Hof, 3. Juli. Ein seltenes Geschöpf kam heute nachmittag in Begleitung seiner Eltern hier durch. Es war dies eine Gestalt mit zwei Köpfen, vier Armen und Händen und zwei dem Aeußeren nach vollständig entwickelten Oberkörpern, die bei der sechsten Rippe zusammengewachsen sind und nur zwei Beine zum Ausgang haben. Die beiden Oberkörper dieser männlichen 7K» Jahre alten Mißgestalt scheinen ziemlich unabhängig von einander zu sein, Beide nehmen beliebige Speise und Trank zu sich, und auch die Sprache ist eine entwickelte. Die Eltern (Italiener) reisen von hier nach Plauen, um ihre unglücklichen Nachkommen zur Schau auszustellen.
Mannheim, 14. Juli. (Zur Sonntagsfeier). Von den 418 Ladengeschäften in Mannheim erklärten sich 236 bereit, ihr Geschäft Sonntags geschlossen halten zu wollen, während 94 nur unter der Bedingung Sonntags schließen wollten, wenn sie auch noch die fehlenden 182 beteiligten. Die Mehrheit stimmte nur für Schließung des Ladengeschäfts Sonntags nachmittags. Diesem Beschlüsse waren am letzten Sonntage bereits mehrere Geschäfte nachgekommen.
Hannover, 15. Juli. Bei dem am gestrigen Abend in Folge des Schützenfestes stattgehabten Festessen brachte Bürgervorsteher Winkelmann einen Trinkspruch auf den Herzog von Cumberland aus. Er wurde lärmend unterbrochen, während der Oberpräsident und die Staatsbeamten den Saal verließen. Senator Bube forderte sodann den Redner auf, das Lokal zu verlassen.
Berlin, 15. Juli. Der spanische Arzt Fer- ran, der sich bekanntlich seit geraumer Zeit mit Untersuchungen über die Cholera beschäftigt und ein Mittel gefunden zu haben glaubt, durch Impfung dem Ausbruch der Krankheit, bezw. ihrer Uebertragung cntgegenzuwirken, hat an die französische Akademie der Wissenschaften ein Schreiben gerichtet, worin er den von ihr für ein sicheres Mittel gegen die Cholera ausgeschriebenen Preis im Betrag von 100 000 Franken für sich beansprucht. Die Akademie hat ihn nun aufgefordert, erst seine Jmpfflüssigkeit zur Untersuchung einzusenden.
Berlin, 15. Juli. In der heutigen Versammlung der Baugewerksmeister wurde konstatiert, daß bereits 2204 Maurergesellen, dreimal soviel wie am 11. Juli, oder ein Viertel aller wieder beschäftigt sind.
Berlin, l5. Juli. Von Wien aus wird die Begegnung des Kaisers Alexander und des Kaisers Franz Joseph als sehr wahrscheinlich in Aussicht gestellt.
Berlin, 16. Juli. Im Prozeß Schmidt gegen Stöcker ist letzterer zu 150, ersterer zu 50 M. Geldstrafe verurteilt worden.
Im August findet in Berlin ein internationaler Telegraphen-Kongreß statt, aus dem der Antrag, einen einheitlichen Tarif für ganz Europa einzuführen, wiederholt eingebracht werden wird. Rußland und die Schweiz sollen dem entgegen sein.
Tie Militairschießschule in Spandau verwendet jetzt Pferde als Versuchsobjekte. Thiere, die nicht mehr zur Arbeit zu brauchen sind, werden gekauft, aus die Schießstände gebracht, dort chloroformiert und dann wird nach ihnen geschossen. Man prüft auf diese Weise die verschiedensten Geschosse aus ihre Durchschlagskraft an lebenden Körpern.
Briefen, 10. Juli. Ein furchtbarer Brand hat nicht weniger als 37 Gehöfte mit zusammen 113 Gebäuden vernichtet. Wie das Feuer entstand, ist zur Stunde noch nicht aufgeklärt. Der verursachte Schaden wird aus 2—300 000 Mark geschätzt.
Ein eigenartiger Unfall trug sich am Sonntag den 15. d. Al. in der Kirche zu Bomsdorf im Kreise Guben zu. Der „Tgl. Rundschau" wird darüber geschrieben: Herr Prediger Krügel hatte im Gottesdienste soeben die Kanzel betreten und war zum Gebet nicdergekniet, als sich plötzlich die Kanzel ablöste und niederstürzte. Die Gemeinde wurde von keinem geringen Schrecken ergriffen. Zum Glück kam der Geistliche ohne erhebliche Verletzungen davon; außer einigen Hautabschürfungen im Gesicht wurde ihm durch einen Glasscherben der zertrümmerten Brille eine nicht unbedeutende Wunde zngesügt, die der schnell aus Neuzelle herbeigcrufene Arzt zunähte. Schon vor einigen Wochen hatte der Prediger beim Betreten der Kanzel ein verdächtiges Knistern bemerkt, demselben aber keine Beachtung geschenkt. Ter Gottes
dienst hatte unter diesen Umständen ein frühzeitiges Ende gefunden.
Ein scheußliches Verbrechen erregt die Gemüter von Bochum. Bor einigen Tagen befand sich der Ackerknecht Wilhelm Kuhlmann aus Werne auf dem Felde und hatte derselbe sich auf eine Wiese begeben, um Wasser zu trinken. Während er sich bückte, um aus dem Brunnen zu trinken, wurde er von 2 Männern überfallen und mit scheußlicher Rohheit kunstgerecht (wie es in einer Bekanntmachung der Staatsanwaltschaft heißt) entmannt. Die Thäter sind nach Begehung des Verbrechens sofort entflohen.
Ueber eine beachtenswerte Maßregel gegen die Ueberhandnahme der Trunksucht berichtet die „Schl. Z.": „Für den Umfang des Amtsbezirks Stabelwitz, Kreis Breslau, ist unter Zustimmung des Amtsausschusses nachstehende, gegen die Ueberhandnahme der Trunksucht gerichtete Polizeiordnung ergangen: „Es ist verboten, Branntwein oder andere Spirituosen durch schulpflichtige Kinder holen zu lassen oder ihnen dergleichen — selbst auf schriftliche Anweisung ihrer Eltern oder Erzieher — zu verabfolgen. Wer hiergegen fehlt, den trifft für jeden einzelnen Fall eine Geldbuße bis zu 9 -,16, im Unvermögensfalle bis zu 2 Tagen Haft." (Ob dies wirksam, dürfte sehr zweifelhaft sein; denn die Branntweindurstigen werden sich dann ihr Gläschen selbst holen und oft und lang dabei sitzen bleiben).
Straßburg, 14. Juli. (Preisausschreiben). Die amtliche Zeitung veröffentlicht nachstehendes Preisausschreiben: Seitens des kaiserlichen Staatssekretärs für Elsaß-Lothringen sind für Abfassung einer volkstümlichen Schrift, welche in Form einer Erzählung die schädlichen Folgen des Lasters der Trunksucht zu lebendiger Darstellung bringt, 3 Preise ausgesetzt worden von 300 -, 16 , 200 -,16 und 100 „16 Die Arbeiten sind bis Ostern 1886 bei dem kaiserlichen Schulrat für Elsaß-Lothringen in Straßburg einzureichen und sollte höchstens 40 Druckseiten umfassen. Die Entscheidung über die Preisverteilung wird durch eine vom Oberschulrat zu berufende Kommission bis zum 1. Juli 1886 getroffen werden. Oesterreich-Ungarn.
Unterschlagungen ohne Ende. In einem hervorragenden Wiener Handelshause ist eine große Defraudation entdeckt worden; ein Prokurist hat gemeinsam mit dem Sohne des Hauses zweimal- hundertdreißigtausend Gulden den Kassen entnommen und unterschlagen. Die gerichtliche Anzeige unterblieb bisher, weil die reichen Freunde des Prokuristen den Schaden decken wollen; deshalb dürfen auch noch keine Mmen genannt werden.
Frankreich.
Paris, 14. Juli. Das Nationalfcst begann mit Revuen der Truppen in den Champs Ely- sees und in Bincennes und der Schützenbataillone auf der Place Republique. Die Beflaggung der Privathäuser ist schöner und allgemeiner als je. Die Rue Paix, sonst fast schmucklos, ist diesmal eine der schönsten. Die Demonstration der Patriotenliga unter Derouläde und mehrerer elsaß-lothringischen Vereine' verlief bei großer Beteiligung würdig und ohne Zwischenfall. Ein Dutzend großer Kränze, viele Bouquets und Fahnen wurden auf die Statue Straßburgs gehäuft.
Paris, 16. Juli. Die englischen Journale erachten den Krieg als bevorstehend. Die „Agence Havas" meldet, daß die englische Grenzkommission nach Herat berufen sei, um die Verteidigung des Platzes zu organisieren.
In Frankreich ist die Zahl der Wölfe noch eine recht bedeutende. Nach amtlichen Nachrichten sind im Jahr 1883 auf französischem Boden nicht weniger als 1308 Wölfe erlegt und dafür 103 720 Fr. Abschußprämie gezahlt worden.
England.
London, 13.Juli. (Scheußlicher Mord.) I. Tuck er, ein Schuhmacher, wurde gestern von dem Geschworenengericht in Nottingham wegen der Ermordung seiner Concubine zum Tode verurteilt. Tucker sowohl wie das Frauenzimmer waren dem Trünke ergeben, und Streitigkeiten unter ihnen waren etwas Alltägliches. Als nun am 10. Mai spät abends der Verurteilte betrunken nach Hanse kam, entspann sich wiederum ein Wortwechsel, der damit endete, daß Tucker die Frau niederschlug, als sie aus der Erde lag, eine Flasche Pcirafstn-Oel über sie auSleertc und ihre Kleider in Brand steckte. Als die auf das Geschrei der Unglücklichen herbcigeeiltcu Nachbarn ihn
zur Hilfeleistung aufforderten, antwortete der mit verschränkten Armen dabeistehende Unmensch: „Laß sie brennen!" und in wenigen Tagen unterlag die Frau ihren fürchterlichen Leiden.
London, 14. Juli. „Daily News" erklärt, daß ein Vorschlag wegen Auslösung des Generals Gordon, wie von dem „Jntransiaeant" erzählt wird, niemals der vorigen englischen Regierung unterbreitet worden ist.
London, 16. Juli. Die „Times" schreibt: Alle Mächte außer Rußland willigten in die Emission der neuen egyptischen Anleihe ein.
Ein Extrablatt der Pall Mall Gazette in London mit dem Artikel: „Jungsrauen-Tribut", hat wie ein Blitz eingeschlagen und ist an einem Tag in 100000 Exemplaren verkauft worden. Es deckt entsetzliche Liederlichkeit und Verworfenheit auf, namentlich unter den „oberen Zehntausend" und noch höher hinauf. Totschweigen läßt sich die Sache nicht, sie ist vielmehr schon im Parlament und vor dem Lord-Major zur Sprache gekommen. Die betr. Kreise schwanken, ob sie die Miene pharisäischen Hochmutes annehmen oder an ihre Brust schlagen wollen.
Die englischen Fabrikanten sind die unverschämtesten Menschen, die es auf Gottes Erdboden gibt. Jetzt erheben sie wieder in der „Times", diesem größten englischen Blatt, das seinerseits wieder an Unverschämtheit und Deutschenhaß allen anderen englischen Blättern über ist, ein gewaltiges Geschrei, daß die Chinesen sich in Deutschland Lokomotiven und Eisenbahnwagen bestellt haben. Als ob die Chinesen dazu der englischen Erlaubnis bedürften. Und als ob wir Deutsche nicht ebensogut wie die Herren Englishmen Lokomotiven bauen könnten! Wahrscheinlich können wir's noch besser, sonst würden sich die Chinesen nicht mit ihren Aufträgen an uns wenden. „Schickt Agenten nach China, unterbietet die Deutschen!" rufen die Engländer, „sonst seid ihr ums chinesische Geschäft gekommen!"
Nachdem die Engländer aus dem Sudan fluchtartig sich zurückgezogen haben, herrscht den neueren Nachrichten zufolge in dem ganzen Gebiete zwischen dem roten Meer und Nil die vollständigste Anarchie, so daß nur noch große und vollbewaffnete Karawanen reisen können, welche überdies die Reiseerlaubnis von Osman Digma um hohen Preis erkaufen müssen. Das auf diesem Wege einkommende Geld soll zu neuem Bekriegen der Engländer verwendet werden.
General Wolseley ist am Montag nachmittag mit seinem Stabe in London eingetroffen. Eine zahlreiche Menschenmenge erwartete den General an der Viktoria-Station und begrüßte ihn mit enthusiastischen Zurufen.
Rußland.
Petersburg, 11. Juli. Aus den inneren Gouvernements wird über fürchterliche Hitze berichtet. In Tambow erreichte dieselbe gestern 40 Grad.
Wilna, 14. Juli. (Ueble Ernteanssichten.) Die Hoffnung aus eine gute diesjährige Ernte schwindet bei uns mehr und mehr. In manchen Gegenden sind Gras und Sommergetreide durch die während dreier Wochen andauernde Trockenheit verdorrt. Die Roggenähren sind vor der Zeit gelb geworden. In anderen Gegenden wiederum haben die vielen Gewitter, verbunden mit Hagelschlag, große Verwüstungen angerichtet. Der Kreis Trock hat u. a. am meisten gelitten; die Roggenernte ist dort nahezu vernichtet. Man befürchtet, daß in vielen Gegenden Littauens ein Notstand eintreten werde.
Lemberg, 14. Juli. Aus Petersburg wird dem Przcglond telegraphiert: Die Stadt Kursk steht seit gestern in Flammen; das Feuer hat bei einer Hitze von 30 Grad so rasch um sich gegriffen, daß schon in einer Viertelstunde hundert Häuser eingeäschert wurden. Es brennt noch fort.
Türkei.
Nus der BalkanHalbinsel droht die Sv mm er stille durch einen Konflikt zwischen der Pforte und der griechischen Regierung unterbrochen zu werden. Letztere hat alle griechischen Konsulate in der Türkei aufgehoben, da sich die Pforte beständig
weigerte, verschiedenen griechischen Konsnlar-Fnnktionai-
ren das Exequatur zu erteilen. Bei den lebhaften Handelsbeziehungen Griechenlands zur Türkei ist die Einziehung aller griechischen Konsulate in der Türkei eine sehr empfindliche Maßregel auch für die griechischen Kaufleutc und Handelstreibenden und erscheint