den Deutschen zu schließen, und sowohl in kirchlicher als auch in politischer Hinsicht sich dem germanischen Elemente unterzuordnen. Eine gemeinsame Politik wurde für Deutsche und Böhmen hauptsächlich durch die Taufe des Herzogs Borziwoi eingeleitet, welcher bald der Uebertritt der böhmischen Woiwoden zum Christentum folgte und nun machte das letztere seinen segensreichen Einfluß im Böhmenlande machtvoll geltend. Ueberall wurden die alten heiligen Haine ausgerottet, die alten Götzen zertrümmert und die heidnischen Tempel niedergerissen und an ihrer Stelle erstanden christliche Gotteshäuser und Schulen, der neuen Epoche christlicher Kultur die Bahn brechend.
Trotz der strengsten Maßregeln wollte sich indessen das Heidentum nicht ganz bannen lassen; immer wieder bestrebten sich die heidnischen Priester das Heidentum zu regenerieren und die deutschen Missionare zu verdrängen und hier entwickelten sich die ersten Phasen des Hasses der Czechen gegen die Deutschen. Die Fürstin Drahomira versuchte sogar, unter Strömen von Blut Böhmen wieder ganz heidnisch zu machen und der deutschen Schutzherrlichkeit zu entziehen, beides war jedoch ein vergebliches Bemühen und mit dem Tode Drahomiras sank die letzte Stütze des slavischen Heidentums in Böhmen. Allein der Haß der Czechen, selbst als sie nun für immer oem Christentume gewonnen waren, gegen die deutschen Missionare dauerte fort und fand durch das Verhalten ihrer eigenen Fürsten gegen das Deutschtum dieser Haß nur noch größere Nahrung, indem dieselben immer mehr deutsche Kolonisten ins Land zogen, um dasselbe in geistiger und materieller Hinsicht zu veredeln, wofür dann die Deutschen wiederum in politischer Hinsicht bevorzugt wurden. Ottokar der Große, welcher, nach der deutschen Kaiserwürde strebend, im Kampfe mit Rudolf von Habsburg auf dem Marchfelde fiel, dann König Johann der Luxemburger und besonders Karl IV. hatten Deutsche ins Land berufen, ihnen zum Wohnsitz die Kleinseite Prags angewiesen und sie mit Vorrechten ausgestattet, deren die Heimischen lange entbehrten.
Nachdem das Heidentum schon lange zu Grabe getragen worden war und die christliche Kultur nach allen Enden durch deutsche Beharrlichkeit sich Bahn gebrochen, war es nunmehr die begünstigte politische und soziale Stellung der Deutschen in Böhmen, welche den Czechen ein Dorn im Auge war und doch — was haben nicht die Deutschen, gerade in Folge ihrer bevorzugten Stellung für Böhmen gethan! Deutsche Künstler bedeckten am Schluffe des 14. Jahrhunderts das Czechenland mit den schönsten Denkmalen der Kunst, blühende Städte und stolze Burgen erhoben sich, Industrie und Handel florierten und entwickelten sich in deutscher Hand und reiche Schätze sammelten sich in dem „goldenen" Prag,
der Metropole des Böhmenlandes, und machten es zu einer der stolzesten Städte Deutschlands.
(Schluß folgt.)
Tages Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
Altensteig, 3. August. Gestern fand in dem benachbarten Städtchen Berneck ein Kinderfest statt, bei welchem die Jugend durch den Gutsherrn Frhrn. Adolf von Gültlingen mit hübschen Geschenken erstellt wurde. — Der vom hiesigen Schwarzwaldbezirksverein erbaute Fußweg durch den Wald nach Berneck wurde gestern eingeweiht, und es vereinigte sich im Anschluß hieran eine zahlreiche Gesellschaft mit den anwesenden Luftkurgästen im Waldhorngarten in Berneck, woselbst die Stadtkapelle ein Konzert gab. (St. Anz.)
Herrenberg, 1. August. Heute vormittag nahm das 4jährige Kind des Fuhrmanns Widmaier in Abwesenheit seiner Mutter gebratene Aepfel aus dem Herd in sein Schürzchen. Im Nu singen die Kleidchen des Kindes Feuer und dasselbe stand in Flammen. Hierauf suchte das Kind in einem Bett Hilfe, aber auch dieses fing Feuer. Durch den Brandgeruch aufmerksam gemacht, sprangen die Hausleute herbei und fanden das Kind jämmerlich verbrannt, vor. Inzwischen waren die Eltern auch vom Felde zurückgekehrt. Nach Berfluß von 3 Stunden starb das Kind, welches am ganzen Leibe förmlich gebraten war.
Wildbad. Bis heute ist die Zahl der Kurgäste bis auf 4111 angewachsen.
Stuttgart, 3. August. Nills Tiergarten. Vor einigen Tagen warf das Leopardenweibchen in Nills Tiergarten zwei Junge, welche von der Mutter sorgsam gepflegt werden, während der alte Leopard entfernt worden ist, damit er den Jungen nicht ans Leben gehe. — Eine weitere Bereicherung erhielt der Tiergarten durch das Geschenk eines Württembergers in Westindien. Chemiker Ludwig dort sandte Nill ein schönes Exemplar einer Tigerkatze, die gestern wohlbehalten hier angekommen.
Stuttgart. Athlet und Ringkämpfer Gönnewein scheint des Ringens satt zu sein. Nach hier eingetroffenen Nachrichten soll derselbe in Amerika zuerst wieder in einer Schlächterei gearbeitet haben und jetzt als Grubenarbeiter beschäftigt sein. (Eine solche Beschäftigung ist auch nützlicher und vernünftiger.)
Ludwigsburg, 30. Juli. Der Kommandant der gegenwärtig im Hafen zu Kiel befindlichen deutschen Korvette „Olga" erhielt von Ihrer Majestät der Königin Olga von Württemberg vier Remon- toiruhren, mit auf dem Deckel eingraviertem Namenszug, mit dem Aufträge, solche vier Angehörigen der Schiffsmannschaft, welche sich durch treue Diensterfüllung und untadelhaste Aufführung im Dienste ausgezeichnet haben, als Geschenk zu übergeben. Einer dieser Beschenkten ist ein Ludwigsburger, der Obermatrose Karl Wöhrn, welcher seit 1. November 1880 in der deutschen Marine dient und auf S. M. S. Olga im vorigen Jahre die Gefechte am Kamerun gegen die Hickory- und Joß- Neger mitgemacht hat.
Der Hagelschaden vom 30. Juni ds. Js. betrug im Bezirk Balingen 129274 Rechnet man hiezu den vorjährigen Hagelschaden in diesem Bezirk mit 350194 so ergibt sich ein recht hoher Betrag für diesen einzigen Bezirk.