Aro. 56.
61. Jahrgang.
Amts- unä IntekkigenMatt für äen Aezirlr.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile Bezirk, sonst 12
Hamstag, äen 15. Mai 1886.
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Abonnementspreis halbjährlich 1 «tt 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 „iL 70 H.
Amtliche WekcrnnLmachungen.
v. Arnim-Kröchlendorff, mit einem kräftigen Mädchen beschenkt worden.
Calw.
An die Grtsschrrlbehör-en.
Behufs der Bewilligung von Staatsbeiträgen rc. zur Unterhaltung von Arbeitsschulen in denjenigen Gemeinden, für welche nach ihrer ökonomischen Lage eine solche Staatsunterstützung als notwendig erscheint, werden die betr. Ortsschulbehörden hiermit aufgefordert, ihre Jahresberichte unter Benutzung der ihnen unter dem Heutigen zugesandten Formulare bis zum 1. Juli d. I. hieher vorzuleqcn.
Calw, 10. Mai 1886.
K. gem. Oberamt in Schulsachen.
Flaxland. Braun, Stellvertr.
politische Wcrchrffchten.
Deutsches Reich.
Berlin, 11. Mai. Der Kaiser und dieKaiserin werden der Eröffnung der Ju b il ä rrin s - Kurr staus stellun g beiwohnen.
— General-Feldmarschall Graf v. Molke ist in diesen Tagen zum Sommeraufenthalt auf seinem Schloß Creisau eingetroffen.
Kiel, 12. Mai. Wie wir hören, werden sich in nächster Zeit eine größere Anzahl Reichs- und Landtags-Abgeordnete hier einfinden, um sich aus eigener Anschauung über den Lauf des projectirten Nordostsee-Canals zu insormiren. Die Canallinie soll zum Teil per Schiff, zum Teil per Wagen befahren werden. — Karl Riesel, der Inhaber des bekannten Reffebureaus in Berlin, hat den Kieler Dampfer „Helgoland" für eine Reise nach dem Nordcap gechartert. Derselbe Dampfer machte im vergangenen Sommer mit den Mitgliedern des internationaleu Telegraphen-Congres- ses eine Fahrt in See. — Frau Gräfin Guillaume-Schack aus Offenbach beehrt gegenwärtig unsere Provinz mit ihrem Besuch. Heute hat sie „Frauen und Jungfrauen Kiels" zu einer Versammlung eingeladen. Ein von ihr ani Montag in Flensburg angekündigter Vortrag wurde polizeilich verboten, angeblich weil ein Eintrittsgeld für den Besuch der Versammlung erhoben werden sollte. Frau S. beschwerte sich telegraphisch beim Neichs- kanzleramt, erhielt auch auf demselben Wege den Bescheid, daß die Neclama- tion an das Ministerum des Innern zur ressortmäßigen Erledigung abgege-
Berlin , 13. Mai. Die Ausschüsse des Bundesrates haben in ihrer gestrigen Sitzung die Beratung der Branntwein st euervorlagen nicht beendet und soll dieselbe am Samstag fortgesetzt werden. Es verlautet, in Sachen der Maischraumsteuer feien weitgehende Abänderungen in Vorschlag gebracht, welche eine Verständigung der Bevollmächtigten mit ihren Regierungen notwendig erscheinen ließen.
-— Eine Bekanntmachung des Slaattmmsteriums c>. <i. 11. Mai bestimmt auf Grund des H 28 des Socialistengesetzes mit Zustimmung des Bundesrats, daß in Berlin, den Stadtkreisen von Potsdam und Charlotte nbnrg und den Kreisen Teltow, Niederbarnim und Osthaveland Versammlungen zur Beratung öffentlicher Angelegenheiten ausgenommen, Versammlungen zwecks ausgeschriebener Reichstags- oder Landtags mahlen einer mindestens 48 Stunden vor Beginn derselben vom Unternehmer einzuholenden, schriftlichen Genehmigung der Orts-Polizeibehörde bedürfen.
— Autz' K öslin wird gemeldet, daß Gras Wilhelm Bismarck, z. Z. Landrat in Hanau, zum Regierungspräsidenten in Hanau designiert sei.
— Fürst Bismarck ist wieder Großvater geworden: sein zweiter Sohn, der Geh. Reg.-Rat und Landrat rn Hanau, Graf Wilhelm v. Bismarck, ist am 10. Mai abenvs von seiner Gemahlin, gedorrten
den sei.
Amerika.
— Wie telegraphisch gemeldet, ist der Anarchistenführer Most in New-Aork verhaftet worden. Er scheint sich seit dem 28. April versteckt gehalten zu haben; denn an jenem Tage wurde der Haftbefehl gegen ihn erlassen, weil er am 23. in öffentlicher Versammlung aufgefordert hatte, zu den Waffen zu greifen. Kurz vorher hatte er einem Berichterstatter des „Herald" gegenüber den Richter Smyt verunglimpft, der einen Arbeiter Namens Karl Willmund wegen Aufruhrs zu 3>/e Jahren Gefängnis verurteilt hatte. ..Kann irgend etwas die Freiheit dieser merkwürdigen Republik besser kennzeichnen?" sagte Most. „Die Amerikaner wollen nicht sehen und nicht hören. Es wäre zu wünschen, daß bald ein Cäsar käme, der sie an der Gurgel faßte; dann fühlten sie sich vielleicht glücklicher." Also auch der große amerikanische „Freistaat" hat es schon mit Ehren-Most verdorben. Es ist eben noch etwas zu viel Ordnung im Lande, bemerkt die „K. Z." und darunter muß der verhaftete Wühler jetzt leiden. — Die Chicagoer Effenbahn-Bediensteten nahmen ihre Thätigkeit auf. In Chicago befinden sich etwa 50 Anarchisten hinter Schloß und Riegel und sehen dem Prozeß für ihre jüngsten Verbrechen entgegen. In Cincinnati fand kein weiterer Ausbruch statt, da die Stadt gut bewacht wird. Die Sozialisten verzichteten auf alle ihre Meetings. Der
t Nachdruck verboten^
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
(Fortsetzung.)
„Von wem sprichst Du den», Papa?"
„Von wem sonst, als vom -roten Mathies".
Sie athmete auf.
„Ach so, Du kennst die Geschichte noch gar nicht, natürlich! da auch die Unterredung zwischen mir und dem roten Mathies eine ganz geheime war".
Sie fragte kopfschüttelnd nach dem Inhalt derselben. Ihr Vater erzählte ihr Alles ausführlich.
„Das Verbrechen hat schon seine Sühne gefunden", schloß er seinen Bericht. „Der rote Mathies ist in dem Kanal ertrunken".
„Und glaubst Du wirklich, daß er der Mörder war?" fragte sie.
„Zweifelst Du daran?"
„Sehr stark".
„Aus welchem Grunde, da doch alle Beweise —"
„Beweise? Was für Beweise?"
„Die Uhr in der Matratze, das Geld von meinem Komptoirtisch, das man in seinem Koffer fand".
„Kann die nicht auch eine andere Hand dort verborgen haben, um den Verdacht auf den roten Mathies zu lenken, der als Anarchist seit den neu entdeckten Massenmorden dieser Partei auch ohnedem schon sehr verdächtig war ?"
. Kommerzienrat trat einen Schritt zurück; er heftete sein Auge
durchdringend und ängstlich zugleich auf seine Tochter.
„Du würdest das kaum aussprechen", sagte er, „wenn Du nicht selbst einen bestimmten Verdacht in dieser Richtung hättest".
„Nun ja", gab sie zögernd zu, „ich habe einen solchen".
Seine Verwirrung wuchs.
„Und welchen?" fragte er kaum vernehmlich.
Ihre Brauen zogen sich finster zusammen; sie schüttelte heftig verneinend den Kopf.
Nichts in der Welt wird mich je bewegen, diesen Verdacht gegen irgend Jemand laut werden zu lassen", sagte sie.
„Du — kennst — den Mörder?"
Der Kommerzienrat sagte es mit heiserer versagender Stimme. Seine Augen leuchteten in diesem Augenblick wie die des Raubtieres, welches seine Beute belauert. -
„Vielleicht", entgegnete Klara mit einer Bestimmtheit, die eher wie zu- »ersichtliche Bestätigung klang.
„Und wirst ihn niemals nennen?"
„Nie -- niemals".
„Auch — mir nicht, Deinem Vater?"
Klara überlegte.
„Doch", sagte sie dann, „unter einer einzigen Bedingung".
„Welche?"
„Daß Du mich zuvor von der Lächerlichkeit jener Anklage des jungen Förster überführst".
„Du glaubst daran?"
„Nein".
„Nun also".
„Und dennoch".
„Was verlangst Du".
„Mit Dir, an Deiner Seite, einen Rundgang durch die Kellergewölbe zu machen — weiter nichts".
„Bist Tu wahnsinnig?"
„Nein, aber damit ich es nicht werde, gewähre mir diese Bitte."
Kalte Schweißtropfen hatten sich während dieser wenigen Worte aus